Thomas Montasser - Der Sommer der Pinguine

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    Dieser kleine Sommerroman, der mit einem fabelhaften Cover in der Insel-Bücherei (2018, gebunden) erschienen ist, dürfte so manches Literaturherz erfreuen. Meines war jedenfalls sehr erfreut und der Autor gehört für mich fortan zu meinen Lieblingsautoren, da mir bereits vorangegangene Werke sehr gefallen haben, besonders in sprachlicher Hinsicht, der Schreibstil von Thomas Montasser ist einerseits "federleicht", andererseits versteht er es, "eine zweite Geschichte hinter der Geschichte" sehr brillant dem Leser vor Augen zu führen... Lesegenuss ist garantiert!


    Mrs. Robington, ihres Zeichens pensionierte Lehrerin aus dem (eigentlich kleinen) Great Missenden, verbringt einen beschaulichen Tag in einer Buchhandlung in London und da sie Bücher über alles liebt, vergisst sie die Zeit... Ihre Aufmerksamkeit erregt der ältere Buchhändler, der ihr beim zweiten Hinsehen wie ein Exemplar der Spezie Pinguin erscheint (eine großartige Illustration von Isabel Pin, die auch an anderen Buchstellen eingeflochten sind, erhöht hier noch das Lesevergnügen). Mrs. Robington geht nicht fehl in dieser Annahme - und erfährt von dem sympathischen Mr. Basil Snow, dass es durchaus weitere Pinguine verschiedenster Couleur gibt, die friedlich unter den Menschen leben. Doch nicht nur das: Er leiht ihr ein Buch aus, das ihre Sicht auf die Welt nachhaltig verändern soll...


    So lernt sie - die Kernthematik des Buches treffend - der man nur zustimmen kann und die lautet:


    "Der Mensch sieht nur, was er erwartet" (Zitat)



    demzufolge weitere Spezies der Gattung Pinguine kennen, die sich gerne als Pastoren (Eselspinguine, denen eine große Empathiefähigkeit anhaftet), Orchestermusiker (Haubenpinguine) und als Mitarbeiter in der gehobenen Gastronomie (unerkannt) betätigen. Bedenkt man obiges Zitat, so ist auch klar, dass dieses ebenfalls eine wichtige Rolle im Roman spielt:


    "Wer ist schon der, als der er scheint" (Zitat S. 78)


    Da Mrs. Robington eine der sehr wenigen Menschen ist, die demzufolge "genauer hinschauen", öffnet sie uns nach und nach die Augen für - ja, wofür? Ich würde sagen, "für die kleinen Wunder dieser Welt". Der Neugierde stets Raum gebend, will sie den Pinguinen helfen, die jüngst aufgetauchten Briefe von Sir Anthony Arlington, einem berühmten Polarforscher, der als einziger Mensch die Sprache der Pinguine verstand, in den Besitz des Buchhändlers zu verbringen - um die weitere Existenz der gefiederten Mitmenschen nicht zu gefährden... Hierbei hilft ihr ein excellenter Plan, der am Ende mehr als aufgeht und durch den eine alte Liebe - wer weiß? - vielleicht wieder "aufflammt" ;)


    Besonders gefallen haben mir der Sprachwitz und die literarische Virtuosität von Thomas Montasser: Die grandiosen Wortschöpfungen wie "Ehrpusseligkeit" und "Nebelkerzenwerferei" bzw. Wörter, die vom Aussterben bedroht sind (was sie wiederum mit so mancher Tierart gemein haben), erneut aus der Tiefe hervorzuholen. Die "Royal Penguin Society", die bedeutenden Werke der Pinguine wie das Lexikon Penguini und die "Encyclodedia Penguinica, die der Vermenschlichung der Literatur entgegensteht, fand ich auch mehr als köstlich. Den Werken entnehmen kann man durchaus wenig heldenhafte Taten des homo sapiens, die sich auf unserem Planeten abspielen (Vermüllung der Meere, Verklappung von Öl, Überfischung etc.), die so manchen Schmunzler auch dazu bringen, erstmal schlucken zu müssen... Man könnte in den niedergeschriebenen Worten von Iceberger, um dessen Werke (pinguinischer Art) es hier zuweilen geht, auch einen Aufruf sehen, seinen "ökologischen Fußabdruck", den jeder Mensch auf der Erde hinterlässt, wohl zu bemessen, sorgsam mit der Umwelt und den Mitgeschöpfen umzugehen. Mir war Mrs. Robington von Beginn an sehr sympathisch, auch ein Bewohner in Great Missenden, den man am Ende etwas näher kennenlernt, gibt der Geschichte, die zuweilen etwas parabelhaftes hat, einen weiteren Spannungsbogen.... Die Pinguine selbst, Mr. Basil Snow, Pastor Williams und der 2. Geiger in der "Royal Albert Hall" sorgen hier für literarischen Tiefgang, Humor und interessante Wendungen.


    Fazit:


    Ein großes Lesevergnügen, das jedoch etwas Fantasie - und einen tieferen Blick in das Gelesene voraussetzt. Eine etwas märchenhafte, sehr unterhaltsame, skurrile, witzige Geschichte, die dennoch viele Bezüge zur "rauen Wirklichkeit" schafft und zum Nachdenken anregt. Mir hat sie überaus gefallen und ich freue mich schon auf weitere Romane von Thomas Montasser: Von mir eine absolute Leseempfehlung, die volle Punktezahl und 5* am Literaturfirmament, ganz besonders für die brillante und wundervolle Sprache, in der der Roman geschrieben ist!


    5ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Das hört sich ja entzückend an.


    "Ehrpusseligkeit" ist allerdings keine Erfindung des Autors, das ist mir schon öfter in älteren Büchern untergekommen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: Ich kannte es wirklich nicht, das Wort.

    Dafür bin ich ziemlich sicher, dass Dir der Roman mindestens genau so gut gefallen wird wie mir; er ist wirklich "bezaubernd" schön!:winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Dieses kleine Büchlein hat mir wirklich sehr gut gefallen! Ich mag Pinguine sowieso und allein der skurrile Gedanke, dass sie mitten unter uns leben, war amüsant. Toll fand ich auch die Abschnitte aus dem Buch über den Menschen, bei dem man oft nur dachte, dass das wirklich wahr ist! Eine ganz neue Sichtweise also.

    Außerdem spielt es in London und ist auch noch schön illustriert. =)

    Ich hoffe, dass noch einige, dieses Buch entdecken, das vielleicht etwas untergehen könnte, weil es so klein und schmal ist.


    Da mit der Teil in Great Missenden nicht so sehr gefallen hat wie der erste in London, bekommt es allerdings nur:

    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

  • Mungo:

    Freut mich, dass Dir "Der Sommer der Pinguine" gefallen hat! Ich habe neulich durch Zufall ein sehr "artverwandtes" Buch entdeckt; einfach mal zur Info, dieses hier:


    Hannes Stein: Nach uns die Pinguine (Ein Weltuntergangs-Krimi)


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    Irgendwie hat es mir der Pinguin auf dem Cover bereits sehr angetan :herz:


    Wenn Du Pinguine magst, dürfte das evtl. das perfekte Anschlussbuch sein :zwinker:

    Ich habe es mir mal auf meinen Merkzettel gepackt :winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Sagota Das hört sich wirklich witzig an! Ich lese eigentlich keine Krimis, aber zum Beispiel fand ich die Glennkill-Bücher oder Gray von Leonie Swann auch sehr gut. Ich werde mir das mal merken. Danke :winken:

  • Mungo: Gray fand ich auch klasse - hat mir sehr gefallen ("Nimm ne Nuss"!! :breitgrins:) LG Sagota

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)