Johann Wolfgang von Goethe - Die Leiden des jungen Werther

Es gibt 138 Antworten in diesem Thema, welches 41.802 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von sandhofer.

  • Dann warst Du noch nie verliebt, ich meine, so richtig verliebt. Nicht, alle 3 Wochen einen Neuen. Werther spürt den Schmerz, den ich kenne und von daher ist er nachvollziehbar. Irgendwann Mal, wirst sehen, siehst Werther mit anderen Augen. Kommt noch.

  • Also etwas muss ich da schon noch geraderücken:



    man kann nicht wirklich das Urteil über ein Stück Literatur davon abhängig machen, ob man zum Helden Sympathie entwickelt. Bei Shakespeares Königsdramen jagt ein Schurkenstück das nächste... Entscheidend sollte sein, ob der Held/die Heldin Bedeutung und etwas zu erzählen hat. Das trifft auf Werther zu; auch wenn nicht alle den Gefühlsüberschwang nachvollziehen können. Ich beispielsweise sympathisiere auch nicht mit Richard III (der mit dem Königreich und dem Pferd).


    Und was die Angemessenheit der Reaktionen betrifft: an der Messlatte heutiger coolness gemessen, könnte ich meinen geliebten Jean Paul (der auf dem Avatar) komplett zu Konfetti verarbeiten: hält man etwa den "Hesperus" schief, laufen die vielen Tränen heraus. Das Konfetti würde für eine ansehnliche Parade reichen, wäre aber doch unendlich schade. Von der "Überreaktion" einer kleistschen Penthesilea mal ganz zu schweigen.


    Ergo: solche Überreaktionen sind die Triebfedern großer Literatur. Ohne irgend etwas außergewöhnliches, was einer Geschichte einen Sinn, eine Perspektive, einen Mittelpunkt gibt, gäbe es im Grunde nichts, weshalb man das alles erzählen sollte. Oft dreht sich die ganze Handlung darum. Es muss ja nicht jedem gefallen, nur verstehen und objektiv einordnen sollte man es schon.


  • Dann warst Du noch nie verliebt, ich meine, so richtig verliebt. Nicht, alle 3 Wochen einen Neuen. Werther spürt den Schmerz, den ich kenne und von daher ist er nachvollziehbar. Irgendwann Mal, wirst sehen, siehst Werther mit anderen Augen. Kommt noch.


    Das ist jetzt aber doch recht vermessen, cori. Genauso könnte ich nun sagen, dass Du noch nie richtig gelitten hast und das auch das irgendwann noch kommen wird :zwinker:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Mag sein. Ich wollt nicht persönlich beleidigen. Denke jedoch, man muss Werther fühlen. Wenn man das Gefühl nur an der Oberfläche kennt, kann man sich leicht denken: BÄH!

  • Selbst wenn man das Gefühl kennt kann man sich bei Werther seinen Teil denken ;)
    Ich persönlich kann jedenfalls mit dem Werther einfach nichts anfangen und das hat nichts damit zu tun das ich ihn nicht nachvollziehen könnte. Und das obwohl ich ansonsten schon sehr viel von Goethe halte und vor allem den Faust und seine Lyrik sehr liebe. Ich finde schon das Werther ein typischer junger Mensch ist dessen Gefühlsüberschwenglichkeit auch noch heute junge Menschen verstehen können. - Mögen muss ich das ja noch lange nicht :)


  • Dann warst Du noch nie verliebt, ich meine, so richtig verliebt. Nicht, alle 3 Wochen einen Neuen. Werther spürt den Schmerz, den ich kenne und von daher ist er nachvollziehbar. Irgendwann Mal, wirst sehen, siehst Werther mit anderen Augen. Kommt noch.



    Mag sein. Ich wollt nicht persönlich beleidigen. Denke jedoch, man muss Werther fühlen. Wenn man das Gefühl nur an der Oberfläche kennt, kann man sich leicht denken: BÄH!


    Ich, 14 Jahre alt, heute von Peter getrennt, aber nicht schlimm, bin ja jetzt mit Paul zusammen...
    Gehts noch? Wenn du weiterhin ernst genommen werden möchtest, solltest du dich mit derartigen Einschätzungen zurückhalten.
    Bei derartigen Schwärmereien an Liebe denken... Und dann auch noch bei unerwiderter(!!!) "Liebe". Liebe und Zuneigung bauen sich während einer Beziehung auf und kommen nicht von heute auf morgen. Werther hatte de facto aber keine Beziehung, von Liebe kann bei Weitem also keine Rede sein. Er war fern jeder Realität, das was er für Liebe gehalten hat rechtfertigt niemals einen Suizid.


  • Ergo: solche Überreaktionen sind die Triebfedern großer Literatur. Ohne irgend etwas außergewöhnliches, was einer Geschichte einen Sinn, eine Perspektive, einen Mittelpunkt gibt, gäbe es im Grunde nichts, weshalb man das alles erzählen sollte. Oft dreht sich die ganze Handlung darum. Es muss ja nicht jedem gefallen, nur verstehen und objektiv einordnen sollte man es schon.


    Aber auch die Klassiker haben ihre Zeit, und manche davon werden im Laufe derselben überholt. Werthers Zeitgeist und die Umstände, unter denen er geschrieben wurde, sind uns Heutigen doch überwiegend unverständlich, wie dieser Thread zeigt. Zumal das ganze Gejammer vielleicht in Zeiten kühner Heldenepen etwas Neues war, heute aber doch angesichts von Problemen ganz anderer Größenordnung fast schon abgeschmackt wirkt.

    &quot;Cessent iam nunc rapaces officialium manus, cessent inquam!&quot;<br />&quot;Zurück, ihr gierigen Beamtenhände, zurück, sag ich!&quot;<br />&nbsp;&nbsp; - Konstantin der Große

  • @Zambra: Das gleiche möchte ich leider auch behaupten. Wie kannst Du sagen, dass Liebe und Zuneigung nur durch eine Beziehung zustande kommen?! Sie kommen nicht von heute auf morgen? Dann muss ich Dich enttäuschen. Das geht auch so. Leider. Und Werther (um wieder auf das Buch zu kommen) verliebt sich in das WESEN Charlotte, er sieht das Gute und Liebe entsteht auch durch Gesten und in weiterer Folge Erinnerungen! So unendlich viele konnten den Werther damals nachvollziehen, das kommt ja nicht von irgendwoher! Nein, Imperator! Es zeigt, dass er ganz und gar nicht überholt ist!!! Sonst wäre ja nicht so eine Diskussion entstanden!!! abgeschmackt!!!! Was glaubst Du, warum so viele zu Therapien gehen?????? Und Werther war ganz und gar kein Held, also der Vergleich mit "Heldenepen" hinkt etwas. Im Gegenteil! Goethe zeigte einen verletzlichen Mann. Ist das denn so schlimm?????
    Werther kann mit seinem Unglück nicht mehr umgehen. Hätte es damals Therapeuten geben, wäre es ratsam gewesen, hinzugehen.
    Es geht ja nicht nur um die Liebe hier, sondern um die Verzweiflung!!!! Warum verzweifeln wir.... die Liebe war sicher Auslöser, auch ein Mitgrund, jedoch denke ich, dass Werther zu empfindlich für diese Welt war und sich dann noch auf das Land verziehen, war genau das Falsche!!!!

  • Probleme ganz anderer Größenordnung, hm...


    MRR sagte mal, große Literatur kenne nur zwei Grundmotive: die Liebe und den Tod. Da könnte was dran sein. Jedenfalls wird auch heute noch eine ganze Menge über Liebe und Tod und beides zusammen geschrieben, während wir noch immer vergeblich warten auf den großen Roman zur deutschen Einheit, zum Euro, zur Finanzkrise, zur Arbeitslosigkeit, zur Energiewende et cetera pp.


    Und ja, ich behaupte: zeitgeistig überholt ist nicht der Gefühlsexzess des Werther, überholt ist allenfalls die Skandalstimmung darüber. Überschätzen wir um Himmels Willen nicht den Grad der Aufgeklärtheit unserer Zeit.

  • Meinst Du nicht auch, dass es eine Geschichte über eine Psychose an sich ist, und somit schwer aktuell?

  • In psychiatrischer Hinsicht wohl ja. Aber das interessiert mich literarisch nicht wirklich. Wenn wir alle irgendwie Kranken aus unserer Lektüre weglassen wollten, bliebe zu viel auf der Strecke.


    Was wäre z.B. Moby Dick ohne den schon sehr schwer gestörten Käptn Ahab? Was scherte uns der Schreibgehilfe Bartleby, wenn er mit einem kernigen "Yes, Sir" pflichtbewusst seiner Arbeit nachgegangen wäre?


    Psychogramme haben sicher auch als Genre ihre Berechtigung. Als solches würde ich den Werther aber eher nicht lesen wollen.

  • Ich auch nicht,jedoch ist das doch so, wenn man ihn betrachtet, merkt man, was in Goethe vorgegangen sein muss. Wieder Mal schwer verliebt und sich beinahe Selbstaufgebend. Sicher, das LI muss nicht das LD sein, jedoch habe ich beim Werther das Gefühl, es ist etwas Wahres dran. Und dann wird es wieder interessant - die Sache mit der Psychose.

  • Gegen eine psychologische Ausdeutung seiner Schriften und Helden hätte sich Goethe selbst Zeit seines Lebens mit Händen und Füßen gewehrt. Aber es ist interessant, dass heute so eine Perspektive möglich und plausibel ist. Das unterscheidet den Werther übrigens von der Dämonenwelt, die uns die Frühromantik nur etwas später auftischte. Der Grund: der Werther handelt von einer realen Welt und den Misshelligkeiten, die darin vorkommen, und die im Grundsatz auch heute noch einen Teil der Wirklichkeit sind. Deshalb, Cori, halte ich deine Perspektive für völlig in Ordnung, auch wenn ich sie selbst nicht bis zuletzt teile.

    Einmal editiert, zuletzt von Gronauer ()

  • Zumal das ganze Gejammer vielleicht in Zeiten kühner Heldenepen etwas Neues war, heute aber doch angesichts von Problemen ganz anderer Größenordnung fast schon abgeschmackt wirkt.


    Hm ... Ich meine mich zu erinnern, dass sowohl bei Homer wie bei den mittelalterlichen Heldenepen (den echten, nicht dem nachgemachten Gedöns à la Zimmer Bradley & Co. KG) die Helden ganz schon jammern konnten, wenn ihre Liebste mal nicht so, wie sie wollten oder ihnen der Kollege vom Zelt nebenan eine hübsche Sklavin ausgespannt hat ... :breitgrins:


    Goethes Werther hat die Gefühlsinnigkeit zum Exzess getrieben und war damit zugleich Höhepunkt und Ende der Epoche der Empfindsamkeit. Die Empfindsamkeit erfunden hat Goethe aber keineswegs.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Hm ... Ich meine mich zu erinnern, dass sowohl bei Homer wie bei den mittelalterlichen Heldenepen (den echten, nicht dem nachgemachten Gedöns à la Zimmer Bradley & Co. KG) die Helden ganz schon jammern konnten, wenn ihre Liebste mal nicht so, wie sie wollten oder ihnen der Kollege vom Zelt nebenan eine hübsche Sklavin ausgespannt hat ... :breitgrins:


    Absolut :breitgrins:

  • Hm ... Ich meine mich zu erinnern, dass sowohl bei Homer wie bei den mittelalterlichen Heldenepen (den echten, nicht dem nachgemachten Gedöns à la Zimmer Bradley & Co. KG) die Helden ganz schon jammern konnten, wenn ihre Liebste mal nicht so, wie sie wollten oder ihnen der Kollege vom Zelt nebenan eine hübsche Sklavin ausgespannt hat ... :breitgrins:


    Ich habe eher an die Heldenepen gedacht, die im 18. Jh. durch den Nibelungenboom ausgelöst wurden.

    &quot;Cessent iam nunc rapaces officialium manus, cessent inquam!&quot;<br />&quot;Zurück, ihr gierigen Beamtenhände, zurück, sag ich!&quot;<br />&nbsp;&nbsp; - Konstantin der Große

  • Trotzdem, Werther war alles andere als ein Held. Eher ein Armer! Und das war neu. Ein ganz armer Mann. Mir tut er leid. Sehr leid sogar.


  • man kann nicht wirklich das Urteil über ein Stück Literatur davon abhängig machen, ob man zum Helden Sympathie entwickelt. Bei Shakespeares Königsdramen jagt ein Schurkenstück das nächste... Entscheidend sollte sein, ob der Held/die Heldin Bedeutung und etwas zu erzählen hat. Das trifft auf Werther zu; auch wenn nicht alle den Gefühlsüberschwang nachvollziehen können. Ich beispielsweise sympathisiere auch nicht mit Richard III (der mit dem Königreich und dem Pferd).


    Natürlich kann ich das von abhängig machen. Gerade bei einem Briefroman aus der Sicht des Protagonisten. Wenn man keine andere Sichtweise auf die Dinge bekommt, sondern nur die, die einem nicht gefällt, ist der logische Schluss, dass einem das Buch nicht gefällt. Ich denke, dass wir beide einfach unterschiedliche Ansprüche an ein Buch haben :zwinker:.



    Ergo: solche Überreaktionen sind die Triebfedern großer Literatur. Ohne irgend etwas außergewöhnliches, was einer Geschichte einen Sinn, eine Perspektive, einen Mittelpunkt gibt, gäbe es im Grunde nichts, weshalb man das alles erzählen sollte. Oft dreht sich die ganze Handlung darum. Es muss ja nicht jedem gefallen, nur verstehen und objektiv einordnen sollte man es schon.


    Hab ja gar nix anderes gesagt. Ich sagte schon, dass ich seine Leistung anerkenne, aber gefallen muss mir das trotzdem nicht :zwinker:.



    @Zambra: Das gleiche möchte ich leider auch behaupten. Wie kannst Du sagen, dass Liebe und Zuneigung nur durch eine Beziehung zustande kommen?! Sie kommen nicht von heute auf morgen? Dann muss ich Dich enttäuschen. Das geht auch so. Leider. Und Werther (um wieder auf das Buch zu kommen) verliebt sich in das WESEN Charlotte, er sieht das Gute und Liebe entsteht auch durch Gesten und in weiterer Folge Erinnerungen! So unendlich viele konnten den Werther damals nachvollziehen, das kommt ja nicht von irgendwoher! Nein, Imperator! Es zeigt, dass er ganz und gar nicht überholt ist!!! Sonst wäre ja nicht so eine Diskussion entstanden!!! abgeschmackt!!!! Was glaubst Du, warum so viele zu Therapien gehen?????? Und Werther war ganz und gar kein Held, also der Vergleich mit "Heldenepen" hinkt etwas. Im Gegenteil! Goethe zeigte einen verletzlichen Mann. Ist das denn so schlimm?????
    Werther kann mit seinem Unglück nicht mehr umgehen. Hätte es damals Therapeuten geben, wäre es ratsam gewesen, hinzugehen.
    Es geht ja nicht nur um die Liebe hier, sondern um die Verzweiflung!!!! Warum verzweifeln wir.... die Liebe war sicher Auslöser, auch ein Mitgrund, jedoch denke ich, dass Werther zu empfindlich für diese Welt war und sich dann noch auf das Land verziehen, war genau das Falsche!!!!


    (Komisch, sehr viele haben Probleme mit meinem Nicknamen (unabhängig von den Sonderzeichen) und das ist nicht als Spitze gemeint, es fällt mir nur gerade wieder einmal auf.)
    Tja, es hat mich in der Tat noch nicht erwischt. "Liebe auf den ersten Blick" halte ich für einen Mythos :zwinker:. Anfängliche Schwärmerei bezeichne ich eben nicht als Liebe, sondern als Verliebtheit, die einmal zu Liebe heranreifen kann...
    Aber hier kristallisiert sich ganz klar heraus, dass wir den Werther einfach ganz anders lesen. Ich würde nichtmal sagen, dass es eine Freundschaft gab zwischen Werther und Lotte (im Gegenteil es gibt Abschnitte aus denen ich herauslese, dass Lotte Werther sogar ablehnt). Aus meiner Sicht bildet sich Werther das alles komplett ein (heute würde man wohl Stalker sagen im Sinne von jemandem, der sich eine Beziehung zu jemand anderem zusammenphantasiert). An ein paar Gesten macht Werther etwas fest, das in meinen Augen gar nicht existiert. Und es mag auch sein, dass es auch um Verzweiflung geht und dass er sich da derart hereinsteigert, dass er keinen Ausweg sieht... Aber aus meiner Sicht gibt es eben für diese Verzweiflung epischen Ausmaßes überhaupt keine Rechtfertigung. Und schon gar nicht auf derartig drastische Weise.
    Auf Grund unserer verschiedenen Lesarten interpretieren wir das Werk eben vollkommen unterschiedlich. Das ist auch durchaus möglich und das wiederum empfinde ich als einen sehr positiven Aspekt.

  • Aus meiner Sicht bildet sich Werther das alles komplett ein (heute würde man wohl Stalker sagen im Sinne von jemandem, der sich eine Beziehung zu jemand anderem zusammenphantasiert).


    Genau DAS dachte ich immer über diesen unsäglichen Heathcliff! Ein fürchterlicher Mensch! :breitgrins:


    Tolle Diskussion! Leider kann ich nichts dazu beitragen, weil ich den Werther nicht kenne :redface: (allerdings scheint er auch nichts für mich zu sein, wenn ich das hier so mitlese)

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Ich würde nichtmal sagen, dass es eine Freundschaft gab zwischen Werther und Lotte (im Gegenteil es gibt Abschnitte aus denen ich herauslese, dass Lotte Werther sogar ablehnt). Aus meiner Sicht bildet sich Werther das alles komplett ein (heute würde man wohl Stalker sagen im Sinne von jemandem, der sich eine Beziehung zu jemand anderem zusammenphantasiert). An ein paar Gesten macht Werther etwas fest, das in meinen Augen gar nicht existiert.


    Meine Werther-Lektüre ist zwar schon eine Weile her, aber ich kann mich noch erinnern, dass ich genau dasselbe dachte. Ich hatte auch das Gefühl, dass er viel zu viel in Lottes Verhalten hineininterpretiert und -projiziert.


    @Nimue
    Interessant, bei Heathcliff dachte ich das überhaupt nicht. Aber fürchterlich fand ich ihn auch. :zwinker: