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Augen auf und durch heißt es für die junge tatarische Bäuerin Suleika, nachdem ihr Mann vor ihren Augen erschossen wird - einfach so. Er ist einer der wohlhabenderen Bauern seiner Region, ein Kulak also und weigert sich, den Befehlen des stalinistischen Regimes beugen - bedingungslose Abgaben und Umsiedlung. So wird Suleika, deutlich jünger als ihr Mann und bisher nicht an Selbständigkeit gewöhnt, auf eine Odyssee geschickt, die über ein Gefängnis in Kazan mitten in die Taiga, nach Sibirien führt, in bisher unbesiedeltes Gebiet, wo sie mit anderen Leidensgenossen, die aus unterschiedlichen Gründen verschickt wurden - Kulaken wie sie, Intellektuelle, "richtige" Straftäter, eine Kolonie gründet. Ja, Suleika öffnet in der Tat erst jetzt ihre Augen und das zieht so einiges nach sich!
Ein etwas anderer Road-Movie ist dies, in dem ein Häufchen Deportierter einfach so durch die sowjetische Landschaft geschickt wird, bis sie - eher durch Zufall - an einem Ort landen, an dem sie seßhaft werden können, einer der ganz besonders tragischen Art. Denn keiner dieser Menschen wollte seine gewohnte Umgebung verlassen, sie sind allesamt dazu gezwungen worden - wie Millionen anderer in den Jahren des Stalinismus.
Die Autorin Gusel Jachina stammt selbst aus Tatarstan und geht in ihrem Buch einem Teil der Geschichte ihrer Vorfahren nach, einem sehr schmerzhaften, den sie nichtsdestotrotz mit großartig gezeichneten Figuren, jede davon mit absolutem Wiedererkennungswert, sowie einer gehörigen Ladung Atmosphäre ausstattet. Nur pro forma erwähne ich, dass ihre Erzählungen obendrein auf sorgfältigen Recherchen basieren.
Ein spannendes Buch, wenn auch die Autorin aus meiner Sicht (noch) nicht ganz die Faszination erreicht, die bspw. eine Sofi Oksanen mit ähnlichen Themenkreisen zu vermitteln vermag, ein ausgesprochen eindringliches noch dazu, das ich mit Sicherheit nicht so schnell vergessen werde, und dem trotz der ganzen Tragik, die durchgehend mitschwingt, eine Prise Leichtigkeit innewohnt.
Das kurze Geleitwort der großen russischen Autorin Ludmilla Ulitzkaja fällt euphorisch aus, was ich wirklich gut nachvollziehen kann - ich hoffe auch, dass Gusel Jachina weiterschreibt und dabei thematisches Neuland beschreitet. Sehr zu empfehlen für jeden, bei dem das Interesse für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts internationaler Natur ist und der neben historischen Fakten eine gute Geschichte zu schätzen weiß.