Susan Kreller - Pirasol

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    Der Roman um die schweigsame Gwendolin, die sich erst im hohen Alter dazu durchringt, zu sich selbst zu stehen und alle Bevormundung von außen abzuschütteln, berührt wie kaum ein anderer, den ich je gelesen habe!


    Er ist ein wahres Kleinod, geschrieben in einer poetischen Sprache, die so leicht und dabei so eindringlich ist, dass man beim Lesen die Zeit vergisst und sich ganz verliert in einem bezaubernden Gespinst von Bildern und einfühlsamen Sätzen.
    Und dies, obwohl Susan Kreller dem Leser eigentlich sehr viel Leid und Schmerz und Traurigkeit zumutet! Doch ist es tatsächlich ihre wunderschöne, völlig unsentimentale Sprache, die es möglich macht, auch das Schwere zu ertragen, es zwar in den Fokus zu rücken, aber gleichsam unscharfe Bilder davon zu malen und diese wie durch einen seidenen Vorhang sehen zu lassen.


    Der Leser begegnet Gwendolin, die gegen ihren Willen ihre Villa Pirasol mit der herrischen, einige Jahre jüngeren Thea teilt, die ihr Stück für Stück den Platz streitig macht. Von allerlei Schuldgefühlen geplagt gelingt es Gwendolin nicht, sich ihrer zu entledigen - bis eines Tages angeblich der vor vielen Jahren vom Vater vertriebene Sohn in der Stadt gesehen wird.


    Dies ist der Anlass für Gwendolin, schmerzhafte Lebenserinnerungen aufkommen zu lassen und sich ihnen zu stellen: ihre geliebten Eltern, die letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre in Berlin, ihr Weggang, der Neuanfang weit im Westen Deutschlands, ihre Heirat mit dem herrschsüchtigen Papierfabrikanten Willem, der den gemeinsamen Sohn mit äußerster Strenge und Willkür behandelte, ihn dabei seiner Mutter entfremdete, die niemals in der Lage war, ihn zu schützen...


    Und indem die Autorin Gwendolin mit Trauer im Herzen ihr Leben Revue passieren lässt, gelingt es dieser allmählich, all das, wofür sie vermeintlich Schuld auf sich geladen hat, in neuem Licht zu sehen und sich mit ihrem Leben soweit es eben möglich ist zu versöhnen.
    Zur Befriedigung des Lesers, dem die, wie es im Klappentext heißt, "scheue Gwendolin" längst ans Herz gewachsen ist, der bereits von Anfang an auf ihrer Seite steht und mit Betroffenheit ihre Geschichte liest, die sich langsam vor ihm entfaltet. Der aber auch Bedauern darüber verspüren mag, dass die so einsame und verzagte Gwendolin erst so spät lernt, sich zu behaupten, dass sie erst so spät ihren Frieden gefunden hat.


    Dennoch macht dieser großartige Roman einer wundervollen Schriftstellerin von hohem Niveau auch Mut, denn er hat eine Botschaft! Es ist nie zu spät, sein Leben in die Hand zu nehmen! Und selbst wenn der Roman-Gwendolin nicht mehr viele Jahre beschert sein mögen, so wird sie diese selbstbestimmt leben und bis zur Neige auskosten!


    5ratten

  • Das hört sich sehr interessant für mich an, danke für Deine Rezi, kommt auf meinen Merkzettel :winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • In der Villa „Pirasol“ leben zwei alte Damen. Gwendolin ist die Eigentümerin der Villa, die die jüngere Thea bei sich aufgenommen hat. Aber es ist keine Wohngemeinschaft auf Augenhöhe, denn Thea nutzt es schamlos aus, dass sich Gwendolin nicht wehren kann.
    Am Anfang ist es mir recht schwer gefallen, in die Geschichte hineinzufinden, da die Zeiten immer wieder wechseln. Doch schon sehr bald hat mich das Buch dann vollkommen in den Bann gezogen.
    Gwendolin hat es nie leicht gehabt in ihrem Leben. Nachdem im Krieg Vater und Mutter verschwunden sind, musste sie sich durchschlagen. Später ging sie eine Ehe mit Willem ein, der sich dann als Despot herausstellte. Sie begehrt nicht auf, auch wenn das „Armband“ die Gewalt Willems dokumentiert. Auch wenn er den Jungen quält und einsperrt, wehrt sie sich nicht. Dann ist der Junge weg, sie wird irgendwann Witwe und nimmt Thea auf. Welches Druckmittel hat Thea in der Hand, dass sie so auftreten kann?
    Oft hätte ich Gwendolin schütteln können, um sie aufzufordern, sich zu wehren. Aber vielleicht wird man so, wenn das Schicksal einen beutelt.
    Am Ende überrascht mich nicht nur Gwendolin.
    Es ist ein Buch, das berührt und einem lange im Gedächtnis bleibt.


    5ratten

  • Zeit für Veränderungen


    2014. Die 84-jährige Witwe Gwendoin Suhr lebt mit der 69-jährigen Thea Hartwig, die sie auf dem Friedhof kennengelernt hat, in der alten Fabrikantenvilla Pirasol. Gwendolin hat ihren einzigen Sohn viele Jahre nicht mehr gesehen, seitdem ihr verstorbener herrischer Ehemann Willem diesen vor langer Zeit aus dem Haus vertrieben hat. Doch plötzlich gibt es die Nachricht, dass dieser sich wieder in der Stadt aufhalten soll. Gwendolin zermürbt sich seitdem mit Schuldgefühlen und lässt ihr Leben noch einmal Revue passieren, angefangen bei ihrer Kindheit über den Krieg bis hin zu ihrer Ehe und dem Verlust des Sohnes. Thea dagegen fühlt sich von der Nachricht bedroht und setzt alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ein, ihr erschlichenes Wohnrecht in der Villa zu verteidigen und nach all den Jahren des Zusammenlebens mit Gwendoline ihre Ansprüche auf Pirasol geltend zu machen. Wird Gwendoline die Kraft aufbringen, sich endlich gegen Thea zur Wehr zu setzen?
    Susan Kreller hat mit ihrem Buch „Pirasol“ einen sehr eindrucksvollen und poetischen Roman vorgelegt, der dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Der Schreibstil besticht durch eine besondere Sensibilität und eigene wunderbare Wortkreationen, die des Lesers Herz anrühren. Schnell versinkt man in dieser Geschichte voller Traurigkeit und Schmerz, jedoch nicht ohne den unterschwelligen Funken namens Hoffnung, dass am Ende alles gut ausgehen wird. Die Handlung lebt von den ständigen Perspektivwechseln zwischen Gegenwart und Gwendolins Erinnerungen an 80 Jahre Vergangenheit. Die Zeitreise durch ein bereits lange gelebtes Leben ist ebenso bildgewaltig wie die gegenwärtige Lebenssituation der beiden Frauen, die beim Leser ein Auf und Ab auf dem Gefühlsbarometer verursachen.
    Die Charaktere wurden so individuell wie realistisch geformt und geben dem Leser tiefe Einblicke in ihre Gedanken, ihre Gefühlswelt und ihre Intentionen. Gwendolin ist eine sehr zurückhaltende und stille Frau, die sich Zeit ihres Lebens nie aufgelehnt oder Schwierigkeiten entgegen gestellt hat. Sie hasst sich selbst dafür, ihren Sohn gegenüber dem despotischen Ehemann nicht verteidigt zu haben, doch dafür fehlte ihr die Kraft, hat sie sich doch ihrem Schicksal ergeben. Doch gerade das macht ihr ihr Leben zur Hölle, und sie will diesen Zustand partout noch ändern, endlich selbstbestimmen und Frieden mit sich selbst schließen. Thea ist eine berechnende, starke Frau, die genau weiß, was sie will. Sie kennt keine Skrupel, ihren Willen durchzusetzen, bedient sich der psychologischen Manipulation, um Gwendoline Stück für Stück zu entmündigen.
    „Pirasol“ ist ein literarisches Meisterwerk, das dem Leser auf eindrucksvolle Art deutlich macht, dass jeder sein Leben ändern kann, egal in welchem Alter. Es gilt den Willen dazu aufzubringen und dann den Weg unbeirrt zu gehen, ohne sich beeinflussen oder bevormunden zu lassen. Hierfür kann es nur eine absolute Leseempfehlung geben. Chapeau – alles richtig gemacht!


    5ratten

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    Pirasol ist eines der Bücher, die mich als erstes durch ihr Cover für sie eingenommen haben. Es passt auch sehr gut zu diesem Roman. Der Klappentext hat es dann endgültig entschieden und die allseits guten Bewertungen versprachen ein interessantes Buch.

    Interessant ist es auf jeden Fall. Zumindest soweit man das nach knapp 40 Seiten beurteilen kann. Aber ich habe das Gefühl, dass es so bleibt.


    Die 84-jährige Gwendolin lebt mit der jüngeren Thea zusammen in einer Villa, die Gwendolin von ihrem Mann, einen reichen Fabrikanten, geerbt hat. Das Buch beginnt damit, dass Thea Gwendolin davon erzählt, dass der Junge, gemeint ist Gwendolins Sohn, im Ort gesehen wurde. "Pass auf das Haus auf", ist ihre Warnung an die alte Frau. Denn sie befürchtet, dass der zwar enterbte Sohn es auf die Villa abgesehen hat.

    Thea hat in das Haus investiert, wie sie es nennt. Doch wie es scheint, hat sie sich eher gegen den Willen von Gwendolin in das Haus "eingekauft". Thea diktiert Gwendolin ihr Leben und die alte Dame hat nicht die Kraft sich gegen sie zu wehren. Wie sie sich auch gegen all die anderen Einmischungen in ihre Leben nicht wehren konnte. Gern würde sie, aber ihr fehlt der Mut.


    Kennengelernt haben sich die Beiden auf dem Friedhof. Thea sprach sie an und ließ nicht mehr los.

    Während Thea nun ihren Einfluss auf Gwendolin, auch mittels einer Frauengruppe, gegen den bedrohlichen Sohn verstärken will, besinnt sich diese auf ihr Leben. Die Kindheit während des Krieges, das Kennenlernen ihres zukünftigen Mannes, die Geburt des Sohnes.



    Die Beschreibung der beiden Frauen ist der Autorin sehr gut gelungen. Womit ich ein wenig Schwierigkeiten haben, ist die Sprache. Oft muss ich Sätze mehrmals wiederholen, um, ja nicht unbedingt um sie zu verstehen, sondern um mich an die etwas ausgefallene Ausdrucksweise zu gewöhnen.

    Ein paar Beispiele:

    Zitat

    Sie sieht ihre braungefleckten Hände auf dem Tisch liegen, wie Pfützen hingespült, die Finger trübe Rinnsale mit Arthrosebeulen, auf dem Handrücken Ströme von Adern.

    Zitat

    Die Mutter erteilte ihre Klavierstunden mit federleichten Händen, jeden Tag und bis zum frühen Zuletzt, als der Hauch von ihren Händen gefallen war, [...]

    Zitat

    Bevor sie ihren Vater aus dem Haus zerrten, war Gwendolins Leben in der Nähe des schwarzen Blüthner vorgekommen, [...]


    Mal sehen, was man noch so alles aus Gwendolins Leben erfährt und vor allem, ob sie sich irgendwann gegen Thea zur Wehr setzen kann. Denn ich denke, dass sie sehr unterschiedliche Sichtweisen auf den Jungen, war für ein Ausdruck für einen Mann von über 50 Jahren, haben.

  • Gwendolins Geschichte wird in drei Zeitebenen erzählt. Ihre Kindheit, ihre Ehe und die Gegenwart, in der sie bereits 84 Jahre alt ist und mit Thea zusammenlebt. Diese drei Erzählstränge sind sehr gut voneinander zu unterscheiden. Bereits beim ersten Satz wird einem oft klar in welchem man sich befindet.


    Der manchmal etwas eigenwille Erzählstil der Autorin, mit dem ich erst warm werden musste, hat mir gut gefallen. Ja, ab und an habe ich sogar zurückgeblättert, um nochmals nachzulesen, welche Worte sie wählte.


    Gwendolin, die sich Zeit ihres Lebens nicht so wehren wußte und es doch so gern getan hätte, erregt einerseits Mitleid und andererseits möchte man ihr mal gehörig die Meinung sagen, damit sie endlich den Antrieb findet dies zu ändern. Man meint, sie wäre für immer gebrochen, nach den Erlebnissen in der Kindheit und später während ihrer Ehe. Um so mehr erstaunt es, wenn man endlich Zugang zu ihrem Innersten findet und merkt, dass in Gwendolin doch noch mehr steckt.


    Es dauerte einige Zeit, bis mir klar war, warum sie es duldet oder überhaupt zugelassen hat, dass Thea in die Villa zog und das Regiment übernommen hat. Am Ende wird es dann laut zur Sprache gebracht und man erfährt dann so einiges, das bis dahin nicht nur dem Leser unbekannt war.


    Mir hat es sehr gut gefallen, wie hier fast acht Jahrzehnte eines Menschen miterlebt werden durften. Es ist ein Buch der leisen Töne, das doch so sehr auf einen Befreiungsschrei wartet. Ein Buch, dass die unterschiedlichen Facetten der Personen beschreibt. Eindeutig ein Buch, das einem lange im Gedächtnis bleiben wird. Und sicher eines, das man ein zweites Mal mit ebensoviel Genuss lesen kann.


    5ratten       :tipp: