Autor ist doch kein Beruf!

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.051 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Peter Waldbauer.

  • Entschuldigung, was sind Sie – Autor?!
    Das ist doch kein Beruf! Haben sie nichts gelernt oder warum tun Sie sich das an? Sie haben vielleicht Nerven. Soll Ihre Familie sich für Sie schämen müssen? Ihre Eltern müssen ja vermögend sein, wenn sie Sie in Ihrem Alter noch durchfüttern. Oder jobben Sie nebenher in der Kneipe? So pro forma, so dann und wann, wenn`s dem Herrn Schriftsteller mal beliebt. Jaja, so bummelt man man durchs Leben.


    Das Studium wohl abgebrochen. Erst Jura, dann Germanistik und Literaturwissenschaften war auch nichts für Sie, wie? Zu theoretisch. Was andere über Schriftsteller sagen, interessiert Sie nicht, Sie sind selbst einer. Na, wenn Sie sich da mal nicht täuschen. Jobs waren auch nicht so Ihr Ding. Die Leute haben Sie genervt, waren Ihnen zu gewöhnlich, zu dumm, zu oberflächlich und Sie haben sie erschlagen mit Ihrer Tiefsinnigkeit. Ja, ja.


    Autor – nicht zu fassen!
    Was machen Sie denn den ganzen Tag? Sagen Sie nichts – ich weiß es. Im Café sitzen, Zeitung lesen, ein bißchen vor sich hinkritzeln und mit der Kellnerin flirten. Ach, früher schrieben die Autoren auch im Kaffeehaus? Ja, weil ihnen nichts anders übrig blieb. Weil in ihren winzigen Buden der Wind durch die Ritzen pfiff. Aber Sie – Sie kokettieren damit. Und immer die existenzialistische Zigarette in der Hand, wie? Und den Dreitagebart und den verlotterten Trenchcoat, den Mantelkragen hochgeschlagen, damit es maskulin aussieht. Sie sind mir einer!


    Was schreiben Sie überhaupt?
    Hoffentlich keine Krimis, gibt schon genug Mord und Totschlag auf der Welt. Thriller etwa, mit Psychopathen als Protagonisten? Oder Fantasy? Noch einer auf den Spuren von Tolkien. Naja, Hauptsache, keine feuilletonistische Nabelschau, kein manisches Kreisen um die eigene Befindlichkeit. Das sind mir die richtigen. Sitzen in Talkshows, machen auf oberschlau, aber kriegen keinen Satz unfallfrei heraus.


    Nein, nein, hören Sie mir auf mit Botschaften! Botschaften hat jeder, hab ich auch. Eine für meine Frau, zwei für meinen Schwager und für meinen Chef gleich mehrere. Und? Belästige ich die Welt deshalb mit Traktaten? Wenn Sie unbedingt etwas loswerden müssen, gehen Sie zur Beichte. Dafür müssen keine Bäume sterben.


    Und mit Ihrem Verlag kommen Sie zurecht?
    Ach, Sie sind dort angesehen. Wie hoch war Ihr letzter Vorschuss? Soso, mehr Freiexemplare als gewöhnlich. Sie sind ja ein richtiger Geschäftsmann. Und Ihr Lektor? Schreibt gerne mit, was? Inoffizieller Co-Autor. Streicht Ihnen ganze Seiten raus und den Titel lehnt er immer erst ab. Nach tagelanger Diskussion einigt man sich dann, findet einen Kompromiss. Kompromiss, haha. Wir wissen ja, wer am längeren Hebel sitzt. Und die Abrechnung müssen Sie dreimal anmahnen. Mensch, vergessen Sie`s.


    Lesungen geben Sie bestimmt auch, so wie ich Sie jetzt kenne. Macht Spaß, was? Unterhaltung, ja, damit die Leute, was zu lachen haben. Am besten so wie Thomas Gottschalk oder noch besser wie Harald Schmidt. Oder warum nicht gleich wie Mario Barth? Dann müssen Sie wenigstens keine Bücher mehr schreiben.
    Fragen aus dem Publikum. Da müssen Sie aber schlagfertig sein. Können nicht ewig überlegen wie in Ihrer Mansarde, wo sie den halben Tag an einem Absatz feilen. Und nach der Lesung kaufen ein paar Gutmütige drei Ihrer Bücher. Gratuliere, Sie Armer.


    Filmrechte? Mensch, Sie sind hier nicht in Hollywood. Höchstens fürs Fernsehen und mit Fördergeldern finanziert. Hören Sie auf, Sie träumen wohl, jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich. Außerdem müssten Sie dafür erst mal gelesen werden. Wer liest Sie überhaupt? Nicht mal Ihre Facebook-Freunde? Ja, dann wird`s schwer. Aber wer hat als Autor schon Freunde? Das Sozialleben bleibt auf der Strecke, verkümmert. Das ist der Preis, den Sie dafür zahlen, dass Sie meinen, Ihre Ergüsse auf Papier bringen zu müssen. Geht ja heute alles ganz fix dank der Technologie. Ich sage nur Copy & Paste. Kennen Sie auch? Ja, das dachte ich mir.


    Früher war das anders, da war Schreiben noch Arbeit. Da war nichts mit „nebenbei im Café“, nichts mit „Laptop in der U-Bahn“. Da war kein vornehmes Tippen angesagt, da mussten Sie hämmern, körperlich arbeiten, verstehen Sie? Da waren Sie hinterher fertig wie nach dem Holzhacken. Und bei Fehlern hieß es neu abtippen und wieder neu und nochmal neu. Da hat man für einen Roman drei Schreibmaschinen verbraucht. Da hätten Sie sich dreimal überlegt, ob Sie Autor werden, bloß weil Sie in der Schule gerne Aufsätze geschrieben haben.


    Früher wurde man auch nicht einfach so Autor. So mir nix, dir nix. So ratzfatz. So kaum aus den Windeln raus. Nein, man musste nicht studiert, aber was erlebt haben. Man musste erst mal herumgekommen sein, zum Mann geworden sein, verstehen Sie? Weltenbummler, Soldat, Abenteurer – Hemingway, Remarque, Jack London. Und heute? Heute geht`s von der Schulbank zur Uni und danach an den Schreibtisch. Ich bitte Sie, was soll das denn? Brauch ich einen, der das, was er selbst nur gelesen hat, für mich aufbereitet? Ach, hören Sie mir auf mit Autor, das ist doch kein Beruf!


  • Witziger Text... :breitgrins: und schon hab ich mir dein Buch herunter geladen. :zwinker:


    Miramis, mein Ebook ist aber in einem ganz anderen Stil geschrieben. Aber es kommt bald ein neues - eine Satire.


  • Miramis, mein Ebook ist aber in einem ganz anderen Stil geschrieben. Aber es kommt bald ein neues - eine Satire.


    Danke für den Hinweis, aber ich möchte es vor allem auch lesen, weil mich das Thema interessiert - ich bin nämlich auch ein Kind der 80er. :zwinker: Mit dem Schreibstil werde ich mich dann schon anfreunden.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Herrlich! :lachen: Die gesellschaftlich (leider) vorherrschende Meinung genau auf den Punkt gebracht. Gefällt mir sehr gut, danke, Peter! :smile:

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • Wirklich ein Text zum Schmunzeln, aber Hand aufs Herz:


    Wenn ich den Alltag einer/eines Autoren (der von seinen Büchern leben kann, was wohl eher seltener der Fall ist als bei denjenigen, die neben dem Schreiben noch einer Erwerbsarbeit nachgehen (müssen), betrachte, so stellt sich mir dennoch die Frage, ob er es - im stillen Kämmerlein, im Café oder sonstwo, wo der 'flow' da ist - es nicht eben doch besser getroffen hat als jemand, der z.B. im sozialen Bereich arbeitet (Vollzeit) und abends mitunter so "fertig wie's Lachsbrötchen" ist - froh darüber, noch irgendwann ein paar Seiten lesen zu können, wenn auch zu Hause alle to-do-Arbeiten erledigt sind....


    Ich finde es für meinen Teil immer interessant, wenn oftmals auf der Autorenseite steht, er oder sie lebt teils (Stadt in D) und in Südfrankreich (z.B.) - auch Recherchereisen sind ja nicht umsonst zu haben, wie kann er/sie die finanzieren, falls die Bücher eben noch nicht oder kaum die Existenz sichern können??

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • @ Sogota
    Als Schriftsteller hat man viele (direkte und indirekte) Einnahmen:
    - Verlagsvorschuss (einmalig)
    - Tantiemen gemäß Verlagsabrechnung (halbjährlich oder jährlich)
    - Honorare für Lesungen
    - eigene Buchverkäufe (z.B. auf Lesungen) von Büchern, die der Autor zum Verlagsrabatt bezieht
    - VG Wort (unregelmäßig aber durchaus mehrmals jährlich)
    - Gastdozentur
    - Honorare für Vorträge
    - Honarare für Lehrtätigkeit (kreatives Schreiben)
    - Spesen-Honorar für Medienauftritte/Jury-Mitgliedschaften/Diskussionsrunden (die tatsächlichen Spesen sind immer niedriger als die gezahlte Pauschale)
    - Preisgelder
    - Stipendien
    - Mäzenatentum
    - Bonuszahlungen von Verlagen, wenn der Autor für andere Bücher eine Empfehlung abgibt
    - Honarare für Artikel/Essays (Spiegel, überregionale Tageszeitungen)
    - Einkünfte aus nebenberuflichem Lektorat, Korrektorat

  • Peter Waldbauer:


    Danke für die Infos zu den direkten und indirekten Einkommen eines Autors; das eine oder andere hörte ich schon und dachte ich mir bereits.
    Darum ging es mir jedoch nicht, sondern um die ART der Tätigkeit eines Schriftstellers, sie unterscheidet sich ganz erheblich von einem regulären "Vollzeitjob", um die Existenz zu sichern. Der Autor entscheidet selbst, wieviele Stunden pro Tag er schreibt, wann er schreibt etc. (so mancher Autor hat sich da in Leserunden schon geoutet und ich kenne auch einen, der Nächte durchschreibt - das Ergebnis lässt sich sehen - ähem, lesen :zwinker:) Die Arbeit ist also sehr selbstbestimmt - die Recherchen dito.

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Sagota
    Mir ging es um die Beantwortung deiner Frage:
    "wie kann er/sie die finanzieren, falls die Bücher eben noch nicht oder kaum die Existenz sichern können??"

  • @Peter:


    Schon klar, aber das kann ich mir wirklich nur bei denjenigen AutorInnen vorstellen, die "sich bereits einen Namen machen bzw. schreiben konnten" :gruebel:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Es gibt für viele AutorInnen 2 Möglichkeiten, sich den "Traumberuf Autor" leisten zu können:
    - einen Brotjob und nebenbei schreiben
    - eine/n Partner/in, die/der genug Geld verdient

    LG, Dani


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  • @Peter:


    Schon klar, aber das kann ich mir wirklich nur bei denjenigen AutorInnen vorstellen, die "sich bereits einen Namen machen bzw. schreiben konnten" :gruebel:


    Ja, eine gewisse Zeit muss er/sie natürlich schon dabei sein, damit einige der oben aufgeführten Einnahmen zum Tragen kommen. Als absoluter Anfänger funktioniert das nicht. Aber man muss eben auch kein Bestseller Autor sein, um vom Schreiben "normal" leben zu können. Midlist + Zusatzeinnahmen (siehe oben) genügen.