Matt Haig - Wie man die Zeit anhält/How To Stop Time

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  • Originaltitel: How To Stop Time


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    Spannend geschrieben


    Vor über hundert Jahren hatte Hendrich ihm beigebracht wie die erste Regel lautete…

    Er war alt, sehr alt. Es war eine besondere Veranlagung…

    Wieder einmal waren acht Jahre herum gewesen und er musste für Hendrich seine Pflicht tun, eine Aufgabe erledigen… Alle acht Jahre musste er sich eine neue Existenz aufbauen….

    Eigentlich wollte er nicht mehr, doch wieder überredete ihn Hendrich, denn da war auch noch Marion, die sie immer noch nicht gefunden hatten…

    Nun war er Lehrer, Geschichtslehrer in London, und er musste daran denken, wie seine Mutter ermordet worden war…

    In der neuen Schule traf er Camille, und er durfte sich doch nicht verlieben…

    Immer wieder dachte er an die Zeit mit Rose zurück, vor vielen, vielen Jahrzehnten…

    Und an Omai, seinen Freund, der war wie er…

    Wie lautete die erste Regel lt. Hendrich? Wieso war er so furchtbar alt? Und was war das für eine Veranlagung, die er hatte? Warum musste er für Hendrich eine Aufgabe erledigen? Und wie sah diese Aufgabe aus? Worum ging es dabei? Wieso musste er sich immer wieder eine neue Existenz aufbauen? Warum gab er Hendrich nach? War dieser so überzeugend? Hatte er recht? Und was war das mit Marion? Wer war diese Frau? Warum suchte er nach ihr? Würde er sie finden? Warum musste er immer wieder daran denken, wie seine Mutter ermordet worden war? Was war passiert? Wer hatte sie ermordet? Hatte er sich in Camille verliebt? Warum durfte er das nicht? Wer war Rose für ihn gewesen? Und wer war Omai? Alle diese Fragen – und noch viel mehr – beantwortet dieses Buch.


    Meine Meinung

    Das Buch ließ sich leicht und flüssig lesen. Der Schreibstil ist unkompliziert, was bedeutet, dass ich mich nicht fragen musste, was mir dieses oder jenes Wort sagen soll. In der Geschichte war ich schnell drinnen. Sie ist praktisch in drei Zeitebenen geschrieben: sehr ferne Vergangenheit und nähere Vergangenheit, die natürlich weiter in Richtung Gegenwart geht und Gegenwart. In die Protagonisten konnte ich mich gut hineinversetzen. Tom, wie der Mann hieß, tat mir leid, weil er immer wieder aufpassen musste, was er sagte. Nie konnte er groß aus seiner Vergangenheit erzählen, denn niemand durfte wissen, dass er schon so alt war. Das konnte sehr gefährlich werden.. Bliebe er an einem Ort, würde auffallen, dass er nicht alterte. Und es gab noch mehr, denen es genauso erging. Um nicht aufzufallen sollten sie in eine Gesellschaft eingegliedert werden. Und im Gegenzug wollte Hendrich ihm helfen Marion zu finden. Das Buch war von Anfang an spannend. Zwar gab es hie und da auch einen kleinen Spannungabbau, aber sie ging nie ganz weg. Es ist natürlich keine Krimi- oder Thrillerspannung, aber auch hier wollte ich letztendlich wissen, wie diese Geschichte ausgeht. Ob Tom seine Camille vielleicht doch noch bekommt. Was mit einem Mann passiert, der sich mit 439 Jahren in eine Frau verliebt, die 400 Jahre jünger ist. Auf jeden Fall hat mir dieses Buch sehr gut gefallen. Zwar musste ich immer aufpassen, wegen des Wechsels der Zeiten, aber das wurde sehr gut kenntlich gemacht. Es geschah nicht, wie ich schon in anderen Büchern erlebt habe, durch einen einfachen Absatz, sondern durch ein neues Kapitel mit der entsprechenden Überschrift. Da es nicht übermäßig viele Personen gibt, deren Namen man sich merken muss, ist es auch nicht so schlimm, dass ein Personenregister fehlt. Ich gebe diesem Buch eine Lese-/Kaufempfehlung, sowie vier von fünf Sternen bzw. acht von zehn Punkten.



    4ratten

    Liebe Grüße

    Lerchie

    ____________________________

    nur wer aufgibt, hat schon verloren

    3 Mal editiert, zuletzt von Lerchie ()

  • Irgendwann - früher oder später, in der Regel aber so etwa in der Mitte des Lebens - spüren wir sie alle, die tickende Uhr in uns. Und sie scheint sich auf einmal extrem schnell vorwärts zu bewegen. War es nicht erst gestern, dass wir an der Hand unserer Mutter zum ersten mal der Schule entgegenschritten?


    Bei Tom läuft es anders, also die Sache mit der Zeit und dem Zeitverständnis. Er leidet nämlich an einem ganz besonderen - nennen wir es Phänomen: er wird und wird nicht älter. Im Vergleich zu "Normalsterblichen" zumindest nicht - jedenfalls nicht sehr schnell: Er altert in etwa fünfzehn Jahren so viel wie ein anderer in einem Jahr. Das heißt, mit seinen schätzungsweise rund vierzig Jahren - wenn man nach seinem Äußeren geht - ist er in Wirklichkeit um einiges älter: sein Geburtstag war der 3. März 1581. Richtig gelesen!


    Und - wie Sie im Erzählverlauf erfahren werden - ist er diversesten Gefahren ausgeliefert, weswegen er alle acht Jahre seine Identität wechselt bzw. wechseln muss. Das ist ziemlich anstrengend für ihn, aber er ist von einer Suche beseelt, die der Treiber seines Lebens ist und so findet er sich mit einigem ab.


    Gerade hat er einen neuen Turnus aufgenommen - und zwar ist er diesmal Geschichtslehrer in einer Schule in England. Auf eigenen Wunsch. Und auch wenn seine Schüler zunächst ziemlich von ihm genervt sind - naja, wie von fast allen Lehrern halt - merken sie bald, dass sein Geschichtsunterricht unglaublich lebendig ist - als wäre er bei den thematisieren Ereignissen selbst dabei gewesen.


    Tja, warum wohl? Und - man kann es sich kaum vorstellen - es gibt tatsächlich Menschen, die auf dem besten Weg dazu sind, ihm auf die Schliche zu kommen. Bewusst oder auch unbewusst.


    Klingt nach einer Idee, die schon viele hatten. Nach einer ziemlich saft- und kraftlosen Zeitreisegeschichte. Aber ich schwöre bei all der Zeit, die mir noch bleibt (also dem Kostbarsten, was ich habe): nein, so ist es nicht! Ganz und gar. Diese "Zitrone" hat noch viel Saft, sehr viel sogar und eine Zeitreise ist überhaupt nicht das Thema!


    Autor Matt Haig, schon aus Büchern wie "Ich und die Menschen" oder "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" für seinen Ideenreichtum bekannt, hält sich auch hier nicht an die Erwartungen, sondern geht seinen eigenen Weg. Und zwar einen, der nicht nur ungeheuer unterhaltsam ist, sondern auch auf klugen Recherchen und auf einer außerordentlich gewitzten Kombinationsgabe basiert. Auf seinem Weg durch die Jahrhunderte lässt Haig seinen Protagonisten Tom das ein oder andere Ereignis miterleben, die ein oder andere Klippe - ob im übertragenen oder direkten Sinne - umschiffen, die von einem profunden Wissen zeugt, das er im Erzählverlauf geschickt anzuwenden weiß. Ich jedenfalls hatte großen Spaß daran, Tom auf seinem Weg durch Shakespeares London über das Paris der "Roaring Twenties" bis ins London der Gegenwart zu begleiten. Und ich habe längst nicht alle Stationen erwähnt, ein paar Überraschungen sollen Sie doch genießen dürfen!


    Ein Märchen für Erwachsene. Aber eines, das wie so viele auf wahren Begebenheiten und gesellschaftskritischen Beobachtungen basiert. Aus meiner Sicht hätte es noch eine ganze Weile so weitergehen können!

    5ratten

  • Ein Streifzug durch die letzten vier Jahrhunderte


    Inhalt:

    Tom Hazard ist anders. Der Mann, der wie ein Vierzigjähriger aussieht, wurde am 3. März 1581 geboren und ist somit weit über 400 Jahre alt. Sein Körper altert wesentlich langsamer als der anderer Menschen. Und das ist gefährlich für ihn und die, die ihn lieben. In Zeiten von Hexenverfolgung und Aberglauben wird ein solches Phänomen nicht toleriert. Deshalb muss Tom alle paar Jahre seinen Standort wechseln und sich eine neue Existenz aufbauen. Nachdem er in jungen Jahren eine Frau, Rose, gefunden hatte, schien es fortan besser, sich nicht mehr zu verlieben. Doch das Leben ist einsam ohne Menschen, die man lieben kann. Und als Tom Camille kennenlernt, denkt er darüber nach, von seinen Prinzipien abzuweichen …


    Meine Meinung:

    Ich hatte keine besonderen Erwartungen an dieses Buch, und das ist auch gut so. Denn es ist anders - anders als alles, was ich bisher gelesen habe.


    Matt Haigs Schreibstil ist locker und eingängig. Die Geschichte wird sehr fesselnd erzählt und kurbelt direkt das Kopfkino an. Ich war stets neugierig, was Tom als Nächstes widerfährt und ob seine Suche schließlich zu einem guten Ende kommen wird. Als Leser erlebt man die Ereignisse an Toms Seite, der in der Ich-Form erzählt. So hat man fast das Gefühl, dabei zu sein, als er Scott F. Fitzgerald und seine Frau in einer Bar trifft oder im Globe Theatre für William Shakespeare arbeitet. Die Roaring Twenties, die Tom in Paris verbringt, erwachen ebenso zu Leben wie Captain Cook auf seiner 3. Fahrt im Pazifischen Ozean.


    All diese Highlights der Geschichte werden in Rückblenden bzw. Toms Erinnerungen erzählt. Seine liebsten Erinnerungen sind aber die an seine geliebte Frau Rose und ihre gemeinsame Tochter Marion Anfang des 17. Jahrhunderts. So springt die Handlung zwischen verschiedenen Stationen in der Vergangenheit und der Gegenwart hin und her, wobei keine Chronologie zu erkennen ist. Dies war mir etwas zu wirr, zumal die einzelnen Kapitel oft auch nur ein bis zwei Seiten lang sind, bevor der nächste Zeitsprung kommt. Da bevorzuge ich doch eher eine ruhigere, stetigere Erzählung.


    Der Roman lebt vor allem von der Figur des Tom Hazard, den ich von Anfang in mein Herz geschlossen habe. Nach und nach kann man seine Entwicklung über die Jahrhunderte verfolgen, die natürlich nicht spurlos an ihm vorübergehen. Auch wie sich die Gesellschaft im Lauf der Zeit wandelt, ist sehr gut nachzuvollziehen.


    Trotzdem fand ich es sehr schade, dass die Handlung in der Gegenwart etwas zu kurz kommt. Denn hier wird es auf den letzten Seiten richtig spannend, was aber recht schnell erzählt wird, während die Vergangenheit viel ausführlicher zur Sprache kommt.


    4ratten

  • 4ratten

    Insgesamt ist "Wie man die Zeit anhält" eine schöne und ungewöhnliche Geschichte. Ich habe schon Geschichten über Zeitreisende oder Vampire gelesen, aber diese Geschichte über eigentlich ganz normale Menschen, die langsamer altern als normal, ist neu und interessant für mich. Mit dem Ich-Erzähler Tom, der im 16. Jahrhundert geboren wurde und heute aussieht wie Anfang 40, reist der Leser durch die Kontinente und die Zeit. Es gibt viele Zeitsprünge - die Passagen aus der Vergangenheit werden aber immer wieder mit dem Erzählstrang in der Gegenwart sehr gelungen verknüpft. Toms persönlicher Blick auf das Leben und die prägenden Ereignisse in den verschiedenen Äras fand ich interessant und glaubhaft. Die Liebe kommt natürlich auch ins Spiel, steht aber nicht omnipräsent im Mittelpunkt dieser durchaus lesenswerten Geschichte, die auch einige anderen Themen anspricht.

    Negativ aufgefallen sind mir einige (nicht allzu viele) Wiederholungen, die ich unnötig fand: Sätze, die der Autor vielleicht besonders schön fand, oder Informationen, die ich bereits wenige Seiten zuvor gelesen hatte.

    Falls man die Geschichte in ihren Einzelheiten zu sehr hinterfragen würde, kämen wohl doch noch ein paar Fragen und Kritikpunkte auf. Vielleicht sollte man das aber einfach sein lassen und das Buch als das nehmen, was es ist: gute, neue Unterhaltungsliteratur.

    Rezensionen poste ich bei Lovelybooks, WLD, Lesejury, Hugendubel, Weltbild, Jokers, JPC, buecher.de, ebook.de und Amazon

  • Eine schöne Idee mit Tiefgang, Gefühl und toller Botschaft


    Klappentext

    „Keiner lehrt Geschichte so lebendig wie er ‒ und das hat einen guten Grund: Tom Hazard, Geschichtslehrer und verschrobener Einzelgänger, sieht aus wie 40, ist aber in Wirklichkeit über 400 Jahre alt. Er hat die Elisabethanische Ära in England, die Expeditionen von Captain Cook in der Südsee, die Literaten und Jazzmusiker der Roaring Twenties in Paris erlebt und alle acht Jahre eine neue Identität angenommen. Eines war er über die Jahrhunderte hinweg immer: einsam. Denn die Nähe zu anderen Menschen wäre höchst gefährlich gewesen. Jetzt aber tritt Camille in sein Leben. Und damit verändert sich alles.“


    Gestaltung

    Das Cover übt auf mich etwas Anziehendes aus, denn die Farben finde ich schön aufeinander abgestimmt. Dadurch, dass das Ziffernblatt der Uhr in helleren Farben gehalten ist, die von dunklen Blautönen umrahmt werden, wirkt es so, als wäre es nachts und die Uhr würde von innen beleuchtet werden, während ein Mann davor liegt. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass die Männerfigur nur als Schattenumriss erkennbar ist. Dies gefällt mir sehr gut. Auch mag ich die über das Cover fliegenden einzelnen Papierblätter, da sie den Titel sehr schön umrahmen.


    Meine Meinung

    Schon lange wollte ich ein Buch von Matt Haig lesen, da ich viel über seine besonderen Bücher gehört habe und mich bisher auch alle inhaltlich sehr angesprochen haben. Nun habe ich mir das Erscheinen seines neusten Werkes zu Herzen genommen und endlich zu einem Haig-Buch gegriffen. Was soll ich sagen? Ich bin total geflasht und nun dem Autor total verfallen! Der Schreibstil hat mich sofort verzaubert und die Idee fand ich auch richtig klasse!


    In „Wie man die Zeit anhält“ geht es um Tom. Tom altert nur sehr, sehr langsam und so sieht er mit über 400 Jahren noch aus wie 39 Jahre. Diese Idee fand ich super, auch wenn sie in abgewandelter Form schon in Filmen vorkam, so fand ich es dennoch toll, wie Matt Haig die Geschichte aufbereitet hat. Die „Albas“, also Menschen, die lange leben, bzw. ihre Gesellschaft, überleben sogenannte „Eintagsfliegen“, also Normalsterbliche, um Jahrhunderte. So kommt es, dass Tom auch seine große Liebe Rose überlebt und sich in einem Leben ohne sie zurechtfinden muss.


    Romantisch wird es, als Tom nach hunderten von Jahren Camille trifft und sich in sie verliebt. Doch wie stellt man es am besten an, ihr nahe zu kommen, wenn man so lange nicht geflirtet hat? Wenn man seit 400 Jahren Single ist und keine Ahnung mehr hat von den Regeln der Liebe?

    Die Idee der „Albas“ und dass sie eine Art Gesellschaft mit Regeln für das Überleben in den Jahrhunderten darstellen, fand ich klasse, da ich fasziniert war von den Lebensweisheiten und der Art zu leben dieser Menschen. Sie müssen immerhin mit einigen Bürden und Verlusten klarkommen. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich gerne mehr über sie erfahren hätte. Am Rande erfuhr ich etwas über die anderen „Albas“, aber da der Fokus auf Tom lag, blieben sie leider etwas blass, was ich schade fand.


    Die Handlung ist wirklich sehr ruhig und seicht und hätte für mich ruhig etwas dramatischer oder überraschender auslaufen können, denn hauptsächlich dreht sich alles darum, dass Tom leidet und Rose vermisst oder dann darum, wie er sich nach Camille und der Liebe sehnt. Ich fand die Gefühle gleichzeitig aber auch schön beschrieben, da ich doch des Öfteren eine Gänsehaut auf den Armen hatte oder Toms Gefühle und Bedrückung selber gespürt habe. Diesbezüglich hat der Autor also ganze Arbeit geleistet. Auch die bittersüße Liebesgeschichte des Buches konnte mich überzeugen, da auch hier die Gefühle sehr authentisch waren und für mich als Leser spürbar.


    Zudem mochte ich die philosophischen Züge des Buches. Es gibt immer wieder kleine Denkanstöße hinsichtlich des Lebens, der Vergänglichkeit und der Zeit an sich. Diese poetischen Verse gingen mir direkt unter die Haut und haben mich nachdenklich gestimmt. So etwas mag ich bei einem Buch gerne, da ich über die Zeilen hinaus noch etwas für mich mitnehmen kann. Besonders gefiel mir auch die Botschaft der Geschichte, die mir vermittelt hat, dass es darauf ankommt, das Leben zu genießen und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft zu verweilen.


    Fazit

    „Wie man die Zeit anhält“ ist ein gefühlvoller Roman über das Leben und die Zeit, der dem Leser eine wichtige und schöne Botschaft mitgibt. Wer gerne Bücher liest, die einen verzaubern und die einem die Gefühle der Figuren vermitteln, der ist hier genau richtig. Toms tiefgründige Gedanken über das Leben, seine Bedrückung und seine Sehnsucht springen auf den Leser über. Gleichzeitig hat das Buch auch poetisch-philosophische Ansätze, die mir eine Gänsehaut beschert haben und die mich zum Nachdenken angeregt haben. Dies habe ich sehr genossen und geliebt, da ich viel aus der Geschichte für mich mitnehmen konnte!

    4 von 5 Sternen!

    4ratten

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    Matt Haig: Wie man die Zeit anhält. Roman, OT: How To Stop Time, aus dem Englischen von Sophie Zeitz, München 2018, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-28167-6, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 379 Seiten, Format: 14,1 x 3,8 x 21,6 cm, Buch: EUR 20,00, Kindle Edition: EUR 15,99. Auch als Hörbuch lieferbar.


    „Mir kam der Gedanke, dass die Menschen deswegen nicht älter als hundert wurden, weil sie es einfach nicht aushielten. Seelisch, meine ich. (...) Die eigenen Gedanken liefen sich tot. Das Leben, das sich stets wiederholte, wurde öde. (...) Alles drehte sich im Kreis. In einer langsamen Abwärtsspirale.“ (Seite 43)


    Was Progerie ist, wissen wir: eine Erkrankung, die kleine Kinder fünf- bis zehnmal schneller altern lässt als gesunde Menschen. Der Held in diesem Roman leidet an Anagerie: Er altert ab der Pubertät rund fünfzehnmal langsamer als andere.


    Tom ist zu lange jung

    Als Estienne Thomas Christophe Hazard am 3. März 1581 als Sohn eines Grafen in einem kleinen französischen Chateau geboren wird, kennt man jedoch weder das Phänomen noch den Namen dafür. Die Symptome werden erst offenbar, als er nach dem Tod seines Vaters und der Flucht vor den Katholiken mit seiner Mutter in Suffolk lebt. 1599, mit 18, sieht er immer noch aus wie ein Dreizehnjähriger, und als es in seinem Dorf zu einem unerklärlichen Todesfall kommt, ruft das die Hexenjäger auf den Plan.


    Die Mutter überlebt diese Begegnung nicht. Tom Hazard, wie er sich jetzt nennt, schnappt sich ihre Laute – einst ein Geschenk des Grafen von Rochefort und das einzige von Wert in diesem Haushalt – und versucht, sich zu Fuß nach London durchzuschlagen. Er kommt bis Bow, wo er auf dem Marktplatz einen Schwächeanfall erleidet und im Fallen die Ware und den Korb der 18-jährigen Obstverkäuferin Rose Claybrook ruiniert. Die praktisch veranlagte Rose, die seit dem Tod ihrer Eltern allein für sich und ihre jüngere Schwester Grace sorgt, schlägt Tom vor, mit ihnen nach Hause zu kommen, das Zimmer ihres verstorbenen Bruders zu beziehen und seine Schulden für Obst, Korb und Logis abzuarbeiten. Sie wundert sich zwar, dass er mit – wie er sagt – 16 aussieht wie 13 und spricht wie ein Erwachsener, aber was weiß sie als einfache Frau vom Land schon vom Leben?


    Trennung um Frau und Kind zu schützen

    Tom und Rose verlieben sich, heiraten und bekommen eine Tochter, die intelligente und etwas grüblerische Marion. Doch egal, wie oft sie ihre Zelte abbrechen und wohin sie flüchten: Rose altert in normalem Tempo. Tom und Marion dagegen nicht. Irgendwann wird Tom klar, dass er seine Familie verlassen muss, wenn er sie vor der Aberglauben, Verfolgung und dem sicheren Tod durch die Hexenjäger schützen will.


    1617 trennen sich ihre Wege. Er sieht Rose bis zu ihrem Tod 1623 nicht wieder. Tochter Marion, die aufgrund der Anagerie auch fortwährend zu Flucht und Neubeginn verurteilt ist, sucht er noch heute – in der Gegenwart.


    Jetzt, viele Namen, Legenden, Länder und Berufe später, ist Tom Hazard 439 Jahre alt und sieht aus wie Anfang 40. Er hat seinen alten Namen wieder angenommen und unterrichtet Geschichte an der Oakfield School in Londons Stadtbezirk Tower Hamlets. Dass er vor Jahrhunderten seine Familie im Stich lassen musste, hat er nie verwunden.


    Seit er als Seemann 1766 dem Tahitianer Omai begegnet ist, weiß er, dass es außer Marion und ihm noch mehr Menschen gibt, die im Zeitlupentempo altern. Und weil er 1891 Dr. Jonathan Hutchinson aufsucht, einen Arzt, der die Progerie erforscht, erfährt „die Gesellschaft“ von seiner Existenz. Hutchinson hat nämlich einen Fachartikel über Tom und seine Erkrankung geschrieben.


    Albatros – die Gesellschaft der Langlebigen

    Mit der Gesellschaft ist nicht die Menschheit an sich gemeint, sondern eine Organisation namens „Albatros“, die Hendrich Pieterson gegründet hat, ein sehr alter, sehr weiser Mann, geboren in Flandern, lebt in Amerika, seit es Amerika heißt“. (Seite 104)


    Diese Gesellschaft, benannt nach dem langlebigen Vogel, spürt Anagerie-Patienten auf der ganzen Welt auf, zwingt sie zum Beitritt und unterstützt sie dabei, alle 8 Jahre eine neue Identität anzunehmen. Dass es diese Erkrankung gibt, soll unter allen Umständen geheim bleiben. Hexenverbrennungen haben die „Albas“ zwar nicht mehr zu befürchten, wohl aber besteht die Gefahr, in die Mühlen der Forschung zu geraten. Um nicht entdeckt zu werden, sollen sie möglichst unter sich oder für sich bleiben und unter gar keinen Umständen Beziehungen zu „Eintagsfliegen“ eingehen. So nennt Hendrich die Normalsterblichen.


    1891 war Tom noch beindruckt von Hendrich, New York und der Gesellschaft. Heute hat er es satt, alle paar Jahre Neue rekrutieren zu müssen. Denn wenn sie nicht beitreten wollen, muss er sie aus Sicherheitsgründen töten. Und Tom tötet nicht gern. Nie mehr lieben zu dürfen hält er, seit er seine Kollegin, die Französischlehrerin Camille Guerin, näher kennt, auch für eine ausgesprochen bescheuerte Idee.


    Tom hat die Gesellschaft satt

    Am liebsten würde er austreten aus der Gesellschaft – oder seinem Leben gleich ein Ende setzen. Ständige Kopfschmerzen, unkontrollierbare Flashbacks und die Gewissheit, dass die Menschheit niemals aus ihren Fehlern lernen wird, können einem jeden Lebensmut nehmen.

    „Unser Feind ist die Ignoranz“, sagt eine der Albas einmal zu Tom. „Die Ignoranz geht mit der Zeit, Aber sie ist immer da, und sie bleibt immer tödlich.“ (Seite 105/106) Diese Erfahrung jahrhundertelang immer und immer wieder machen zu müssen, ist zweifellos frustrierend.


    Was Tom am Leben hält, ist die Hoffnung, eines Tages seine Tochter Marion wiederzusehen. Eine Hoffnung, die Hendrich kräftig schürt. Er sucht nach ihr, sagt er, und hält Tom so bei der Stange. Dieser wird erst rebellisch, als er einen alten Freund rekrutieren (alternativ: töten) soll. Tom weiß genau: Dieser Mann wird der Gesellschaft niemals beitreten! Schließlich kennt er ihn schon seit rund 250 Jahren.


    Späte Rebellion

    Tom Hazard ist derart mit den Dämonen seiner Vergangenheit, dem Geheimhalten und der Suche nach seiner Tochter beschäftigt, dass er die Motive der Albatros-Gesellschaft erst sehr spät hinterfragt. Was in gewisser Weise nachvollziehbar ist: Sie haben ihm geholfen, als er allein war und nicht mehr weiter wusste, und sie waren jahrhundertlang eine Selbstverständlichkeit für ihn. Da ist es nicht so einfach, mal ein paar Schritte zurückzutreten und sich zu fragen: „Moment! Wer will hier was von mir und aus welchem Grund? Ist das in Ordnung? Will ich das auch?“


    Ein bisschen naiv und unkritisch lässt ihn das aber schon aussehen. Und die Action am Schluss kommt dann etwas plötzlich. Trotz dieser kleinen Schwächen ist die Geschichte fesselnd und berührend. Und man behält jederzeit die Orientierung, auch wenn Tom in seinen Flashbacks und Erinnerungen munter durch die Jahrhunderte springt.


    Die Probleme, die Tom als quasi Unsterblicher hat, sind dem fleißigen Medienkonsumenten nicht neu. Das mit der Liebe, der Geheimniskrämerei und der Einsamkeit ging schon dem HIGHLANDER so und dem Rechtsmediziner Dr. Henry Morgan in der TV-Serie FOREVER. Auch Glaeken aus F. Paul Wilsons Romanreihe WIDERSACHER-Zyklus/ADVERSARY-Cycle hadert damit. Nur haben Film- und Fernsehhelden selten die Muße, ihre besondere Situation philosophisch zu beleuchten. Und Romanheld Glaeken muss die Welt retten, der hat keine Zeit für sowas.


    Marion liest und zitiert schon in jungen Jahren die Werke des skeptischen Philosophen Michel de Montaigne. Tom macht sich nicht nur von Berufs wegen schlaue Gedanken über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Man findet hier so vieles, was man sich am liebsten „für immer“ merken würde! Auch wenn „immer“ bei uns Eintagsfliegen keine besonders eindrucksvolle Zeitspanne ist.


    Der Autor

    Matt Haig wurde 1975 in Sheffield geboren und hat bereits eine Reihe von Romanen und Kinderbüchern veröffentlicht, die mit verschiedenen literarischen Preisen ausgezeichnet und in über 30 Sprachen übersetzt wurden. In Deutschland bekannt wurde er mit dem Bestseller ›Ich und die Menschen‹.

  • Auch ich reihe mich hier ein in begeisterten Stimmen. Vieles an dem Buch hat mich an "Die vielen Leben des Harry August" von Claire North erinnert, aber was bei "Harry August" nur versucht wurde ist bei "Tom Hazard" für mich gelungen. Das Konzept bei "Harry August" war anders, er stirbt, wird aber mit all seinen Erinnerungen immer wieder zur selben Zeit geboren, an sich eine extrem spannende, wirlich gute Idee, leider war ich von der Ausführung nicht so begeistert. Tom dagegen altert extrem langsam, so langsam daß es den Menschen in seinem Umfeld auffällt und er deshalb nirgendwo lange bleiben kann.

    Trotz dieses Unterschieds gibt es viele Parallelen zwischen den Büchern.


    Ich mochte wie menschlich Tom geblieben ist, trotz seiner ungewöhnlichen Veranlagung und trotz all den Gefahren denen er ausgesetzt war, wie er über seine Vergangenheit reflektiert hat, wie er mit seiner Veranlagung hadert, wie er um ein "normaes" Leben kämpft, ohne sich über andere zu stellen.


    So ein bisschen hatte ich zwischen den Zeilen das Gefühl, das Buch beschreibt nicht ein 1000-jähriges Leben sondern eine ganz normales menschliches Leben, von der Kindheit, bis hin zum hohen Alter, denn die Phasen die diese uralten Menschen durchmachen sind vergleichbar mit den Stadien enes "normalen" Lebens, nur unter dem Fokus, dem Brennpunkt einer viel längeren Dauer.


    Nebenher bekommt man in Rückblenden einen bunten Streifzug durch die Geschichte, immer an dem Ort an dem Tom gerade gelebt hat.

    Die Spannung wird aufrechterhalten durch die Verknüfung zu einer Hilfsorganisation eines Uralten, der sich um gefundene "Langlebende" auf recht eigenwillige Art kümmert.


    Mir das Buch aus der Bücherei so gut gefallen, daß ich es mir kaufen und es sicherlich nochmal lesen werde. Es gab wunderschöne, philisophische Sätze darin und wie das so ist, wenn man wissen möchte wie es weitergeht, liest man zu schnell drüber. Auf jeden Fall ein Buch zum Nochmal lesen.


    An manchen Stellen wundert man sich über die Naivität Toms, an anderer Stelle ist das Buch ein bisschen vorhersehbar, aber das tut dem Lesevergnügen, der philosophisch-melancholischen Atmosphäre und dem doch lebensbejahenden Wohlgefühl keinen Abruch.


    Auf jeden Fall ein Lesetipp


    4ratten+ :marypipeshalbeprivatmaus:

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



  • Etwas über 400 Jahre ist Tom nun alt und zum ersten Mal seit langem wieder in seiner Heimat London. Hier will er ausgerechnet als Geschichtslehrer arbeiten. Die notwendigen Papiere, um im modernen Leben zurechtzukommen besorgt ihm eine Organisation für die er im Gegenzug hin und wieder andere Langlebige anwerben muss. Strengstes Stillschweigen ist ansonsten die Device und es werden diverse feindliche Organisationen angedeutet, vor denen man sich in Acht nehmen muss. Die gegenwärtige Handlung wechselt dabei mit früheren Begebenheit, die Toms Charakter illustrieren.


    Die Idee gefiel mir gut, ich hadere aber mit der Ausführung. Der Stil war zwar leichtgängig, die Hauptfigur recht sympathisch und auch die Nebenfiguren okay, aber mir fehlte es insgesamt schlicht an Tiefe. Gerade die Angelegenheiten rund um die „Organisationen“ wirkten auf mich oberflächlich dahingeschludert, ohne irgendwelche Details. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob das eigentlich ein Jugendroman sein soll, dem würde ich das nämlich noch verzeihen, bei einer erwachsenen Zielgruppe erwarte ich einfach mehr.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Matt Haig - Wie man die Zeit anhält“ zu „Matt Haig - Wie man die Zeit anhält/How To Stop Time“ geändert.
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    Tom Hazard hat gerade eine neue Stelle als Geschichtslehrer an einer Londoner Schule angetreten, sich einen Hund zugelegt und sich ein bisschen in die sympathische Französischlehrerin verguckt. Alles nicht ungewöhnlich für einen Mann um die 40 - nur dass Tom so einige Ereignisse, die er seinen weitestgehend desinteressierten Schülern zu vermitteln versucht, zu einem großen Teil selbst miterlebt hat. Denn der Schein trügt: Tom wurde bereits im 15. Jahrhundert geboren und hat eine sehr seltene Störung, die extrem verlangsamte Alterung bewirkt.


    Was wie die Erfüllung eines langgehegten Traums der Menschheit klingt, ist in Wahrheit gar nicht so wundervoll. Als einziger in seiner Umgebung so viel langsamer zu altern als die anderen bedeutet zum einen, dass Kummer vorprogrammiert ist, wenn man sein Herz zu sehr an andere Menschen hängt, und zum anderen, dass sich Tom immer wieder Tarnungen ausdenken und umziehen muss. Den falschen Leuten ins Auge zu stechen könnte fatal sein - das hat bereits Toms Mutter spüren müssen, die man wegen seiner verzögerten Entwicklung verdächtigte, das Kind verhext zu haben.


    Während Tom in der gegenwärtigen Welt auf der Suche nach einer wichtigen Person ist und dabei stets auf der Hut, nicht aufzufallen, erinnert er sich zurück an zahlreiche Stationen seines Lebens, das ihn schon an die unterschiedlichsten Orte geführt hat, von Shakespeares Globe Theatre über den Wilden Westen und das Paris der Roaring Twenties.


    Matt Haigs Büchern liegen immer sehr faszinierende Ideen zugrunde, Menschen, die auf mysteriöse Weise anders sind und in unserer Welt bestehen müssen. Meistens war ich anfangs begeistert, doch dann kam in den anderen Büchern immer ein Bruch. In diesem Buch hat er das erfolgreich vermieden und spinnt aus der Prämisse, es gäbe eine Erkrankung, die den Alterungsprozess sehr stark abbremst, ein spannendes, originelles, psychologisch glaubwürdiges und an vielen Stellen auch recht witziges Abenteuer.


    Als Fan von Zeitreisegeschichten mochte ich die verschiedenen Sprünge in die Vergangenheit sehr, die Haig schön ausgestaltet hat. Auch der starke Bezug, den Tom zur Musik hat und der sich als roter Faden durch das Buch zieht, hat mir gut gefallen.


    Einen kleinen Teil des Plots hätte ich zwar an sich verzichtbar gefunden, aber letztendlich bringt der auch die Handlung an manchen Stellen voran und nahm nicht so abstruse Ausmaße an wie manche Handlungsstränge in den anderen Büchern, so dass ich da gerne ein Auge zudrücke, nicht zuletzt, weil ich mich bestens unterhalten habe.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen