Sabine Weigand - Die Manufaktur der Düfte

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 2.054 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

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    Die Geschichte beginnt 1845, als der Seifensiedergeselle Philipp Benjamin Ribot in Schwabach ankommt und in der Seifensiederei Strunz eine Anstellung findet. Er heiratet die Tochter des alten Strunz und übernimmt den Betrieb. Damit ist der Grundstein für eine Familiengeschichte gelegt, die wir Leser bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts verfolgen dürfen.


    Zu Beginn habe ich mich etwas schwer mit der Erzählweise der Autorin getan. Die Handlung schreitet rasch voran, viele Personen werden eingeführt, manche haben nur einen kurzen Auftritt und schon geht es weiter. Nach und nach kristallisiert sich aber dann doch heraus, wer die wichtigen Personen sind und wer eher am Rand steht.


    Die Autorin baut hier zwei Gruppen an Protagonisten auf: zum einen die Seifensiederfamilie Ribot, die vom kleinen Handwerksbetrieb zur einflussreichen und wohlhabenden Fabrikantenfamilie werden, zum anderen eine Reihe von Angestellten und Arbeitern, die in Beziehung zu den Ribots stehen, aber auch ihre eigenen Schicksale haben. Damit wird der Gegensatz in der Bevölkerung während der Industrialisierung anschaulich dargestellt, ebenso wie der Aufstieg der Sozialdemokratie.


    Auch ansonsten flicht die Autorin immer wieder kleine Anekdoten und Begebenheiten in die Handlung ein, wie zum Beispiel die Gründung des Fußballclubs 1. FC Nürnberg, die beiläufige Erwähnung dieser merkwürdigen neuen Brause namens Coca Cola und vieles mehr.


    An einigen Stellen ging sie mir zu sehr ins technische Detail unterschiedlicher Handwerkskünste, der Seifensiederei oder auch der Goldschlägerei (Herstellung von Blattgold), aber diese Absätze kann man natürlich auch überlesen, ohne etwas von der Handlung zu verpassen, andere Leser finden vielleicht gerade diese Details auch interessant. In jedem Fall ergibt sich eine gut recherchierte Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg.


    Vieles davon beruht auch auf Tatsachen, im Nachwort gibt die Autorin Informationen, was real geschehen ist (die Seifensiederei Ribot gab es wirklich) und was ihrer Fantasie entsprungen ist.


    Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich fand es interessant, dass sie immer mal wieder die Erzählperspektive oder das Stilmittel ändert. So ist es keine durchgehende Erzählung, sondern immer wieder gibt es Tagebucheinträge, Briefe, Gedanken, ... hat mir gut gefallen!


    Insgesamt eine spannende, detailreiche Familiengeschichte mit viel Abwechslung, bei der es mir manchmal aber auch ein bisschen zu schnell ging!


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    LG, Dani


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  • nirak

    Ja, ich denke auch, dass dir das gut gefallen wird!

    LG, Dani


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  • Beitrag von Valentine ()

    Dieser Beitrag wurde vom Autor aus folgendem Grund gelöscht: doppelt ().
  • Als Geselle auf der Walz kommt Philipp Benjamin Ribot aus Cannstatt ins beschauliche Schwabach und findet dort Anstellung beim Seifensieder und Kerzenzieher Ernst Strunz. Eher aus Pragmatismus als aus Liebe heiratet er die Tochter des Meisters, doch im Betrieb ist er mit dem Herzen dabei und überrascht den Inhaber immer wieder mit modernen und effizienteren Methoden. Als Philipp das Geschäft komplett übernimmt, ist er bereits Herr über eine kleine, erfolgreiche Seifenfabrik, und sein Sohn Fritz wächst zu seinem Nachfolger heran und baut die Produktpalette mit immer neuen Ideen weiter aus, nicht ohne die neuesten Marketingtricks anzuwenden.


    Bevor es so weit ist, geht Fritz jedoch erst einmal auf Reisen, schnuppert hier und da in andere Betriebe hinein und landet schließlich in Moskau, wo er sich unsterblich in Aleksandra verliebt, die er am liebsten mit nach Deutschland nehmen möchte. Doch ihr strenger Vater ist dagegen, und schließlich kehrt Fritz alleine nach Schwabach zurück und stürzt sich zur Ablenkung in die Arbeit, mit beträchtlichem Erfolg.


    In unmittelbarer Nachbarschaft der Ribot'schen Seifenfabrik befindet sich die "Silberne Kanne", ein altes Wirtshaus, das der aufkeimenden Schwabacher Arbeiterbewegung und dem neu gegründeten SPD-Ortsverband als Treffpunkt dient. Die wiederkehrenden Proteste der Arbeiter, die gerechtere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen fordern, sind vielen ein Dorn im Auge, sie gelten als umstürzlerische, gefährliche Aufrührer und werden von der Obrigkeit mit harten Bandagen bekämpft. Doch selbst das Verbot aller Arbeitervereine hält den eingefleischten Sozialdemokraten Leo Gruber und seine Mitstreiter nicht lange von ihrem Einsatz für die gute Sache ab.


    Sabine Weigand, die selbst aus der Gegend kommt, in der das Buch spielt, hat sich von der wahren Geschichte der Seifenfabrik Ribot zu einem farbenprächtigen Roman inspirieren lassen, der mir sehr viel Freude gemacht hat. Auf Basis gut recherchierter Fakten breitet sie einen bunten Bilderbogen vor den Leser*innen aus, der 80 Jahre deutscher Geschichte greifbar und erlebbar macht. Von der Revolution 1848 bis in die frühen 20er Jahre spannt sich das Panorama, bevölkert von lebensechten Charakteren und untermauert mit vielen Details zu Politik, Gesellschaft, Technikfortschritten und Mode und natürlich jeder Menge Hintergründe zur Seifensiederei. Wie diffizil die Herstellung von passenden Seifenprodukten für diverse Anwendungsfälle war und auch, welch große Rolle Seife vor der Erfindung synthetisch hergestellter Reinigungsmittel aller Art spielte, fand ich wirklich interessant zu lesen.


    Der Familie Ribot habe ich sehr gerne beim Wachsen und Gedeihen zugeschaut und mit den Figuren gehofft, gebangt, gelitten und mich gefreut. Manche (Liebes)Angelegenheiten lösten sich zwar für meinen Geschmack ein bisschen zu einfach oder wurden mir ein bisschen arg dramatisch, aber weil ich die Charaktere sonst schön ausgearbeitet und glaubwürdig fand, hat mich das im Gesamtkontext weniger gestört. (Interessanterweise waren das oft gerade die Punkte, in denen die Autorin von den historisch belegten Schicksalen abgewichen ist.)


    Und so gerne ich über die Ribots gelesen habe, so waren meine heimlichen Lieblinge doch die "Sozis" rund um den stets mit Herzblut agierenden Leo Gruber und die Betreiber der "Silbernen Kanne". Die unfassbaren Zustände in den meisten Industriebetrieben wie etwa in den Nadelfabriken, wo die Schleifer wegen mangelnder Schutzvorkehrungen häufig in jungem Alter elend an der Staublunge zugrunde gingen, zeigen eindringlich auf, wie wichtig die Arbeit der Sozialdemokraten und der Arbeiterbewegung war und welche Grundlagen damals für vieles gelegt wurden, was wir heute für selbstverständlich halten.


    Man lasse sich nicht vom Cover täuschen, das eher auf eine gefühlige Fabrikantentöchterleinsromanze schließen lässt. Apropos Gestaltung: sehr hübsch ist das Vorsatzblatt, das aus einer Collage von echten Ribot-Werbeanzeigen besteht.


    Ein sehr lesenswerter Schmöker über die Gründerzeit und das frühe 20. Jahrhundert.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Auch ansonsten flicht die Autorin immer wieder kleine Anekdoten und Begebenheiten in die Handlung ein, wie zum Beispiel die Gründung des Fußballclubs 1. FC Nürnberg, die beiläufige Erwähnung dieser merkwürdigen neuen Brause namens Coca Cola und vieles mehr.

    Die Club-Gründung fand ich herrlich. Und dieser seltsame, laute, stinkende "Petroleummotorwagen". Die Dinger sind doch garantiert gefährlich, ob die sich durchsetzen werden? :breitgrins:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wäre das Buch nicht von Sabine Weigand, hätte ich es mit diesem Cover nie gelesen :). Aber Weigand ist die einzige Autorin, deren Bücher ich unbesehen kaufe und lese, somit war die Abbildung Nebensache. Und ich wurde nicht enttäuscht. Die ausgefeilte Entwicklung der Personen und der sorgfältige Aufbau der Handlung war genial, und nebem dem Wachsen der Familiendynastie war auch das Entstehen des Seifenunternehmens wirklich spannend. Zusammen mit dem historischen Hintergrund auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ist das Buch ein gelungenes Gesamtpaket.


    Bei meiner Begeisterung spielt wahrscheinlich ein bisschen auch der Umstand eine Rolle, dass ich vor ca. 1,5 Jahren selbst auf Seife umgestiegen und sehr zufrieden damit bin. Da passt es natürlich, etwas über die Entstehung der Seifenindustrie zu lesen.


    Unter all meinen Büchern im letzten Jahr war dieses (allerdings bei nur halb so viel gelesenen Büchern pro Jahr wie üblich) tatsächlich das einzige mit


    5ratten

  • Wäre das Buch nicht von Sabine Weigand, hätte ich es mit diesem Cover nie gelesen

    Das stimmt, das Cover lässt eher einen etwas seichten Familienhisto erwarten... aber hier steckt wirklich mehr drin.

    LG, Dani


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  • Ich habe mir nicht nur einmal die Frage gestellt, ob die Autorin eigentlich Einfluss darauf hatte, wie das Cover gestaltet wird. Es gibt viele Menschen, die auf das Cover achten und entsprechend kaufen, aber anders herum eben auch einige, die deswegen nicht kaufen. Ich glaube, dass Sabine Weigand etwas dagegen hätte, in die Schublade der seichten Literatur gesteckt zu werden. Dafür ist das Buch zu ernsthaft.

  • Ich habe mir nicht nur einmal die Frage gestellt, ob die Autorin eigentlich Einfluss darauf hatte, wie das Cover gestaltet wird.

    So wie ich das mitbekommen habe, haben die meisten Autor*innen wenig bis gar keinen Einfluss auf die Covergestaltung.

    LG, Dani


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  • Fürchte ich auch - wenn es so wäre, gäbe es bestimmt weniger Bücher mit irreführendem Cover.


    Schön, dass Dir das Buch auch so gut gefallen hat, Doris!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So wie ich das mitbekommen habe, haben die meisten Autor*innen wenig bis gar keinen Einfluss auf die Covergestaltung.

    Eigentlich ein Unding. Die nächste Frage ist dann, welche Fachkraft mit der optischen Gestaltung beauftragt wird. Für mich ist die Optik wichtig, zumindest in Hinsicht auf die Schriftart und die Ausstattung des Buches. Das Cover beeinflusst mich nur, wenn es für meine Begriffe negativ ist, und das ist es im Fall dieses Buches ganz bestimmt. Aber bei dem Namen Weigand weiß ich zum Glück, worauf ich hoffen darf.