Kate Atkinson - Glorreiche Zeiten/A God in Ruins

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    Originaltitel: A God in Ruins


    „Glorreiche Zeiten“ ist das „Geschwisterbuch“ zu „Die Unvollendete“, es erzählt das Leben von Teddy, dem Lieblingsbruder der Unvollendete-Hauptfigur. Es umspannt dabei ein langes Leben, auch wenn seine Zeit als Pilot im 2. Weltkrieg viel Raum einnimmt, die Autorin arbeitet immer wieder mit Zeitsprüngen und auch Teddys Tochter Viola und seine Enkel kommen zu Wort.


    Für mich überwiegen in diesem Buch die traurigen Momente, Teddys Jugend mag glorreich gewesen sein, glücklich wurde er in seinem Leben nicht oder jedenfalls nie für eine längere Zeit. Auch wenn Ted versucht „ein gutes Leben“ zu führen, überwiegen für mich die schlechten Zeiten. Seine Tochter Viola ist eine sehr kalte und ich-bezogene Person und es dauert bis zum Ende, bis sie mal Selbstreflexion zulässt. Da nutzt es auch nichts, wenn man schwierige Momente ihrer Kindheit und damit Gründe für ihre Entwicklung kennt – sie wirkt einfach unsympathisch und schädigt auch ihre Kinder durch ihr Verhalten.


    Teddy ist ein netter Kerl und man wünscht sich für ihn ein besseres Leben (mit einer liebevollen Tochter!) und findet doch keinen richtigen Ansatz dafür. Und obwohl die Handlung und das Leben Teddys und seiner Familie größtenteils vollkommen normal und alltäglich ist, wirkt es als Ganzes auf mich doch unglaublich deprimierend.


    4ratten

  • Kann ich die Glorreichen Zeiten auch ohne Die Unvollendete lesen? Auf meinem SUB liegt A god in ruins, weil das Buch auf der Leseliste steht. Das andere Buch dagegen nicht.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Doch ich glaube, das geht. Die Unvollendete spielt ja sowieso mit verschiedenen Lebensläufen Ursulas, dabei konzentriert sie sich primär auf die Kindheit Ursulas und ihre Zeit im Krieg. Teddy als jüngerer Bruder war da noch ein kleiner Junge bzw. als Pilot von der Familie entfernt stationiert. Die Überschneidungen sind wie so ein Spin-Off einer Serie, man erkennt halt Personen wieder bzw. weiß vorab ein bisschen mehr über sie. "Ach guck an, den Hund hat er jetzt, den hat Ursula doch bei der und der Gelegenheit gefunden, stimmt, den hat sie ihm in einem ihrer Leben bei einem Besuch mitgebracht."

  • Meine Meinung
    Ich kannte Kate Atkinson bis jetzt nur von ihren Krimis und war deshalb auf diese Geschichte sehr gespannt. Am Anfang habe ich mich schwer getan. Teddys Nachmittag mit der Tante die er irgendwie komisch fand, war so gar nicht das, was ich von der Autorin kenne.


    Aber dann hat mich die Geschichte gefesselt. Von Anfang an gibt es so viele Missverständnisse und falsche Einschätzungen von Personen und Ereignissen. Mehr als einmal habe ich mir gedacht, die Menschen müssten mehr miteinander reden, dann könnten sie Dinge klären und wären wahrscheinlich glücklicher. So aber konnten sie ihr Glück nicht festhalten.


    Kate Atkinson erzählt keine außergewöhnliche Geschichte. Im Gegenteil: Teddys Leben und das seiner Familie ist recht durchschnittlich. Aber gerade deshalb ist sie so berührend, weil man die Menschen bei allen Schritten begleitet und sie doch nicht vor Fehlern und Unglücken bewahren kann.
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Kate Atkinson - Glorreiche Zeiten“ zu „Kate Atkinson - Glorreiche Zeiten/A God in Ruins“ geändert.
  • Schon als Kind ist Teddy so naturverbunden wie vernarrt in Sprache und Literatur und bleibt diesen Vorlieben auch als erwachsener Mann ebenso treu wie den Werten, an die er glaubt wie Integrität, Sparsamkeit und harte Arbeit. Doch was sein langes Leben am stärksten prägen wird, ist seine Zeit als Bomberpilot im Zweiten Weltkrieg, eine Tätigkeit, die so gar nicht zu dem stillen Mann zu passen scheint, der lieber Vögel beobachtet als auf die Jagd geht und sich nicht gerne in den Vordergrund spielt.


    Seine Ehe mit Nancy, der Nachbarstochter seiner Kindheit, endet leider mit deren frühem Tod, zu seiner zunächst nur unkonventionell-freigeistigen und später ganz schön verbissenen und arroganten Tochter Viola hat er nie ein enges Verhältnis aufzubauen vermocht, weder zu ihrer Zeit als Hippiebraut noch später, als sie Karriere als Schriftstellerin macht (was schon an Ironie grenzt, weil er es nie geschafft hat, ihr seine Leidenschaft für Poesie und Sprache zu vermitteln). Zu seiner Enkelin wiederum knüpft er eine tiefe Verbindung, fast ist sie ihm die Tochter, die er so nie hatte.


    Zusammengefasst wirkt die Handlung dieses Romans gar nicht sonderlich aufsehenerregend, aber Kate Atkinson macht Teddys Lebensgeschichte lesenswert, indem sie sie nicht chronologisch linear erzählt, sondern langsam ein Puzzleteil nach dem anderen aus verschiedenen Zeitebenen vor den Lesern auslegt, bis sich alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt und man manches neu bewerten muss und anderes plötzlich zu verstehen beginnt. Sie erzählt dabei nicht nur aus Teddys Perspektive, sondern schlüpft auch mit großem Einfühlungsvermögen in die Rollen von Viola, Nancy und seiner Enkelin Bertie, so dass wir Teddy sowohl in der Innenschau als auch mit den Blicken der anderen kennenlernen.


    Gleichzeitig ist das Buch ein schönes Zeitdokument über den Wandel, den die Welt zwischen Teddys Geburt zu Beginn des 20. und seinem Tod Anfang des 21. Jahrhunderts durchlaufen hat, eine Veränderung, die Teddy nicht immer nachvollziehen konnte, blieb er doch ein stückweit immer dem 2. Weltkrieg verhaftet, nicht zuletzt, weil ihn das Dilemma, mit seinen Bomberflügen Tod und Zerstörung auch über viele Zivilisten gebracht zu haben, nie ganz losgelassen hat. Gut recherchierte und geradezu detailverliebte Szenen aus dem Einsatz stehen in starkem Kontrast zu Teddys Liebes- und Familienleben, fast ist es, als sei er auf dem Pilotensitz ein ganz anderer Mensch, in einer Welt, zu dem seine Angehörigen keinen Zugang haben.


    Leser*innen, die "Die Unvollendete"/"Life After Life" kennen, werden dieses Buch mit besonderem Augenmerk auf Teddys Schwester Ursula lesen und immer wieder kleine Anspielungen darauf erkennen - den Schluss dieses Romans eingeschlossen.


    Ein ebenso schönes Buch wie "Die Unvollendete", das ich sehr gerne weiterempfehle.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen