Forrest Leo - Der Gentleman

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    Originaltitel: The Gentleman


    Lionel Savage verliert erst seine Muse und dann seine Frau.


    Lionel Savage ist ein mittelmäßig erfolgreicher Dichter, sein letzter Gedichtband verkaufte sich nicht gut genug und nun ist er beinahe pleite. Kurzerhand beschließt er sich eine vermögende Frau im heiratsfähigen Alter auszusuchen, schließlich landet er bei Vivien, die auf einer Abendgesellschaft einen recht positiven Eindruck auf ihn macht. Doch schon kurz nach der Hochzeit fehlt ihm jegliche dichterische Inspiration, wofür er seine ungeliebte Frau verantwortlich macht. Als er mit einem unbekannten Gentleman bei einem Fest ins Gespräch kommt, stellt dieser sich als der Teufel vor – und macht dem über seine Ehe klagenden Lionel Hoffnung. Kurz darauf ist Vivien verschwunden und Lionel würde nur zu gern alles ungeschehen machen.


    Vorab zum Format: Ich habe das Buch als E-Book gelesen, was sich als eher unglückliche Entscheidung entpuppte: Leo arbeitet mit vielen Fußnoten und die finde ich als E-Book unkomfortabel. Nicht nur, dass so ein schneller Blick nach unten zum mal eben lesen nicht genügt, ich treffe beim Klicken auf den Link auch immer erst beim 2. Mal und blättere erst mal stattdessen versehentlich... Das verleidete mir das Lesen etwas, wobei der Autor dafür ja nichts kann, das ist halt durch das Format und ungeschickte Finger meinerseits bedingt. Ich möchte anderen aber hier ausdrücklich die gedruckte Form ans Herz legen.


    Den Anfang fand ich zwar „ganz nett“, aber an P. G. Wodehouse, womit ich das Buch gedanklich wegen des Lebemann-Protagonisten mit kompetentem Butler (vgl. Wooster & Jeeves) ständig verglich, kommt Leo nicht heran. Ab dem Moment, wo der Teufel ins Spiel kam, wirkte der Roman auf mich allerdings selbstständiger, ich verglich ihn nicht mehr ständig und so gefiel er mir gleich ein gutes Stück besser, ich erwischte mich immer häufiger mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht. Zum eher unselbstständigen und der Realität entfremdeten Savage und seinem allwissenden und stets Kompetenz ausstrahlenden Butler Simmons gesellen sich noch Savages Schwester Lizzie, die aus dem Internat geflogen ist und ein eher unkonventionelles Verhalten an den Tag legt, sowie Viviens Bruder Lancaster, ein Abenteurer, gegen den Indiana Jones ein Nichts wäre, der zufällig gerade von einer seiner Expeditionen zurückgekehrt ist. Das Zusammenraufen und die gemeinsame Suche nach Vivien werden abwechslungsreich und amüsant geschildert und der Autor spielt besonders gerne mit den gesellschaftlichen Konventionen des viktorianischen Zeitalters. In den Danksagungen steht, dass die Geschichte zunächst als Theaterstück entstand und erst danach zum Buch wurde. Das kann ich mir sehr gut vorstellen, der Roman hat immer noch einige Screwballkomödienelemente und vor allem ganz viel Tempo.


    Nach dem, für mich im Vergleich, etwas schwächeren Beginn habe ich mich insgesamt dann noch hervorragend amüsiert und kann das Buch ruhigen Gewissens empfehlen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Aus dem Amerikanischen von Cornelius Reiber


    Meine Meinung
    Anfangs hat mir das Buch sehr gut gefallen. Der Schreibstil (locker, mit einem Hauch Ironie) und die Erzählweise (viele Fußnoten, die die Handlung kommentieren) sind zwar nichts Neues, dennoch wurde ich gut unterhalten. Der Protagonist Lionel Savage ist sehr von sich überzeugt und das zeigt er sowohl dem geneigten Leser als auch allen, die sich in seine Nähe wagen. Im wahren Leben fände ich so eine Person äußerst anstrengend und nervig, von und über ihn zu lesen war jedoch recht amüsant. Seine Erzählungen werden zudem immer wieder durch die Kommentare des "Verlegers" ergänzt, die so manche Übertreibung wieder ins rechte Licht rücken. Das ein oder andere Grinsen konnte ich mir beim Lesen daher nicht verkneifen.


    Leider trägt dieser Effekt nicht durch das ganze Buch, zumal die Handlung meiner Meinung nach eher dürftig ist. Der Dichter Lionel Savage bringt seit seiner Heirat keine Zeile mehr aufs Papier und macht dafür seine Frau Vivien verantwortlich. Als er eines Tages Freundschaft mit dem Teufel schließt, verschwindet Vivien plötzlich und auf einmal wird Lionel klar, wie sehr er seine Frau liebt. Zusammen mit allerlei illustren Gestalten versucht er nun, Vivien aus der Hölle zu befreien. Doch wo befindet sich die Hölle eigentlich? Bis hierher lockt der Klappentext den Leser und ich hatte mich auf eine spannende, witzige Suche nach der Hölle gefreut. Nachdem ich mich aber 50 Seiten vor Schluss immer noch in London befand, verstrickt in sich ständig im Kreis drehenden Gesprächen, habe ich die Hoffnung darauf aufgegeben. Das Ende war dann auch eher langweilig und wenig einfallsreich.


    Schade, denn Ansätze für "ein großes Stück Abenteuerliteratur" (wie es so schön auf dem Umschlag heißt) wären durchaus da gewesen, an exzentrischen Charakteren und waghalsigen Überlegungen hat es auch nicht gemangelt. Nur leider wird mehr über Abenteuer geredet und nachgedacht als wirklich umgesetzt. Mir persönlich hat das nicht gereicht, zumal ich mir durch die Ankündigungen des Verlags und die Aufmachung des Buches mehr erwartet hatte.


    Leider konnte das Buch mich nicht durchgängig überzeugen. Die Ansätze sind da und der Schreibstil ist durchaus lustig, aber das Ende war einfach nur enttäuschend. Ich vergebe deshalb 3ratten.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Großartig und geistreich!


    Lionel Savage, ein nicht gerade sehr arbeitsamer Aristrokrat im zarten Alter von 22 Jahren, hat soeben beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Vor einem Jahr hat er, um seiner äußerst prekären finanziellen Lage zu entfliehen, reich geheiratet, doch ist seine Gemahlin, davon musste sich der hervorragende Dichter überzeugen, absolut geistlos. Darüber hinaus hat Lionel seit der Hochzeit keinen einzigen Vers mehr zu Papier gebracht, denn offenbar hemmt der Ehestand seine künstlerischen Fähigkeiten enorm. „Dichter sind zum Träumen und Tanzen im Mondschein bestimmt und für die verzweifelte Liebe“ (S.70) Darüber hinaus ist er für ein eheablehnendes Gemüt prädestiniert – immerhin starben seine Eltern an ihrem Hochzeitstag. Kein Wunder also, dass seine unmögliche Situation einzig und allein auf Vivien Lancaster, jetzige Savage, zurückzuführen ist, die vergnügungssüchtig einen Lionel verhassten Maskenball nach dem nächsten veranstaltet.
    Doch stellt sich nun ein neues Problem ein: Wie soll er seinem Leben ein Ende setzen? Gegen seine Idee, sich zu erschießen, wendet der wohl weltbeste Butler namens Simmons ein, dass er, da er die wenig appetitlichen Körperflüssigkeiten nach einem Kopfschuss aufwischen müsste, von jenem Vorschlag nicht gerade begeistert sei. Wieder allein gelassen – während unten ein Maskenball wütet – überlegt Lionel also, welche Alternativen des Selbstmordes sich ihm wohl böten. Just in diesem Moment betritt ein sehr freundlicher, etwas schüchterner aber sich durchaus als sympathisch herausstellender Gentleman das Zimmer des Aristokraten. Er ist gekommen, um sich bei Lionel zu bedanken, der ihn zuvor beim Pfarrer kurz in Schutz genommen habe. Die Verwirrung ist groß als sich herausstellt, dass der werte Herr der Teufel persönlich ist.
    Die beiden Gentlemen – wobei der objektive Betrachter anzweifeln darf, ob diese – vom Dichter für auf sich passend befundene – Beschreibung tatsächlich zutreffend ist – unterhalten sich wunderbar bis die Sprache irgendwann unweigerlich auf Lionels Verdammnis, seine Ehefrau, fällt. Am liebsten würde er sie loswerden und stattdessen lieber wieder auf die Höhen seiner dichterischen Fähigkeiten gelangen.
    Tatsächlich ist, kurz nachdem der Teufel verschwunden ist, Vivien Savage unauffindbar. Hat Lionel seine Frau ohne es ausdrücklich gewollt oder gesagt zu haben an den Teufel verkauft? Oder sogar einfach verschenkt? Da ihn das schlechte Gewissen plagt und er feststellen muss, dass er ohne Vivien vielleicht auch nicht der erfolgreichste Dichter ist, beschließt er, sie aus der Hölle zu befreien. Auf seiner abenteuerlichen Reise wird er von seinem Schwager, dem Entdecker Ashley Lancaster, seinem Butler Simmons und seiner kessen und neugierigen kleinen Schwester Lizzie begleitet und noch von einigen weiteren Charakteren unterstützt. Doch wo soll man die Rettungsaktion starten? Wo zum Teufel ist die Hölle? Und ist es vielleicht schon zu spät für Vivien?


    Das Buch spielt im viktorianischen London um 1850. Forrest Leo ist es vorzüglich gelungen, den Snobismus und die Dekadenz der Aristokraten sowie für diese Zeit typische Geflogenheiten ironisch und perfekt auf den Punkt gebracht darzustellen. Generell überzeugt dieses Werk mit sehr viel geistreichem und pointiertem Humor, was mir ausgesprochen gut gefallen hat. Da Lionel eine äußerst skurrile Figur ist und beinahe ständig aneckt, dennoch aber blitzgescheit und wohl gebildet ist, kommt es regelmäßig zu mehr als gelungenen Schlagabtäuschen, die so köstlich sind, dass man sich ein Schmunzeln oder Lachen nur schwerlich verkneifen kann.
    In meinen Augen der größte Clou des Buches ist, dass der angeheiratete Cousin des Protagonisten dieses Werk herausgegeben haben soll. Zur Einführung merkt dieser jedoch bereits an: „Ich wurde beauftragt, diese Seiten herauszugeben und ihre Veröffentlichung zu besorgen. Ich tue es nicht gerne und möchte festgehalten wissen, dass ich es für besser hielte, wenn sie verbrannt worden wären.“ Warum dem so ist, erfährt der Leser mit jeder Seite die er verschlingt, da sich Hubert Lancaster die Freiheit genommen hat, die Geschichte über die reichliche Verwendung grandioser Fußnoten zu kommentieren. Dabei fällt auf, welch eine verquere (Selbst-)Wahrnehmung der Schreiberling Lionel Savage doch zu haben scheint. Darüber hinaus haben Huberts trockene und sarkastische Bemerkungen mich immer wieder zum Lachen gebracht, was bei Büchern zugegebenermaßen viel zu selten geschieht. Meist ist mir das Rumgeulke in Büchern, die den Anspruch erheben, unterhaltsam zu sein, zu krampfhaft gewollt, hier wirkt hingegen so ziemlich jede der vielen unterhaltsamen Aussagen sehr geistreich und lang erdacht.
    Von der ersten Seite an konnte ich in die Erzählung abtauchen, da die Geschichte an sich schon so packend und dann auch noch wunderbar fesselnd geschrieben worden ist. Mit dem stark leidenden Lionel konnte ich bestens mitfühlen und ich habe ihn – wie auch sämtliche anderen Charaktere – schon bald in mein Herz geschlossen. Sie alle sind so wunderbar liebevoll gezeichnet, haben allesamt ihre Ecken und Kanten dass sie tatsächlich echt wirken; selbst wenn man merkt, dass einige phantastische Elemente so in der Realität kaum angetroffen werden könnten. Lionel Savage ist so unfassbar von sich überzeugt, bringt Anderen oftmals wenig Respekt entgegen, wird aber dennoch immer wieder davon übermannt, wie poetisch ein Ort, ein Satz oder ein Mensch doch ist, dass man ihm gar nichts übel nehmen kann. Für mich war es ein großer Genuss den Kontrast zwischen seiner Beschreibung und den Anmerkungen des Herausgebers erfahren zu dürfen und die Entwicklung, welche er durchläuft, mitzuerleben. Er ist eine so skurrile, versnobte, kauzige, geniale und liebenswerte Persönlichkeit, wie ich es selten in Büchern erlebt habe.
    „Im Herzen bin ich Revolutionär.“ (S.57)
    „Ich bereue meine Schroffheit zwar sofort, aber Simmons hat diese sehr unangenehme Angwohnheit, meine Gedichte kleiner zu machen als sie sind. Ich mag es nicht, wenn ich dichte und mich erhaben fühle und dann jemand des Weges kommt und es liest und für dürftig befindet.“ (S.91)
    Der Schreibstil ist ganz vorzüglich: Forrest Leo bedient sich einer zauberhaften Wortwahl, die weder eingestaubt noch in die Kategorie „neumodischer Kram“ fällt, sondern sich perfekt in die Geschichte schmiegt und ausgezeichetn zu den Figuren, den Orten sowie der Handlung passt. „Lieber ein geistreicher Narr (…) als ein närrischer Geist.“ (S.130) Viel Wortwitz und zahlreiche Gedanken zur Lyrik und Kunst ebenso wie spitze Bemerkungen, Sarkasmus oder intelligente Dialoge machen jeden Satz zu einem Genuss.
    Ich könnte noch stundenlang darüber referieren, weswegen ich „Der Gentleman“ so großartig und absolut gelungen finde, mich beschleicht allerdings die Befürchtung, dass diese Ausführungen dann doch etwas zu weit gehen und sowieso nicht mehr gelesen würden, weswegen ich jetzt zu einem Ende kommen werde. Ganz kurz zusammenfassend muss ich aber noch bemerken, dass dies ein wunderbar skurriles, humorvolles, geistreiches Buch mit liebevoll gezeichneten Charakteren, die man, gerade wegen ihrer Unperfektheit zügig ins Herz schließt, ist, dass einen nicht mehr los lässt – auch wenn man die letzte Seite bereits beendet hat. Anmerken möchte ich zudem, dass ich mich bei vielen Passagen über hervorragendes Kopfkino freuen konnte und mir dachte, dass „Der Gentleman“ sicherlich auch für die Bühne geeignet wäre, um dann in der Danksagung zu erfahren, dass dieses Buch zuerst auch ein Theaterstück gewesen ist.


    Von mir gibt es für dieses vielschichtige Buch über Abenteuer, Liebe, Familie, die Ehe, „Duelle und Beinahe-Duelle“, Lyrik und Literatur, Dichter, Erfinder und Entdecker, den Teufel und die Aristokraten sowie zahlreiche weitere Themen definitiv weiterempfehlen. Es zählt sicherlich zu den besten Werken, die ich je gelesen habe und teilt sich zur Zeit mit „Willkommen in Night Vale“ meinen persönlichen Platz 1.
    Ich vergebe 5 euphorisch am Himmel funkelnde und ihre Funken versprühende Sterne für dieses meisterliche Werk!


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  • warmerSommerregen
    Dazu gab es schon einen Thread, bitte an die Suchfunktion denken.


    Und wir haben hier immer die Struktur "Vorname Nachname - Titel" für den Betreff eines Buchthreads, es wäre schön, wenn du das auch so machen würdest :winken:

    LG, Dani


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