Varujan Vosganian - Buch des Flüsterns

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 2.162 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • V. Vosganian - Buch des Flüsterns


    Ich bin gerade dabei, dieses Buch zu lesen und um mich ein wenig auszutauschen und meine Gedanken zu sortieren, beginne ich den Thread nicht mit einer vollständigen Rezi. Diese folgt aber wenn das Buch beendet ist.


    Gerade habe ich gesucht, wo ich das Buch am besten einstelle - dabei musste ich feststellen, dass der Autor ein nicht ganz unumstrittener Politiker in Rumänien ist. Das trübt mein Lesevergnügen jetzt leider ein wenig, aberzum einen weiß ich noch nicht wirklich viel über ihn und zum anderen versuche ich einfach das Buch weiterhin unvoreingenommen zu betrachten. Bis jetzt gefällt es mir nämlich sehr gut, auch wenn es durch die vielen vorkommenden Personen zeitweise etwas verwirrend ist.


    Der Erzähler beschreibt hier in mehreren Facetten die Geschichte seiner Familie, seiner Vorfahren und in gewisser Weise auch die Geschichte der Armenier an sich. Ausgehend von den Großeltern erfährt man einiges über die Herkunft der Armenier und deren schwerer Zeiten Ende des 19. Jh. Dabei werden aber immer wieder schöne Erinnerungen und Erlebnisse eingestreut und auch positive Aspekte der jeweiligen Situation beschrieben, sodass ich bis jetzt kein durchweg düsteres Bild von der Geschichte habe.


    LG

    schokotimmi

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    Ich hatte ja versprochen, mich hier mit dir auszutauschen schokotimmi, deshalb will ich mich endlich mal zu Wort melden.


    Ich bin erst knapp 120 Seiten weit gekommen. Die kleine Schrift ist anstrengend zu lesen und mangels Lesezeit komme ich nicht schnell voran. Man muss sich in das Buch erst einlesen, es ist schon eine recht fremde Welt und Kultur, die sich da präsentiert. Die armenische Geschichte, die hier in den Schicksalen der Personen erzählt wird, finde ich sehr spannend und fesselnd, an diesen Stellen entwickelt das Buch schnell einen Sog und diese Episoden vermag der Autor sehr dicht zu beschreiben. Auch die Perspektive aus dem rumänischen Exil ist interessant und war mir bisher nicht gegenwärtig. Schwierig für mich sind die vielen Namen, die genannt werden, ich kann mir nur selten merken, ob ein Name zuvor schon einmal vorkam. Als etwas verwirrend empfand ich die Stellen, an denen der Autor Exkurse über das Licht, Spiegel, Schatten usw. unternimmt. Diese Denkweise und auch mancher Aberglaube wirkt auf den mitteleuropäischen Leser doch recht fremd, jedenfalls konnte ich nicht immer folgen.


    Es geht immer wieder um den Tod unter allen möglichen Aspekten, das zieht sich (bis jetzt) wie ein roter Faden durchs Buch. Bei der Geschichte der Armenier auch nicht verwunderlich. Fakten, Daten und Personen aus der armenischen und rumänischen Geschichte bringen mich immer wieder dazu, vom Buch abzuschweifen und über alles mögliche nachzulesen - allen voran den Völkermord an den Armeniern, den 24. April 1915, die Erdbeben in Rumänien 1940 und 1977 (an letzteres kann ich mich noch erinnern, das war sogar bei uns noch zu spüren), Personen wie Komitas Vardapet und und und. Alles sehr interessant, horizonterweiternd und sicher förderlich für das weitere Verständnis des Buches, aber es verlängert die Lesezeit. Ich werde mir wohl Zeit lassen mit dem Buch.

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Ein Autor, der selbst historische Romane schreibt (Lothar Englert), war sehr begeistert von

    "Die vierzig Tage des Musa Dagh" von Franz Werfel


    Darin geht es auch um die Geschichte der Armenier - die eine sehr traurige ist (weshalb ich das Buch noch nicht gelesen habe). :winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Hallo


    kaluma

    Ich kann dich beruhigen, ich bin mit Seite 160 auch noch nicht wesentlich weiter wie du und ich kann deine Empfindung bestätigen. Ein Buch bei dem man nur langsam vorankommt, was immer wieder zum Nachdenken anregt und bei dem man auch viel Mitdenken muss um dranzubleiben.

    Es gibt ein paar Namen, die immer wieder auftauchen, wie Großvater Garabet. Aber viele klingen so ähnlich dass ich mir auch oft nicht sicher bin, hatten wir ihn schon mal oder nicht.


    Trotz des Anspruchs an den Leser für mich eine sehr lohnenswerte Lektüre.


    Sagota

    Freunde aus dem Lesekreis haben mir Franz Werfels "Die vierzig Tage des Musa Dagh" auch schon empfohlen, es steht auf meiner Leseliste.


    LG

    schokotimmi

  • Ja, Garabet hat sich auch bei mir inzwischen eingeprägt und so wichtig sind die Namen auch nicht, da doch meistens der Verwandtschaftsgrad oder in welcher Beziehung die Person zum Erzähler steht (Nachbarn usw.) , sehr deutlich gemacht wird. Das heißt ich hoffe, so viel wird mir da nicht entgehen dadurch, dass mir die Namen beim Lesen wieder entfallen.


    "Die vierzig Tage des Musa Dagh" kann ich auch empfehlen, das habe ich erstmals vor 30 Jahren noch zu DDR-Zeiten gelesen (habe das TdW-Exemplar von 1987 noch im Regal) und seitdem noch weitere 1-2 Mal. (Es war damals mein Einstieg in die Problematik rund um den Völkermord an den Armeniern, von dem ich zuvor noch nicht so viel gehört hatte). Das "Buch des Flüsterns" ist hierzu eine sehr gute Ergänzung.

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  • Das Buch des Flüsterns ist eine Geschichte vieler Personen, Schicksale und Grausamkeiten. Es ist kein chronologischer Bericht, es ist bestimmt kein vollständiger Bericht, aber es ist eine Aufzählung die einen erschaudern lässt.

    Ich habe lange gebraucht, dieses Buch zu lesen, haben von Namen und Städten gelesen die auch heute noch oder wieder von Unglück, Tod und Schmerz künden.

    Ich werde immer wieder in den Kapiteln des Buches Blättern und die eine oder andere Geschichte daraus nochmal lesen, recherchieren und so das Bild zusammenfügen. Es ist nicht leicht zu lesen, man braucht viel Zeit und mir war die Zeit eigentlich zu kurz, denn ich musste bei all den Grausamkeiten immer wieder pausieren. Man erfährt viel über das Denken und Fühlen der Armenier auch über die Sprachlosigkeit, die mit einem solchen Schicksal einher geht.

    Doch zwischen den Grausamkeiten waren immer wieder Hoffnungsschimmer, fröhliche Momente oder einfach nur schöne Beschreibungen dazwischen, die diesem Buch helle Momente bescherten.

    Das Buch hat mich neugierig gemacht, mehr über Armenier und ihre Geschichte zu erfahren. Ein Buch was ich bestimmt nicht nur einmal gelesen habe, weil ich es nach einem Mal und in der gegebenen Zeit nicht vollständig erfassen konnte.


    Viele Grüße

    schokotimmi

    Einmal editiert, zuletzt von schokotimmi ()

  • Ich habe nach ca. 4wöchiger Lesepause nun weitergelesen, habe wieder gut in das Buch hineingefunden und bin nun am Ende des 3. Kapitels (S. 176 der Taschenbuchausgabe) angekommen.


    Obwohl die Handlung immer wieder bruchstückhaft ist und in der Zeit hin und her springt, kann ich gut folgen. Es werden Schicksale von Menschen aus dem armenischen Volk erzählt, wobei sich Realität und Fiktion vermischen. Doch sollten die Personen fiktiv sein, hat es sich ganz gewiss so oder ähnlich zugetragen. Reale Personen und Ereignisse sind für mich immer wieder Anlass zu Recherchen, so zum Beispiel die Ermordung von Nicolae Iorga, oder die Ereignisse auf der Krim 1944. Hin und wieder macht mir die zeitliche Einordnung etwas Probleme, wenn das Jahr nicht explizit genannt wird. Ich weiß auch viel zuwenig über rumänische Geschichte. Selbst Stefan cel Mare war mir bisher nicht geläufig. Und wann gab es zum Beispiel im Rumänien eine Bücherverbrennung? Ich versuche also zwischendurch vieles nachzulesen, was das Vorankommen im Buch stark verlangsamt (hiermit geht es mir genau wie dir, schokotimmi!) aber die Düsternis des Geschehens etwas mildert.


    Eindrucksvoll war die Erzählung von den Versuchen den Sowjetunion in der Stalinzeit, die in der Diaspora verstreuten Armenier in der armenischen Sowjetrepublik zu "re"patriieren. Die Repatriierten kamen allerdings vom Regen in die Traufe, was sie den daheimgebliebenen allerdings dank Briefzensur nur durch verklausulierte Grüße an Herrn Bleibwodubistian mitteilen konnten... Auf die Umsiedlung in die Sowjetunion folgten dann alsbald Deportationen. Doch auch aus Rumänien versuchten die Armenier herauszukommen, auch hier zeichnete sich eine Verschlechterung der Umstände ab. Über eine Seite lang werden beispielsweise die Namen armenischer Geschäfte aufgezählt, die im Lauf der Jahre nach dem 2. Weltkrieg schließen mussten.

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  • Hallo kaluma,


    da ich das Buch ja als Rezi Exemplar bekommen habe, musste ich jetzt unbedingt fertig werden, durch die 2. Hälfte bin ich deshalb relativ durchgehetzt und mir ist da sicher vieles entgangen, besonders eindrucksvoll aber auch sehr grausam sind die 7 Kreise des Todes...hier will ich nochmal genauer lesen und auch recherchieren...


    Grüße

  • Zu den 7 Kreisen des Todes bin ich noch nicht vorgedrungen. Ich lese noch, immer abschnittsweise. Dieses Buch liest man wirklich am besten langsam. Vieles muss ich erst setzen lassen, und ich brauche zwischendurch etwas Fröhlicheres. Es ist vollgepackt mit Ereignissen und (zumeist traurigen) Schicksalen, und zu jedem historischen Ereignis kann man endlos nachlesen.


    Ich bin am Ende des sechsten Kapitels (S. 300) angelangt und habe über die politischen Wirren bezüglich des armenischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg, über die Operation Nemesis (sehr interessant, hier kann man wieder endlos nachlesen) und über das Schicksal des Zuckerfabrikanten Hartin Fringhian (fiktiv oder nicht?) gelesen. Auch Ceaucescu und die Securitate sind mittlerweile auf den Plan getreten, ersterer im Zusammenhang mit der Kollektivierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg, die in Rumänien offenbar um einiges brutaler verlief als bei uns.


    Die Erzählung springt immer wieder in der Zeit, aber die Zusammenhänge werden trotzdem durchaus klar, denn auch über die Zeiten hinweg hängt vieles miteinander zusammen und wiederholt sich. Zum Wesen der Zeit erläutert der Autor seine eigenen Vorstellungen. Aber abgesehen davon ist es viel weniger mystisch, als es an vielen Stellen zu Beginn des Romans war, sondern alles sehr real. Es liest sich sehr gut.


    Heute abend gehe ich passend zum Thema in dieses Konzert und höre mir armenische Musik an, ich freue mich schon drauf (ich kann das Konzert sehr empfehlen, falls jemand aus dem Raum Pforzheim-Karlsruhe-Stuttgart hier mitliest und sich spontan entschließt, es gibt noch Karten).

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