Luca di Fulvio - Als das Leben unsere Träume fand

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    Drei junge Menschen wagen in Buenos Aires Anfang des 20. Jahrhunderts einen Neuanfang. Alle drei haben in der alten Welt schreckliches durchlebt und hoffen nun auf ein besseres Leben. Versprechungen und Hoffnungen haben sie in die brodelnde Stadt gelockt – die doch so ganz anders ist, als sie sich vorgestellt haben.


    Ich liebte ja Luca di Fulvios „Der Junge, der Träume schenkte“ sehr – genau aus diesem Grund ging ich mit hohen Erwartungen an „Als das Leben unsere Träume fand“ heran. Ich wollte genauso emotional wie historisch berührt werden wie im Roman über New York,.

    Ist es dem Buch gelungen?


    Nun, zunächst finden wir uns in der Alten Welt wieder, wo wir drei unterschiedlichen Menschen folgen. Rocco, Rosetta und Rachel, aus deren Perspektiven das Buch zum größten Teil erzählt wird. Sie alle drei sind recht divers angelegt und haben viel Leid erfahren müssen – woraus ihr Entschluss reift, in die neue Welt aufzubrechen (mehr oder minder freiwillig). Rocco hat den Zorn der Maffia auf sich gezogen, als er sich weigerte wie sein Vater in ihre Dienste zu treten. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als das Schiff zu besteigen. Rosetta flieht um die halbe Welt vor dem Zorn eines Psychopaten, eines Dons, der das Land aufkaufen wollte, das ihr ihr Vater hinterlassen hatte. Und Rachel wird von Versprechungen in die neue Welt gelockt, deren Scherben sie schon auf dem Ozeandampfer aufsammeln darf. Das sind unsere drei Protagonisten, deren Wege sich jedoch erst spät im Buch kreuzen.


    Luca di Fulvio fängt die Stimmung in Buenos Aires perfekt ein. Ich hatte sofort ein Bild von dem brodelnden Schmelztiegel vor Augen, in den tagtäglich Menschen aus den verschiedensten Nationen gespült werden und die Stadt weiter anfüllen – mit Träumen, Sehnsüchten, Hoffnungen und Armut, Verzweiflung und Schrecken – die Schere zwischen Armut und Reichtum klafft erschreckend weit in dieser Stadt auseinander – wie die Menschen damit umgehen, um zu Leben und zu Überleben stellt Di Fulvio wahrlich meisterhaft dar. Für sein Stadtbild, das er in unseren Köpfen zeichnet, kann ich nur den imaginären Hut ziehen.


    Di Fulvio errichtet mit seinen drei Protagonisten ein erzählerisch-dichtes Monument. Schnell wird emotionale Bindung aufgebaut und ehe ich es mich versah, fieberte ich mit den drei Jungen Menschen mit und wünschte ihnen inständig, dass sie ihr Glück finden – und das möglichst bald! Denn Di Fulvio setzt recht viele dramatische und auch brutale Elemente ein, um die Spannung hochzuhalten und den Leser noch enger an die Figuren zu knüpfen. Hurenhäuser, Gewalt, Pistolenschüsse, aber auch Psychopaten, Drogen und Bandenkriege sowie persönliches Leid finden in diesem Buch einen fast inflationären Gebrauch – und manchmal hat selbst mich das gestört, mich, die zu einer guten Portion Drama nicht nein sagt und die auch einen recht starken Magen hat, wenn literarische Gewalt an der Tagesordnung ist. Di Fulvio fuhr jedoch so starke Geschützte auf, dass er auch ein Heer an Bösewichten benötigte, um die Kugeln fliegen zu lassen und vor allem zum Ende hin bekommt der Leser das Gefühl, dass die Auflösung recht konstruiert daher kommt und die Realität dabei ein Stück weit auf der Strecke bleibt.


    Was bleibt zu sagen? Das Buch ist hohe Erzählkunst und emotional wie historisch ganz oben angesiedelt. Und doch bleibt ein schaler Beigeschmack, wenn man auf das pure Konstrukt schaut – und aus diesem Grund vergebe ich für „Als das Leben unsere Träume fand“ vier Sterne.


    4ratten

    Home is people, not a place (Robin Hobb, Live Ship Trader)

  • Ich liebte ja Luca di Fulvios „Der Junge, der Träume schenkte“ sehr – genau aus diesem Grund ging ich mit hohen Erwartungen an „Als das Leben unsere Träume fand“ heran. Ich wollte genauso emotional wie historisch berührt werden wie im Roman über New York,.


    Genauso ging es mir auch: "Der Junge, der Träume schenkte" hat mich damals so bewegt und ist eines meiner Lieblingsbücher! Luca Di Fulvio kann einfach wahnsinnige Geschichte zum Leben erwecken!


    Das Buch ist nichts für schwache Nerven! Wäre es ein Film gewesen, hätte ich ihn nach Kurzem ausgemacht. Denn es kommt so viel Gewalt und Elend darin vor, dass es kaum auszuhalten ist. Immer wieder musste ich das Buch beiseitelegen, weil mir die inflationäre pure Bösartigkeit, Grausamkeit und Erniedrigung zum eigenen Wohlergehen so nahe ging. Und TROTZDEM griff ich kurz darauf immer wieder zum Buch, so gut ist es geschrieben. Kein Wunder, hat doch der Autor Dramaturgie studiert, dachte ich mir.


    Die Geschichte braucht zunächst ein wenig, um in die Gänge zu kommen, doch sobald alle Protagonisten in Argentinien angekommen sind, wird es ununterbrochen spannend - und keine Seite dabei zu viel. Nicht nur die Protagonisten stehlen dem Leser das Herz – es gibt eine unzählige Menge an Charakteren, wovon die meisten allerdings entweder in die Kategorie schwarz oder weiß einzuordnen sind.


    Die einzelnen Fäden der Erlebnisse rund um einen der Protagonisten an sich sind das Buch schon wert, doch insgesamt wird es zu einem Kunstwerk, wie sie sich hier und dort verbinden, mal trennen, dann verweben und insgesamt ein schönes dichtes Wollknäuel ergeben.


    Auch wenn die Handlung hier und da etwas an den Haaren herbeigezogen ist (besonders, wenn man das Alter von Rosetta, Rocco, Raquel berücksichtigt) und einen großen Tick zu viel von Hollywood in sich trägt – hier bekommt man Unterhaltung, Aufregung, Herzschmerz, Tränendrüse, Rührung, und und und in einem. Es auszuhalten lohnt sich!


    Besonders folgender Satz gegen Ende hat mich nochmal so richtig innehalten lassen: „Wer niemals etwas vergessen muss, hat nur die Augen vor etwas verschlossen, was er nicht sehen will.“ (S. 760)


    Starke 4ratten

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing