Michaela Küpper - Kaltenbruch

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  • Ich stelle das Buch mal unter "Gegenwartsliteratur" ein, da es so auch auf der Literaturschock Hauptseite steht. Dass es hier nicht als historischer Roman durchgeht, weiß ich nun. Es könnte auch noch unter Krimis und Unterhaltungsliteratur "laufen".

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    Eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft ist es, die sich im kleinen rheinischen Dorf Kaltenbuch nach dem Krieg - man schreibt inzwischen das Jahr 1954 - zusammengefunden hat. Alteingesessene Dorfbewohner stehen den Hinzugezogenen: den Ausgebombten und mehr noch den Vertriebenen aus den ehemals deutschen Ostgebieten misstrauisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüber. Da hat die Kölnerin Marlene einen vergleichsweise guten Stand: auch sie wurde, ein Kind noch, Opfer der Bombenhagel auf ihre Heimatstadt - ihre Mutter kosteten diese das Leben. Glücklicherweise fand sie nach einigen Irrwegen ein Zuhause bei der Bauersfamilie Leitner, auf deren Hof sie schon mit ihrer Mutter, die mit der Bäuerin befreundet war, oft die Ferien verbrachte.


    Andere, wie die Kaminskis aus Breslau, eine ausgesprochen kinderreiche Familie, haben es da wesentlich schwerer: bereits in der Schule begegnet man den jüngeren Kindern ablehnend. Wie gut, dass sie ihren großen Bruder Rudi haben, der ihnen zur Seite steht und als sich als Einziger der "Dazugezogenen" uneingeschränkter Beliebtheit erfreut. Bis ein Mord geschieht - Opfer ist Heini, der jüngere der Leitner-Söhne, gerade mal siebzehn. Und der Hauptverdächtige Gruber folgt ihm sozusagen stehenden Fußes ins Grab.


    War es derselbe Mörder? Rasch fällt der Verdacht auf Rudi, doch es gibt auch weitere Verdächtige. Kommissar Hoffmann, der aus Düsseldorf in die rheinische Provinz zwangsversetzt wurde, ermittelt eher unwillig und fühlt sich seinem Kollegen Kröger von der örtlichen Polizei überlegen. Bald steht ihnen als Schreibkraft Lisbeth Pfau zur Seite, die es ebenfalls durch Zufall in die eher abgelegene Gegend verschlagen hat. Doch das zunächst nicht gerade als Team arbeitende Gespann rauft sich mehr oder weniger zusammen und kommt zu ersten Ergebnissen...


    Gerade das Ermittlerteam ist aus meiner Sicht ein sehr gelungener Aspekt des Krimis und ich hoffe, ihm in weiteren Folgebänden erneut zu begegnen. Auch der Umstand, dass die Erzählperspektive variierte, war aus meiner Sicht gelungen. Nicht jedoch die Durchführung - die "Wahrheiten", die nach und nach aufgerollt wurden, kamen in ihrer Darstellung häufig ein wenig unpassend, ja unglücklich rüber. Ebenso hat mir in der Aufschlüsselung der emotionalen Einbindung und Verquickung der Charaktere einiges gefehlt, vieles kam plakativ rüber, die Schlussfolgerungen, das Fazit sozusagen und auch die Begründung der Morde hatten aus meiner Sicht zu wenig Tiefgang.


    Dennoch hoffe ich auf weitere Bände mit den Herren Hoffmann und Kröger sowie Lisbeth Pfau als mehr und mehr erfolgreichem und unterhaltsamen Ermittlergespann tief im Westen von Nachkriegsdeutschland!

    3ratten

  • Ein beklemmender Rückblick in die Nachkriegszeit kombiniert mit einem vielschichtigen Kriminalfall


    Warum immer samstags, fragt sich Kommissar Peter Hoffmann und macht sich schlecht gelaunt auf den Weg in das Provinznest Kaltenbruch, wo er einen Mord aufklären soll. Einen, der mit viel Heimtücke begangen worden ist und der die Bewohner über alle Maßen schockt. So wurde ohne ersichtlichen Grund der Sohn eines Bauen mit einer Axt niedergestreckt, während ein bekannter Kneipenschläger mit Blut besudelt am Tatort verweilt. Doch anstatt ihn als Täter noch am selben Tag zu überführen, stellt sich das Verbrechen als viel komplizierter heraus und Hoffmann hat alle Hände voll zu tun, die Folgen vergangen Unrechts zu entwirren.


    "Kaltenbruch" ist ein Roman, der in den fünfziger Jahren spielt, als das Leben in dem rheinischen Dorf Kaltenbruch von den Nachwehen des Krieges gezeichnet war. Frauen brachten ihre Kinder alleine durch, die Arbeit der Bauern war knochenhart und Flüchtlinge versuchten sich zu integrieren. Und inmitten dieser von Veränderungen geprägten Zeit siedelt Michaela Küpper ihre Geschichte an, die von dem Alltag einer Dorfgemeinschaft, von Missgunst und Neid und von traumatischen Kriegserinnerungen erzählt. So kommt es vor allem unter der jüngeren Bevölkerung zu Auseinandersetzungen, weil dem sozialen Status eine ganz besondere Rolle beigemessen wird.


    Der Einstieg in den Roman erfordert vom Leser eine hohe Aufmerksamkeit, weil er zunächst einmal die Bevölkerung von Kaltenbruch kennenlernen muss. Da gibt es zum einen eine junge Frau, die bei einem Bombenangriff ihre Mutter verlor und auf dem Leitnerhof ein neues Zuhause gefunden hat, zum anderen spielt eine aus Polen stammende Flüchtlingsfamilie eine große Rolle, deren Kinder bedroht und gehänselt werden. Und dann gibt es da noch einen Hilfsarbeiter aus der Fabrik und zwei Bauernsöhne, die dasselbe Mädchen lieben. Hinzu kommen ein Dorfpolizist, der mit Leib und Seele Ordnungshüter ist, ein Düsseldorfer Kommissar, der nichts mit der ländlichen Idylle anfangen kann und seine neue Schreibkraft, die sich wider Erwarten als überaus gewieft entpuppt.


    Der Schreibstil von Michaela Küpper ist unspektakulär und kühl, überzeugt aber durch seine Authentizität und einer angenehmen Bildhaftigkeit. Sämtliche für das verheerende Geschehen wichtige Figuren sind glaubhaft dargestellt, wobei ihr Zusammenspiel oftmals nur angedeutet wurde. Hier fehlen Informationen, die für den Fortgang der Ermittlungen wichtig sind und oftmals die emotionale Tiefe, um Handlungsweisen wirklich verstehen zu können. Demgegenüber sind die Rückblicke in die Vergangenheit sehr bewegend dargestellt und lassen ein nachvollziehbares Bild der damaligen Ereignisse entstehen. Der Mordfall selbst wurde gut erdacht, sodass der Leser lange Zeit rätseln musste, wer und was hinter den Taten steckt und dadurch die Spannungsbogen auf einem steten Level verweilt.


    Fazit.

    Ein beklemmender Rückblick in die Nachkriegszeit und ein Roman, der mit einem interessanten Ermittlerteam und einem vielschichtigen Kriminalfall gut unterhält.


    4ratten