02 - März 1942 bis einschl. 65. Fall "Ziegler" (Seite 78 bis Seite 141)

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  • Das Buch packt mich doch mehr als erwartet. Ich habe gestern vor dem Schlafen schon diesen Abschnitt beendet, aber war dann zu müde, um noch etwas dazu zu schreiben. Mit dem Ergebnis, dass ich die Geschichte und die kleinen enthaltenen Geschichte zu den verfolgten Jüdinnen und Juden in meine Träume verwoben habe... Als Kehlmanns beschriebene Spannung taucht so langsam auf.


    Mittlerweile verstehe ich ein wenig mehr, wie Friedrich sich in Stella verlieben konnte. Sie ist zwar ein unsteter Geist, aber wahrscheinlich ist genau das, was den sonst so konfirmen Mann lockt. Doch nun erfahren wir, dass Kristin wirklich Stella ist und das sie laut NSDAP Jüdin ist. Egal, ob sie sich als eine fühlt, ihren Glauben auslebt oder nicht. Ihre Misshandlung war wirklich grausam und nun wurde sie nur am Leben gelassen, um zu spionieren. Ich will mich gar nicht in ihre Situation hinein versetzen. Wie schwierig muss das sein, andere Leute zu verraten, diese Leute dem eigentlich ihr und ihrer Familie vorgesehenen Schicksal zu überlassen, um daraus entfliehen zu können? Spätere Gewissensbisse sind schon vorprogrammiert und selbst dieses Wort ist viel zu klein dafür.


    Tristan wird in diesem Kapitel noch undurchschaubarer. Er ist in der SS. Obersturmbannführer. Wow. Das verschlägt einem doch glatt den Atem. Vor allem weil er der Nazi-Ideologie in Teilen zumindest zu folgen scheint, obwohl er Jazz hört, Swing tanzt, ausländische Produkte isst, ... das alles passt nicht zusammen und ist so inkonsequent wie sein Verhalten. So verpfeift er Stella nicht, beleidigt sie aber zutiefst. Ich bin mal gespannt, was er noch für ein Puzzleteil in der Geschichte sein wird.


    Zwischendurch habe ich mich gefragt, woher die Familie so viel Geld hat. Der Vater treibt sich in Istanbul herum, der Sohn in Berlin. Beide bewohnen teure Hotels, die Mutter geht auch keiner nennenswerten Arbeit nach... Oder ist das Leben für Schweizer überall einfach erschwinglich, egal wie teuer es ist?

  • Das Buch packt mich doch mehr als erwartet. Ich habe gestern vor dem Schlafen schon diesen Abschnitt beendet, aber war dann zu müde, um noch etwas dazu zu schreiben. Mit dem Ergebnis, dass ich die Geschichte und die kleinen enthaltenen Geschichte zu den verfolgten Jüdinnen und Juden in meine Träume verwoben habe

    Ich habe gestern im Bett den zweiten Abschnitt beendet. Hätte ich vorher gelesen, was Du geschrieben hast, hätte ich es gelassen. Vor dem Schlafen ist die Geschichte definitiv nix. =O



    Tristan wird in diesem Kapitel noch undurchschaubarer. Er ist in der SS. Obersturmbannführer. Wow. Das verschlägt einem doch glatt den Atem. Vor allem weil er der Nazi-Ideologie in Teilen zumindest zu folgen scheint, obwohl er Jazz hört, Swing tanzt, ausländische Produkte isst, ... das alles passt nicht zusammen und ist so inkonsequent wie sein Verhalten. So verpfeift er Stella nicht, beleidigt sie aber zutiefst. Ich bin mal gespannt, was er noch für ein Puzzleteil in der Geschichte sein wird.

    Tristan wird mir immer unheimlicher. Ich muss an diverse Nazifilme denken (einer über den Lagerkommandanten von Ausschwitz). Die Kerle waren alle so ambivalent dargestellt. Und homosexuell ist er zumindest nicht öffentlich. Er spricht ja von einer Ehefrau und Kindern, die er gerne hätte. Ich fürchte mich vor dem Kerl. Nix mehr mit sympathisch und nett. Allein schon die Hörnchen-Geschichte mit dem Hund. Egal ob das Hörnchen noch lebt. Krank.



    Doch nun erfahren wir, dass Kristin wirklich Stella ist und das sie laut NSDAP Jüdin ist. Egal, ob sie sich als eine fühlt, ihren Glauben auslebt oder nicht. Ihre Misshandlung war wirklich grausam und nun wurde sie nur am Leben gelassen, um zu spionieren. Ich will mich gar nicht in ihre Situation hinein versetzen. Wie schwierig muss das sein, andere Leute zu verraten, diese Leute dem eigentlich ihr und ihrer Familie vorgesehenen Schicksal zu überlassen, um daraus entfliehen zu können? Spätere Gewissensbisse sind schon vorprogrammiert und selbst dieses Wort ist viel zu klein dafür.

    In wenigen Seiten ändert sich alles. Auch meine Einstellung zu den Personen. Stella war ja erst eher kühl und dem Nazi-Regime nicht abgewandt. Sie hat sich als Deutsche gefühlt. Eine Familie, die den jüdischen Glauben nicht praktiziert. Nützt ihr alles nichts. Die Folter war wirklich hart. (So was kenne ich sonst vor allem aus Histos über die Hexenverfolgung.) Und ich kann jetzt total verstehen, in welcher aussichtslosen Lage sie sich befindet. Es gibt nur den Tod für sie und ihre Eltern oder die Denunziation.

    :lesen:





  • Gibt Friedrich sich jetzt als ihr Mann aus? So würde ich das jetzt interpretieren. Und zusammen verraten sie die Juden? Eine schlimme Vorstellung trotz allem. Diese Hölle an Gefühlen wünsche ich keinem. Mir wird schon beim Lesen ganz anders. Ich brauche einen Tag Pause von der Geschichte.

    :lesen:





  • Also, dass Friedrich sich als ihr Mann ausgibt, habe ich schon so verstanden, aber dass sie zusammen Juden verraten nicht. Weiß Friedrich überhaupt schon, warum Stella wieder gehen durfte? Wohl eher nicht, oder?


    Ich habe immer die Befürchtung in dem Buch etwas zu überlesen, weil schon ein Nebensatz so wichtig sein kann.

  • Kann jetzt gerade nicht die Stelle raussuchen, wo ich den Eindruck gewonnen habe, dass er ihr helfen will dabei. Aber bei Tristan fühlt er doch schon mal vor, was man/sie tun könnte. Und da kam für mich rüber, dass er für sie alles tun würde. Und stand nicht in einem dieser Protokolle, das eine Zeugin sie und ihren Mann gesehen hätte beim denunzieren?

    :lesen:





  • Ah die Protokolle finde ich immer sehr verwirrend und werde nur halb aus denen schlau... Deswegen kann es gut sein, dass ich da auf jeden Fall was überlesen habe.

  • Das Buch packt mich doch mehr als erwartet.

    Das stimmt bei mir auch! Mir gefällt der Stil wirklich gut - die Geschichte selber... da weiß ich noch nicht so recht, was ich davon halten soll.


    Tristans Darstellung finde ich großartig - völlig kalt und unsympathisch, gemein, gewissenlos und egoistisch. Aber großartig dargestellt! Ein Mann zum Fürchten!


    Und Stella? Sie hat sich schon immer als Deutsche gefühlt, nicht als Jüdin. Und es ist damals sicher vielen Menschen so gegangen. Und trotzdem wurde sie aufgegriffen und grausam gefoltert.

    Eine Familie, die den jüdischen Glauben nicht praktiziert. Nützt ihr alles nichts. Die Folter war wirklich hart. (So was kenne ich sonst vor allem aus Histos über die Hexenverfolgung.) Und ich kann jetzt total verstehen, in welcher aussichtslosen Lage sie sich befindet. Es gibt nur den Tod für sie und ihre Eltern oder die Denunziation

    Allerdings... war eigentlich nicht von Anfang an klar, dass ihr die Denunziation nichts bringen würde? Dass ihre Eltern trotzdem sterben würden? Hat sie diese Grausamkeit einfach nicht für möglich gehalten?

    Ich bin neugierig, wie das im Buch jetzt weitergehen wird!


    Und was Friedrich angeht - ich hab das so verstanden, dass er sie als seine Frau sieht und ihr damit helfen will. Er will ihr zwar helfen, allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob ihm klar ist, welche Aufgabe Kristin/Stella da übernommen hat.

    Vernunft, Vernunft...

  • Nun wird es Zeit, dass ich endlich dazukomme, zum zweiten Teil etwas zu schreiben, den habe ich schon vor 3 Tagen gelesen. Hoffentlich bekomme ich alles noch zusammen :|


    Ich habe mich immer wieder gefragt - bevor Stella als Jüdin aufgeflogen ist -, ob sie darauf spekuliert, dass Friedrich sie mit in die Schweiz nimmt? Dass sie deswegen so an ihm interessiert ist? Und auch weil sie den Luxus genießt, den er ihr im Hotel bieten kann. Ich muss gestehen, ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher, ob sie ihn wirklich liebt. Wobei ich mir schon vorstellen könnte, sollte ich mit meinen Gedanken richtig liegen, dass sich ihre Gefühle zwischenzeitlich gewandelt haben und falls es nicht Liebe sein sollte, dann sieht sie ihn sicherlich inzwischen als guten Freund und Rettungsanker an, der ihr Halt in dieser Zeit gibt.


    Friedrich lebt jedenfalls definitiv auf, seit er mit Stella zusammen ist, es ist, als ob er endlich das Leben entdeckt. Was für ein krasser Gegensatz zu dem Friedrich aus dem ersten Leseabschnitt. Dass er sogar so weit geht und einen Einbruch in einer Boutique begeht, hat mich dann wirklich überrascht. Grinsen musste ich dann, als er am nächsten Tag den Rechnungsbetrag anonym begleichen lässt.


    Tristan ... also doch ein SS-Mann! Ich muss gestehen, dass ich ihn als Figur sehr faszinierend finde: einerseits verabscheue ich ihn wie Friedrich, weil er bei der SS ist und der Nazi-Ideologie folgt, andererseits passt sein freundliches Verhalten z.B. dem geistig behinderten Kind gegenüber überhaupt nicht dazu. Dadurch kann ich ihn sehr schwer einschätzen, wie er in bestimmten Situationen reagieren wird, ob er im Zweifelsfall für seine Freunde etwas tun wird oder nicht.


    Als Tristan gegenüber Stella so ganz den treuen Nazi raushängt, habe ich ihn richtig gehasst und dachte, dass von ihm nichts zu erwarten ist. Aber dann verrät er Friedrich, dass das Eichhorn doch noch lebt und er eigentlich nicht wirklich diese Nazi-Gequatsche über die Juden glaubt. Sehr ambivalent und ich muss gestehen, für mich ist Tristan im Moment der spannendste Charakter der Story, da ich denke, er könnte eine Schlüsselrolle einnehmen.


    Ist Stella einfach nur verrückt und leichtsinnig, als Kristin zu diesem Fest des Ministeriums zu gehen? Sollte sie sich nicht lieber im Hintergrund halten? O.k., das ist als Sängerin sicherlich eher schwierig, denn sie will ja unbedingt in diesem Beruf Erfolg haben und rechnet sich vielleicht Chancen aus, wenn sie auf so einem Fest erscheint. Aber ihr müsste doch klar sein, dass das ein gefährliches Spiel mit dem Feuer ist. Oder ist sie der Meinung, wenn sie nur vehement genug als überzeugte Deutsche auftritt auch die Anderen überzeugen kann, dass sie gar keine Jüdin ist? Will sie sich selber damit überzeugen?


    Stella scheint sich jedenfalls mehr den Deutschen verbunden als den Juden, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, wie ihre Entscheidung ausgefallen ist, nämlich andere Juden den Nazis ans Messer zu liefern, wobei die Aussicht, selbst wie auch ihre Familie verschont zu bleiben, natürlich vorrangig ist.


    Und Friedrich muss sich allmählich ebenfalls der Realität stellen, als Stella nach der Folter bei ihm auftaucht und ihm beichtet, wer sie wirklich ist. Die Blase um ihn und Stella und Tristan platzt auf, er kann nicht mehr die Augen vor der Realität verschließen. Den Möbelwagen hat er zwar nicht ganz vergessen, aber durch seine Verliebtheit war er doch schon ziemlich blind gegenüber dem geworden, was um ihn rum in Berlin geschieht.


    Bei den Briefen von seinen Eltern hatte ich das Gefühl, dass die beiden überhaupt nichts kapieren, seine Mutter noch weniger als der Vater. Von der Seite kann er keine Hilfe erwarten. Friedrich muss nun lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und eigenständige Entscheidungen zu treffen.

    Wird Friedrich aus Liebe Stella bei ihrem Verrat unterstützen? Wird er ihr helfen, dass der Möbelwagen "fette Beute" macht?


    Ich merke, während ich meinen Beitrag schreibe, wie vielschichtig ich den Roman empfinde, obwohl er nicht sehr viele Seiten umfasst. Die Folterszenen, der Giftpilz und die nüchtern gehaltenen Gerichtsakten lassen mich auch nicht so schnell los.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Mit dem Ergebnis, dass ich die Geschichte und die kleinen enthaltenen Geschichte zu den verfolgten Jüdinnen und Juden in meine Träume verwoben habe...

    Das war bei mir ebenfalls der Fall.


    Ich will mich gar nicht in ihre Situation hinein versetzen. Wie schwierig muss das sein, andere Leute zu verraten, diese Leute dem eigentlich ihr und ihrer Familie vorgesehenen Schicksal zu überlassen, um daraus entfliehen zu können? Spätere Gewissensbisse sind schon vorprogrammiert und selbst dieses Wort ist viel zu klein dafür.

    Nein, das möchte ich mir auch nicht vorstellen und ich keiner kann sich hier anmaßen, zu wissen, wie er sich in solch einem Fall entschieden hätte. Für das eigene Leben und das der Familie oder für quasi "gesichtslose Fremde".


    Zwischendurch habe ich mich gefragt, woher die Familie so viel Geld hat. Der Vater treibt sich in Istanbul herum, der Sohn in Berlin. Beide bewohnen teure Hotels, die Mutter geht auch keiner nennenswerten Arbeit nach... Oder ist das Leben für Schweizer überall einfach erschwinglich, egal wie teuer es ist?

    Das habe ich mich ebenfalls gefragt, ich glaube aber, am Beginn des Romans wurde doch mal was erwähnt. Ich kann mich aber gerade nicht mehr erinnern, aber das war der Grund, warum der Vater immer so viel unterwegs war.


    Gibt Friedrich sich jetzt als ihr Mann aus? So würde ich das jetzt interpretieren. Und zusammen verraten sie die Juden? Eine schlimme Vorstellung trotz allem. Diese Hölle an Gefühlen wünsche ich keinem. Mir wird schon beim Lesen ganz anders. Ich brauche einen Tag Pause von der Geschichte.

    Ich bin auch sehr gespannt, wie Friedrich sich entscheiden und verhalten wird. Ich kann ihn hier sehr schwer einschätzen, hängt evtl. auch mit Tristans weiterer Haltung zusammen.


    Allerdings... war eigentlich nicht von Anfang an klar, dass ihr die Denunziation nichts bringen würde? Dass ihre Eltern trotzdem sterben würden? Hat sie diese Grausamkeit einfach nicht für möglich gehalten?

    Wahrscheinlich gilt hier auch: die Hoffnung stirbt zuletzt. Und so, wie sie vielleicht geglaubt hat, als Deutsche im Dritten Reich überleben zu können, glaubte sie auch an das Versprechen, dass ihr und ihren Eltern nichts geschieht.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Allerdings... war eigentlich nicht von Anfang an klar, dass ihr die Denunziation nichts bringen würde? Dass ihre Eltern trotzdem sterben würden? Hat sie diese Grausamkeit einfach nicht für möglich gehalten?

    Wenn man in der Situation steckt gibt es nur die Wahl lass ich mich und meine Familie gleich ins Lager und umbringen oder versuche ich, ob die Nazis Wort halten. Ich denke, dass viele ihre Wahl getroffen hätten oder haben. Und auch wenn es grausam klingt, aber durch ihre Taten hat sie überlebt und ihre Eltern haben zumindest eine kurze Zeit länger gelebt. Es hätte genauso gut sein können, dass die Eltern dadurch das Kriegsende noch erleben. Man wusste ja nicht, wie lange es dauert. Und wie Karin schon sagt, die Hoffnung stirbt doch zuletzt. Und man kann sicher auch nicht fassen, wie gefühllos Menschen andere Menschen in den Tod schicken. Das hält man einfach erst mal nicht für möglich, dass es so etwas wirklich gibt.

    :lesen:





  • Ich habe mich immer wieder gefragt - bevor Stella als Jüdin aufgeflogen ist -, ob sie darauf spekuliert, dass Friedrich sie mit in die Schweiz nimmt? Dass sie deswegen so an ihm interessiert ist? Und auch weil sie den Luxus genießt, den er ihr im Hotel bieten kann.

    Diesen Eindruck habe/hatte ich auch von Stella. Ihre Gefühle für Friedrich kommen mir nicht echt vor, eher gespielt. Stella kommt mir allgemein eher wie eine Person vor, die vor allen Dingen nach ihrem eigenen Vorteil handelt und das ziemlich skrupellos, auch unabhängig von den Denunziationen. Aber so überraschen diese mich auch nicht wirklich.

  • Diesen Eindruck habe/hatte ich auch von Stella. Ihre Gefühle für Friedrich kommen mir nicht echt vor, eher gespielt. Stella kommt mir allgemein eher wie eine Person vor, die vor allen Dingen nach ihrem eigenen Vorteil handelt und das ziemlich skrupellos, auch unabhängig von den Denunziationen. Aber so überraschen diese mich auch nicht wirklich.

    In die Richtung geht mein Eindruck ebenfalls.

    Liebe Grüße

    Karin

  • Ich hatte auch den Eindruck, dass Friedrichs Reisepass und sein Konto ein wesentlicher Anziehungspunkt für Stella war. Aber ich kann es ihr nicht verdenken, dass sie in diesen Zeiten einen Ausweg gesucht hat.

    Ihre Kollaboration mit den Nazis, die zahllosen Menschen das Leben gekostet hat, ist da ein ganz anderes Kapitel.


    Ich frage mich, ob sie mit Friedrich gegangen wäre, wenn ihre Eltern nicht gefangen gewesen wären.

    Aber irgendwie ist es seltsam, über die Interessen und Wünsche einer reale Person in einem fiktiven Kontext zu spekulieren. Und ich tu mir wirklich schwer damit, Stella nur als Romanfigur zu sehen - vielleicht hätte ich den Wikipedia-Eintrag doch nicht lesen sollen!

    Vernunft, Vernunft...

  • Stella kommt mir allgemein eher wie eine Person vor, die vor allen Dingen nach ihrem eigenen Vorteil handelt und das ziemlich skrupellos, auch unabhängig von den Denunziationen

    Für mich ist sie weniger skrupellos als eher gedankenlos. Sie lebt so vor sich hin, ist unpolitisch und denkt, das alles würde sie entweder nicht betreffen oder an ihr vorüber gehen. Sie macht sich einen Jux daraus, die Polizei zu foppen. Das zeugt für mich davon, dass sie keine Bezug zu der realen Gefahr hat, bis sie von ihr eingeholt wird. Und dann hat sie dem nichts entgegenzusetzen. Sie ist nicht mal besonders raffiniert, glaube ich sondern handelt intuitiv. Sie hält sich Friedrich scheinbar für den Fall der Fälle warm, denn wirklich ausnutzen tut sie ihn ja nicht. Zumindest bis zu ihrer Verhaftung.

    :lesen:





  • Zugegebenermaßen muss ich mich zwar nicht quälen, aber ich lese das Buch auch nicht sonderlich gerne. Mir ist nach wie vor Sinn und Zweck des Romans schleierhaft - die Tatsache, dass nicht klar ist, was nun den Tatsachen entspricht und was sich nur anlehnt beziehungsweise ganz und gar fiktiv ist, macht es kein bisschen einfacher. Bei einem solch heiklen Thema wüsste ich das gerne klar definiert. Aber nun gut - es besteht Hoffnung auf ein klärendes Nachwort.


    Auch wenn ich die vor einigen Tagen gestellte Strafanzeige nicht in Gänze kenne und ihren Hintergrund wahrscheinlich nicht korrekt einordnen kann, so kann ich zumindest Teile daraus nachvollziehen, nämlich wenn darin behauptet wird, dass unvollständige und aus dem Zusammenhang gerissene Schilderungen nicht gerade bei einer profunden Bewertung Stella Goldschlags helfen. Und bei einer historischen Figur, die zugleich Opfer ist als auch Täterin wurde, ist das etwas, das man meines Erachtens unbedingt machen sollte.


    Berliner Morgenpost zur Strafanzeige gegen Takis Würger


    Klar ist nun, dass Stella erst zur Jägerin und Denunziantin wurde, als sie Friedrich bereits kannte. Ihre Faszination für den jungen Schweizer kann ich insofern nachvollziehen, dass er ein unbeschwertes Leben in Berlin führen kann. Er - oder besser gesagt sein Vater - kann sich eine Suite leisten und die feinsten Dinge auf dem Schwarzmarkt besorgen lassen, koste es was es wolle. Friedrich ist Stella regelrecht hörig, oder? Alleine diese Stelle auf Seite 111, in der beschrieben wird, dass er ein Haar von Stella an seinem Mantelkragen findet, es in den Mund steckt und mit Cognac runterspült...:/


    Andererseits ist Friedrich der Einzige in der Geschichte, der einen moralischen Kompass hat, der nicht von sich selbst gesteuert wird. Er erkennt, was Stella vorhat und will sie anfangs wenigstens aufhalten. Und bei von Appen versucht er es immerhin auch - wenn auch nicht mit dem letzten Nachdruck. Einigermaßen verständlich in Anbetracht dessen, dass Tristan von Appen ein SS-Obersturmbannführer ist.


    Stella kreist vor allem um sich selbst - ich denke nicht, dass sie wirklich Gefühle für Friedrich hat. Und von Appen ist voller dummer wie gefährlicher Ressentiments (z.B. "Israeliten riechen anders") und zieht am liebsten nur die angenehmen Dinge aus allen Seiten. Sein Rang bei der Schutzstaffel scheint zuallererst ihm selbst zu imponieren, andererseits liebt er auch Dinge, die unter dem Nationalsozialismus verboten ist - "Jatz" zum Beispiel. Und dann seine komische Geschichte über das gerettete Eichhörnchen...


    Also ich weiß nicht. Diese abgehackten Sätze, die kurz angerissenen Szenen - auf mich wirkt das alles konstruiert und nicht wie von leichter Hand gezeichnet. Die Einleitungen der Kapitel finde ich inzwischen gut, die Deutlichkeit, mit der die Gegensätzlichkeit dieser Jahre aufgezeigt wird. Aber aktuell ist das leider das Einzige, was ich an "Stella" gelungen finde - nach zwei Drittel des Romans eindeutig viel zu wenig.

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Gibt Friedrich sich jetzt als ihr Mann aus? So würde ich das jetzt interpretieren. Und zusammen verraten sie die Juden?

    Das hoffe ich nicht! Ja, ich weiß schon, dass die reale Stella einen Komplizen hatte - aber der war ebenfalls ein verfolgter Jude... Friedrich überwindet hoffentlich schnell seine Zuneigung zu Stella, die ihn über so manches hinwegsehen lässt!

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Kann jetzt gerade nicht die Stelle raussuchen, wo ich den Eindruck gewonnen habe, dass er ihr helfen will dabei. Aber bei Tristan fühlt er doch schon mal vor, was man/sie tun könnte. Und da kam für mich rüber, dass er für sie alles tun würde. Und stand nicht in einem dieser Protokolle, das eine Zeugin sie und ihren Mann gesehen hätte beim denunzieren?

    Ja, diese Stella gab es. Dennoch kann ich aktuell (noch) nicht glauben, dass es sich bei ihrem Mann um Friedrich handelt. Viel eher kann ich mir vorstellen, dass Stella noch ein zweites Eisen im Feuer hat und Friedrich nur derjenige ist, der sie ein wenig Hoffnung schöpfen lässt. Wenn auch nur durch üppiges Essen und Champagner.

    Bei Friedrich glaube ich nicht, dass er Stella helfen möchte. Also zumindest nicht bei den Denunziationen, denn er versucht ja durchaus ihr auszureden, den Passfälscher zu suchen und dann der GeStaPo auszuliefern.

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Tristans Darstellung finde ich großartig - völlig kalt und unsympathisch, gemein, gewissenlos und egoistisch. Aber großartig dargestellt! Ein Mann zum Fürchten!

    Aber eben nicht nur, finde ich. Von Appen hat auch eine freundschaftliche Seite, die er Friedrich gegenüber zeigt. Umarmungen, Einladungen, gutgemeinte "Ratschläge"...

    Und Stella? Sie hat sich schon immer als Deutsche gefühlt, nicht als Jüdin. Und es ist damals sicher vielen Menschen so gegangen. Und trotzdem wurde sie aufgegriffen und grausam gefoltert.

    Klar hat sie sich als Deutsche gefühlt - sie war eine. Kein Mensch käme auf die Idee zu sagen, dass ein Katholik sich als Deutscher fühlt... Diese Abspaltung von Juden und ihrer Staatsbürgerschaft war schon der erste Akt des Antisemitismus, da man ihnen die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft absprach und sie auf eine Religion reduzierte, die sie im Zweifel nicht einmal ausübten.

    Allerdings... war eigentlich nicht von Anfang an klar, dass ihr die Denunziation nichts bringen würde? Dass ihre Eltern trotzdem sterben würden? Hat sie diese Grausamkeit einfach nicht für möglich gehalten?

    Aus unserer heutigen Sicht mag das so sein, dass wir mehr als ahnen, dass die Denunziationen ihr nichts bringen werden - außer vielleicht Zeit für sich selbst. Aber damals war es sicherlich ein Strohhalm, denn Stella konnte es letztlich nicht wissen.

    Und was Friedrich angeht - ich hab das so verstanden, dass er sie als seine Frau sieht und ihr damit helfen will. Er will ihr zwar helfen, allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob ihm klar ist, welche Aufgabe Kristin/Stella da übernommen hat.

    Vermutlich nicht in Gänze, aber ich denke, dass Friedrich zumindest eine Ahnung hat, was Stella im Inbegriff ist, zu tun. Dein Gedankengang mit seiner Sicht der Dinge - dass er Stella als Frau sieht und ihr so Schutz gewähren will - gefällt mir. Da Friedrich schier unversiegbare Geldquellen zur Verfügung haben scheint, könnte es eine Möglichkeit sein, dass er Stella freikauft. Allerdings schätze ich Stella so ein, dass sie das keinesfalls machte, denn das würde tatsächlich die Aufgabe ihrer Eltern bedeuten.


    Interessant ist übrigens, dass ich bei Stella anfangs so eine "Zweigeteiltheit" wahrgenommen habe - als sie damals von Friedrichs Hotel weggeht und er sie beobachtet... Ich dachte, dass das mit der Rolle zu tun hat, die sie spielt - einerseits das schutzbedürftige Wesen mit den hängenden Schultern, andererseits die Jägerin mit raumgreifenden Schritten und selbstbewusst geradem Rücken. Doch wenn sie erst jetzt mit den Denunziationen beginnt - was hatte das damals zu bedeuten?

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Zwischendurch habe ich mich gefragt, woher die Familie so viel Geld hat. Der Vater treibt sich in Istanbul herum, der Sohn in Berlin. Beide bewohnen teure Hotels, die Mutter geht auch keiner nennenswerten Arbeit nach... Oder ist das Leben für Schweizer überall einfach erschwinglich, egal wie teuer es ist?

    Das habe ich mich ebenfalls gefragt, ich glaube aber, am Beginn des Romans wurde doch mal was erwähnt. Ich kann mich aber gerade nicht mehr erinnern, aber das war der Grund, warum der Vater immer so viel unterwegs war.

    Friedrichs Vater war ein erfolgreicher Tuchhändler, der es offenkundig zu anständigem Reichtum gebracht hat.

    Liebe Grüße

    Tabea