Charlotte Brontë - Jane Eyre

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  • Es geht zwar morgen erst los mit unserem Jane-Eyre-Ründchen, aber ich eröffne heute schon mal den Thread, damit wir bei Bedarf sofort loslegen können.


    Bitte denkt daran, dass wir auch ein paar Mitleserinnen haben, die das Buch noch nicht kennen - deshalb sind deutlich erkennbare Kapitelmarkierungen unerlässlich, und bitte ggf. auch an die Spoilerfunktion denken.


    Ich wünsche uns allen viel Spaß und freue mich schon sehr auf Euch und Eure Kommentare (und meinen 3. Durchgang mit diesem wunderschönen Buch)!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe angefangen und schon 3 Kapitel verputzt :redface:


    Ich lese das Buch ja zum 3. Mal und erstmals auf englisch. Das Original gefällt mir, wie ich erwartet hatte, sehr gut und lässt sich angenehm lesen.


    Interessant finde ich die in meiner Ausgabe enthaltenen Vorworte, die Charlotte späteren Ausgaben ihres Buches vorangestellt hat. In einem findet sie sehr deutliche Worte für Menschen, die nicht zwischen Kritik an Bigotterie und Kritik am christlichen Glauben unterscheiden können:


    Zitat

    Conventionality is not morality. Self-righteousness is not religion. To attack the first is not to assail the last.


    Natürlich ist heute auch Kritik an der Religion selbst denkbar, was damals nicht der Fall war, aber ich finde Charlottes Worte für die damalige Zeit sehr mutig und leider auch heute noch in vielen Fällen treffend.


    Im zweiten Vorwort räumt sie mit der Annahme auf, alle Romane der Brontë-Schwestern, die ja unter den Pseudonymen Currer (Charlotte), Ellis (Emily) und Acton (Anne) Bell erschienen sind, stammten aus ihrer Feder.


    Nun zum eigentlichen Roman (der ja, auch interessant, mit dem Untertitel "An Autobiography" erschienen ist - damals scheinen "fiktive Autobiographien" ein beliebtes Genre gewesen zu sein):


    Die Ausgangsszenerie ist nicht unbedingt neu, zumindest nicht für heutige Leser - es muss Hunderte oder gar Tausende von Büchern geben, in denen ein armes Waisenkind bei Verwandten aufwächst, die es schlecht behandeln und ihm immer wieder unter die Nase reiben, wie wertlos es ist und wie dankbar es zu sein hat -, aber Charlotte malt auf wenigen Seiten ein lebhaftes Bild von Janes trostlosem Dasein auf Gateshead Hall (verflixt, diesen Namen kann ich mir einfach nicht merken). Die grässlichen Cousins und Cousinen, die trotz ihrer Missetaten verhätschelt werden, die hartherzige Tante, das alte Gemäuer ... Trost findet die Kleine nur in Büchern. Die Szene hinterm Vorhang fand ich wunderschön beschrieben, wie sie in die Welt ihres Buches abtaucht, bis dieser ätzende kleine Mistkerl auftaucht :grmpf:


    Bei Janes Bestrafung ging mir echt der Hut hoch. Ein kleines Mädchen in dieses gruselige Zimmer zu sperren, zu absoluter Bewegungslosigkeit zu verurteilen und sie, als sie schier durchdreht, erst recht zu züchtigen - schwarze Pädagogik vom Feinsten! Auch dass sich keiner um ihre Platzwunde gekümmert hat, ist schrecklich. Wo bleibt denn da die Fürsorgepflicht? :grmpf:


    Immerhin Bessie zeigt sich ein wenig wärmer als sonst (auch wenn das Gerede vom Teufel bestimmt nicht heilsam für die Kleine war), und Dr. Lloyd schien mir erst ein ganz vernünftiger Mensch zu sein, bis er auch anfing, Jane kindisches Verhalten vorzuwerfen. Damals hat offenbar noch niemand verstanden, dass Kinder keine Miniatur-Erwachsenen sind :traurig: Aber wenigstens trifft er ins Schwarze mit seinem Vorschlag, Jane könne doch zur Schule gehen. (Schlimmer kann es ja kaum werden.)


    Diese Abbot hätte ich allerdings gerne mal durchgeschüttelt für ihr dummes Geschwätz, man hätte Jane ja durchaus gernhaben können, wenn sie denn wenigstens hübsch wäre :kotz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Dank einer Erkältung bin ich zu Hause und konnte auch schon anfangen - ich hink bei euch ja immer total hinter her :rollen:


    Ich hab grad mit dem 5. Kapitel angefangen. Ich hab diese hübsche kleine neue Ausgabe von dtv in der Übersetzung von Gotthard Röckelein.


    Bei mir ist es schon ewig her mit dem Lesen, aber es hat mich gleich wieder eingefangen.


    Ich war auch total empört über die Behandlung von Jane. Dieser miese, hinterhältige, vollgefutterte Cousin - den hätte ich am liebsten gleich verprügelt. Schrecklich wenn man überlegt, dass früher viele der Kinder wohl so leben mussten.
    Ihren Rückzugsort fand ich wundervoll, da hätte ich mich sicher auch niedergelassen.


    Ich fand es toll, dass sie sich gewehrt hat - allerdings die Reaktion der Erwachsenen darauf war nicht gut für Jane. Und dass sich keiner um ihre Wunden sorgte und sie verarztete fand ich schrecklich.
    Dann noch die gemeinen Worte von Bessie und Abott - ganz zu schweigen von Ihrer kalten Tante. Die könnte man an sich nur schütteln wenn sie den Mund aufmacht.


    Den Apotheker fand ich mal als eine nette Abwechslung, ein Mensch mit Herz wie es scheint. Ich glaube das meinte er gar nicht so wie es klang mit dem kindlichen Verhalten. Und er hat ja das mit der Schule veranlasst für Jane. Was ja erst mal sehr schön ist für sie.


    Gefallen hat mir auch, dass Jane sich gewehrt hat gegen die Aussagen ihrer Tante als Mr. Brocklehurst anwesend war. Falschheit und Unehrlichkeit waren für damalige Zeiten wohl die schlimmsten Eigenschaften für ein kleines Mädchen, und dies dann auch noch bei so einem Ekelbrocken wie Mr. Brocklehurst. Da kann man davon ausgehen, dass es Jane künftig nicht besonders gut gehen wird.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Bis einschließlich Kapitel 4:
    Wie Valentine schon geschrieben hat, der Anfang könnte so in vielen Büchern stehen. Eine arme Verwandte wird von ihrer Pflegefamilie schlecht behandelt. Dass ihre Mutter weit unter ihrem Stand aus Liebe geheiratet hat, mag ein Grund dafür sein. Aus so einer Verbindung kann ja nichts Gutes entstehen :rollen:


    Jane wirkt für ihr Alter sehr reif, ich hatte ganz vergessen wie jung so war als sie bei ihrer Tante war. Schlimm habe ich gefunden, dass die vor Jane Lügen über sie verbreitet. Janes Reaktion ist verständlich, aber für Mr. Brocklehurst ist sie nur die Bestätigung, dass die Tante die Wahrheit sagt.


    Falschheit und Unehrlichkeit waren für damalige Zeiten wohl die schlimmsten Eigenschaften für ein kleines Mädchen, und dies dann auch noch bei so einem Ekelbrocken wie Mr. Brocklehurst.


    Es war wohl auch nicht so gut, wenn ein kleines Mädchen zu klug ist. Denn bei Jane wird schlaumit böse gleichgesetzt :sauer:


    Ich lese dieses Mal eine deutsche Ausgabe, in einer etwas altmodischen Übersetzung. Aber ich finde, das sie zu dem Buch passt.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Stimmt Kirsten, junge Mädchen durften wohl damals nicht klug sein - sondern nur hübsch, lieb und nett.

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo zusammen,


    ich habe gestern Abend mit dem Buch angefangen und bin beim 5. Kapitel angelangt. Ich lese eine Insel-Ausgabe ohne Vorworte, dafür mit einem ausführlichen Nachwort. Zum ersten Mal las ich Jane Eyre im Herbst 1992 und wusste bis vor ein paar Tagen nichts mehr vom Inhalt. Die Maletzke-Biografie der Brontës, die ich gerade beendet habe, ist da aber sehr aufschlussreich. Verfilmungen kenne ich keine.



    Die Ausgangsszenerie ist nicht unbedingt neu, zumindest nicht für heutige Leser - es muss Hunderte oder gar Tausende von Büchern geben, in denen ein armes Waisenkind bei Verwandten aufwächst, die es schlecht behandeln und ihm immer wieder unter die Nase reiben, wie wertlos es ist und wie dankbar es zu sein hat [...]


    Das hat mich an Charles Dickens erinnert. Bei ihm ist das nur noch eine Stufe plakativer. Aber es spricht die Leserschaft an.



    Immerhin Bessie zeigt sich ein wenig wärmer als sonst (auch wenn das Gerede vom Teufel bestimmt nicht heilsam für die Kleine war)


    Bessie zeigt schon mehr als nur einen Ansatz von Verständnis, und in dem Maß, wie sie auf Jane eingeht, öffnet sich das Mädchen auch mehr. Das zeigt deutlich, dass Kinder sich oft so verhalten, wie man es ihnen unterstellt, bzw. kann man ihr Verhalten genau so interpretieren. Tante Reed, die sich wahrscheinlich selbst auf die Schulter klopft, weil sie das mittellose Kind aufgenommen hat, sollte froh sein, dass sie einen vermögenden Gatten bekommen hat. Schließlich stammt sie aus derselben armen Familie wie Janes Vater. Ihre Heirat war ja quasi der Aufstieg in eine andere Kaste. Ich glaube, wenn hinter Jane eine ansehnliche Erbschaft stünde, hätte sie bei ihrer Tante ein deutlich höheres Ansehen.



    Gefallen hat mir auch, dass Jane sich gewehrt hat gegen die Aussagen ihrer Tante als Mr. Brocklehurst anwesend war. Falschheit und Unehrlichkeit waren für damalige Zeiten wohl die schlimmsten Eigenschaften für ein kleines Mädchen, und dies dann auch noch bei so einem Ekelbrocken wie Mr. Brocklehurst. Da kann man davon ausgehen, dass es Jane künftig nicht besonders gut gehen wird.


    Bewunderswert ist die Offenheit, mit der Jane ihrer Tante die Wahrheit ins Gesicht sagt. Auch wenn Letztere die Wahrheit erwartet, aber bestimmt nicht so unverblümt. Für eine Zehnjährige ist Jane schon ziemlich reif. Das mag an ihren Lebensumständen liegen. Bei Tante Reed scheint sie einen Nerv getroffen zu haben. Ohne es zu vorauszuahnen, hat sie mit ihren Worten einen Sieg errungen, wo vorher wehrhafte Handgreiflichkeiten zu nichts führten. Andere Waffen, sinnvoll eingesetzt. Man sollte sich ein Beispiel daran nehmen (Nicht, dass ich persönlich immer gleich zuschlage... :zwinker:).


    Gute Besserung übrigens, JaneEyre!

  • Das hat mich an Charles Dickens erinnert. Bei ihm ist das nur noch eine Stufe plakativer. Aber es spricht die Leserschaft an.


    Mich an Victoria Holt :redface: Da war die Heldin auch oft ein armes Mädchen, das schlecht behandelt wurde.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo, ihr Lieben,


    ich muss mich leider ausklinken aus der Leserunde. Mir geht es gesundheitlich nicht gut, sodass ich keine Ruhe zum Lesen habe. Muss erst mal einen Arzt aufsuchen.


    Ich wünsche euch aber viel Spaß. Lange liegenlassen werde ich das Buch nicht. Ich schau dann mal hier rein, wenn ich es gelesen habe.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 91


    Gesamt seit März 2007: 1012

  • Anne, dann wünsch ich Dir alles Gute - hoffentlich bist Du bald wieder fit! :knuddel:



    Mich an Victoria Holt :redface: Da war die Heldin auch oft ein armes Mädchen, das schlecht behandelt wurde.


    Ja, an die hab ich auch gedacht ;)


    Ich bin immerhin auch mit Kapitel 4 durch. Brocklehurst ist ein Ekelpaket!


    Janes freimütige Art zu reden und ihre totale Ehrlichkeit finde ich klasse, auch wenn sie sich damit in den Augen der Tante und Brocklehursts gar keinen Gefallen tut und nur beweist, dass sie wirklich ein durch und durch böses und schlechtes Kind ist :grmpf: Dabei hat sie sowas von recht :rollen:


    Was mich anwidert, ist, dass sich die Reed wie eine megatolle Christin vorkommt, weil sie das Kind aufgenommen hat. Wie sie es am Ende behandelt, ist ja völlig wurscht, der Nächstenliebe ist durch die bloße Tatsache Genüge getan, dass Jane bei ihr leben darf.


    Die vorsichtige Annäherung zwischen Bessie und Jane hat mir hingegen sehr gefallen. Wahrscheinlich hat Bessie mehr Zuneigung zu Jane empfunden, als sie vor ihrer kaltherzigen Dienstherrin zuzugeben bereit war.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo ihr Lieben,


    ich lese das Buch, wie Valentine, in der wunderbaren Clothbound Classic Ausgabe auf englisch und komme damit bisher ganz gut sprachlich zurecht. Ich habe den Roman vor einigen Jahren schon mal gelesen, aber anscheinend nicht alles behalten, denn ich hätte Stein und Bein darauf geschworen, dass die Geschichte damit beginnt, dass Jane bei Mr. Rochester als Gouvernante angestellt wird... :redface: Na ja, um so besser, dass wir das Buch jetzt nochmal lesen.


    Ich bin bis Kapitel 6 gekommen und habe natürlich mit der kleinen Jane mitgelitten, als sie bei ihrer Tante so schlecht behandelt wurde, denn auch wenn es diese "Armes Waisenkind wächst bei hartherziger Verwandtschaft auf"-Geschichte sicher öfter in der Literatur geht, geht mir eine solche Ungerechtigkeit doch immer sehr zu Herzen und ich habe mich gefreut, dass Jane den Mut fand, aufzubegehren und die Wahrheit auszusprechen. Erst sah es ja so aus, als würde Jane nur noch schlimmer bestraft werden, aber mit der Erwähnung ihrer leider bereits verstorbenen Onkels hat sie anscheinend einen Nerv getroffen und kommt jetzt immerhin weg von ihrer Tante und deren Kinder auf eine Schule.


    Sonderlich liebevoll wird mit den Kindern dort zwar auch nicht umgegangen, aber Jane ist so einiges gewohnt und es gibt ja die gute Miss Temple, die sich nach dem verbrannten Porridge um einen Imbiss für die Schülerinnen kümmert, auch wenn sie sich dafür wahrscheinlich sogar rechtfertigen muss. Irgendwo heißt es, Miss Temple sei ungefähr 29 Jahre und die Hilfslehrerin sei einige Jahre jünger und dabei fällt mir wieder einmal auf, wie jung zu dieser Zeit Lehrerinnen oder Gouvernanten anscheinend waren, oft sind sie ja kaum älter als die Schüler selbst.


    Im 6. Kapitel dann nähert sich Jane einem Mädchen an, dass von ihrer Lehrerin ständig grundlos bestraft und sogar geschlagen wird. Im Gespräch mit dem Mädchen, Helen, wird deutlich, dass diese eine ganz andere Einstellung als Jane vertritt. Während Jane gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt angehen will, ist die anscheinend sehr religiöse Helen sehr duld- und fügsam und verteidigt ihre Bestrafungen sogar noch. Mir ist da Janes Kampfgeist näher.


    Liebe Anne und liebe JaneEyre, gute Besserung!

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

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  • Die vorsichtige Annäherung zwischen Bessie und Jane hat mir hingegen sehr gefallen. Wahrscheinlich hat Bessie mehr Zuneigung zu Jane empfunden, als sie vor ihrer kaltherzigen Dienstherrin zuzugeben bereit war.


    Vielleicht hat Bessie die Arbeit in diesem Haushalt etwas abstumpfen lassen? Aber am Ende findet Jane ja bei ihr doch noch ein bisschen Wärme und Zuneigung, das fand ich auch schön.

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Wenn Bessie die Einzige mit etwas Herz ist, kann ich verstehen dass sie das zuerst nicht zeigen kann. Wem sollte sie das in diesem Haushalt auch? Besonders, weil sie vom Rang her unter Miss Abbott steht und wahrscheinlich von ihr eingeschüchtert ist.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Danke euch, fühl mich schon besser. Bin gestern kaum zum lesen gekommen weil wir mit der Reiseplanung beschäftigt waren...


    Anne alles Gute

    Liebe Grüße JaneEyre

    Bücher haben Ehrgefühl. Wenn man sie verleiht, kommen sie nicht zurück.

    Theodor Fontane

  • Hallo zusammen,


    Gestern konnte ich endlich mit dem Buch anfangen. Bei uns ist es immer sehr turbulent um die Feiertage rum und so bleibt auch immer viel Arbeit liegen. Eigentlich wollte ich gestern ja nur mal das Buch anlesen um zu sehen was mich erwartet. Ich habe mich direkt festgelesen. Und anstatt meine Wäsche zu machen auch schon 10 Kapitel geschafft. Ich werde heute aber nur bis zum Anfang 5. Kapitel was schreiben um nicht vorzupreschen.
    Ich glaube, ich bin die einzige die das Buch noch nie gelesen hat? Jedenfalls besitze ich eine deutsche Übersetzung von Gottfried Röckelein.
    Ich weiss gar nicht wo ich anfangen soll.


    Erstmal war ich total überrascht weil in der Ich-Form geschrieben wurde. Ich wusste nicht dass das eine "fiktive Autobiographie" ist.
    Und auch über die Grundstimmung bin ich überrascht. Vor ein paar Jahren las ich "Sturmhöhe" und fand die Stimmung in dem Buch so schrecklich düster und bedrückend. Die Geschichte an sich fand ich zwar nicht schlecht, aber irgendwie hatte ich erst mal genug von den Brontës. Und obwohl Jane hier ja so vieles aushalten muss ist der Text nicht deprimierend.


    Das stimmt, es gibt bestimmt schon tausende Bücher mit armen Waisenkindern die ihren Weg machen. Und trotzdem, so wie es bei Jane Eyre beschrieben ist, habe ich es noch nie gelesen.
    Sie jammert nicht und erträgt alles (bis sie das Buch an den Kopf bekommt). Sie muss schon einen sehr starken Charakter haben. Jedes andere Kind wäre doch eingegangen in diesen Haushalt. Und trotzdem hält Jane den Kopf hoch. Und obwohl Jane so stark ist, geht mir das alles wahnsinnig zu Herzen, am liebsten hätte ich die zehnjährige Jane ganz feste umarmt. Aber auf die Mitleidsschiene ist es trotzdem nicht geschrieben, wie ich es schon in anderen Waisengeschichten erlebt habe.
    Auch wie alles andere beschrieben ist, der Haushalt, die Zimmer, das Haus, der Garten... wirklich sehr bildlich und lebendig. Das Versteck zum lesen, da hatte sie mich schon, das habe ich nämlich auch so gemacht als Kind.


    Bessie fand ich gar nicht so nett. Sie beschimpft Jane genauso oft wie alle anderen und nennt Jane nichtsnutzig und undankbar. Versteh gar nicht wieso Jane sich so bei ihr verabschiedet hat. Und wenn Bessie von allen die netteste war, kann Jane nur froh sein aus diesem Haus zu kommen.
    Obwohl ich ja befürchte dass die Schule nicht viel besser sein wird als das Haus bei der Tante. So wie der Brocklehurst getan hat, ist das doch ne super fromme Schule wo keiner aufmucken darf.


    So, und jetzt noch eine Frage die mir auf der Seele brennt. Ich kann ja kein Englisch und so und habe echt ein Problem mit Janes Nachnamen. Wie zur Hölle wird der ausgesprochen? Jeden den ich frage sagt mir etwas anderes :breitgrins:

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Hallo nanu,
    man spricht es wie das englische "air" (Luft) :smile:

    Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark.Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen.Hermann Hesse

  • Gute Besserung, Anne. :winken:



    Und auch über die Grundstimmung bin ich überrascht. Vor ein paar Jahren las ich "Sturmhöhe" und fand die Stimmung in dem Buch so schrecklich düster und bedrückend. Die Geschichte an sich fand ich zwar nicht schlecht, aber irgendwie hatte ich erst mal genug von den Brontës. Und obwohl Jane hier ja so vieles aushalten muss ist der Text nicht deprimierend.


    Ich weiß nicht, ob man Jane Eyre und Sturmhöhe so direkt vergleichen kann. Sie kommen zwar von Schwestern mit demselben familiären Hintergrund, aber stilistisch sind sie doch unterschiedlich.


  • Sonderlich liebevoll wird mit den Kindern dort zwar auch nicht umgegangen, aber Jane ist so einiges gewohnt und es gibt ja die gute Miss Temple, die sich nach dem verbrannten Porridge um einen Imbiss für die Schülerinnen kümmert, auch wenn sie sich dafür wahrscheinlich sogar rechtfertigen muss. Irgendwo heißt es, Miss Temple sei ungefähr 29 Jahre und die Hilfslehrerin sei einige Jahre jünger und dabei fällt mir wieder einmal auf, wie jung zu dieser Zeit Lehrerinnen oder Gouvernanten anscheinend waren, oft sind sie ja kaum älter als die Schüler selbst.


    Die Brontë-Schwestern waren ja selbst Lehrerinnen und müssen um die 18 Jahre gewesen sein, als sie ihr Amt antraten. Ich kann mich an die Sendung "Die kleine Farm" erinnern, die auch einen autobiografischen Hintergrund hat, und in der die Protagonistin Laura Ingalls mit ungefähr 16 Jahren angefangen hat, als Lehrerin zu arbeiten. Dagegen war Miss Temple schon als erfahrene Lehrerin einzustufen. Immerhin hatte sie auch die Leitung des Hauses inne.


    Im 7. Kapitel wird das strenge Regiment, das Miss Temple zu einem gewissen Grad dulden muss, richtig deutlich. Die Art, wie Brocklehurst mit Jane umgeht und sie mit Worten straft, ist schon heftig - eine ganz perfide Methode, Kinder zur Demut zu zwingen; ebenso, dass es permanent zu wenig zu essen gibt und besonders die kleinen Kinder darunter leiden. Im 9. Kapitel nimmt es dann ganz schlimme Ausmaße an, als mehrere der Schülerinnen an Typhus erkranken. Das waren Ereignisse, die die Brontës am eigenen Leib erfahren mussten, weil sie selbst eine ähnliche Schule besucht hatten und ihre beiden älteren Schwestern an Unterernährung und einer schweren Krankheit gestorben waren, nachdem man sie zu spät wieder aus dieser Schule geholt hatte.


    Übrigens nervt es mich wie immer, wenn in einer frühen Übersetzung die Anreden mitübersetzt und zu "Herr", "Frau" und "Fräulein" werden. Das scheint aber nicht bei allen Ausgaben hier der Fall zu sein.

  • Bis Kapitel 8


    Die Gegebenheiten in Lowood erinnern eher an ein asketisches Mönchskloster als an eine Schule - erbauliche Lektüre, Waschen mit kaltem Wasser (wenn es nicht gerade gefroren ist) und ungenießbares Essen, das zudem nicht ausreicht. Dazu noch jede Menge Gerede vom Höllenfeuer und von der Schlechtigkeit des Menschen. Ich mag das gar nicht glauben, aber solche Zustände scheinen keine Erfindung gewesen zu sein, sondern das, was herauskam, wenn sich selbstgerechte Möchtegern-Vorzeigechristen zu "Wohltätern" mittelloser Waisen aufschwingen. So sieht wahre Nächstenliebe ganz bestimmt nicht aus.


    Vor allem diesen Brocklehurst könnte ich würgen. Das Leben dieser Mädchen ist schon schwer genug, und er koffert sich über Brot und Käse oder ein frisches Halsband oder -tuch auf und über rotes lockiges Haar, während seine ehrenwerten Begleiterinnen in Samt und Seide und Pelz gewandet sind? :grmpf: Sowas bringt mich echt auf die Palme, und der Gipfel war, wie er Jane vorgeführt hat, als sei sie der Leibhaftige. Was das wohl mit so einem armen Kinderseelchen macht oder machen kann? Jane scheint mir ja trotz allem relativ widerstandsfähig gegen derartigen Mist, weil sie selbständig zu denken imstande ist und sich traut, es zu tun. (Komischerweise hatte ich das alles ziemlich verdrängt. Seltsam!)


    Auch Helen Burns tut mir irgendwie leid, die glaubt ja ihre eigenen salbungsvollen Sprüche :rollen: Dabei ist sie im Grunde ein liebenswertes Mädchen - dass sie Jane während ihrer Bestrafung ihren Nachmittagsimbiss bringt und ihr gut zuredet, fand ich wirklich lieb von ihr und auch erstaunlich mutig.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Zitat von knödelchen

    Ich habe den Roman vor einigen Jahren schon mal gelesen, aber anscheinend nicht alles behalten, denn ich hätte Stein und Bein darauf geschworen, dass die Geschichte damit beginnt, dass Jane bei Mr. Rochester als Gouvernante angestellt wird...


    So ging es mir beim ersten Re-Read :breitgrins: Da war die Erstlektüre allerdings auch gute 15 Jahre her.


    Zitat von knödelchen

    Irgendwo heißt es, Miss Temple sei ungefähr 29 Jahre und die Hilfslehrerin sei einige Jahre jünger und dabei fällt mir wieder einmal auf, wie jung zu dieser Zeit Lehrerinnen oder Gouvernanten anscheinend waren, oft sind sie ja kaum älter als die Schüler selbst.


    Das sticht mir in Büchern aus der Zeit auch immer ins Auge. Selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheint das noch so gewesen zu sein. Anne Shirley (Anne auf Green Gables) war ja auch erst sechzehn, als sie Lehrerin wurde.


    @nanu: ich finde auch, dass das Buch großartig geschrieben ist. Man leidet mit und nimmt Anteil, aber es ist nicht dieser Betroffenheitskitsch, den es gerade im 19. Jahrhundert so häufig gab (von dem ist ja auch Dickens manchmal nicht ganz frei).


    Zitat von Doris

    Übrigens nervt es mich wie immer, wenn in einer frühen Übersetzung die Anreden mitübersetzt und zu "Herr", "Frau" und "Fräulein" werden.


    Wah, damit kann man mich auch richtig auf die Palme bringen. Oder mit der Schreibweise "Miß", die vollkommen unsinnig ist.

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    Leonard Cohen