Jaroslav Kalfar - Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt

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  • Jaroslav Kalfar - Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt - Klett Cotta


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    "April 2018: Die JanHus 1, das erste Raumschiff in der tschechischen Geschichte, erhebt sich in den Himmel. Eine ganze Nation ist auf den Beinen, um den Start vom staatseigenen Kartoffelacker aus mitzuverfolgen. Die Besatzung besteht aus einem einzigen Raumfahrer: Jakub Procházka, Spross einer Kollaborateursfamilie und Professor für Astrophysik mit einschlägiger Erfahrung in der Erforschung interstellaren Staubs."

    Während Jacub in trostloser Langeweile durch den Weltraum gleitet, schweifen seine Gedanken immer wieder in Richtung Erde, böhmische Ecke ab. Er denkt über seine Kindheit, seine Jugend und seine Zeit als früher Erwachsener nach.
    Die unerforschte graue Staubwolke ist noch weit entfernt und nach der 13. Woche ist der heldenhafte Reiz des einsamen Astronauten auf geheimer Mission zwischen Protein-Riegel und Kosmos-Windel auf ein seichtes Level gerutscht.
    Die Sehnsucht zu seiner Frau Lenka endet in sexueller Frustration, er spürt diesen Mangel an Zuwendung mit jeder Faser seiner Teflon-Unterwäsche.
    Die wöchentlichen Video-Dates mit ihr, erhalten ihm am Leben, doch auch Lenka hat Probleme und lässt die Termine einfach sausen.


    Jacub glaubt zu halluzinieren. Das müsste jetzt der Weltraumkoller sein, den sein Therapeut vorhersagte. Da..ein zischelndes Geräusch, der Schatten 8 haariger Beine. Jacub blickt in 34 (!), ihm freundlich zuzwinkernde Augen.
    Die Spinnenkreatur öffnet ihren roten Kussmund und sagt:
    "Sancta Simplicitas!" Heilige Einfalt - "So jemanden wie dich, suche ich!"
    Das Wesen gibt sich als Gelehrter seines Volkes zu erkennen:
    "Ich kreise auf eurer Umlaufbahn und erforsche die Geheimnisse der Menschheit!"


    Diese Odyssee im Weltraum ist eine zeitlose Kafkaeske mit viel Selbstironie und zynischem Witz, spannend, melancholisch und trotz des Jahres 2018, nostalgisch. Skurril und unterhaltsam.
    1 Extrastern für die wunderschöne Ausstattung, ein Eyecatcher in jedem Bücherregal.

    Mit vielen "Nichtantworten" im Kopf ist Jacub der Held der ersten böhmischen Raumfahrt und ein "Major Tom" seiner Zeit.


    "This is Major Tom to Ground Control


    Though I'm past one hundred thousand miles
    I'm feeling very still
    And I think my spaceship knows which way to go
    Tell my wife I love her very much she knows


    Here am I floating 'round my tin can
    Far above the moon
    Planet Earth is blue
    And there's nothing I can do"


    David Bowie


    5ratten

  • Jakub Procházka kann es selbst kaum glauben, als er mit der "JanHus1", dem ersten tschechischen Raumschiff aller Zeiten, ins Weltall abhebt. Während die großen Raumfahrtnationen noch diskutieren, was es mit der plötzlich aufgetauchten seltsamen Staubwolke im Weltraum auf sich hat, haben die Tschechen gehandelt und eine Rakete ins All geschossen, um die Hintergründe zu erforschen.


    Jakub, der als kleiner Junge schon von der Raumfahrt fasziniert war, kam zu dieser Mission wie die Jungfrau zum Kind und verspürt neben einer gewissen Ehrfurcht vor den Weiten des Alls auf seinem einsamen Flug durch den luftleeren Raum vor allem eines: Langeweile.


    Er hat viel Zeit zum Nachdenken auf seiner Reise und lässt sein bisheriges Leben vor dem geistigen Auge Revue passieren, vor allem seine Kindheit hinter dem Eisernen Vorhang. Als Sohn eines regimetreuen Parteisoldaten wuchs er vergleichsweise komfortabel auf, doch nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Staaten verkehrte sich die Situation ins Gegenteil, und Jakub musste einige bittere Wahrheiten über seinen Vater verdauen.


    Genauso erschüttert ist er, als seine Frau Lenka eines Tages nicht wie verabredet zum Videochat erscheint und er sich eingestehen muss, dass sie ihn wohl verlassen hat. Und fast gleichzeitig merkt er, dass er in seinem Raumschiff wohl doch nicht so allein ist, wie er dachte ...


    Eine interessante Idee, dass ein diesbezüglich bisher nie in Erscheinung getretenes Land kurzerhand ein Raumfahrtprogramm starten könnte. Wie realistisch es ist, dass ein Astronaut ganz alleine auf diese Mission geschickt wird, sei mal dahingestellt, aber Jakubs Gedankengänge und widerstreitenden Empfindungen auf diesem Trip durch den Weltraum sind ziemlich fesselnd dargestellt. Gelegentlich wurde es mir zwar etwas zu philosophierend, im großen und ganzen ist dieser Teil des Buches aber unterhaltsam, spannend und stellenweise auch ziemlich witzig. Vor allem, als Jakubs, äh, blinder Passagier ins Spiel kommt.


    Parallel dazu taucht man in die Vergangenheit Tschechiens ein, erlebt einschneidenden Kulturwandel nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit und streift mit Jakub und Lenka durch die historischen Gassen von Prag. Insbesondere die Geschichte der berühmten "orloj", der astronomischen Uhr am Rathaus (die auch in Jakubs persönlicher Historie eine Rolle spielt), hat mich dabei fasziniert.


    Weniger gelungen fand ich insgesamt die Vergangenheitsbewältigungsthematik, neben der Raumfahrt das zweite große Thema des Buches. Zwar waren die Beweggründe, wie Jakub in dem Zusammenhang handelt, durchaus nachvollziehbar, aber mir erschien dann doch einiges zu plakativ umgesetzt.


    Ein großes Plus des Buches ist jedoch, dass mit Tschechien hier einmal ein Land im Mittelpunkt steht, in dem ich literarisch nicht so häufig unterwegs bin, ganz nebenbei so einiges über das Land und seine Geschichte erfahren konnte und zusätzlich noch zu einigen Fakten, Personen und Orten recherchiert habe. Alleine schon dafür hat sich die Lektüre gelohnt.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Mich konnte Jaroslav Kalfars Roman "Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt" nicht überzeugen. Die Idee eines böhmischen Raumfahrers, der auf eine einsame Mission aufbricht und dabei ein außerirdisches Wesen kennenlernt, hat mich angesprochen und ich war neugierig auf die Umsetzung. Dabei habe ich mir bewusst keine Vorstellung gemacht und meine Erwartungen offen gehalten.


    Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass der Autor selbst nicht genau wusste, was er erzählen wollte. Vieles wurde angerissen, aber nichts ausgearbeitet. Philosophisches Abdriften trifft auf angerissene Vergangenheitsbewältigung trifft auf eine alternative Realität trifft auf einen zutiefst testosterongesteuerten Roman, in dem im Überdruss Schnaps gesoffen wird und des öfteren auch an unpassenden Stellen vom Sex die Rede war. Zudem blieben alle Figuren blaß. Was durchaus gepasst hätte, denn man sieht sie nur durch Jakubs Linse, aber auch er selbst wirkt leblos und war nicht greifbar für mich. Das ist in meinen Augen aber zu wenig, wenn man die Welt knapp 370 Seiten aus seinen Augen sieht.

  • Schade, dass es Dir nicht besser gefallen hat. Aber den Eindruck, dass der Autor nicht so richtig wusste, wohin er eigentlich den Fokus legen wollte, hatte ich auch.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich mag ja eigentlich etwas absurde Geschichten und so klang der böhmische Astronaut, der in seinem Raumschiff in Kontakt mit einem Spinnenwesen gelangt ziemlich interessant. Der erste Kontakt gefiel mir auch ebenso wie die Rückblicke in Jakubs Kindheit recht gut. Aber ab einem gewissen Punkt fragte ich mich, ob der Autor selbst auch an Sauerstoffmangel litt oder welch seltsame Drogen er sich eingeworfen hat, um dieses Werk zu verfassen. Es gab immer noch lesbare Abschnitte, in denen es um reale Geschehnisse ging, aber dazwischen immer mehr wirr-philosophisches Gebrabbel, das ich nur überblättern konnte.


    Das Buch ist (nüchtern ;) betrachtet) keine Leseempfehlung.


    2ratten