Jodi Picoult - Kleine große Schritte

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    Inhalt:

    Ruth ist eine erfahrene Hebamme. Lange schon arbeitet sie im Krankenhaus - als einzige schwarze Person auf ihrem Gebiet. Nie gab es Probleme - bis ein Ehepaar darauf besteht, dass ihr neugeborener Sohn von keinem afroamerikanischen Personal behandelt wird. Als dieser dann plötzlich um sein Leben kämpft, weiß Ruth zunächst nicht was sie tun soll…und was passiert, als dieser tatsächlich stirbt? Ist Ruth eine Mörderin? Und was hat Rassismus damit zu tun?


    Meine Meinung:

    Wie bei Jodi Picoult gewohnt erleben wir die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln: der schwarzen Hebamme Ruth, dem weißen Neonazi Turk und der weißen Verteidigerin Kennedy. Zunächst war ich überrascht durch den doch großen Anteil aus Kennedys Perspektive, da ich einen größeren Fokus auf Turk (neben Ruth) erwartet habe. Doch die Geschichte wird umso reicher (für mich als weiße Leserin) und wird insbesondere durch das Nachwort nochmals in seiner Bedeutung verstärkt.


    Es werden viele Themen angesprochen – wir alle können aktiven Rassismus mehr oder weniger leicht identifizieren. Doch was ist mit passivem Rassismus? Wo stehe ich da? Auf welche Weise profitiere ich vielleicht durch Rassismus anderen gegenüber? Wie schlägt sich dies in der Sprache nieder? Wer spricht darüber oder über Rassismus überhaupt – und warum (nicht)?


    Die Handlung zieht sich zu keinem Moment, mal wirft man das Buch so erbost und aufgeregt zur Seite, mal weint man aus Trauer, dann wieder sitzt man mit offenem Mund fassungslos davor. Das Ende beinhaltet noch einmal große Überraschungen in sich – vielleicht etwas zu sehr Zufall, auf der anderen Seite nochmal Anstoß für ein großes Thema…


    Wie sonst auch ein Buch von Jodi Picoult, dass verschiedene Blickwinkel beleuchtet, uns die verschiedenen Beweggründe und Entwicklungen aufzeigt, wie jemand zu dem Menschen geworden ist, der er oder sie ist. Und gleichzeitig kommt man dazu sich selbst zu hinterfragen, zu überlegen wie und warum man die Situation selbst einschätzen und beurteilen würde.

    Ein wirklich berührendes und wichtiges Buch, das sicherlich noch lange Nachwirkungen in mir zeigt. Bisher mein liebstes Buch von ihr!


    5ratten

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • Jodi Picoult nimmt sich gerne brisanter Themen an und verpackt diese in gute Storys, und das ist ihr auch hier wieder gelungen. Für mich persönlich war dieses Buch mit dem Thema Rassismus vor allem deshalb spannend, weil ich als weiße Westeuropäerin noch nie direkt damit in Berührung gekommen bin und mir deshalb auch wenig Gedanken darüber gemacht habe, wie der Alltag eines farbigen Menschen, der ständig damit konfrontiert wird, aussieht. Bei manchen Situationen, die Jodi Picoult sehr glaubhaft schildert, mag man spontan denken, dass es Kleinigkeiten sind, an denen sich die Betroffenen stören, aber wenn man überlegt, dass nicht weiße Menschen - und damit meine ich nicht nur Afro-AmerikanerInnen - dem ihr Leben lang täglich vielleicht sogar mehrfach ausgesetzt sind, sieht das schon anders aus. Genau das ist es, was mich in diesem Buch am meisten aufgerüttelt hat. Das ist etwas anderes als bewusster, offener Rassismus wie die Ablehnung von Ruth als betreuende Hebamme, was vielleicht ein schwerwiegender Akt ist, aber eine einmalige Geschichte, gegen die man offiziell vorgehen kann, sofern man die finanziellen Mittel hat. Gegen tägliche Diskriminierung mittels Überprüfung von Taschen oder Bezweiflung der Kreditfähigkeit kann man kaum etwas tun und gegen geringschätzige Blicke oder herabsetzende Bemerkungen schon gar nicht. Das kann man nur ignorieren und ertragen. Für mich viel Stoff zum Nachdenken.


    Ansonsten ist das Buch ein typischer Picoult-Roman mit Darstellung aus den Perspektiven der verschiedenen Betroffenen, was einen guten Einblick in die Denkweise der der Beteiligten erlaubt. Mit den Rechtsradikalen hat die Autorin ein Thema mit einbezogen, das hierzulande immer aktuell ist und von daher einen Bezug zu unserem Alltag schafft. Eine brisante Mischung, die für Spannung sorgt.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ruth, einer dunkelhäutigen Hebamme, wird von einem rassistischen Vater untersagt, sich um seinen neugeborenen Sohn zu kümmern. Kurz darauf tritt ein medizinischer Notfall ein und Ruth ist hin und her gerissen - soll sie helfen oder sich an das Verbot halten? Als der Junge daraufhin verstirbt, wird sie vor Gericht gestellt.


    Ich mag die Bücher von Jodi Picoult sehr gerne. Besonders die verschiedenen Perspektiven sorgen dafür, dass man sich immer wieder fragt, wie sie solche Bücher eigentlich schreiben kann, ohne selbst in einer solchen Situation gewesen zu sein. Ob rechtsextremer Vater, schwarze Hebamme oder weiße Anwältin - man nimmt ihr alle Figuren ab und kann deren Beweggründe weitgehend nachvollziehen.


    Dieses Buch macht nachdenklich und die meisten Leser werden sich wahrscheinlich mit der Anwältin identifizieren können, die überzeugt ist, keine rassistischen Gedanken zu haben, nur um im Laufe der Geschichte feststellen zu müssen, dass es (wenn auch nicht böse gemeint) doch der Fall ist. So läuft sie z.B. auf der Straße weiter geradeaus wenn ihr ein Schwarzer entgegenkommt, selbst wenn ihr in dem Augenblick einfällt, etwas vergessen zu haben und sie normalerweise umdrehen würde. Sie tut es jedoch nicht, damit er nicht denkt, es wäre wegen ihm. Bei einem Weißen würde sie sich anders verhalten. Solche Details gehen einem auch nach der Lektüre nicht aus dem Kopf. Ebensowenig wie die Frage, warum eigentlich beige Pflaster mit der Bezeichnung "Hautfarben" verkauft werden.


    Das Ende war mir etwas zu übertrieben und zuviel des Guten, so dass ich zwar tief beeindruckt bin und sicherlich noch oft an das Buch denken werde, aber "nur" 4ratten vergeben kann.

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    Inhalt

    Ruth Jefferson ist eine gute Kinderkrankenschwester. Aber für die Eltern des Babys, das sie gerade entbunden hat, hat sie die falsche Hautfarbe. Sie wollen nicht, dass die das Kind weiter behandelt. Bei der nächsten Schicht ist Ruth alleine mit dem Kleinen, als ein medizinischer Notfall auftritt. Sie zögert einen kurzen Moment, aber vielleicht war der schon zu lang, denn das Kind stirbt.


    Bis jetzt

    ... habe ich viele unterschiedliche Stimmen gehört. Natürlich die von Ruth, die tief verletzt war, als sich die Stationsleitung nicht hinter sie gestellt hat. Sie ist die einzige farbige Schwester und darf den Kleinen nicht mehr versorgen. Liegt die Entscheidung an der Angst, von den Eltern verklagt zu werden (das macht man in den USA ja gerne), oder ist man vielleicht heimlich der gleichen Meinung?


    Auch der Vater kommt zu Wort. Sein offensichtlicher Rassismus erschreckt mich. Jodi Picoult zeigt eine Welt, von der ich nicht erwartet habe, dass es sie gibt. Die falsche Hautfarbe, die falsche sexuelle Orientierung- alles ist ein Grund um jemand zu verprügeln. Schon den Kindern werden die "richtigen" Werte eingetrichtert.


    Ruths Schwester wird auch gehört. Wie Ruth sagt, sieht sie sich immer als Opfer. Ein falscher Blick, eine unbedachte Bemerkung, alles kommt für sie daher, dass sie eine Farbige ist. Dass Ruth die Dinge anders sieht, empfindet sie als Dummheit.


    Ich mag die unterschiedlichen Sichtweisen, aber ich finde sie auch anstrengend. Die Geschichte selbst finde ich nicht leicht, denn ich weiß, dass Ruth Unrecht geschehen wird und ich kann nur zusehen.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Jodi Picoult zeigt eine Welt, von der ich nicht erwartet habe, dass es sie gibt. Die falsche Hautfarbe, die falsche sexuelle Orientierung- alles ist ein Grund um jemand zu verprügeln. Schon den Kindern werden die "richtigen" Werte eingetrichtert.

    Leider gibt es diese Welt tatsächlich. :( Gerade vor ein paar Tagen habe ich mit Erschrecken die Nachrichten über das lesbische Paar in England gelesen, das von 5(?) jungen Männern im Bus angegriffen und zusammengeschlagen wurde. Einfach so.


    Als ich das Buch gelesen habe, musste ich auch sehr oft schlucken. Einfach schlimm, dass es heutzutage immernoch Menschen gibt, die so voller grundlosem Hass sind.

  • Mein Mann hat sich letzte Woche vor eine Frau gestellt, die wegen ihres Kopftuchs angeschrien wurde. Als er dazwischen gegangen ist, war der Vorfall schnell vorbei und es haben sich wohl mehrere Leute bereit gemacht um dazwischen zu gehen, wenn die Sache eskaliert wäre. Aber offensichtlich erlebt er so etwas öfter auf dem Weg zur Arbeit :(


    Zurück zum Buch:

    Die Art, wie Ruth aus dem Haus geholt wurde und wie man mit ihr vor Gericht umgegangen ist, finde ich schrecklich. Sie wurde wie eine Schuldige, nicht wie eine Verdächtige behandelt. Ist das in den USA so üblich?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich fand diese Abholung auch schrecklich, ihr Junge war ja auch dabei. Aber ich glaube schon, dass so etwas recht brutal durchgeführt wird in Amerika.

    Nigends findest du Frieden als in dir selbst.

  • Der Prozess belastet nicht nur Ruth, sondern auch ihren Sohn Edison. Er macht sich Sorgen, wie es mit seiner Mutter weiter geht. Aber er wird auch immer wieder zum Opfer von spöttischen Bemerkungen und respektlosen Verhaltens an seiner Schule. Ich bin mir sicher, dass es das früher auch schon gab. In der aktuellen Situation ist er natürlich viel sensibler und reagiert nicht mehr so locker wie früher.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich mag die unterschiedlichen Sichtweisen, aber ich finde sie auch anstrengend.

    Jodi Picoult macht das ja regelmäßig, und mir gefällt es. Wobei ich dir zustimme - mitunter ist das wirklich anstrengend. Ich finde es gut, weil man so auch eine andere Sichtweise kennen lernt, selbst wenn sie eindeutig negativ ist. Manche Leute ticken gesellschaftlich betrachtet einfach anders bzw. falsch, aber aus ihrem eigenen Blickwinkel halten sie es für richtig. Ich möchte immer verstehen, warum jemand so denkt, und Picoult gibt zumindest einen Ansatz dafür.

  • Das Ende hat mich einige graue Haare gekostet. Ich hätte nicht sagen können, wie die Sache für Ruth ausgeht. Dass Kennedy nicht den Prozess in Richtung Rassismus lenke wollte, kann ich verstehen. Auch, dass sie den populären Prediger nicht ins Boot holen wollte.


    Interessant fand ich das Treffen von Turk mit seinem alten Freund, der mittlerweile ausgestiegen ist. Ich hatte nicht den Eindruck, als ob er sich wirklich von der Idee verabschiedet hat. Dass der Ausstieg zwar schmerzvoll, aber trotzdem relativ einfach machbar ist, kann ich mir nicht so vorstellen. Ich würde erwarten, dass Ehemalige mehr verfolgt werden.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Wie fandest du die "Überraschende Wendung"am Ende? Ich muss sagen, ich wusste es schon länger (war einfach zu offensichtlich) und trotzdem hat es mich sehr gestört. Das war so platt und zu viel des Guten, meiner Meinung nach, und das hatte das Buch gar nicht nötig.


  • Ich muss sagen, ich wusste es schon länger (war einfach zu offensichtlich)...

    Habe ich da etwas übersehen?

    Das war so platt und zu viel des Guten, meiner Meinung nach, und das hatte das Buch gar nicht nötig.

    Genau. Mich hat das auch gestört. Deshalb lasse ich mir mit einer abschließenden Rezi noch ein bisschen Zeit, weil dieser letzte Eindruck im Moment noch überwiegt.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ja, genau das meine ich.


  • Meine Meinung

    Ich kann den letzten Satz der Rezi von Zank komplett übernehmen. Die Autorin setzt sich mit dem Thema Rassismus sehr sensibel auseinander. Nicht nur mit dem Teil, der offensichtlich ist, sondern auch mit den gutgemeinten Versuchen und Bemerkungen von Kennedy, die jedes Mal wieder den Finger in die Wunde legen. Und auch mit den Vorurteilen von Ruths Schwester, die von allen Nichtfarbigen nur das Schlimmste zu denken scheint.


    Das alles hat mich überzeugt, aber dann kam das Ende. Da hat die Autorin viel zu dick aufgetragen und genau so unsensibel geschrieben, wie der Rest des Buchs sensibel war. Sicher ist es nur ein kleiner Teil der Geschichte, aber es ist der letzte Eindruck, den ich von Große kleine Schritte mitgenommen habe und auch der, der geblieben ist.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.