I. Teil - Anfang bis Seite 88

Es gibt 129 Antworten in diesem Thema, welches 15.441 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von ysa.


  • Nelson erweckt mein Mitleid, aber gleichzeitig weiß ich auch, dass ich nicht mit ihm klargekommen wäre. Auch mir waren früher Streber fremd - wenngleich ich sie nicht gemobbt habe. In meiner Klasse gab es einen Jungen, Fritz, der sich selbst als Außenseiter dargestellt hat, der stets von den Lehrern als erster gesehen werden wollte und beleidigt war, wenn ihm jemand anderes vorgezogen wurde. Er trug nur beige und graue Kleider und hat bewusst das Weite gesucht, wenn Mitschüler zusammen ihre Pause verbracht haben. Ihn habe ich vor Augen - denn Nelson selbst wurde ja noch nicht weiter beschrieben, so dass er meiner eigenen Fantasie entspringen kann. Allerdings ist Nelson an Gesellschaft interessiert - sein Streben zielt ja letztlich darauf ab, dass er anerkannt und gewertschätzt wird.


    Ja, das hast Du sehr gut dargestellt, finde ich in dem Vergleich mit Deinem früheren Mitschüler.


    Während er mit sich und der Nichtachtung bzw. dem Mobbing anderer zurechtkommen muss, steckt der Vater ganz offensichtlich in einem Kriegstrauma fest. Auch wenn ich für seine Erziehungsmethoden (die in den 60ern nicht unüblich waren) nichts übrig habe, empfinde ich dennoch Mitleid für ihn. Er fühlt sich schuldig, weil er -auf dem Rücken liegend - überlebt hat, während seine „Jungs“ allesamt gestorben sind. Sicherlich keine einfache Last, die er sich selbst auferlegt hat... Darüber wird er offensichtlich unfähig, seiner Frau und seinem Sohn gegenüber Gefühle zu zeigen und verursacht damit weiteres Leid. Ein echter Teufelskreis!
    Doch was hat es mit dem Jobangebote der Cubs auf sich? Ist Clete bereits arbeitslos und macht deshalb bei seinem Sohn die passenden Andeutungen?


    Das mit dem Jobangebot konnte ich auch nicht so recht einordnen. Warum spricht er nicht mit seiner Familie darüber?


    Ein weiteres großes Fragezeichen verursacht Jonathan bei mir. Will er Nelson wirklich ein Kumpel sein oder täuscht er die Freundschaft nur an, damit er den Jüngeren tiefer verletzten kann? Das kann ich aktuell noch gar nicht einschätzen.


    Ich bin ganz Deiner Meinung und finde, dass Jonathan sich für einen wahren Freund zu wenig Zeit nimmt für Nelson. Aber Nelson nimmt jedes Bröckchen an und sieht ihn bereits als Freund - er hat ja auch keine Vergleichsmöglichkeit, der Arme.


  • Ups, das habe ich komplett falsch gelesen. Ich dachte wirklich, dass der überlebende Soldat Clete ist... Aber ja, er war natürlich auch im Krieg und hat - wie vermutlich jeder Mensch - Schaden dabei genommen.


    Clete Vater war im Krieg, da hat er ja die Trompete von einem Deutschen her, anscheinlich. Aber auch Clete selbst war ebenfalls im Krieg, den er sagt ja das Nelson nur dort wahre Freundschaft finde wird unter den Kameraden.



    Okay, da bist Du mit Jonathan etwas weiter, denn ich misstraue ihm noch ein klein wenig. Aber Deine Theorie, dass die Freundschaft für Nelson etwas exorbitant besonderes ist und Jonathan das nicht einmal ahnt, ist ziemlich plausibel. Ich bin gespannt! :zwinker:


    Ich denke am Anfang sieht Nelson ihn schon als Freund an.


  • Nelson sieht Jonathan definitiv als Freund an.Seien wir ehrlich...wenn nicht Jonathan wer dann?


    Also ich denke danach sieht er eher Wilbur als Freund. Natürlich vom Alter her ist es sicher auch Jonathan, aber von allem anderen glaube ich eher Wilbur. Den er eifert ihm ja schon sehr nach.


  • Also ich denke danach sieht er eher Wilbur als Freund. Natürlich vom Alter her ist es sicher auch Jonathan, aber von allem anderen glaube ich eher Wilbur. Den er eifert ihm ja schon sehr nach.


    Das stimmt....wobei Wilbur so eine Mischung aus Freund und Respektperson ist...ach..ich kann mein difuses Gefühl nicht richtig benennen.


  • Allerdings. Für mich scheint das umgekehrt nicht so zu sein.


    Jonathan hat wohl Nelson weniger "nötig", da er beliebt zu sein scheint. Nelson hat niemanden...nur Jonathan. So ist es doch fast gegeben,dass Nelosn Jonathan als Freund anschaut.


  • Für mich ist Butler aber auf jeden Fall ein Geschichtenerzähler im besten Sinne - und das durch und durch. Er holt mich komplett ab und ich kann noch nicht einmal im Detail sagen, warum. Kennt Ihr das? Das Ihr ein Buch lest, bei dem ihr den Eindruck habt, dass der Autor genau Eure Tonlage getroffen hat? Bücher, die rundum glücklich machen und bei denen man gar nicht einzelne Punkte hervorheben mag?


    Geht mir ähnlich mit Butler! (Und auch mit Irving, meistens jedenfalls.)



    Es ist erstaunlich, wie Nelson tickt: er ist - was seinen Vater angeht - zutiefst verunsichert, aber er strebt ihm nach.


    Es klingt paradox, aber letztendlich ist es auch irgendwie logisch. Nelson weiß, was sein Vater von ihm erwartet, und versucht, zumindest in bezug aufs Pfadfindertum, diese Erwartungen zu erfüllen, in der Hoffnung auf ein bisschen Anerkennung und (gezeigte) Liebe.


    Zitat

    Dabei begreift er nicht im Ansatz, dass vermutlich genau dieses bzw. der Krieg seinen Vater zu dem Menschen gemacht hat, der er nun ist.


    Dazu ist er auch noch viel zu jung.


    Zitat

    Mich hat diese Szene wirklich berührt. Sie zeigt, dass Emotionen nur auf diesem schmalen Grad zwischen Wachen und Träumen einen Platz haben. Und sobald die Berührungen im Bewusstsein ankommen, werden sie sofort unterdrückt und körperlich Abstand genommen. :rollen:


    Schön zusammengefasst. Bei Clete scheint schon einiges in der Kindheit schiefgelaufen zu sein. Bestimmt hat man ihm eingetrichtert, dass ein Junge nicht weint und ein Mann keine Gefühle zeigt.


    Zitat

    Ja, das ist teilweise sehr befremdlich. Auch in liberalen Staaten hängen gerne überall unterstützende Transparente, Solidaritätsbekundungen mit kämpfenden Einheiten oder den sogenannten Vets. Die Zivilgesellschaft drückt bei jeder Gelegenheit ihren Dank an die Truppen aus...(...) Für mich ist dieser ausgeprägte Patriotismus wirklich gewöhnungsbedürftig.


    Für mich auch. Das ist ein völlig anderer Ansatz und eine völlig andere Wahrnehmung als bei uns.


    Zitat

    Die Easy Company (unter anderem) lässt grüßen, nicht wahr? :zwinker: Diese extreme Eingeschworenheit ist wirklich faszinierend, denn sie zeigt, dass diese ständige Lebensgefahr, die traumatisierenden Erlebnisse Menschen verändern - auch dahingehend, dass sie über solche Dinge nur untereinander, aber nicht mit ihren Partnern besprechen konnten.


    Ja, das war einer von der Easy Company, den ich im Kopf hatte (allerdings habe ich vergessen, wer es war, bei dem man erst nach seinem Tod eine Menge Orden gefunden hat).


    Zitat

    Ich stelle es mir auch schwierig vor, weil man dann den Krieg ins Private lässt... irgendwie.


    Genau. Und weil dann klar würde, was für eine brutale Angelegenheit der Krieg ist und dass der, der als Held gefeiert wird, tatsächlich Menschen getötet hat. Ich glaube, dass die harte Realität eines Krieges bei all der Heldenverehrung gerne mal mit patriotischem Glanz und Sentimentalität überpinselt wird und man gar nicht so genau wissen will, was die Männer im Einsatz tatsächlich getan haben/tun mussten.



    Ich habe nochmal überlegt, ob ich Nelson streberhaft finde und bin zu dem Schluss gekommen, dass er das - aus meiner Sicht natürlich - in dieser Pfadfindersache schon ist. Da ist es ihm wichtig, gut zu sein, auch besser als andere. Wahrscheinlich weil es total sein Ding ist.


    Strebsam ist er sicherlich, aber ich finde das weder schlimm noch ungewöhnlich. Ein guter Sportler will ja beispielsweise auch Medaillen gewinnen, kriegt dafür aber kein Streberetikett.



    Also ich denke danach sieht er eher Wilbur als Freund. Natürlich vom Alter her ist es sicher auch Jonathan, aber von allem anderen glaube ich eher Wilbur. Den er eifert ihm ja schon sehr nach.


    Das stimmt, aber Wilbur ist eher ein Mentor oder vielleicht eine Art Vaterersatz. Jonathan ist noch am ehesten ein Freund unter seinesgleichen (auch wenn ich nach wie vor denke, dass Nelson mehr an Jonathan liegt als umgekehrt).

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Genau. Und weil dann klar würde, was für eine brutale Angelegenheit der Krieg ist und dass der, der als Held gefeiert wird, tatsächlich Menschen getötet hat. Ich glaube, dass die harte Realität eines Krieges bei all der Heldenverehrung gerne mal mit patriotischem Glanz und Sentimentalität überpinselt wird und man gar nicht so genau wissen will, was die Männer im Einsatz tatsächlich getan haben/tun mussten.


    Das ist ein fürchterlich zwiegespaltenes Verhältnis: als Kriegshelden verehrt, mit Orden behängt, aber dann sollten diejenigen sich am besten ruhig verhalten, nichts erzählen, nicht reden und schon gar nicht von Problemen und Traumata. Schon eine ziemlich scheinheilige Angelegenheit!


    Ob das einer der Grund ist, warum nur sehr wenige Menschen tatsächlich darüber reden?

    Vernunft, Vernunft...

    Einmal editiert, zuletzt von ysa ()