Anthony Powell - Die Wohlwollenden/The Kindly Ones

Es gibt 36 Antworten in diesem Thema, welches 8.122 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Die ersten Seiten liegen jetzt hinter mir, und anstatt an den 2. WK heranzurücken, wie ich erwartet hatte, begeben wir uns auf eine Zeitreise in Nicholas' Kindheit und da ist es ganz wie in Downton Abbey: Wir gelangen ins Souterrain des Sitzes der Familie - Stonehurst - und sind mitten in den amourösen Verwicklungen zwischen Koch, Hausdame und dem Offiziersburschen des Vaters. Also wieder viel neues Personal, aber auch neue Hintergründe zur Familie des Ich-Erzählers.


    Nach der Beschreibung von Stonehurst zu Beginn - Pinien und Lorbeerbüsche - dachte ich zunächst an ein Mittelmeersetting und war ganz verwirrt, aber anscheinend ist die Pflanzenwelt des Landsitzes meernah an der Süd- oder Südwestküste und somit ein Geschenk des Golfstroms.

  • Ich habe gerade gelesen, dass dies eine Reihe ist - das Thema könnte mich auch sehr interessieren und besonders der Autor, dessen Namen ich zwar kenne, aber nicht seine Romanreihe.


    Ist "Die Wohlwollenden" Bd. 1 der Reihe - oder könnt ihr mir die Reihenfolge mal nennen, die im Elfenbein-Verlag erscheint? Danke! :winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Die Wohlwollenden ist bereits der sechste Band der Reihe. Hier findest du im ersten Post eine kleine Übersicht über Inhalt und Reihenfolge, sowie ein Link zu einem interesssanten Artikel von der Zeit.

  • Das erste Kapitel habe ich bereits in einem Rutsch gelesen. Mir hat der Wechsel ins Souterrain des Hauses sehr gut gefallen. Nicht nur, dass das Leben der Dienstboten vor den Vorhang geholt wurde, zeigte es einen interessanten Einblick in das Verhältnis der Herrschaften zu ihnen. Denn das wirkte familiärer als man es gemeinhin annehmen könnte. Alberts, Barcleys oder Billsons Eigenheiten waren bekannt und wurden akzeptiert. Es herrscht eine gegenseitige Loyalität, denn die Betroffenheit, die Nicholas Mutter angesichts Billsons Zusammenbruch empfindet, ist echt. Sie macht sich Vorwürfe, den Zustand ihres Mädchens unterschätzt zu haben, so dass es zu dem Skandal kam, der eine Auflösung des Dienstverhältnisses unweigerlich nach sich ziehen musste. Dass es in der Einöde, in der Stonehurst liegt, schwierig ist, gutes Personal zu bekommen, war meiner Meinung nach nicht der einzige Grund für die Betroffenheit.

  • Ich bin in der englischen Ausgabe bis Seite 48 im 1. Kapitel gekommen (kurz vor dem Teebesuch der Conyers').


    Auch ich war ziemlich überrascht, mich in Jenkins' Kindheit wiederzufinden, aber ich muss sagen, dass mir das nach dem teilweise doch recht zähen Gesellschaftsgeplänkel im letzten Teil, dessentwegen ich, um ehrlich zu sein, zunächst gar nicht so große Lust auf diesen Band hatte, ausgesprochen gut gefällt.


    Der Vergleich mit Downton Abbey passt gut, wir lernen ja die Dienstboten relativ genau kennen, vor allem die beiden ganz unterschiedlichen Typen Bracey und Albert und Miss Billson, die Mitte eines potentiellen Liebesdreiecks.


    Die Jenkins' wirken hier ein wenig eigenbrötlerisch. So zurückgezogen zu leben und nur sehr wenige Kontakte zu haben dürfte ja eher ungewöhnlich in ihren Kreisen sein. Wenn nicht gerade mal wieder Onkel Giles zu Besuch kommen will ^^ Der erfreut sich offenbar größter Beliebtheit bei seinem Bruder (wobei das ja auch schon in den anderen Bänden angedeutet wurde).


    Ich frage mich allerdings schon, warum wir ausgerechnet jetzt diesen Zeitsprung serviert bekommen. Das Militär spielt hier eine große Rolle - ist das womöglich die Vorbereitung auf einen Einsatz Jenkins' im 2. Weltkrieg?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich frage mich allerdings schon, warum wir ausgerechnet jetzt diesen Zeitsprung serviert bekommen. Das Militär spielt hier eine große Rolle - ist das womöglich die Vorbereitung auf einen Einsatz Jenkins' im 2. Weltkrieg?

    Am Ende des ersten Kapitels erkennt man den Zusammenhang: Es endet mit dem Bekanntwerden des Attentats von Sarajewo, und so weisen die vorhergehenden militärischen Motive, genau wie du schreibst, auf den nun auf der Hauptzeitebene wohl bald beginnenden Zweiten Weltkrieg.

    Ach ja, so wie uns natürlich Onkel Giles, der ja im vorherigen Band sträflich vernachlässigt wurde, wieder erfreut, kommt, wie ich beim Vorausblättern gesehen habe, auch Widmerpool zum Einsatz, ebenso wie Sir Magnus Donner wieder auf der Bühne auftaucht. Wenn man sich längere Zeit in der Welt des Tanzes bewegt, wie wir das jetzt tun, kann man anscheinend sicher sein, dass alle liebgewordenen Figuren wieder irgendwann zum Leben erwachen.

  • Die Wohlwollenden ist bereits der sechste Band der Reihe. Hier findest du im ersten Post eine kleine Übersicht über Inhalt und Reihenfolge, sowie ein Link zu einem interesssanten Artikel von der Zeit.

    Vielen Dank dodo! Ich werde mir die Reihe mal genauer anschauen; ihr lest ja schon eine ganze Weile gemeinsam, wenn dies der 6. Band ist... hört sich wirklich interessant an! Viel Spaß beim Weiterlesen & sich austauschen wünscht Sagota

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Ich brauchte erst ein paar Seiten um mich zurecht zu finden. Mit der Kindheit Jenkins hatte ich einfach nicht gerechnet. Wie ihr, erwartete ich, dass wir nun in das Geschehen des 2. WKs einsteigen würden.


    Weiter als die ersten 30 Seiten bin ich noch nicht gekommen. Erstaunt hat mich vor allem auch, dass die Familie so isoliert lebt. Auch glaubte ich, sie hätten einen Familiensitz, aber Stonehurst ist ganz anders.

    Nach der Beschreibung von Stonehurst zu Beginn - Pinien und Lorbeerbüsche - dachte ich zunächst an ein Mittelmeersetting und war ganz verwirrt, aber anscheinend ist die Pflanzenwelt des Landsitzes meernah an der Süd- oder Südwestküste und somit ein Geschenk des Golfstroms.

    Im ersten Moment hielt ich die Pinien für einen Übersetzungsfehler. Aber dann erklärte ich mir diesen Umstand eben auch mit mildem Küstenklima durch den Golfstrom.


    Ich fragte mich, ob die Familie Jenkins dauerhaft in Stonehurst lebte. Ich glaube, bisher wurde noch gar nicht näher erwähnt, wo seine Eltern leben/lebten, oder?


    Wurden die Conyers eigentlich bisher schon mal erwähnt? Ich kann mich an den Namen nicht erinnern.

  • Wurden die Conyers eigentlich bisher schon mal erwähnt? Ich kann mich an den Namen nicht erinnern.

    Doch die Conyers wurden schon einmal erwähnt. Ich kann mich dunkel an eine Episode erinnern, als Jenkins als Junge mit seiner Mutter die Conyers in ihrer Wohnung besucht hatte. Eine tragende Rolle hatten sie aber noch nicht, denke ich.

  • Doch die Conyers wurden schon einmal erwähnt. Ich kann mich dunkel an eine Episode erinnern, als Jenkins als Junge mit seiner Mutter die Conyers in ihrer Wohnung besucht hatte. Eine tragende Rolle hatten sie aber noch nicht, denke ich.

    Oh, dann weiß ich wer gemeint ist. An die kann ich mich noch erinnern. Die hat er doch später, als Erwachsener auch noch einmal besucht. Da saß er eine zeitlang allein mit der alten Dame allein im Wohnzimmer, während er musizierte.

  • War General Conyers nicht sogar im vorletzten oder letzten Band dabei? Ich erinnere mich -ebenfalls dunkel - an ein Männergespräch auf einer Party zwischen Nicholas und einem hohen Milität in einem Extrazimmer bei Lady Molly??

  • finsbury: Ich denke auch, dass der General schon öfters einen Auftritt hatte. Aber ich kann mich an sehr wenig davon erinnern. Irgendwann werde ich den Zyklus ein zweites Mal lesen, um tiefer in Powells Welt eindringen zu können. Ein Begleit-Almanach, in dem alle Personen, die Auftritte haben, kurz erklärt werden, wäre in meinem Fall klar von Vorteil.

  • Conyers war doch der mit dem Cello. Ich glaube, im letzten Band hat er da selig drauf rumgesägt :breitgrins:


    Stonehurst ist nur ein vorübergehendes Zuhause. Als Militärangehöriger wird Vater Jenkins häufig versetzt, und die Familie zieht mit ihm von einem Domizil zum nächsten. Komische Vorstellung, immer wieder in ein anderes möbliertes Haus zu ziehen, das nach dem Geschmack anderer Leute eingerichtet ist. Besonders schön oder schick scheint Stonehurst ja nicht zu sein.


    Billsons Auftritt hat mich erst mal so :boah:zurückgelassen. Conyers hat hier gut reagiert und die Situation schnell entschärft, während die anderen noch komplett verdattert waren.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • finsbury: IEin Begleit-Almanach, in dem alle Personen, die Auftritte haben, kurz erklärt werden, wäre in meinem Fall klar von Vorteil.

    Den gibt es schon auf Englisch und er soll als 13. Band zu unserer Ausgabe erscheinen, hat irgendjemand hier bei Powell irgendwo gepostet, leider so spät, dass wir nur wenig davon haben werden.
    Die englische Ausgabe: Hilary Spurling: An Invitation to Dance

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  • Sollte dieses Companion wirklich passend zu unserer Ausgabe erscheinen, lege ich sie mir auf alle Fälle zu. Ich weiß jetzt schon, dass ich den Zyklus ein weiteres Mal lesen möchte.

  • Hallo ihr Lieben,


    ich bin im dritten Kapitel angelangt und wollte auch schon früher etwas zu den ersten beiden Kapiteln schreiben, habe dann aber ehrlich gesagt etwas gebraucht, bis ich mich im "neuen" Forum hier wieder zurechtgefunden habe...;)


    Auch ich war überrascht, mich im ersten Kapitel in Nicks Kindheit wiederzufinden und es hat dann auch ein paar Seiten gedauert, bis ich in der Geschichte von Albert, Bracey und Billson angekommen war, dann hat sie mir aber viel Spaß gemacht. Downton Abbey kam mir auch gleich in den Sinn, allerdings mit weniger Personal, leben die Jenkins doch sehr zurückgezogen.

    Die arme Billson hat mir mit ihrem Auftritt schon leid getan, auf der anderen Seite konnte ich mir das Lachen auch nicht verkneifen, als ich mir diese Entgleisung bildlich vorgestellt habe. Klar dass dieser "Verlust aller Selbstkontrolle" die kleine Gesellschaft in Stonehurst fassungslos zurücklässt.

    Interessant fand ich die Figur des Dr. Trewlaney, Anhänger dieser "Zurück zum einfachen Leben"-Schiene gab es zu Beginn des letzten Jahrhunderts ja in vielfacher Ausprägung und auch Trewlaney scheint nicht wenige Anhänger um sich gescharrt zu haben. Er taucht im dritten Kapitel wieder auf, ich weiß aber noch nicht, was aus ihm geworden ist.


    Das zweite Kapitel kehren wie wieder in die Zeit kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs zurück. Nick und Isobel beleben die Freundschaft mit den Moreland´s wieder und landen dabei bei Sir Magnus Donner, dessen aktuelle Geliebte Lady Anne Stepney, eine alte Bekannte ist. Pikanterweise war aber auch Mathilda, Moreland´s Frau, mit Sir Magnus zusammen, was Moreland Stimmung nicht gerade hebt. Und dann kommt noch Peter Templer dazu, mit einer neuen Gattin an seiner Seite, die mit seiner Wirkung auf andere Frauen aber nicht umgehen kann. Man könnte allerdings auch Sir Magnus bösen Willen unterstellen, wenn er gerade Peter Templer das Thema Wollust zur bildlichen Umsetzung anträgt.

    Der drohende Krieg lässt sich aber dich nicht ganz verscheuchen und ist immer wieder Thema. Nick fühlt sich nicht mehr in der Lage, zu schreiben und ist über die Ablenkung bei Sir Magnus hocherfreut.

    Ganz am Ende taucht Widmerpool in Uniform auf und beendet den Abend mit einer wichtigen Nachricht für Donners. Er scheint jetzt schon auf den bevorstehenden Krieg besser vorbereitet zu sein und ich bin sicher, dass er auch während und nach dem Krieg seinen Weg besser finden wird als so manch anderer der "Stammtruppe".


    Im dritten Kapitel spielt Onkel Giles wieder eine Rolle, leider allerdings keine, wie die meisten von uns sie sich gewünscht hätten.:( Nick ist allerdings weniger betroffen, als ich es erwartet hätte, sein Verhältnis zu seinem Onkel war wohl trotz all der Anspielungen auf ihn gar nicht so eng. Aber er nimmt es auf sich, sich um die Formalitäten zu kümmern und landet so in einem kleinen Hotel an der Küste, das von Albert und seinem "girl from Bristol" geführt wird und außer Onkel Giles eben auch Dr. Trewlaney und Mrs. Erdleigh beherbergt. Das könnte interessant werden...:popcorn:

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • finsbury: IEin Begleit-Almanach, in dem alle Personen, die Auftritte haben, kurz erklärt werden, wäre in meinem Fall klar von Vorteil.

    Den gibt es schon auf Englisch und er soll als 13. Band zu unserer Ausgabe erscheinen, hat irgendjemand hier bei Powell irgendwo gepostet, leider so spät, dass wir nur wenig davon haben werden.
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    Danke für den Link, das Buch habe ich gleich mal bestellt, ich habe nämlich schon oft Schwierigkeiten, die Personen gleich wieder richtig zuzuordnen. Erst dachte ich, von General Conyers und seiner Frau noch nie gehört zu haben. Dann fiel mir das Gespräch von Mann zu Mann auf der Party bei Lady Molly wieder ein. An ein Cello kann ich mich aber gar nicht mehr erinnern.:/

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Bei mir hat sich lustigerweise das Cello aus dem letzten Band eingeprägt, aber der Auftritt bei Lady Molly nicht :breitgrins:


    Bitte verzeiht, dass ich mich so ruhig verhalte - ich werde spätestens ab Freitag wieder mehr kommentieren. Es ist schon wieder die Hölle los bei uns.

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    Leonard Cohen