Cixin Liu - Die drei Sonnen (Die Trisolaris-Trilogie 1)

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  • Ja, aber eine fremde Zivilisation kann ja auch fremde wissenschaftliche Erkenntnisse haben und dann fremde Technologien entwickeln. Im Grunde könnte Liu also sagen: Obwohl die Menschen noch keine Technik für diese Sache entwickelt haben, sind die Außerirdischen dazu in der Lage.

    Man muss ihm absolut zugute halten, dass er das nicht viel öfter in seinem Roman ausnutzt. Das tun ja sehr, sehr viele andere Sci Fi-Autoren.

  • Ich habe das Buch gestern beendet und mir hat es zwar gefallen und ich spiele mit dem Gedanken, irgendwann weiterzulesen. Offensichtlich hat es mich aber auch nicht so sehr vom Hocker gerissen, dass ich den zweiten Teil schon gekauft hätte.


    Was das Buch für mich interessant macht, ist schlichtweg, dass man neben dem Science Fiction Aspekt auch einiges über die chinesische Kultur erfährt, insbesondere die Kulturrevolution. Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist, aber in meiner Schulzeit war Asien - abgesehehn von Russland - ein großer weißer Fleck.


    Ich mochte auch Lius Stil, ich mag die unaufgeregte Erzählweise, die Platz für Alltägliches bietet und insgesamt eher langsam vorankommt. Die Beschreibung des Spiels hat mir auch gut gefallen, wenngleich ich auch nicht ganz nachvollziehen konnte, weshalb das Spiel so süchtig macht. Ich kann mir aber vorstellen, dass es vielleicht doch daran liegt, dass es ein VR-Spiel ist und man in diese Welt richtig eintaucht.

    Ich weiß, dass auch manche der physikalischen Aspekte im Buch eher in den Bereich der Fantasie fallen, da fühle ich mich aber absolut nicht kompetent, darüber zu urteilen.


    Dennoch ist mir bei dem Buch auch ein wenig die Luft ausgegangen und das letzte Drittel konnte ich nicht mehr mit der gleichen Aufmerksamkeit lesen, mit der ich begonnen habe. Das finde ich schade, denn genau hier passieren ja noch einige sehr interessante Dinge in Sachen Plot.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Zu Trisolaris gehen die Meinungen anscheinend sehr auseinander. Interessant ist einfach, was an einem Buch einen „fängt“ und trifft und was nicht. Ich schließe mich jedenfalls der positiven Meinung von Ingroscha an.

    Die Trisolaris Reihe ist eines meiner absoluten Highlights der letzten Jahre.


    Wenn eine Story an sich schon spannend und voller unerwarteter Wendungen ist (auch im Sinne von unvorhersehbar), entsteht oft ein sehr gutes Buch, aber hier steckt noch sooo viel mehr drin.


    Ich weiss nicht, wie oft ich Szenen aus diesen Büchern erinnert oder darüber nachgedacht habe, sie stecken voller Metaphern, What-the-Fuck-Momenten, die Idee der Kosmosoziologie, die Theorie vom Dunklen Wald, Erklärungsansätze für das Fermi-Paradoxon, chinesische Kultur, (Astro/Theoretische) Physik, Perspektivenwechsel, die einen geradezu dazu zwingen, über den Tellerrand zu schauen, epische Ausmaße und ganz viele philosophische Fragen.


    Ein Beispiel:

    Oft sehen wir die Dinge nur aus unserer Perspektive und können uns nicht vorstellen, wie es anderen geht, oder halten es nicht für möglich, dass andere Horizonte möglicherweise begrenzter oder eben auch weiter als unserer sein können.

    Die Anfangssequenz vom 2.ten Teil beginnt mit der Sichtweise einer Ameise - diese läuft über einen Grabstein und krabbelt in die eingemeiselten Buchstaben - die Gedankenwelt dieser Ameise - wie sie die Welt sieht - wie sie uns sieht - wie sie die Dinge wahrnimmt - erscheinen ihr selbst ganz natürlich und als die einzig richtige, wirkliche Realität - aber wir - als Menschen - sehen das alles ganz anders, natürlich, und schmunzeln vielleicht über die Sichtweise der Ameise.

    Was wäre, wenn es über uns weitere Ebenen gibt von Wahrnehmung, die wir uns - einfach aufgrund unserer „begrenzten“ Wahrnehmung - gar nicht vorstellen können?


    Ein anderes (für die Story spoilerfreies) Beispiel ist die Schützen Hypothese - als Bezug oder Metapher auf unser eigenes Sein im Universum:

    Ein sicherer Gewehrschütze feuert auf eine Zielscheibe und fabriziert dabei alle zehn Zentimeter ein Loch. Nun soll man sich vorstellen, dass auf der Zielscheibe intelligente zweidimensionale Wesen leben. Deren Wissenschaftler erforschen das Universum und stoßen dabei auf ein wichtiges Naturgesetzt: „Im Universum existiert alle zehn Zentimeter ein Loch“ - zwar waren diese Löcher nur das Ergebnis einer momentanen Laune des Schützen, aber das wissen sie nicht und halten ihre Beobachtung für ein unveränderliches Gesetz des Universums.


    SEHR genial, wie ich finde.:)

    There is coffee in that nebula 8)

  • Was wäre, wenn es über uns weitere Ebenen gibt von Wahrnehmung, die wir uns - einfach aufgrund unserer „begrenzten“ Wahrnehmung - gar nicht vorstellen können?

    Je nun. Die Frage ist je nach eigenem Standpunkt entweder sinnlos (weil: Was ich mir nicht vorstellen kann, darüber kann ich auch nicht reden; und worüber ich nicht reden kann, darüber sollte ich schweigen(Wittgenstein)) oder sie geht ins Mystisch-Metaphysische und kann zur Rechtfertigung jeder Art von Religion ge- oder missbraucht werden, weil sie jeder so oder anders interpretieren kann. Ähnliches gilt für die Schützen-Hypothese: Ein zweidimensionales Wesen könnte ein Loch in der Zielscheibe gar nicht erkennen. Um es zu erkennen, müsste es da hineinfallen können. Das kann es aber nicht, weil die Fallrichtung die dritte Dimension ist. Liu hat ein bisschen Ahnung von Physik und Mathematik - Metaphern sind nicht seine Stärke...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Was wäre, wenn es über uns weitere Ebenen gibt von Wahrnehmung, die wir uns - einfach aufgrund unserer „begrenzten“ Wahrnehmung - gar nicht vorstellen können?

    Je nun. Die Frage ist je nach eigenem Standpunkt entweder sinnlos (weil: Was ich mir nicht vorstellen kann, darüber kann ich auch nicht reden; und worüber ich nicht reden kann, darüber sollte ich schweigen(Wittgenstein)) oder sie geht ins Mystisch-Metaphysische und kann zur Rechtfertigung jeder Art von Religion ge- oder missbraucht werden, weil sie jeder so oder anders interpretieren kann. Ähnliches gilt für die Schützen-Hypothese: Ein zweidimensionales Wesen könnte ein Loch in der Zielscheibe gar nicht erkennen. Um es zu erkennen, müsste es da hineinfallen können. Das kann es aber nicht, weil die Fallrichtung die dritte Dimension ist. Liu hat ein bisschen Ahnung von Physik und Mathematik - Metaphern sind nicht seine Stärke...

    Tja, da kann man mal wieder sehen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist…


    Die Frage ist für mich weder sinnlos noch möchte ich sie zu irgendwas missbrauchen :S - für mich ist das eine interessante Frage und es beschäftigt mich.


    Die Metaphern von Cixin Liu haben mich größtenteils begeistert. Für mich ist es auch gar nicht wichtig, ob das Verständnis eines zweidimensionalen Wesens ein Loch als dritte Dimension erkennen könnte (Cixin Liu spielt mit seiner Version ja ganz klar auf das Konzept Zielscheibenfehler an), sondern die Aussage der Metapher als solches regte mich zum Nachdenken an.


    Ich betone auch jedes Mal „für mich“ - mir ist klar, dass jeder Dinge anders wahrnimmt/deutet/für sich einordnet/interpretiert.

    Für jemand anderen kann das ganz anders sein, schon klar. :)

    There is coffee in that nebula 8)

  • Liu Cixin (geb. 1963)

    Die drei Sonnen

    Originaltitel: San Ti (三體)

    Erstveröffentlichung: 2006

    Aus dem Chinesischen von Martina Hasse (2017)

    Heyne Taschenbuch (591 Seiten)


    Kaufen* bei

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    Ich habe diesen Knapp-600-Seiten-Wälzer innerhalb weniger Tage gelesen und schließe mich der begeisterten Meinung von Ingroscha an. Ich bin – abgesehen von einer heißen Science-Fiction-Phase in meiner Jugend und immer wieder unternommenen Wiedereinstiegsversuchen in den vergangenen Jahren – eigentlich kein passionierter Leser von Science-Fiction-Literatur, aber dieses Buch hat mir doch sehr gut gefallen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass es dabei für mein Empfinden auch nicht unbedingt dem Bild entspricht, das ich mir angesichts von Star Wars, Star Trek, Perry Rhodan & Co. von SF geformt habe, sondern um den relativ un-utopischen Versuch einer Darstellung, wie der Erstkontakt der Menschheit zu fremden intelligenten Wesen technisch vonstatten gehen kann und wie unterschiedlich die Menschen damit umgehen angesichts einer möglicherweise übermächtigen Bedrohung von außen, was das in ihnen auslöst und ob sie in Aktionismus oder Apathie verfallen, in Optimismus oder grenzenlose Depression.


    Ohne zu viel von der Handlung vorwegzunehmen, beschreibt dieses Buch den Kontakt der Menschheit zu einer ca. 4 Lichtjahre entfernt lebenden außerirdischen Zivilisation, von der ersten Kontaktaufnahme per Funksignal über große Radioteleskope, dann per quantenmechanischer Phänomene in Echtzeit und in der Zukunft wohl auch „persönlich“. Die Erzählung ist größtenteils in China angesiedelt und spannt einen zeitlichen Bogen über die Kulturrevolution der 60er-Jahre bis in die Gegenwart hinein. Die unterschiedlichen persönlichen Erfahrungen während der Kulturrevolution mit all' ihren Schrecken und Repressalien sind dann auch prägend für einige der handelnden Personen und möglicherweise der Grund dafür, warum der eine oder die andere gar kein Problem damit hätte, wenn die Menschheit durch die Außerirdischen komplett ausgelöscht würde ...


    Das Buch wird, soweit ich das mitbekommen habe, dem Genre der technikorientierten Hard Science Fiction zugeordnet, d.h. es beinhaltet eine ganze Menge an Wissenschaft, viel Mathematik, Grundlagenforschung und Physik wie z.B. das von Ingroscha schon erwähnte Drei-Körper-Problem, das im Prinzip die Ursache für das Bestreben der außerirdischen Zivilisation der sogenannten Trisolarier ist, ihre Heimat zu verlassen und in stabilere Gefilde zu ziehen, denn die drei einander umkreisenden Sonnen im Zentrum ihres Sonnensystems sorgen für keine stabilen und vorhersagbaren Verhältnisse auf ihrem Planeten. Die wissenschaftlichen Erläuterungen solcher Probleme nehmen relativ großen Raum im Buch ein, und für sowas Trockenes muss man schon ein Faible haben. Mir jedenfalls hat es gefallen, weil es mir das Gefühl gegeben hat, eine Geschichte wie im Buch geschildert könnte sich tatsächlich eines Tages so zutragen und ist nicht komplett abwegig.


    Gut, die Figurenzeichnung ist nicht die beste, viele der handelnden Personen blieben für mich relativ farblos, und ihre chinesischen Namen haben auch nicht unbedingt dazu beigetragen, dass ich sie stets auseinanderhalten und zuordnen konnte. Aber dank des Namenverzeichnisses am Anfang des Buches, das von mir ein eigenes Post-it-Reiterchen fürs schnelle Nachschlagen bekommen hat, war auch dieses Problem zu bewältigen. ;)


    Ich habe die Nachfolgebände dieser auf drei Bücher angelegten Reihe bereits im Regal zu stehen und mit dem zweiten Band („Der dunkle Wald“) auch schon begonnen, und ich bin gespannt, wie es weitergeht.


    Das Buch bekommt von mir 4ratten

    2 Mal editiert, zuletzt von MacOss () aus folgendem Grund: Fhelerkorretkur