Stendhal - Rot und Schwarz

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  • Stendhal - Rot und Schwarz


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    Stendhals Roman Rot und Schwarz gehört zu den wichtigsten Werken der Weltliteratur, sofern man den zahlreichen Must-read-Listen und Büchern dazu folgt. Ich vertraue beispielsweise der ZEIT-Bibliothek der 100 Bücher und der dort gegebenen Begründung. Daher muss man über die Qualität dieses Buches kein Wort mehr verlieren. Es ist eines der ersten Bücher, die die moderne Literatur einläuten, es kommt ohne Pathos aus, wie man ihn beispielsweise bei Hugo (und vielen deutschen Autoren) zu dieser Zeit noch findet.


    Als Nicht-Germanist traue ich mir jedoch nicht zu, ein eigenes Qualitätsurteil abzugeben, sondern ich kann im folgenden nur meinen subjektiven Leseeindruck wiedergeben, das ist aber etwas ganz anderes als ein objektives Qualitätsurteil.


    Das Buch liegt nun in einer Neuübersetzung in einer schönen leinengebundenen Dünndruckausgabe im Hanser Verlag vor. Dem Romantext sind ein umfassendes, auch für Nicht-Germanisten sehr verständliches Nachwort und ausführliche Anmerkungen hinzugefügt. Darüber hinaus ist eine Rezension, die Stendhal selber unter einem Pseudonym verfasst hat, beigefügt. Solche Anhänge wünscht man sich bei allen Klassikern.


    Der Roman enthält die Geschichte von Julien Sorel, einem Emporkömmling aus der französischen Provinz, der nach Geld und Macht strebt, dazu zwei Liebesbeziehungen eingeht und nach anfänglichem Erfolg den Untergang in einer von Geld und sozialer Hierarchie bestimmten Welt erleben muss – so kann man den Inhalt in einem Satz zusammenfassen. Beim Lesen ist mir die Falschheit des beschriebenen Menschenschlags (Adlige) aufgefallen und in dieser Gesellschaft bewegt sich Julien Sorel, der Konventionen zunächst nicht kennt. Darüber hinaus kann man m. E. feststellen, Stendhal beziehe sich damit auf die gesamte Menschheit. Der Roman ist 1830 erschienen und spielt auch in jener Zeit, wobei Stendhal immer wieder auf reale politische Ereignisse anspielt, die man aber heutzutage ohne die Anmerkungen nur teilweise verstehen würde. Von der damaligen Kritik wurde das Buch sehr unterschiedlich aufgenommen, richtig berühmt wurde das Buch erst etwa 50 Jahre nach seinem Erscheinen.


    Meine wichtigsten Leseeindrücke seien hier, wenn auch etwas unsystematisch, zusammengefasst: Es fällt schwer, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren, dazu ist er einfach zu unsympathisch (dargestellt). Der Romanplot nimmt auch so manche überraschende, nicht immer zwingende Wendung. Zudem ist die Sprache an einigen Stellen ungeschliffen. All dies spricht eigentlich gegen dieses Buch, dennoch habe ich es gerne gelesen. Warum? Es ist unterhaltend und es wirkt mit seinen handelnden Personen authentisch. Und nur solche Werke können zu Klassikern werden – davon bin ich überzeugt. Daniel Kehlmann hat in einer Rezension zu diesem Buch einmal geschrieben: „Nach dieser Lektüre ist man für längere Zeit von Leichtgläubigkeit geheilt. Nicht das schlechteste Resultat großer Romankunst.”


    Ich vergebe für mein Leseerlebnis 4 Ratten


    4ratten


    Gruß, Euer Klassikfreund

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hallo Klassikfreund,


    na, so ein Zufall, das lesen wir gerade im Klassikerforum (naja, eigentlich lese nur noch ich, die anderen waren deutlich schneller). Deiner Bewertung kann ich mich anschließen, "Rot und Schwarz" ist wirklich ein Lesevergnügen.


    Die Neuübersetzung, die Du meinst, ist die von Elisabeth Edl, oder? Die lese ich nämlich auch, und ich finde die Anmerkungen und Erläuterungen wirklich sehr gut. In der Zeit ist dazu ein interessanter Artikel erschienen.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Ich muss gestehen, dass "Rot und Schwarz" zu den Sauriern auf meinem SUB gehört. Vor knapp 30 Jahren wurde es mir geschenkt, ich las bis S. 246 (das Lesezeichen steckt noch unberührt dort), und seitdem wartet das Buch auf bessere Zeiten.
    Damals musste ich feststellen, dass mir zu viel Hintergrundwissen fehlte, um das Buch verstehen zu können. Ob ich heute besser damit zurande käme ist fraglich. Trotzdem habe ich vor, ihm demnächst - innerhalb der nächsten zehn Jahre also :zwinker: - noch eine Chance zu geben.
    Leider fehlen meiner Ausgabe (Winkler Dünndruck) Anmerkungen und Nachwort.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo Saltanah,


    da gebe ich Dir recht, das Buch ist ohne Hintergrundwissen (das mir leider auch fehlt) nicht leicht zu lesen. Ich muss aber hier nochmal die Neuübersetzung loben, die hilft wirklich sehr weiter. Vielleicht kannst Du sie Dir (nur wg. der Anmerkungen) aus der Bib holen?


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Hallo Thomas,


    Zitat von "Klassikfreund"

    Als Nicht-Germanist traue ich mir jedoch nicht zu, ein eigenes Qualitätsurteil abzugeben, sondern ich kann im folgenden nur meinen subjektiven Leseeindruck wiedergeben, das ist aber etwas ganz anderes als ein objektives Qualitätsurteil.


    Ich hoffe, du lebst nicht in dem Irrglauben, Germanisten wären in der Lage, objektive Qualitätsurteile abzugeben. :entsetzt:

    Zitat

    auch für Nicht-Germanisten sehr verständliches Nachwort


    Außerdem: Stendhal fällt in den Zuständigkeitsbereich der Romanistik.
    Ich bin nun sowohl als auch und habe mich vor knapp zehn Jahren mal etwas intensiver mit Le rouge et le noir beschäftigt. Die berechnenden Techtelmechtel Juliens mit Mme de Rênal und Mathilde de la Mole sind mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Das Ganze steht natürlich im historischen Kontext der Vorkriegsjahre. Stendhal beschreibt eine Gesellschaft, in der Fassade alles gilt, die eigene Position, die eigene Meinung aber irrelevant ist. In den literarischen Salons, zu Zeiten der Aufklärung als Ort des "freien Austauschs" entworfen (natürlich ist auch das zu hiterfragen, aber darauf lief wenigstens das Konzept hinaus), ist es im historischen Augenblick, in dem der Roman spielt, gähnend langweilig geworden, weil niemand mehr willens ist sich zu exponieren.
    Muster dieser Zeit ist Julien, der sich die starke Habitualisierung des Lebens versucht zunutze zu machen, der aber auch an ihr scheitert, weil er in Krisensituationen nicht in der Lage ist, gesellschaftlich adäquat zu handeln, sondern den Kopf verliert. Daran erkennt man den Emporkömmling. Ein Roman über gesellschaftliche Konvention, ein thema, das ich immer interessant finde.


    Herzlich, B.

  • Hallihallo,


    dadurch, dass wir ja schon ab nächsten Montag 2007 schreiben und dadurch auch der SUB-Listenwettbewerb beginnt, habe ich eine Frage zu Rot und Schwarz, das sich u.a. auf meiner Liste befindet. Ich besitze die Winkler Dünndruck-Ausgabe; zur Ausgabe steht da Folgendes: Vollständige Ausgabe, aus dem Französichen, [...]. Das französische Original fußt auf der Erstausgabe von Le Rouge et Le Noir von 1830, ohne die störenden Zusätze und Retuschen von fremder Hand, die in den meisten späteren Ausgaben enthalten sind.


    An alle, die Ausgaben mit Anmerkungen kennnen:
    Sind sie notwendig zum Verständnis? Oder sind sie tatsächlich störend?


    Sonst hole ich mir eventuell noch Materialen, bevor ich mit dem Lesen beginne!


    lg und Danke,


    mondpilz

  • Hallo mondpilz!


    [...] habe ich eine Frage zu Rot und Schwarz, das sich u.a. auf meiner Liste befindet. Ich besitze die Winkler Dünndruck-Ausgabe; zur Ausgabe steht da Folgendes: Vollständige Ausgabe, aus dem Französichen, [...]. Das französische Original fußt auf der Erstausgabe von Le Rouge et Le Noir von 1830, ohne die störenden Zusätze und Retuschen von fremder Hand, die in den meisten späteren Ausgaben enthalten sind.


    An alle, die Ausgaben mit Anmerkungen kennnen:
    Sind sie notwendig zum Verständnis? Oder sind sie tatsächlich störend?


    Sonst hole ich mir eventuell noch Materialen, bevor ich mit dem Lesen beginne!


    Jetzt dürfen wir zwei Dinge nicht verwechseln: Materialien oder Anmerkungen, meist von einem späteren Herausgeber stammend und Dinge, Personen, Verhältnisse erklärend, die der Nachwelt nicht mehr so intensiv bekannt sind wie der Mitwelt des Autors. Ob die Winkler-Ausgabe über so etwas verfügt, weiss ich nicht. Ich besitze die auf der Winkler-Ausgabe beruhende Insel-Ausgabe - ohne Apparat. Das hat mich seinerzeit bei der Lektüre allerdings nicht gestört.


    Wovon die Winkler-Ausgabe spricht, Zuätze und Retuschen, das sind Eingriffe in den Text. Nicht unbedingt Erklärungen, es kann sich auch um Zensur handeln. Die stören selbstverfreilich, finde ich.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo mondpilz!


    Ich weiss nicht, was an Le Rouge et le Noir wirklich herumgeändert wurde, nehme aber an, aufgrund des doch "heissen" Themas Kirche und Staat, dass sich gewisse Leute zu Eingriffen verpflichtet gefühlt haben. So was kommt bis heute vor ... :sauer:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • So, jetzt meine Rezension:

    Inhalt


    Der junge und überaus stolze und hochmütige Zimmermannssohn Julien Sorel kann das Neue Testament auf Latein auswendig und wird deshalb Hauslehrer der Kinder des Bürgermeisters von Verrières, einer fiktiven, kleinen, französischen Provinzstadt. Für ihn ist diese Aufgabe die erste Sprosse einer steilen Karriereleiter. Sein Weg führt ihn weiter über ein Priesterseminar nach Paris, wo er Sekretär des reichen, adligen Marquis de la Mole wird. Um in seiner Laufbahn weiterzukommen, ist ihm kein Mittel zu kaltblütig und zur Erreichung seiner Ziele und zur Wahrung seines immensen Stolzes stürzt er nicht nur seine Mitmenschen, sondern auch sich selbst ins Unglück.

    Mein Meinung


    Ich bin absolut begeistert! Obwohl mir Julien bis jetzt immer noch überaus unsympathisch ist, habe ich bisweilen doch mit ihm und v.a. den anderen Charakteren mitgefühlt und mitgelitten. Die gelegentlichen, sarkastischen Bemerkungen Stendhals über den Charakter Juliens machten mir den Autor noch interessanter, da er selbst Julien nicht unbedingt zu schätzen scheint. Die Sprache wirkte auch mich keinesfalls ungeschliffen, ich persönlich habe jeden Satz genossen. Die über 700 Seiten ließen sich sehr leicht lesen, ich musste mich nie zwingen, das Buch in die Hand zu nehmen, im Gegenteil, eher um es wieder wegzulegen.
    Ich hoffe nur, dass sich mein Liebesleben nie derart kompliziert gestalten wird, wie in diesem Roman beschrieben :zwinker: , ansonsten:


    5ratten


    lg,


    mondpilz

  • Hallo mondpilz,


    Ich habe deine Rezension sehr gerne gelesen und hast mir den Roman sehr schmackhaft gemacht. Habe von Stendhal noch nie etwas gelesen. Das wird sich noch ändern.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Hallo mambour,


    ich kann dir Rot und Schwarz wirklich nur wärmstens empfehlen, es war auch mein erster Roman von Stendhal. Ich hatte v.a. Angst, mich durchkämpfen zu müssen, da es doch schon über 170 Jahre alt ist, aber das war wirklich trotz des relativ großen Umfangs kein Problem. :breitgrins:


    lg,


    mondpilz

  • Ein Buch kann auf verschiedene Arten gut sein:
    Es kann einen wundervollen Stil haben, an dem man sich - ganz unabhängig vom Inhalt - berauschen kann.
    Es kann eine Welt (und/oder Zeit) vor den Augen seiner Leser erstehen lassen.
    Es kann interessante Figuren aufweisen, über die man gerne mehr erfahren möchte, die den Lesern vielleicht auch neue Einsichten über die menschliche Natur vermitteln.
    Es kann über eine spannende, mitreißende Handlung verfügen.
    Im Idealfall erfüllt ein Buch alle diese Kriterien, aber auch wenn nur eine zutrifft, diese aber perfekt ausgeführt ist, kann ein Buch in die Kategorie "gut" fallen.


    Wenn ich mir nun "Rot und Schwarz" unter den oben genannten Kriterien anschaue, komme ich zu folgendem Ergebnis:
    Gerade stilistisch hatte ich mir viel von diesem Buch versprochen. Ich habe schon einiges an Literatur des 19. Jahrhunderts gelesen (wenn auch überwiegend britische) und mich immer gerade auch am Stil ergötzt. "Rot und Schwarz" hingegen war eine Enttäuschung. Der Stil erschien mir wenig elegant, manchmal sogar unbeholfen. Ob dies nun an der Übersetzung (von Walter Widmer) lag oder an Stendhals Sprache selbst, kann ich mangels Französischkenntnissen nicht sagen.
    Was die Schilderung des Frankreich nach dem Sturz Napoleons angeht, so nehme ich an, dass sie ihm gelungen ist. Allerdings mangelt es mir da eklatant an Hintergrundwissen. Gut - es muss eine Zeit nach Napoleon gegeben haben, da es ja Napoleon gab (und von dem habe selbst ich schon mal gehört), aber was sich damals in Frankreich abspielte, wer da warum gegen wen revolutionierte, ist mir vollkommen unbekannt. Und auch nach der Lektüre dieses Buches bin ich nicht klüger. Das kann ich allerdings nicht dem Buch vorwerfen; Stendhal brauchte keine Hintergründe zu schildern, da er ja seine Gegenwart für seine zeitgenössischen Leser abbildete, eben keinen historischen sondern einen Gegenwartsroman schrieb. Gut möglich, dass mir das Buch als Zeitbild besser gefallen hätte, wenn ich mir erst (oder während der Lektüre) Wissen über die Zeit angeeignet hätte. Dazu fehlte es mir aber schlichtweg an Interesse.
    Die Figuren, ja. *Seufz* Ich glaube, ich bin zu alt dazu, einen pubertierenden Jüngling mit aufgeblasenem, aber eigentlich hohlen Ego interessant zu finden. Sorel hat mich von Anfang an und mit zunehmender Seitenzahl immer mehr gereizt. Wenn er wenigstens irgendwann etwas gelernt hätte! Wenn er sich doch frühzeitig eine Kugel durch den Kopf gejagt hätte!
    Was die Frauen nun an diesem Bürschchen fanden, will mir auch nicht wirklich in den Kopf. Nun gut - eigentlich waren deren Beweggründe psychologisch schon nachvollziehbar und auch nicht schlecht dargestellt, aber bei meiner Abneigung gegen Sorel… Idiotinnen!
    Mit einer spannenden Handlung fesseln konnte mich das Buch auch nicht gerade. Ziemlich schnell war es mir vollkommen egal, wie sich Sorels weiteres Leben entwickeln würde. Nur der Abschnitt im Priesterseminar konnte mein Interesse wecken. Ansonsten war das spannendste, während der Lektüre immer wieder nachzugucken, wie viele Seiten ich noch zu bewältigen hatte; kurz gesagt, das Buch hat mich gelangweilt. Ich kann gut verstehen, dass ich das Buch bei meinem ersten Leseversuch vor über 25 Jahren abbrach. Das hätte ich auch dieses Mal getan, hätte es nicht auf meiner SLW-Liste gestanden.


    2ratten
    (Wieso eigentlich doch noch 2? Vergebe ich vielleicht einen Klassikerbonus? Ich weiß es nicht und kann nur sagen, dass es sich auch nach einigen Monaten noch nach 2 Ratten anfühlt.)

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo saltanah,


    ich glaube, ich bin mit meiner Bewertung näher an deinen 2 Ratten als an den 5 von mondpilz. Im Gegensatz zu Dir fand ich es aber durchaus interessant, den Protagonisten zu verfolgen.


    Gruß, Thomas

  • Hallo Saltanah,


    ich finde es immer wieder interessant, wie unterschiedlich die Meinungen zu einem Buch ausfallen können. Einige Deiner Minuspunkte teile ich durchaus: mir fehlen auch die historischen Hintergrundkenntnisse, die Stendhal voraus setzt. Sympathisch war mir Sorel ebenfalls nicht (dürfte ja die Absicht des Autors sein :zwinker:). Aber als interessant habe ich diese brennend ehrgeizige Person schon empfunden. Und seine Mathilde ist ja wohl die Mutter aller Zicken :breitgrins:


    Zu dem Stil: das könnte wirklich an der Übersetzung liegen. Es gibt ja mehrere, und in meinem Nachwort stand, dass diese sich deutlich unterscheiden (eine trägt sogar als Titel "Rot oder Schwarz"). Da hast Du vielleicht eine der schlechteren erwischt.


    Grüße
    Manjula

    Einmal editiert, zuletzt von Manjula ()

  • Zu dem Stil: das könnte wirklich an der Übersetzung liegen. Es gibt ja mehrere, und in meinem Nachwort stand, dass diese sich deutlich unterscheiden (eine trägt sogar als Titel "Rot oder Schwarz). Da hast Du vielleicht eine der schlechteren erwischt.


    Hm ... Walter Widmer war (er starb 1965) eigentlich ein sehr guter und renommierter Übersetzer. Schreiben liegt dort in der Familie: Sein Sohn ist der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer ;).

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Bei so gegensätzlichen Einschätzungen gewinne ich den Eindruck, ich sollte das Buch doch endlich mal lesen. Auf meinem SuB liegt es immerhin schon, nachdem ich es bei irgendeinem Bookcrosser-Treffen mal eingesteckt hatte, mich vage an eine Verfilmung als Mehrteiler von vor ~ 30 Jahren erinnernd. Vielleicht schaue ich mich aber noch nach einer anderen Übersetzung um, ich habe ein ziemliches altes Exemplar mit einer Übersetzung von Arthur Schurig (mal sehen, ob ich dazu noch Details finde ...).


    An sich ist die Zeit nämlich hochinteressant, immerhin ging 1830 eine erste, wenngleich in der öffentlichen Wahrnehmung heute durch jene von 1848/49 ziemlich verdrängte Revolutionswelle durch Europa. Ich habe an der FernUni mal ein Wochenendseminar zum Thema „Europa um 1830“ mitgemacht, da läßt sich hoffentlich dran anknüpfen. Zu irgendwas muß das Studium ja auch mal gut sein :breitgrins:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


    Edit: Schon fündig geworden. Die FAZ hatte die Neuübersetzung von Elisabeth Edl natürlich auch besprochen und der dortige Rezensent hat für die Schurig-Übersetzung bemängelt, daß es starke Texteingriffe gegeben habe (Umstellungen und Streichungen), Widmer habe Stendhals karge Sprache gedehnt und ausgeschmückt. Hm, klingt ja nicht überzeugend. Dann werde ich wohl doch lieber mal nach der Neuübersetzung schauen, die quer durch alle Feuilletons gelobt wurde. Das ist zwar auch noch keine Garantie, läßt aber zumindest hoffen ...

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()


  • Bei so gegensätzlichen Einschätzungen gewinne ich den Eindruck, ich sollte das Buch doch endlich mal lesen. Auf meinem SuB liegt es immerhin schon, nachdem ich es bei irgendeinem


    Edit: Schon fündig geworden. Die FAZ hatte die Neuübersetzung von Elisabeth Edl natürlich auch besprochen und der dortige Rezensent hat für die Schurig-Übersetzung bemängelt, daß es starke Texteingriffe gegeben habe (Umstellungen und Streichungen), Widmer habe Stendhals karge Sprache gedehnt und ausgeschmückt. Hm, klingt ja nicht überzeugend. Dann werde ich wohl doch lieber mal nach der Neuübersetzung schauen, die quer durch alle Feuilletons gelobt wurde. Das ist zwar auch noch keine Garantie, läßt aber zumindest hoffen ...


    Ich habe ja die Edl-Übersetzung gelesen. Also allein aufgrund der Sprache hat mich der Roman nicht überzeugt.


    Gruß, Thomas

  • Die FAZ hatte die Neuübersetzung von Elisabeth Edl natürlich auch besprochen und der dortige Rezensent hat für die Schurig-Übersetzung bemängelt, daß es starke Texteingriffe gegeben habe (Umstellungen und Streichungen), Widmer habe Stendhals karge Sprache gedehnt und ausgeschmückt. Hm, klingt ja nicht überzeugend. Dann werde ich wohl doch lieber mal nach der Neuübersetzung schauen, die quer durch alle Feuilletons gelobt wurde. Das ist zwar auch noch keine Garantie, läßt aber zumindest hoffen ...


    Auch Übersetzungen sind ganz eindeutig Modeerscheinungen unterworfen. Praktisch mit denselben Argumenten, die hier pro Edl gebracht werden, wurde vor ein paar Monaten eine neue Übersetzung von Moby-Dick in den Himmel gehoben. Und in 20 Jahren wird wieder was anderes im Vordergrund stehen.


    "Stendhals karge Sprache" ... Ja ... Genau ... So kann man es auch formulieren ... Bei einer Lektüre von Stendhals La Chartreuse de Parme hatte ich tatsächlich nicht den Eindruck, hier einen begnadeten Stilisten vor mir zu haben. (Im Gegensatz z.B. zu Victor Hugo ;).)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Auch Übersetzungen sind ganz eindeutig Modeerscheinungen unterworfen.


    Was auch nur natürlich ist. Trotzdem möchte ich keine Übersetzung lesen, die den Ausgangstext grundlegend umschreibt, sei es durch Streichungen, Umstellungen oder Hinzufügungen. Manches ist natürlich einfach durch andere Sprachstrukturen bestimmt, daher gilt ein gewisser Grad an übersetzerischer Freiheit, das ist ok, sollte aber das sprachlich bedingte Maß nicht übersteigen.



    Praktisch mit denselben Argumenten, die hier pro Edl gebracht werden, wurde vor ein paar Monaten eine neue Übersetzung von Moby-Dick in den Himmel gehoben. Und in 20 Jahren wird wieder was anderes im Vordergrund stehen.


    Vermutlich, das halte ich aber nicht für schlimm. Schließlich bin ich auch kontextgebunden in dieser Zeit, warum soll ich also nicht eine „passende“ Übersetzung lesen, die das Ausgangswerk aber wenigstens respektiert. Moby Dick liegt – neben einer Reihe älterer Übersetzungen (die nicht alle schlecht sind) – in zwei neueren vor. Die Übersetzung von Jendis soll sehr gut sein, was ich glaube, weil er zumindest auch etwas von Seefahrt versteht, das ist mir bei anderen maritimen Bücher aus seiner Übersetzung aufgefallen. Die Übersetzung von Rathjen haben zwar auch viele Kritiker gelobt, ich halte sie für schlicht unleserlich.



    "Stendhals karge Sprache" ... Ja ... Genau ... So kann man es auch formulieren ... Bei einer Lektüre von Stendhals La Chartreuse de Parme hatte ich tatsächlich nicht den Eindruck, hier einen begnadeten Stilisten vor mir zu haben. (Im Gegensatz z.B. zu Victor Hugo ;).)


    Wenn die Geschichte und die Protagonisten überzeugend sind, kann ich mit Schwächen im Stil unter Umständen auch leben ...