Bernhard Schlink - Der Vorleser

Es gibt 55 Antworten in diesem Thema, welches 24.206 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Dieses Buch liegt noch nicht allzu lange auf meinem SUB, wurde aber aus unerfindlichen Gründen immer zu Gunsten eines anderen Buches beiseite geschoben.


    Klappentext
    Auf dem Nachhauseweg gerät der 15-jährige Michael in eine heikle Situation. Eine Frau, Mitte dreißig, kümmert sich um ihn. Später kommt der Junge mit einem Blumenstrauß, um sich zu bedanken. Und er kommt wieder. Hanna ist die erste Frau, die er begehrt. Eine heimliche Liebe beginnt. Doch es ist etwas Düsteres, Reizbares um Hanna. Seine Fragen, wer sie war und ist, weist sie schroff zurück. Eines Tages ist sie verschwunden. Aus Michaels Leben, nicht aus seinem Gedächtnis.


    Als Jurastudent sieht er Hanna im Gerichtssaal wieder und erleidet einen Schock. Er hat eine Verbrecherin geliebt. Vieles an Hannas Verhalten im Prozess ergibt keinen Reim. Bis es ihm wie Schuppen von den Augen fällt: Sie hat nicht nur eine grauenhafte Tat zu verantworten, sie hat auch ihr verzweifelt gehütetes Geheimnis.


    Die Vergangenheit bricht auf - die seiner Liebe und die deutsche Vergangenheit. Michael muss erleben, dass er von beiden nicht loskommt.


    Meine Meinung
    Der Autor schildert in schlichten Worten, aber doch sehr eindringlich, wie die mehr als 20 Jahre ältere Frau für den Jungen die erste große Liebe wird, ein einschneidendes und prägendes Erlebnis. Die Protagonisten werden sehr objektiv dargestellt, wobei bei Hanna immer eine gewisse Distanz bestehen bleibt, während man von Michael selbst die geheimsten Gedanken kennen lernt, was ihn sehr sympathisch erscheinen lässt.


    Schlink konfrontiert uns in diesem Roman gleich mit mehreren heißen Eisen, von denen wenigstens zwei auch heute gerne noch totgeschwiegen werden. Das Thema der deutschen Vergangenheit speziell im Fall von Hanna zwingt den Leser jedoch, sich Gedanken über die Beweggründe derer zu machen, die aus eigenem Antrieb unter dem NS-Regime arbeiteten. In Hannas Fall steckt nicht der Glaube an das Regime dahinter, sondern der Versuch, ihr eigentliches Problem zu vertuschen, das aus heutiger Sicht als viel banaler erscheint. Für mich beschreibt das Buch weniger die Geschichte des Jungen, sondern zeigt, wozu Menschen sich aus Scham hinreißen lassen.


    Die Erkenntnis, dass die Beziehung zwischen den beiden auch auf freundschaftlicher Ebene keine Zukunft hat, macht die Erzählung realistisch. Eine kurze Geschichte in Moll, die von mir 4ratten erhält.


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    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo Doris,


    ich habe den Vorleser vor mehreren Jahren gelesen und fand ihn auch so drei-bis-vier-Leseratten-mäßig.


    Allerdings würde ich ihn nicht unbedingt unter Weltliteratur und Klassiker einordnen. Für erstere ist er nicht bekannt genug und für letztere nicht alt genug - Bernhard Schlink lebt ja noch, der ist kaum älter als mein Vater :zwinker:


    LG
    Nightfever


    [size=9px]Edit: Und verschoben :winken: LG nimue[/size]

    Mein Geist dürstet nach Taten, mein Atem nach Freiheit!<br />Der Hauptmann der Räuber

  • Hallo Doris,


    es ist schon etwas her, als ich "Den Vorleser" gelesen habe. Ich merke gerade, dass ich mich nicht mehr so richtig an die Geschichte erinnern kann. Da wird es Zeit das Buch wieder zu lesen.


    Liebe Grüße
    wolves

  • @ nightfever
    Ich habe auch überlegt, ob ich das Buch in Sonstige Belletristik stecken soll. Allerdings fand ich den Untertitel bei Weltliteratur und Klassiker passend: Anspruchsvolle Literatur (und dazu scheint Der Vorleser nach Meinung vieler zu gehören) für anspruchsvolle LeserInnen (und das sind wir doch, oder? :zwinker: ).


    Liebe Grüße
    Doris

  • Das Buch haben wir in der Schule gelesen. Während alle hell begeistert waren, fand ich das ganze einfach nur durchschaubar und oberflächlich.
    Man merkt überdeutlich, dass der Autor mangels Ideen einfach alle möglichen "Tabu-Themen" irgendwie verwurstelt hat, um wenigstens damit für Aufsehen zu sorgen.
    Ich will damit niemand auf die Füße treten, dem das Buch gefallen hat, aber für mich war das von Anfang bis Ende nur pseudo-intellektueller Schund.

    Ich verabscheue, was Sie sagen, aber ich werde Ihr Recht, es zu sagen, bis zum Tod verteidigen. - Voltaire

  • Ich habe dieses Buch letztes Semester gelesen und muss gestehen, so toll fand ich ihn nicht. Gut, man kann ihn lesen, er ist lehrreich, aber so richtig fesselnd tat er mich nicht unbedingt. Ich würde eher zu 3ratten neigen.

  • Hallo
    Auch ich finde nicht das er irgendwelche Tabus gebrochen hat. Wir werden nun schon seit Jahren mit der Schuld und Süne Frage der 30er und 40er malträtiert so das die Handlung und Thematik keine Unbekannte nicht ist. Genau so auch lässt sich die Liebe zwischen einem Jungen und einer älteren Frau auch nicht wirklich als neu bezeichnen.
    Dennoch ein gutes Buch das durch seine Einfachheit besticht und auf unnötige Effekthascherei verzichtet.


    Agarepth
    Ich fand den simplen Storyverlauf recht angenehm. Er hätte die ganze Geschichte auch auf 300 Seiten plattwalzen können. Was er aber nicht getan hat. Er hat sich auf seine Tugenden besonnen und erspart dem Leser unnötigen Firlefanz.


    NtM

  • Eines der wenigen Bücher, die ich mehr als einmal gelesen habe. Mir hat es sehr gut gefallen. Diese klare Sprache, die die ganze Geschichte sehr schonungslos und glaubwürdig rüber gebracht hat mit absolut plastischen Charakteren. Absolut fesselnd (für mich).


    4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • habe es vor einigen semestern gelesen und fand es na ja nicht gerade schrecklich, aber sehr nahe dazu. warum ist schon gesagt wurden.


    meine schwiegermama hat die englische übersetzung gelesen (das buch war immerhin auf der bestseller liste der new york times) und fand es auch nicht sehr berauschend - also selbst die amis denken, dass diese tabus themen langsam geschichte sind.

    &quot;Ganze Literaturen wären nicht, riegelten die Maedchen ihre Türen auf&quot; Kurt Tucholsky

  • Zitat

    also selbst die amis denken, dass diese tabus themen langsam geschichte sind


    Schlimm genug. :sauer:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Tja..mal wieder sehr durchwaschn eure Meinungen..
    Ich habe das Buch hier liegen und bin jetz etwas verunsichert, ob ich es lesen soll.
    Obwohl.....meine eigene Meinung würde ich mir schon gerne bilden..mal sehen....aber verunsichert bin ich dennoch. Denn meine Meinung schließt sich immer ähnlich der euren an. Wie ein :herde: eben! :breitgrins:


    Liebe Grüße,
    Elchkusel

  • Hallo!


    Ich habe dieses Buch in der neunten Klasse gelesen und habe es überhaupt nicht gemocht.
    Das Thema an sich fand ich gut und ich finde es wichtig über den Generationskonflik bezüglich des Nazi-Regimes zu schreiben, aber im Großen und Ganzen kann ich mich nur Agarepths Aussage

    Zitat

    Man merkt überdeutlich, dass der Autor mangels Ideen einfach alle möglichen "Tabu-Themen" irgendwie verwurstelt hat, um wenigstens damit für Aufsehen zu sorgen.

    anschließen. Die Umsetzung war meiner Meinung nach sehr schwach.

  • Hallo!


    Ich habe "Der Vorleser" während meines Urlaubs gelesen. Das Buch hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass der Erzähler einer verpassten Chance hinterhertrauert und diesse Stimmung hat mich in ihren Bann gezogen. Allerdings habe ich beim Lesen immer die Beziehung von Michael und Hanna im Vordergrund gesehen und Hannas Vergangenheit im NS-Regime zwar nicht ignoriert, aber hintenan gestellt.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Zitat von "Kirsten"

    Hallo!


    ... Das Buch hat mich sehr beeindruckt. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass der Erzähler einer verpassten Chance hinterhertrauert und diesse Stimmung hat mich in ihren Bann gezogen. Allerdings habe ich beim Lesen immer die Beziehung von Michael und Hanna im Vordergrund gesehen und Hannas Vergangenheit im NS-Regime zwar nicht ignoriert, aber hintenan gestellt.


    Liebe Grüße
    Kirsten


    Ging mir genauso.
    Ich habe das Buch gerne gelesen. Auch Stil und Umgang mit der Sprache fand ich sehr angenehm.
    Mindestens
    4ratten

    Gruß Charly

  • So ich hab das Buch jetzt auch mal gelesen.


    Zitat


    In Hannas Fall steckt nicht der Glaube an das Regime dahinter, sondern der Versuch, ihr eigentliches Problem zu vertuschen, das aus heutiger Sicht als viel banaler erscheint. Für mich beschreibt das Buch weniger die Geschichte des Jungen, sondern zeigt, wozu Menschen sich aus Scham hinreißen lassen.


    Ja, das fand ich wirklich das interessante an dem Charakter, zuerst wusste man ja nicht wirklich was man von ihr halten sollte, nachdem rauskam, das sie unter dem NZ-Regime gedient hatte. Aber mehr und mehr hat sich der Nebel auch gelichtet.


    Zitat


    Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass der Erzähler einer verpassten Chance hinterhertrauert und diesse Stimmung hat mich in ihren Bann gezogen. Allerdings habe ich beim Lesen immer die Beziehung von Michael und Hanna im Vordergrund gesehen und Hannas Vergangenheit im NS-Regime zwar nicht ignoriert, aber hintenan gestellt.


    Auch dito. Aber die Geschichte ist irgendwie auch traurig... für beide Charaktere.



    Mir gefällt das Buch sehr, ich hab es gerne gelesen, deshalb gibts von mir:


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Inhalt


    Als 15-jähriger lernt Michael Berg die um 20 Jahre ältere Hanna Schmitz lernen und erlebt seine erste Liebe. Er erfährt nicht viel über Hanna, außer, dass sie Straßenbahnschaffnerin ist und dass sie es liebt, dass er ihr vorliest. So entwickelt sich das Ritual, dass Michael ihr bei seinen häufigen Besuchen immer vorliest, bevor es zum Liebesakt kommt.
    Eines Tages verschwindet Hanna spurlos, ein Wiedersehen gibt es einige Jahre später im Gerichtssaal. Michael, inzwischen Student der Rechtswissenschaften, belegt ein Seminar und wohnt einem Auschwitz-Prozess bei, bei dem er Hanna Hauptangeklagte wiedersieht.
    Während dieses Prozesses wird Michael klar, warum Hanna vieles in ihrem Leben verschweigt, warum sie sich so ungeschickt verteidigt.


    Aufbau


    Das Buch ist in 3 Teile gegliedert. Teil I behandelt die Liebesbeziehung der beiden, Teil II den Gerichtsprozess Jahre später und Teil III das Leben nach dem Prozess


    Meine Meinung


    Ich bin beeindruckt, was man nicht alles in ein Büchlein von knapp 200 Seiten packen kann.
    Was wie eine Liebesgeschichte beginnt, entwickelt sich zu einem Drama und auch Trauma für Michael Berg.
    Das Erlebnis einer großen Liebe, von der er für seine Persönlichkeit sehr profitiert und die er dennoch verleugnet wird gefolgt vom Schuldgefühl, verantwortlich für das plötzliche Verschwinden der Frau zu sein.
    Das Wiedersehen im Gerichtssaal lässt diese alten Schuldgefühle wieder auflodern, doch auch hier kann sich Michael Berg nicht überwinden, aus seinem Schatten zu treten, selbst als ihm klar wurde, dass offensichtlich Ungerechtigkeit geschieht.
    Michael wird als der klassische Mitläufer charakterisiert. Obwohl er die Ungerechtigkeit erkennt, wagt er es nicht, aufzustehen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Lieber den Mund halten, lieber verleugnen und irgendwelche Ausflüchte, Rechtfertigungen und Ausreden suchen.


    Eine Unmenge von Themen wird in diesem Buch behandelt. Es geht um persönliche Schuld genauso wie um kollektive Schuld, es geht um Mitläufertum, um Vergangenheitsbewältigung genauso wie um Verantwortungsgefühl und Zivilcourage, um Opfer und Täter.
    Das Buch bietet Ansätze für alle möglichen Diskussionen und ich kann sehr gut verstehen, dass es immer öfter als Schullektüre angeboten wird.


    Im Thread zu Ödön von Horvath - Jugend ohne Gott ergab sich eine sehr interessante Diskussion zum Thema (der Link wurde bereits von Bartlebooth gepostet, allerdings scheint er im Zuge des Forenumbaus verlustig gegangen zu sein).
    Dem Vorwurf, Bernhard Schlink würde in diesem Buch das Mitläufertum verharmlosen, kann ich nur bedingt zustimmen.
    Die unbewältigte Vergangenheit und auch seine Feigheit liegen wie ein Schatten über dem Leben des Michael Berg. Er flüchtet in eine Ehe, die unglücklich verläuft, er findet keinen Beruf, der ihn ausfüllt und immer wieder sucht er nach Rechtfertigungen für sein Benehmen. Bis zuletzt schafft er es nicht, Zivilcourage zu zeigen und wird deshalb seines Lebens nicht mehr froh.



    4ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von creative ()

  • "Der Vorleser" ist ein interessantes, spannendes, zum nachdenken anregendes Buch. Ich empfand es als angenehm zu lesen und würde es auf jeden Fall weiterempfehlen. Den vorangegangenen positiven Meinungen kann ich mich nur anschließen. Es ist schon faszinierend wie sehr das Leben und Denken eines Menschen von einem anderen auf diese Art beeinflusst und geprägt werden kann.


    4ratten

  • Ich habe Der Vorleser in der Schule gelesen. Das Lesen begann ich mit gemischten Gefühlen. Schlinks Stil hat mir nicht sehr zugesagt und am Ende des ersten Teiles des Buches (als Hanna geht) habe ich sehr mit mir gerungen und wollte das Buch beinahe weglegen. Daß ich dann doch weiterlas, war sehr gut - denn Schlink stieg eigentlich erst nach dem ersten Teil in die Handlung ein und die bis zu diesem Punkt dahinplätschernde Geschichte bekam endlich einen Hintergrund. Thematisch wurde es dann ziemlich interessant, aber Schlinks Sprache mochte ich nicht. Sie hat so etwas funktionales. Am Ende hat das Buch einen mäßigen Eindruck hinterlassen - keine Zeitverschwendung, aber empfehlen würde ich es auch nicht.

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Ich dachte am Anfang der Roman handle sich um ein anderes, deswegen war ich sehr überrascht, aber dann war ich eigentlich ziemlich froh das Buch nochmal wieder gefunden und gelesen zu haben. Ich weiß noch damals habe ich es auch mit gemischten Gefühlen gesehen, der Junge der zu erst hochmütig glücklich war eine ältere Freundin zu haben und dann plötzlich kalt wird, weil diese nicht mehr da ist. Doch jetzt hat alles irgendwie zusammen gepasst. Mit Hana hatte ich meine Probleme, denn was Michael beschrieben hat, was in seiner Pubertät passiert, dass man sich entweder supergut fühlt, oder superschlecht, kein Mittelding, das traf für mich absolut bei Hana zu. Eine erwachsene Frau, die nicht wirklich Erwachsen ist.


    Aber ich würde das Buch weiterempfehlen, einfach geschrieben, leicht zu lesen und sehr nett.


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von midnight ()