Knut Hamsun - Segen der Erde

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    Knut Hamsun - Segen der Erde


    Der norwegische Schriftsteller Kurt Hamsun, später sehr kritisch gesehen aufgrund seiner ideologischen Nähe zum deutschen Nationalsozialismus, erhielt 1920 den Literatur-Nobelpreis für diesen Roman.


    Der Roman beschreibt das Leben einer Familie im norwegischen "Ödland", seitdem der damals junge Isak sich dort niedergelassen und begonnen hat, ein Stück Land urbar zu machen.

    Minutiös wird beschrieben, wie Isak, bald gemeinsam mit seiner arbeitsamen Frau Inger und später auch mit ihren insgesamt 4 Kindern, quasi aus dem Nichts heraus nur durch die Arbeit seiner Hände einen großen Hof aufbaut und es zu (bescheidenem) Wohlstand bringt. Anfangs ist das Gehöft abgelegen und einsam - am Ende des Romans, als der Hof allmählich auf seinen jüngeren Sohn Sievert übergeht, ist die Zahl der Hofstellen auf 10 angestiegen.


    Der Roman beschreibt die geleistete Bau- und Feldarbeit und das sparsame, aber stetig aufstrebende Wirtschaften Isaks. Soziale und persönliche Probleme ergeben sich und werden ohne größere emotionale Analyse aufgerollt - bei zwei der weiblichen Hauptpersonen kommt es zu Kindstötungen, Paarbildungen innerhalb der eingeschränkten Gemeinschaft werden beschrieben - außerdem werden alternative Modelle in Lebensweise und Broterwerb, vor allem das "städtische Leben", zum bäuerlichen Leben kontrastiert. Die beiden Söhne Isaks und Ingers dienen dabei quasi als "Modellfälle", aber auch der immer wieder auftretende Lensmann Geißler, der an verschiedenen Punkten Einfluss auf Isaks Leben nimmt, ist eine wichtige "Gegenfigur".

    Immer wieder geht es um den Kontrast zwischen Fleiß und Stetigkeit einerseits sowie Sprunghaftigkeit und zumindest zeitweisem Müßiggang andererseits; als Beispiel für die Unmoral und Unbeständigkeit der Wirtschaft dienen die Modalitäten der Ausbeutung eines nahe gelegenen Kupfervorkommens.


    Das Ganze ist für jeden Menschen mit sog. "geistigen Interessen" schon ein harter moralischer Brocken :breitgrins: - nicht nur wird der Bauer als das sprichwörtliche "Salz der Erde", als der einzig hart arbeitende Ehrliche dargestellt, sondern Hamsun findet im ganzen Roman nichts als "strafende" Worte für andere Arten der Lebensführung - diese werden eigentlich durchweg als schwächlich, unmoralisch und "degeneriert" dargestellt. Die nicht ins bäuerliche Bild passenden Begabungen des ältesten Sohnes Eleusius führen so zu keinem guten Ende, während Sievert allmählich den Hof übernimmt und sich bei ihm eine Familiengründung abzeichnet.


    Wenn man um Hamsuns späteres politisches Verhalten weiß, liest man viele Passagen wohl mit noch etwas mehr Unbehagen, als man es sonst täte - besonders aufgefallen ist mir die bei allen (seltenen) Erwähnungen nicht ganz wertungsfreie Darstellung der Volksgruppe der Lappen; regelrecht erschreckend aber fand ich folgende Passage auf S. 228 meiner Ausgabe, die jedoch ein Einzelfall ist (warum auch immer sich der Autor an dieser Stelle so.. hinwegtragen ließ.. oder andere Stellen doch nachträglich getilgt hat??)


    "Die Lappen treiben sich in der Einöde im Dunkeln herum, wenn sie in Licht und Luft gebracht werden, gehen sie ein, wie Maden und Ungeziefer. Ab und zu verschwindet an einer entlegenen Stelle ein Kalb oder ein Lamm.."


    Durchaus poetische Stellen (Beschreibungen der Feldarbeit oder der Landschaft) gibt es übrigens auch - insgesamt aber verbleibt bei mir ein schaler Geschmack.

    Eine wichtige Lektüre zum Thema "Man muss seine Gegner kennen", mit einer geradezu unheimlich überzeugenden Darstellungsweise.

    5 Mal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Ich habe "Segen der Erde" vor 25-30 Jahren für ein literaturwissenschaftliches Seminar lesen müssen. Es war das einzige Buch, dass ich jemals für Schule oder Studium hätte lesen müssen, aber abgebrochen habe. Einzelheiten weiß ich nach so vielen Jahren nicht mehr, aber an die ausschlaggebende Szene kann ich mich noch erinnern (ich war schon vorher nicht so begeistert, aber da lief das Fass über): Eine der weiblichen Hauptfiguren hatte "Anwandlungen". Ihr reichte das so hochgelobte bäuerliche Leben nicht mehr; sie wollte mehr. (Hat sie vielleicht gar angefangen, Bücher zu lesen? Kann sein, dass ich Hamsun das nur unterstelle.) Auf jeden Fall bekam ihr Mann genug, hob sie hoch und stieß sie dann einmal ordentlich auf dem Boden auf. Dadurch fiel das Teilchen, das sich in ihrem Kopf verschoben hatte, wieder an seinen alten Platz zurück, und sie war mit ihren Dasein wieder zufrieden.


    Meine Frage an Alice: Gab es diese Szene wirklich? Ich bin mir bewusst, dass die Erinnerung einer ganz schöne Streiche spielen kann. Auf jeden Fall gab es in dem Buch eine Stelle, an der ich es in die Ecke gefeuert hatte.


    Meine Mutter (Jahrgang 28) hatte es in den Vierzigern übrigens begeistert gelesen. Es passte schon gut in das Denken der Zeit.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Die Szene gibt es wirklich, Saltanah.

    Ob das mit dem "verschobenen Hirnteilchen" wörtlich so da steht, müsste ich verifizieren - aber Deine Beschreibung ist auf jeden Fall ein sehr gutes Bild für den Sinn der Szene.


    "Städtisch" = "hochgestochen" = böse. Das gehört einem einfach ausgetrieben, da muss sogar der eigentlich sehr friedliebende Isak wenigstens ein kleines bisschen gewalttätig werden, so wichtig ist das.

  • Ich musste übrigens bei der Lektüre dieses Buches wiederholt an eine Äußerung einer ehemaligen lieben (!) Nachbarin von mir (jünger als ich..) hier im "Großdorf" denken, die ich damals gleichzeitig sehr bezeichnend und sehr traurig fand und darum nie vergessen habe..

    Wir sprachen über Vorhänge - ich hatte (fast) keine, sie lange dichte vor jedem Fenster. Ihre Begründung dafür war:

    "Sonst könnt mich ja jemand, der vorbeigeht, sehen, wenn ich mal am Tisch sitze und lese - und nix arbeite."

  • Was für eine traurige Einstellung!


    Und ganz offensichtlich kein Buch, das ich gerne lesen würde.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen