Anthony Powell - Die Kunst des Soldaten/The Soldier's Art

Es gibt 27 Antworten in diesem Thema, welches 5.206 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Ich habe gestern abend schon die ersten paar Seiten gelesen und finde den Einstieg diesmal ziemlich genial mit dem Verkäufer, der Jenkins für einen Schauspieler hält, der in einem Stück namens "Der Krieg" auftritt.


    Die frühe Phase des 2. Weltkrieges nannte man in England ja auch "phoney war" (in Frankreich "une drôle de guerre"), weil zwar offiziell Krieg herrschte, aber (noch :traurig: ) nichts davon zu spüren war. Gerade deshalb gefällt mir diese Eröffnung außerordentlich gut.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Die ersten Seiten habe ich gestern noch gelesen und war erst der Meinung, wir steigen wieder mal früher in die Geschichte ein, da ich den Kauf des Mantels mit dem Beginn seiner Einberufung gleichsetzte. Aber dem scheint nicht so zu sein.


    Durch die Reaktion des Händlers gehe ich mal davon aus, dass Nick einen Laden betreten hat, der normalerweise Schauspieler ausstattet. Dass sich diese ihre Kostüme selbst besorgen müssen, überraschte mich ebenso wie es mir vorkommt, dass auch die Soldaten einen Teil ihrer Uniform (?) aus eigener Tasche bezahlen müssen. Oder ist es nur eine Marotte von Nick sich diesen Mantel zuzulegen? Naja, Munition wird ja auch vorsichtshalber in der geheimen Hinterhand gebunkert. ;)

  • In dem Laden statten sich wohl "echte" Soldaten genauso aus wie Schauspieler. So hatte ich das zumindest verstanden.


    Zeitlich habe ich die Szene als Beginn seines tatsächlichen Kriegseinsatzes gedeutet, also chronologisch im Anschluss an den Vorgängerband. Aber mag sein, dass ich mich irre. Powells Zeitkapriolen kann ich nicht immer folgen.

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    Leonard Cohen





  • Seit Freitagabend lese ich schon, fand aber bisher keine Gelegenheit zum Posten.


    Die Eröffnungsszene hat mir auch gut gefallen und weist, wie eigentlich alle Eröffnungsszenen, soweit ich mich erinnere, daraufhin, in welchem Licht das Kommende zu verstehen ist.

    Der Verkäufer des Kostüm- und Berufskleidungsladen weigert sich zu verstehen, dass Jenkins Soldat ist und will ihn als Schauspieler sehen, und so sieht der Erzähler den Kosmos, in dem er nun lebt, mit dessen Augen.
    Die Armee gleicht einer Schauspielertruppe und ihre wechselnden Einsatzorte sind die Wanderbühnen, auf denen sie spielt. Das Publikum sind die Beteiligten selbst, jedenfalls die, welche gut beobachten können und nicht zu sehr persönlich involviert sind sowie wir, die Leser.
    Die Stars sind die oberen Dienstränge, wobei sich bisher (ich bin auf S. 72) kein tragischer Held herausschält, aber zahlreiche Buffo-Rollen. Neben Widmerpole sind das die beiden Obersten Hogbourne-Jones und Pedlar als Hauptdarsteller, daneben gibt es einige kleinere Auftritte der unteren Chargen wie zum Beispiel des allzu dienstbeflissenen Cocksidge.

    Und - obwohl nun der Krieg in Form der deutschen Luftangriffe auch für Jenkins Realität vor Ort ist, bleibt er bisher ungewiss und nicht eigentliches Thema des Romans: Er wird in seiner Befremdlichkeit beschrieben wie eine Fantasy-Welt, als Jenkins zu Beginn die Maschinengewehr-Stellungen kontrolliert und dabei das Schauspiel der nächtlichen Anflüge und Luftabwehreinsätze schildert wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film. Dieser Krieg scheint für ihn bisher nicht wirklich zu existieren, sondern nur, um wieder die Theaterwelt heranzuziehen, nur die Kulisse für den Kosmos der Armeewelt mit ihren fremdartigen zwischenmenschlichen Beziehungen, die auf Machtausübung und Unterwerfung beruhen.

    So ganz klar kann ich das Ganze auch noch nicht verorten und verstehen. Jenkins ist mit seiner Einheit an der Nordwestküste Englands stationiert, um … die deutschen Flugangriffe abzuwehren?? Aber dann können doch nicht alle nach einer gelungenen Manöverübung während eines solchen Angriffs gemütlich ins Bett gehen (S. 50). Natürlich kann mit "dass sie wieder über der Stadt sind" auch London gemeint sein, aber dann hätte die nachfolgende Bemerkung, dass man "wegen denen" nicht wachbleiben müsse, wenig Sinn.
    Also muss man sich vielleicht vorstellen, dass die Truppenverbände an der westlichen Küste stehen, um eine mögliche Anlandung und einen darauffolgenden Einmarsch der Deutschen zu verhindern … ? Und dass die Luftabwehr zu einer anderen Einheit der Army gehört.

    Mir fällt die Orientierung in diesem Band auch wieder deshalb schwer, weil so viele militärische Ordnungsbegriffen für Einheiten verwendet werden, deren Zusammenhang und Anordnung mir nur zum Teil einsichtig ist. Das war schon im Vorgängerband etwas unübersichtlich, aber in einem deutlich kleineren Rahmen als nun, wo wir bei den eigentlichen Kampftruppen, wenn auch weiterhin nur an der Heimatfront, sind.

  • Ich bin bisher bis Seite 66 vorgestoßen und finde es bis auf die vielen mitlitärischen Ränge, Abkürzungen und Zuständigkeitfragen meinerseits sehr gut zu lesen.

    Kann mir einer auf die Sprünge helfen? Was bedeutet SAGA noch mal. Es ist sicher irgendwo erklärt worden, aber ich kann die Stelle nicht finden.


    finsbury Deine Interpretation mit der Bühne und den Schauspielern gefällt mir sehr gut.


    Jenkins ist mit seiner Einheit an der Nordwestküste Englands stationiert, um … die deutschen Flugangriffe abzuwehren??

    Bist du dir da sicher? Ich meine im letzten Band waren sie noch in Nordirland stationiert. Er ist dann zwar zu Widmerpool gewechselt, aber ich glaubte er wäre immer noch in Nordirland. Mit dem Bombardement der Stadt ist hier vielleicht Belfast gemeint, oder aber, wenn sie grenznah stationiert sind vielleicht auch Dublin, das es auch schlimm erwischt hatte.


    Nebenbei, das ist das erste Buch, in dem wir so eine Überdosis Widmerpool abgekommen! :schwitz:


    Im Buch stehe ich kurz vor der Rache Widmerpools an Hogbourne-Johnson. Dass Widmerpool ungerechtfertigt gerügt wurde, konnte er nicht verwinden. Was er sich da wohl einfallen lassen wird.


    Was mich erstaunt hatte, war, dass während des Krieges, gut sie hatten dort wohl nicht viel damit zu tun, aber trotzdem, Manöver abgehalten werden. Ist das normal? Was machen sie denn, wenn sie gerade Manöver spielen (passt jetzt gut zu finsburys Annahme) und es kommt zu einem echten Angriff? Die Männer sind müde und Fahrzeuge defekt.


    Andererseits habe ich angenommen, die Stelle bei Widmerpool wäre ein reiner Schreibtischjob und nicht bei der kämpfenden Truppe.


    Gespannt bin ich um wen es sich bei diesen Finn handelt. France Libre war doch die Widerstandsgruppe von Charles de Gaulles.

  • Und - obwohl nun der Krieg in Form der deutschen Luftangriffe auch für Jenkins Realität vor Ort ist, bleibt er bisher ungewiss und nicht eigentliches Thema des Romans: Er wird in seiner Befremdlichkeit beschrieben wie eine Fantasy-Welt, als Jenkins zu Beginn die Maschinengewehr-Stellungen kontrolliert und dabei das Schauspiel der nächtlichen Anflüge und Luftabwehreinsätze schildert wie eine Szene aus einem Science-Fiction-Film.

    Ja, der "phoney war" bleibt für Jenkins irgendwie immer noch "phoney", als er eigentlich schon längst durch tatsächliche Kriegshandlungen auf britischem Boden greifbar geworden sein müsste. Ähnlich realitätsfern wie Jenkins denkt offenbar auch Bithel über den Krieg, der sich immer wieder an die Abenteuerbücher seiner Kindheit und das darin geschilderte Heldentum zurückversetzt fühlt.


    Wo sich Jenkins mit seinem Bataillon gerade befindet, habe ich auch noch nicht so ganz erfasst (gut, dass es Euch genauso geht). Und auch zu den vielen militärischen Abkürzungen würde ich mir Fußnoten oder ein Glossar wünschen.


    yanni : mit SAGA kann ich Dir leider nicht helfen, weil ich auf englisch lese. Da habe ich immerhin herausgefunden, dass "A & Q" wohl für "Administration & Quartermaster" steht. Zu den englischen Abkürzungen ist Wikipedia ganz hilfreich: https://en.wikipedia.org/wiki/…sh_and_Commonwealth_staff


    Mich packt es bisher weniger als der vorherige Band. Das ganze Hin und Her zwischen den verschiedenen Colonels nervt mich ein bisschen, auch wenn sie pointiert porträtiert werden, aber das ist mir manchmal fast etwas zu albern mit den fast gleichen Namen usw. Widmerpool scheint sich in seiner neuen Rolle gar nicht so schlecht zu machen (auch wenn ich ihn immer noch nicht besonders leiden kann). Zumindest hat er bei Personalentscheidungen, wie mir scheint, ein besseres Händchen als Hogbourne-Dingenskirchen.


    Sehr amüsant finde ich allerdings einige Kleinigkeiten wie Bithel, den Wäschereioffizier (wie heißt der denn im Deutschen?) und manche Dialoge zwischen den niedrigeren Rängen.


    Die größte Überraschung bisher war das Auftauchen von Stringham, der schicksalsergeben beim Essen bedient und offenbar gar keine höheren Ambitionen mehr hat als Anweisungen auszuführen und nicht allzu viel denken zu müssen.


    Gespannt bin ich, wie das mit Jenkins' Geheimauftrag vom General weitergeht und wer dieser Finn wirklich ist.


    Und traurig fand ich den letzten Abschnitt des Kapitels, in dem beiläufig erwähnt wird, dass Greening, einer der nettesten Offiziere, den Jenkins kennenlernt, vermutlich tot ist :traurig:

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    Leonard Cohen





  • yanni, du hast natürlich Recht. Jenkins ist beim Headquarter in Nordirland stationiert, da gab es keine Änderung gegenüber Ende Band 7.
    Irgendwo im 1. Kapitel steht, dass er im nordöstlichsten Landeszipfel stationiert ist, und ich habe das statt mit Nordirland mit Nordostengland in Verbindung gebracht.
    Zu Beginn des 2. Kapitels kommt auch nochmal der Beweis, als Jenkins von der langen Anreise nach London, zuerst über die See und dann mit dem Zug - berichtet-

    Mir geht es wie dir, Valentine, so richtig springt diesmal nicht der Funke über. Ich finde es auch schräg, dass wir den Blick auf den Krieg immer noch von der relativ sicheren (im Vergleich mit der richtigen Front) Heimatfront bekommen. Bin gespannt, ob Jenkins tatsächlich noch richtig in den Krieg kommt, gerade hat er im 2. Kapitel eine Chance vermasselt, als Liaison- Offizier :breitgrins: zum France Libre Kontakt zu halten. Das kann also noch alles dauern. Stattdessen nun die klassische Klientel im Urlaub, Hugh Moreland und Chips Lovell werden wieder verwurstet.

  • Über Stringhams Auftauchen war ich recht erstaunt, den hatte ich am allerwenigsten erwartet. Erfreulich ist, dass er seine Sucht überwunden hat.


    Der Satz, Diplock war völlig ummantelt von militärischem Obskurantismus, charakterisiert in meinem Augen einen Teil des bisher gelesenen.


    Hin und wieder frage ich mich, ob wir überhaupt noch näher an das wirkliche Kriegsgeschehen herankommen, oder bis zum Ende mit irgendwelchen Manövern und Schreibtisch-Offizieren vorlieb nehmen müssen.

  • In Kapitel 2 treten leider einige der wichtigen Nebenpersonen, aufgrund zweier Bombentreffer in London, für immer ab. So wird der Krieg zum ersten Mal so ernst erfahrbar, dass er Kernpersonal des Romanzyklus auslöscht. Aber auch hier wirkt es wieder unwirklich:

    Aber das Haus sieht von außen gar nicht getroffen aus, sondern nur hinter der Fassade hat die Bombe ihr tödliches Werk vollbracht. Das passt wieder zu dieser Distanziertheit, mit der von den Schrecknissen des Krieges erzählt wird. Es wirkt auf mich ein bisschen so, als würde jemand durch eine Milchglasscheibe sehen und alles nur ganz verschwommen und dadurch auch erträglicher wahrnehmen.


    Ich habe Kapitel 2 beendet. Dieser Band hat anscheinend nur drei Kapitel - im Gegensatz zu den anderen, die, wenn ich mich recht erinnere, immer vier Kapitel hatten. Bin gespannt, wohin es für Jenkins jetzt geht, aber wahrscheinlich bleibt er bis zum Ende dieses Bandes noch in Nordirland.

  • Endlich bin ich auch zu euch gestoßen. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass mir die Pointe der Eröffnungsszene entgangen ist. Mir war zwar bewusst, dass Jenkins seinen Mantel bei einem Theaterausstatter kaufte und der Verkäufer ihn für einen Schauspieler hielt, aber mir war nicht klar, dass er dachte, Jenkins spiele in einem Stück mit dem Namen "Der Krieg" eine Rolle. Warum auch immer, denn als ich jetzt die Szene noch einmal gelesen habe, ist es eigentlich eindeutig. :schulterzuck: Wahrscheinlich war ich schon zu müde, denn ich habe nach einem 12h Arbeitstag mit dem Lesen begonnen.


    Die Armee gleicht einer Schauspielertruppe und ihre wechselnden Einsatzorte sind die Wanderbühnen, auf denen sie spielt. Das Publikum sind die Beteiligten selbst, jedenfalls die, welche gut beobachten können und nicht zu sehr persönlich involviert sind sowie wir, die Leser.


    Deine Interpretation trifft es hervorragend, besonders mit Hinblick auf die Eröffnungsszene. Mir kam es bis jetzt vor, dass Jenkins Schilderung seiner Militärzeit ein klein wenig wie ein Internat für Jungs gleicht - mit all den kleinlichen Intrigen und Machtkämpfen, die sich vor der Kulisse des Krieges abspielen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil Widmerpool großen Raum einnimmt, Stringham wieder aufgetaucht ist und auch von Temple schon die Rede war.

  • finsbury : Deine Deutung gefällt mir auch ausgesprochen gut, zumal wir es ja tatsächlich bis jetzt nicht mit echten Kampfhandlungen zu tun hatten (also nicht mit einer direkten Beteiligung der Soldaten).


    Der Vergleich mit dem Internat passt auch prima, dodo. So weit hatte ich gar nicht gedacht, aber klar, da ist ja fast die ganze alte Internats-Bande wieder am Start.


    Mein Senf zu Kapitel 2 kommt hoffentlich heute abend, gelesen hab ich's schon vorgestern ...

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    Leonard Cohen





  • Ich habe das 2. Kapitel beendet und war erstaunt wie geballt die Zusammentreffen in diesem Abschnitt waren.

    Priscillas Verhalten könnten darauf schließen lassen, dass sie eine Ahnung von den eben Geschehenem hätte.


    Das nur teilweise zerbombte Haus passt wunderbar in die Annahme von finsbury, dass alles wie ein Theaterstück aufgebaut ist. Die Kulisse steht, aber dahinter ist sieht es ganz anders aus.

  • Sorry, gestern hat es leider nicht mehr geklappt mit dem angekündigten Beitrag zu Kapitel 2. Aber jetzt!


    Tja, das war wohl nix mit der Sonderaufgabe bei Finn. Französisch zu schlecht :lachen: (aber das war ja auch ein gemeiner Text). Jenkins ist halt einfach zu durchschnittlich für alles. Höhere Weihen wird er wohl nie in irgendetwas erreichen. Er bleibt der geborene am Rand stehende Beobachter.


    Was aber an der Stelle schade ist, weil ich diese Kontakte zum französischen Widerstand um de Gaulle wirklich spannend fand! Den Namen Szymanski habe ich nachgeschlagen, weil er mir nichts sagte - ich nehme an, dass Antoni Szymanski gemeint war, aber über eine "affaire Szymanski" konnte ich auf die Schnelle nichts finden. Weiß das jemand von Euch?


    Das Liebeskarussell unter den alten Bekannten aus dem Zyklus hat sich unterdessen weiter gedreht. So langsam wird es unübersichtlich mit den gesammelten Eskapaden des Tolland-Clans und der anderen. Jetzt also Priscilla und Odo Stevens. Immerhin mal frisches Blut :breitgrins: Und Moreland mit der sauertöpfischen Maclintick, ganz merkwürdige Paarung. War es damals nicht sogar Moreland, der den toten Maclintick zusammen mit Nick gefunden hat, als der den Kopf in den Ofen steckte, oder irre ich mich da? (Oder war das Nick mit jemand anderem?)


    Priscillas und Stevens' plötzliches Auftauchen, das haarscharf an der großen Peinlichkeit einer Begegnung mit Lovell vorbeigeschrammt ist, scheint der Aufreger des Abends zu bleiben, der Krieg wirkt ganz weit weg und wie ein bloßes dissonantes Hintergrundrauschen, und dann schlägt der Satz von Max, der auf den ersten Blick nur ein wenig müde oder genervt wirkt, genauso ein wie zuvor die Bombe ins Madrid, dann noch die zweite Hiobsbotschaft vom Haus der Jeavons', und der "Blitz" ist wieder voll ins Bewusstsein gerückt, zumindest für einen Augenblick. Das muss einer der aufrüttelndsten Momente in der ganzen Reihe gewesen sein, auch wenn selbst der nur beim Leser emotional wird, weniger bei den Protagonisten.


    Ob Priscillas plötzliche Kopfschmerzen auf eine doch noch bestehende Verbindung zu Lovell hindeuten? Der Zeitpunkt ihres Auftretens könnte mit dem Einschlag der Bombe zusammenpassen.


    Die gedämpften Emotionen fallen mir diesmal besonders ins Auge. Jenkins scheint weder Angst vor einem Einsatz zu verspüren noch besondere Enttäuschung, als der Spezialjob für Finn geplatzt ist, und auch die Reaktionen auf die Bombardements bleiben sachlich oder, wenn einmal Gefühle erwähnt werden, ironisch gebrochen wie durch Audrey Maclinticks sarkastische Bemerkungen über den zitternden Moreland, als das Badfenster durch eine Detonation kaputtging. Passt aber gut zur "stiff upper lip", die die britische Upper Class vor allem damals ja quasi mit der Muttermilch eingeflößt bekam.

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    Leonard Cohen





  • Leider fehlt mir die Zeit, jetzt ausführlich zu schreiben. Wir sind beim Kofferpacken, und morgen geht die Reise los (England, wie passend :freu:).
    Das letzte Kapitel führt uns zurück ins Hauptquartier, es geht um die Intrigen, die Widmerpool gestartet hat und für die er nun die Retourkutsche bekommt, Stringham wird wohl samt Feldwäscherei nach Fernost abgeordnet, und am Ende wissen wir, dass wohl auch für den Erzähler eine neue Aufgabe bestimmt wird. Aber ob die ihn an die Front führt, ich weiß nicht.

    Diesen Band fand ich recht schwach, ebenso wie eine von euch oben bemerkte, Spielplatz für Offiziere, die sich gegenseitig gerne mit dem Schäufelchen auf den Kopf schlagen und bestimmen wollen, wer der tollste Chef im Sandkasten ist.

    Noch viel Spaß und bis bald!

  • Das letzte Kapitel führt uns zurück ins Hauptquartier, es geht um die Intrigen, die Widmerpool gestartet hat und für die er nun die Retourkutsche bekommt

    Gerade diese Sequenz erinnert mich an eine Theaterszene, kurz bevor sich alles auflöst. Laufend tritt eine neue Person mit einer Hiobsbotschaft für den (Anti)helden auf beziehungsweise ab, bis alles ins Chaos zu versinken droht. Widmerpool hat das erste Mal seit langem für den Leser fühlbar die Kontrolle über die Situation verloren - für ihn sicher eine neue Erfahrung.



    Tja, das war wohl nix mit der Sonderaufgabe bei Finn. Französisch zu schlecht :lachen: (aber das war ja auch ein gemeiner Text). Jenkins ist halt einfach zu durchschnittlich für alles. Höhere Weihen wird er wohl nie in irgendetwas erreichen. Er bleibt der geborene am Rand stehende Beobachter.

    Das hat mich zugegeben sehr überrascht. Bei seiner Bildung inklusive Frankreichaufenthalt direkt nach der Schule hätte ich ihm ein besseres Französisch zugetraut. Manchmal denke ich ja, dass es bei Jenkins weniger an seinem Können, sondern an seinem Einsatz mangelt. Er ist nie ganz bei der Sache, zieht sich immerauf das Beobachten zurück.

  • Das hat mich zugegeben sehr überrascht. Bei seiner Bildung inklusive Frankreichaufenthalt direkt nach der Schule hätte ich ihm ein besseres Französisch zugetraut. Manchmal denke ich ja, dass es bei Jenkins weniger an seinem Können, sondern an seinem Einsatz mangelt. Er ist nie ganz bei der Sache, zieht sich immerauf das Beobachten zurück.

    Vielleicht war ihm das Ganze im Grunde seines Herzens auch zu heiß? Da hätte er ja Verantwortung übernehmen müssen.


    Man muss aber auch fairerweise sagen, dass der zu übersetzende Text schon ziemlich übel war. Konversations-Französisch und Amts-Französisch sind ja zwei Paar Stiefel.

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    Leonard Cohen





  • Man muss aber auch fairerweise sagen, dass der zu übersetzende Text schon ziemlich übel war. Konversations-Französisch und Amts-Französisch sind ja zwei Paar Stiefel.

    Da hast du sicher recht. Jenkins ist aber bereits vor dem Test von seinem Scheitern überzeugt (wenn mich meine Erinnerung nicht trügt), ich hatte somit den Eindruck, dass sein Übersetzungsversuch nur ein halbherziger war.


    Vielleicht war ihm das Ganze im Grunde seines Herzens auch zu heiß? Da hätte er ja Verantwortung übernehmen müssen.

    Das trifft es in meinen Augen schon eher. Es passt auch zu seiner kaltherzigen Überlegung, ob sich nun die Großeltern um die verwaiste kleine Caroline kümmern werden. Immerhin ist die Kleine seine Nichte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr Schicksal Jenkins irgendwie betroffen hätte. Vielleicht tue ich ihm auch unrecht und seine Überlegung war der Ausdruck höchsten Gefühls. :boahnee:

  • Jenkins übernimmt nicht gern Verantwortung, aber wenn es nicht anders geht, dann stellt er sich der Aufgabe doch. Er hat zwar den Anruf bei Molly hinausgezögert, ist aber dann, als die Verbindung nicht zustande kam, gleich zu ihrer Wohnung gefahren. Wie er diese Aufgabe gemeistert hätte, haben wir durch die neuen Umstände nicht mehr erfahren.


    Was sein Französisch betrifft, denke ich, dass er sich nie große Mühe gegeben haben wird. War nicht bei seinem Frankreichaufenthalt irgendjemand darauf erpicht ständig Englisch zu sprechen. Dann ist ja doch oft ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Sprechen einer Sprache und dem Schreiben. Er hat seine Arbeit ja sogar mehrmals überarbeitet.


    Was aber an der Stelle schade ist, weil ich diese Kontakte zum französischen Widerstand um de Gaulle wirklich spannend fand! Den Namen Szymanski habe ich nachgeschlagen, weil er mir nichts sagte - ich nehme an, dass Antoni Szymanski gemeint war, aber über eine "affaire Szymanski" konnte ich auf die Schnelle nichts finden. Weiß das jemand von Euch?

    Vielleicht gezog sich diese Unterhaltung auf die Gefangennahme des Generals durch die Sowjets, die ihn von einer Zusammenarbeit überzeugen wollten.


    Nick kommt einem wirklich nur wie ein Schauspieler in einem Stück vor. Er spielt seine Rolle, aber ob er von Ereignissen emotional betroffen ist, bekommt man nur anflugweise zu spüren. Etwa als er in dem Kellner Charles Stringham erkennt, oder als er die unangenehme Aufgabe hat vom Tode Chip Lovells zu unterrichten.


    Ich bin mit dem letzten Teil noch nicht ganz durch, daher nachher mehr.