Begegnung fürs Leben. Die Studienbibel für jeden Tag

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    Als Theologiestudentin bin ich immer mal wieder auf der Suche nach besonderen Bibelausgaben, vor allem nach solchen, die mir Studium, Examen oder theologische Arbeit erleichtern. Als ich die Bibel Begegnung fürs Leben entdeckte und grob durchblätterte, war ich begeistert und der SCM-Verlag stellte mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung.
    Diese Rezension wird tlw. recht fachlich, da ich auf die Übersetzung eingehe.


    Übersetzungsgrundlage
    Die anfängliche Begeisterung hielt zunächst an. In der Einleitung wird erklärt, dass sich das Übersetzerteam u.a. auf die Biblia Hebraica Stuttgartensia (BHS), das Novum Testamentum Graece (NTG) und die Septuaginta (LXX) stützt. Zur (vereinfachten) Erklärung: die BHS und das NTG beinhalten die biblischen Texte in den jeweiligen ursprünglichen Sprachen, nämlich Alt-Hebräisch und Aramäisch sowie Alt-Griechisch, die Septuaginta ist das Alte Testament in Griechischer Sprache. In Deutschland muss jeder Theologiestudierende Hebräisch und Griechisch lernen, um selbst übersetzen und sich so ein Bild machen zu können, statt von fehlerhaften Übersetzungen abhängig zu sein. Luthers Übersetzung hat die deutsche Sprache geprägt wie kein anderes Werk der Literatur, allerdings sind die Übersetzungen oft ungenau oder sogar falsch.
    Deswegen freute ich mich, dass sich die Übersetzer*innen an die ursprünglichen Texte hielten. (1) Zu der Übersetzung selbst komme ich weiter unten.



    Zusatzmaterial
    Was an dieser Ausgabe wirklich toll ist sind die ausführlichen Einführungen in die einzelnen Bücher. Neben einem Zeitstrahl, der die Story (Achtung: nicht das eigentliche Entstehungsdatum des Buches) in der Geschichte verortet, gibt es Landkarten, eine Übersicht über zentrale Themen und Schlüsselfiguren sowie einen Einführungstext. Hier muss man allerdings das erste Mal aufpassen, denn die Erklärungen der jeweiligen Themen sind bereits theologisch interpretiert und weisen in eine bestimmte Richtung – und in der Theologie ist nichts eindeutig.


    In den einzelnen Büchern gibt es auch immer wieder Steckbriefe von Figuren, die in der Geschichte auftauchen. So erhält man auf einen Blick alle wichtigen Informationen zu dieser Person. Allerdings ist auch hier bereits eine Interpretation der Dinge vorgenommen worden.
    Auffällig sind auch die Fußnoten zu den Versen, die diese weiter erklären, vor allem aber theologisch auslegen und interpretieren. Auch hierzu weiter unten mehr.


    Am Ende der Bibelausgabe finden sich farbige, detaillierte Karten und Abbildungen, z.B. das Reich zur Zeit Davids und Salomons, aber auch die Ausdehnung des Römischen Reiches oder eine Darstellung, wie der Tempel in Jerusalem zur Zeit Jesu aussah.


    Diese Ausgabe ist also gespickt mit jeder Menge Zusatzinfos, die einen Bibelatlas und weitere Fachbücher zunächst überflüssig machen. Man hat alles in einem Buch, was eine informative Lektüre verspricht.


    Kritik
    Neben all diesen positiven Aspekten gibt es aber auch eine Reihe Kritikpunkte, die mich dazu veranlassen, diese Ausgabe mit Vorsicht zu genießen.


    Übersetzung
    Bereits in der Einleitung schreiben die Herausgeber, dass die Übersetzung bestimmte Begriffe an moderne Sprache bzw. Verständnisse angepasst hat. Die „Übersetzung gibt die heutige Bedeutung wieder. Was z.B. damals als Stadt galt, ist nach modernem Verständnis häufig nur ein Dorf.“ (2) Das ist deswegen problematisch, weil die Texte schlichtweg in einem anderen Kontext entstanden sind. Wenn sich biblische Figuren auf eine Stadt beziehen, dann meinen sie eine für sie große Ortschaft, und oft werden solche mit besonders viel Sünde in Verbindung gebracht. Eine Anpassung der Sprache an ein modernes Verständnis verzerrt die Texte auf eine Weise, die ich als (angehende) Theologin nicht rechtfertigen kann.


    Übersetzung ist immer auch Interpretation
    Ich bin eine große Freundin von möglichst textnahen Übersetzungen, auch wenn sie manchmal etwas sperriger sind. Eine Übersetzung bedeutet zwar auch immer Interpretation, weil man sich für eine Bedeutung von vielleicht vielen entscheiden muss und damit dem Text die eine oder andere Richtung gibt. Doch gerade deswegen, und auch, weil mit Bibeltexten gerne eine Meinung be- oder widerlegt wird, sollte man sich meiner Meinung nach möglichst genau an den Text halten.


    Im Rahmen meiner Examensvorbereitungen habe ich mir die Übersetzung der Seligpreisungen (Mt 5, 3-11) angeschaut und war, gelinde gesagt, überrascht. Die Übersetzung dieser doch recht bekannten Bibelstelle ist so frei, dass ich mir mehrere Wörterbücher und Lexika holte, um zu gucken, ob das so möglich ist. Die meisten von uns werden die Seligpreisungen kennen mit den Eingangsworten: „Gesegnet sind die XY“. In der Begegnung fürs Leben steht nun „Gott segnet die XY“. Das Problem: im griechischen Text der Seligpreisungen steht an keiner Stelle das griechische Wort für Gott. Zwar ist es logisch, dass er derjenige ist, der den Segen ausspricht, aber sonderlich nah am Text ist das nicht. Auch in keinem der Wörterbücher fand ich die Bedeutung „Gott segnet“ sondern nur „segnen“.
    Ich habe schließlich eine meiner Professorinnen für das Neue Testament zu Rate gezogen, und sie gefragt, ob eine derartige Übersetzung möglich ist. Antwort: rein vom Griechischen her nicht. Da diese Wortgruppe aber auf Segensworte der Septuaginta und damit auf das Alte Testament zurückgreift, in dessen Zusammenhang Gott grundsätzlich der Segensspender ist, kann man das so übersetzen. Mit anderen Worten: wenn man die Sprachgeschichte des Alten Testaments, der Septuaginta und des Neuen Testaments kennt, kann man das machen. Ist mir immer noch etwas zu frei, aber gut.
    Allgemein wurde in den Seligpreisungen „Gott“ an Stellen eingefügt, an denen er gar nicht steht. „Gottes Gerechtigkeit“ in 5,10 bspw. ist eine reine Interpretation, die man in diesem Fall auch etymologisch nicht herbeidiskutieren kann. Auch das in der Exegese (3) viel diskutierte „die geistig Armen“ wird frei von jedem Bedeutungshorizont des griechischen Wortes übersetzt.
    Das ist nur eine Stelle, dich ich mir genauer angeschaut und mit anderen Theologen diskutiert habe, doch sie lässt mich den Rest dieser Bibelausgabe mit großer Skepsis lesen.


    Fußnoten
    Durch die komplette Bibelausgabe ziehen sich Fußnoten zu nahezu jedem Vers bzw. Versgruppe. Sie erklären mal den Kontext, mal was mit den Versen gemeint sein soll. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Kontexterklärungen, alternative Übersetzungsmöglichkeiten oder Hinweise darauf, dass diese Stelle im Deutschen schwer wiederzugeben ist, sind eine Sache. Interpretationen, die im Text keine Grundlage haben, aber eine Deutungshoheit für das moderne Leben beanspruchen eine ganz andere. Wir erinnern uns daran, dass die Übersetzung tlw. an das moderne Verständnis angepasst wurde, die Bibelausgabe orientiert sich also am heutigen modernen Leben.
    In Fußnoten dann zu schreiben, dass „sexuelle Vereinigung…der Ehe vorbehalten bleibt“ (4), ist nicht nur hoffnungslos konservativ und evangelikal, es geht auch völlig an der Lebensrealität vieler moderner (und gläubiger) Menschen vorbei. Zumal diese Exklusivität für die Ehe nirgends steht, auch nicht im hebräischen Urtext.


    Was ich an den sehr freien Übersetzungen und den Fußnoten so kritisch finde ist, dass sich diese Bibelausgabe als Studienbibel bezeichnet. Meinem Verständnis nach sind Studienbibeln aber recht textnah und fügen keine Interpretationen hinzu. Die Ausgabe Begegnung fürs Leben mag für den privaten Gebrauch von Nutzen sein. Für Diskussionen über Glauben oder theologische Themen eignet sie sich aber nur bedingt, da sie sehr frei und vor allem tendenziös ist.
    Für Theologiestudierende ist diese Ausgabe leider absolut ungeeignet. Im Studium soll man befähigt werden, sich anhand der Texte ein eigenes, kritisches Urteil zu bilden. Es ist unrealistisch, für jede Vor- und Nachbereitung von Seminaren oder Vorlesungen Textstellen zu übersetzen, daher greift man zwangsläufig auf deutsche Übersetzungen zurück. Ich empfehle für diese Zwecke allerdings die Elberfelder Studienbibel mit Sprachschlüssel und Konkordanz.


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    (1) Ursprünglich ist so eine Sache. Man versucht bei den griechischen und hebräischen Schriften so gut e es geht an die ursprünglichste Fassung heranzukommen, was allerdings nur bis zu einem gewissen Grad geht. Immerhin sind die Texte mehrere Tausend Jahre alt.
    (2) Einleitung, S. XIII.
    (3) Auslegung und Interpreation des Alten und Neuen Testaments. Zur Exegese gehören u.a. Übersetzung, Analyse der Textentstehung (manche Teile von Genesis sind sehr viel älter als andere Teile desselben Buches) kritische Bewertung der Überlieferungen, historischer Kontext, etc.
    (4) Fußnote zu Gen 2,24; Ähnlich auch in der Fußnote zu Gen 4,1: Geschlechtsverkehr „hat Gott…allein der Ehe vorbehalten.“

  • Sehr interessante Rezension. Finde es schön, dass wir hier eine Fachfrau im Forum haben. Vielleicht magst du ja auch in einem eigenen Artikel mal auf die beiden Neuübersetzungen der Lutherbibel und der Einheitsübersetzung eingehen, sie sollen sich ja theologisch angenähert haben. Wäre schön, wenn du hier auch gute Bibelausgaben (mit guten Erläuterungen) verlinken könntest.


    Gruß, Thomas


  • Vielleicht magst du ja auch in einem eigenen Artikel mal auf die beiden Neuübersetzungen der Lutherbibel und der Einheitsübersetzung eingehen, sie sollen sich ja theologisch angenähert haben. Wäre schön, wenn du hier auch gute Bibelausgaben (mit guten Erläuterungen) verlinken könntest.


    Gruß, Thomas


    Kann ich gerne mal machen, dafür muss ich mir die beiden Neuübersetzungen aber erst besorgen ;)


    Was die guten Bibelausgaben angeht, hast du die Elberfelder ja bereits verlinkt. Die finde ich persönlich absolut großartig, sowohl von der Übersetzung als auch vom Material her, aber ich kann dazu gerne nochmal eine gesonderte Rezension schreiben.
    Ansonsten wühle ich mal in den Fachhandlungen, es gibt inzwischen so viele Übersetzungen und Ausgaben, da verliert auch die "Fachfrau" (eins der schönsten Komplimente, die ich für mein Studium je bekommen habe) mal den Überblick.


    Cheerio
    Mareike