Jean Liedloff - Auf der Suche nach dem verlorenen Glück

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  • Jean Liedloff unternahm nach ihrem Universitätsbesuch 5 Expeditionen in den venezolanischen Urwald. Insgesamt zweieinhalb Jahre lang, lebte sie mit den Yequana-Indianern und versuchte die Ursachen dieses glücklichen und harmonischen Zusammenlebens herauszufinden. Sie entdeckte dessen Wurzeln im Umgang dieser Menschen mit ihren Kindern und zeigt, wie dort noch ein bei uns längst verschüttetes Wissen um die ursprünglichen Bedürfnisse von Kleinkindern existiert, das wir erst neu zu entdecken haben. Zur Zeit lebt sie als Publizistin und Psychotherapeutin in Sausalito USA.


    Im Vorwort des Buches schreibt Rainer Taёni: „ ...Sein eigentliches Thema ist das menschliche „Kontinuum“ – und was ein Leben im Einklang damit bedeuten müsste. Gemeint ist mit dem Begriff die uns angeborene, kontinuierliche Folge von triebenergetisch, motivierten Erwartungen, die erfüllt werden müssen, ehe der Organismus sich unbeeinträchtigt auf seine nächste (evolutionär festgelegte) Entwicklungsstufe begeben kann.....Um konkreter zu werden: Es gibt kein Tier, das nicht „wüsste“ (unfehlbar und ohne Zweifel), was es braucht für sein Wohlbehagen und seine Gesundheit, was ihm bekömmlich ist – und vor allem: wie es seine Jungen behandeln muss, damit diese sich optimal entwickeln. Der Mensch in der Zivilisation jedoch weiß es nicht – er hat es vergessen......
    Das wahrhaft Revolutionäre an Liedloffs Buch besteht darin, dass es diese Zusammenhänge am Beispiel einer Gesellschaft, die tatsächlich noch anders ist, verdeutlicht; und damit, wie gesagt Hoffnung liefert – auch für uns -, dass alles wieder anders werden könnte, weil die Fähigkeit zum Sich-Wohl-Fühlen im Hier und Jetzt unwiderlegbar in Reichweite des Menschen liegt, so wie er geboren wurde. Nicht, dass wir, um diesen Zustand wiederzuerlangen, nun selbst leben müssten wie südamerikanische Indianer. Das Leben der Yequana gilt in diesem Buch nur als Beispiel.
    Wesentlich ist, dass wir endlich beginnen, uns neue Gedanken hinzu machen über die Beschaffenheit des Menschen. Tun wir es in dem Sinne, wie Jean Liedloff es uns nahe legt: unser Leben kann, ja muss sich von Grund auf verändern – besonders, was unsere Einstellung zu den Kindern betrifft, die ja die verkörperte Hoffnung der Menschheit sind. In diesem Sinne hat „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ uns sehr Wesentliches zu sagen – Dinge, die selbst Schulwissenschaft bisher nicht bekannt sind. Es ist Zeit, dass sie gesagt werden – und dass wir alle dementsprechen zu handeln beginnen, auf dass die Herrschaft der Angst in der Welt endlich eingedämmt werde."


    Meine Meinung:
    Mich hatte dieses Buch sehr zum Nachdenken angeregt. Inwiefern sind wir schon so weit davon entfernt, mit unseren Kindern natürlich umzugehen? Wie können wir wieder einen natürlichen und ungezwungenen Umgang mit ihnen erlernen? Jeder bekommt ja nach (und vor der Geburt) eines Kindes eine Unmenge von Ratschlägen wie man mit diesem neuen Erdenbürger umzugehen hat. Zugegebenermaßen das hat mich schon immer sehr unsicher im Umgang mit Babys und Kleinkinder gemacht.
    Der vollkommen natürliche Umgang der Indianer mit ihren Kindern hat mich sehr beeindruckt; die Selbstverständlichkeit mit der Babys herumgetragen werden und die ganze Zeit über Körperkontakt zu ihrer Mutter oder einem anderen Mitglied des Stammes haben.
    Der nicht überhebliche Umgang der Indianer mit Kleinkindern, man lässt ihnen den ungezwungenen Freiraum, sich selbst etwas aneignen zu können. Die Yequana haben Vertrauen auf die Fähigkeit ihrer Kinder.


    Was mir besonders gut gefallen hat, war die Einsicht des ungezwungenen Umgangs mit Baby/Kleinkind. Irgendwie hatte ich immer die Horrorvorstellung Alleinunterhalterin und Förderin meines Kindes zu werden. Mir quasi ein 24 Stunden Unterhaltungsprogramm auszudenken. Das Kind in meinen Alltag einfach einzubinden, darauf wäre ich interessanterweise nie gekommen.


    Was ich natürlich nicht weiß und beurteilen kann, inwiefern man die Einsichten von Liedloff in den tatsächlichen Alltag mit dem Baby und/oder dem Kleinkind übertragen kann. Ist es realisierbar und machbar ein Baby den ganzen Tag (mit Hilfe eines Tragetuches) bei sich zu tragen? Und auch noch die Nacht bei sich schlafen zu lassen? Ist es dann nicht später ziemlich schwierig, dass Kind an ein eigenes Zimmer zu gewöhnen? Kann ich mich wirklich auf das Selbsterhaltungstalent meines Babys verlassen, wenn es Richtung einer befahrenen Straße krabbelt oder mit scharfen Messern spielt? Oder sind das nur Extrembeispiele, bei denen der gesunde Menschenverstand eingreifen sollte? Wieso schaffen es die Yequana so leicht ihren Kindern zu vertrauen und wieso sträubt sich alles bei mir bei solchen Beispielen? Mich würde eure Meinungen dazu sehr interessieren!


    Hier noch ein Link auf die Homepage des deutschsprachigen Liedloff-Kontinuum-Network: Klick


    Ich gebe:
    5ratten

  • :bussi: Das ist eine ganz wundervolle Rezension! Ich freue mich so, dass es Dir gefallen hat! Meiner Meinung nach ist dieses Buch absolute Pflichtlektüre, nicht nur für Eltern und solche, die es werden wollen, sondern für alle Menschen!


    Es räumt einfach mit den ganzen Vorurteilen und Ammenmärchen auf.


    Sehr zu empfehlen ist auch das Forum aus dem Link von Wolves, auch wenn ich da schon länger nicht mehr reingeschaut habe, aber ich denke, da verändert sich nicht viel.


    Bei den Extrembeispielen gehen die Meinungen dann auseinander. Natürlich leben wir hier in ganz anderen Umständen. Und Autos z.B. gehören sicher nicht zum "Continuum" dazu. Mit Messern, Scheren etc. habe ich es auch locker gesehen und es ist nie etwas passiert.


    24 Stunden Körperkontakt sind durchaus realisierbar. Bei mir war es zumindest so beim letzen Kind. Beim ersten ging es leider nur bis zum 9. Lebensmonat, weil ich dann wieder schwanger war und nicht so viel tragen sollte, da hat sich die Dauer dann etwas reduziert. Das zweite Kind hatte dann ein nicht erkanntes KISS-Syndrom, das war damals noch nicht in aller Munde und hatte beim Tragen Schmerzen, hat sich immer nach hinten gebogen und geschrien.
    Beim dritten Kind war es dann alles genauso gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe.



    Ich gebe natürlich
    5ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:



    und hoffe, dass viele auf Grund deiner tollen Rezi dieses Buch kaufen und lesen und lieben werden! :knuddel:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Hallo Weratundrina,


    ich habe dir zu danken :knuddel: , ohne deinen tollen Tipp wäre ich nie auf das Buch gestossen. Das Buch war ein richtiger Gewinn für mich :smile: . Es gehört wirklich zu den Büchern, die man am liebsten jedem in die Hand drücken möchte. Die Frage ist natürlich, ob es jeder auch in seinem Leben umsetzen kann oder will. Das ist wohl Ansichtssache.


    Mir hatte auch noch eine der Anfangsbeschreibungen von Liedloff gefallen. Da konnte man sich so richtig wiedererkennen :zwinker: . Ich meine die Geschichte, als sie mit der Piroge den Fluss entlanggereist sind und gezwungen waren, wegen der Arepuchifälle die schwere Piroge selbst über die Felsen zu zerren. Die beiden Italiener, die mit ihr gereist waren, waren angespannt, gestresst und fluchten ununterbrochen. Die Indianer die geholfen haben unterhielten sich prächtig. Sie lachten über die Schwerfälligkeit des Kanus und machten ein Spiel aus dem Kampf.
    Die Italiener haben die Wahl für sich getroffen, dass ganze als sehr beschwerlich anzusehen. Dagegen haben die Indianer die Wahl getroffen, dass ganze lockerer und damit weitaus streßfreier anzugehen. Das fand ich einfach ein tolles Bild, aus dem man ganz schön für sich lernen kann. :smile:


    Und es gibt noch so viel mehr in dem Buch, was man für sich herausziehen kann. Natürlich stehe ich auch in einigen Punkten kritisch gegen ihre Rückschlüsse. Mit allem kann ich mich da nicht anfreunden. Das ist allerdings genau das, was ich an dem Buch so mag: Es regt zum Nachdenken an.



    Liebe Grüße

  • Ich krame den Thread mal wieder raus, weil das Thema wieder aktuell wie nie zuvor und das Buch wirklich sehr empfehlenswert ist.


    Mein Mann und ich leben mit unseren Kindern auch zum Teil nach dem Continuum Concept und manche Sachen sind durchaus sehr gut realisierbar. Meine beiden Kinder wurden und werden sehr viel im Tuch getragen, schlafen im Familienbett und wir sind im Umgang mit Treppen, Messern, o.ä. auch eher locker. Wobei ich dann auch vor allem was Verkehr angeht, nicht so locker bin. Da muss jeder die richtige Mischung für sich finden.


    Auf jeden Fall regt das Buch zum Nach- und Umdenken an und ist für manchen ein wundervoller Wegweiser.

    LG, resca