Brigitte Glaser - Rheinblick

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    Titel: Rheinblick

    Autorin: Brigitte Glasser


    Allgemein:

    432 S.; List Hardcover, 2019



    Inhalt:

    Bonn, 1972:

    Gerade eben hat die SPD gegen alle Erwartungen, die Wahlen gewonnen. Da wird Willy Brandt am Kehlkopf operiert und darf mindestens zwei Wochen nicht sprechen. Die junge Krankenschwester Sonja erhält ihre Chance, sich endlich als Logopädin zu beweisen und soll den Kanzler bei der Genesung unterstützen.


    Hilde Kessel hatte sie schon alle in ihrem "Rheinblick" dem Treffpunkt des politischen Bonn nach Feierabend und auch schon zur Mittagspause. Toast Hawai, Spagetti Bolognese, Ungarisches Gulasch, das findet sich neben Kölsch und Kaffee auf der Speisekarte. Sie hat schon so manches politische Geheimnis gehört. Selbstverständlich spricht sie darüber niemals. Versteht sich von selbst, die Geheimnisse ihrer Gäste bleiben geheim... Nur einmal, da ist sie schwach geworden... und nun scheint genau dieser Punkt ihr auf die Füße zu fallen...


    Auf einem Friedhof wird die Leiche eines jungen Mädchens gefunden. Erwürgt, gekleidet in einer Uniform der Heilsarmee. Wird dieser Mord einem der vielen Parteien, die sich nun nach Ende der Wahlen gegenseitig die Macht streitig machen, auf die Füße fallen?


    Meine Meinung:

    Insgesamt kommt für mich "Rheinblick" nicht an Glassers letzten Roman "Bühlerhöhe" heran. Dieser Vergleich drängt sich auch deshalb auf, weil das Konzept des Romans wieder ein Haus in den Mittelpunkt stellt, bei dem zumindest im Roman (das Gasthaus Rheinblick ist anders als die Bühlerhöhe eine Erfindung der Autorin) das halbe politische Bonn seinen Feierabend verbringt. Hier finden sich auch nach und nach, die verschiedenen Figuren des Romans ein.

    Eigentlicher Dreh und Angelpunkt ist aber Willy Brandt, der kurz nach den Wahlen 1972 auch historisch belegt eine Kehlkopfoperation hinter sich gebracht hat und zwei Wochen lang nicht sprechen darf. Ein politisches Problem, denn das ganze fällt genau in die Koalitionsverhandlungen, an die alte und neue Kanzler nicht persönlich teilnehmen kann. Belegt ist auch,das hier seine Wünsche explizit umgangen wurden. Über die angehende Logopädin Sonja wird dieser Teil des Romans beleuchtet. Allerdings fand ich das es auch irgendwie so dahin plätscherte. Da Sonja eigentlich kaum auf ihn trifft, bleibt dieser eigentlich sehr interessante Teil der Handlung seltsam blass und wirkt fast auch fehl am Platz.


    Auch eine WG, damals noch ein recht neues Konzept des Zusammenlebens,wird eingeführt in der verschiedene andere Figuren zusammenkommen und die Handlung durch ihre Blickwinkel mit zusammensetzen. Politische Debatten, Drogenkonsum, feministische Diskussionen, so wie man sich die jungen Leute in den frühen 70er Jahren, noch stark von der Studentenbewegung geprägt, vorstellt. Eine junge Journalistin die sich ihre Aufträge außerhalb der "Frauenthemen" immer neu erstreiten muss. Hier fand ich vor allem Lotti, die als Journalistin versucht auch schwierigere Themen wie etwa die Kritik an der Heimerziehung durch zu setzen, noch am interessantesten. Sie hat einfach am meisten Profil und wirkt nicht so Stereotyp, wie der Rest der WG. Vor allem Max fand ich zum Teil ganz schön unsympathisch. Außerdem fand ich die Liebesgeschichte die die Autorin einbaut irgendwie übertrieben. Das grenzte ein bisschen an Kitsch und daher gefiel mir dieser Aspekt leider nicht so gut.

    Dazu kommt dann Hilde, Chefin im Rheinblick, die so ihre ganz eigenen Kämpfe mit sich und der Vergangenheit ausmachen muss. Sie hat immer wieder mit zwei Politikern zu tun, die innerhalb der SPD ihre Machtkämpfe ausführen. Diesen Punk fand ich ganz interessant, ich fand das die Autorin die eher biedere Atmosphäre im politischen Bonn gut eingefangen hat.Zudem ist Hilde eine gut konstruierte Figur, die sich als Frau hier stark behaupten kann. Dennoch hat auch sie ihre dunklen Seiten, allerdings gebe ich zu, das ich diesen Punkt dann etwas langweilig fand. Ich hätte mehr erwartet. Der große Paukenschlag bleibt irgendwie aus.


    Die Handlung wird auch von dem Mord an einer jungen Frau zusammengehalten, die in einer Heilsarmeeuniform ermordet aufgefunden wird. Leider war aber auch hier der Spannungsbogen etwas lasch aufgebaut. Ich hätte mir aber auch insgesamt etwas mehr Spannung erwartet, der Klappentext suggeriert da einfach mehr, als dann wirklich passiert. Wieder muss ich hier den Vergleich zu "Bühlerhöhe" ziehen. Dort waren für mich die Figuren einfach vielschichtiger und interessanter mit einander verknüpft. In "Rheinblick" plätschert die Handlung oft nur so vor sich hin. Viele Wendungen die interessant hätten sein können, blieben aus.


    Das Ende ist dann sehr abrupt. Ich fand das ehrlich gesagt nicht besonders gelungen. Es wirkte als ob eigentlich noch etwas fehlt.


    Fazit:

    Der Roman spiegelt die Bonnerzeit der BRD ganz gut wieder, allerdings plätschert die Handlung oft einfach vor sich hin. "Rheinblick" ist zwar kein schlechtes Buch, fällt aber deutlich hinter meinen Erwartungen zurück.


    Von mir gibt es:


    3ratten

  • Hm, das Buch steht auch auf meine Lese-Liste. Ich bin mal gespannt, wie es mir gefällt. In der Leseprobe kam vor allen Dingen die Atmosphäre im Bonn gut rüber, wie du auch beschrieben hast. Das hat mir auch sehr gut gefallen, wo ich da auch studiert habe. :)

  • 1972, Willy Brandt mit seiner SPD wurde gerade nach seinem erfolgreich abgewehrten Misstrauensvotum erneut zum Bundeskanzler gewählt. Ein wahnsinniger Wahlerfolg und jeder will ein wenig davon abhaben. Doch gerade jetzt versagt Willy Brandts Stimme und der Kampf um Ämter beginnt.


    Wir verfolgen diese Geschichte nicht aus den Augen der Politiker, sondern von drei, vier anderen jungen Menschen, die ganz unterschiedliche Einblicke in die Politik werfen können. Zum einen haben wir die Wirtsbesitzerin Hilde, die eine florierende Gaststätte direkt im Bonner Regierungsviertel betreibt und worin die amtierenden Politiker ein- und ausgehen. Natürlich erfährt Hilde dadurch eine Menge Insiderinformationen. Zum anderen gibt es den Student Max, der zählen Unterhaltungszahlungen seines Vaters, der für die Politik arbeitet, mit der Arbeit als Taxifahrer aufbessert. Er hat sowohl durch seinen Vater als auch durch seine Arbeit einen Einblick ins politische Tagesgeschehen. Dann gibt es noch die Logopädin Sonja, die Willy Brandt helfen soll, seine Stimme wieder zu finden und eine forsche Journalistin, die für eine Reportage zu dem neuen Politiker Schäuble schreiben soll.


    Anfangs haben mich die ganzen Beschreibungen und Verzwickungen der Politik verwirrt. Es gab einige Namen, die mir bekannt vorkamen: Willy Brandt, Helmut Schmidt, Wolfgang Schäuble (der damals witzigerweise noch vollkommen unbekannt war, da seine erste Amtszeit angesprochen wird). Aber viele, viele Namen haben mir auch überhaupt nichts gesagt - hinzu kommt noch, dass ich von der Politik dieser Zeit eigentlich gar keine Ahnung hatte. Umso spannender war es für mich, in diese Zeit abzutauchen und das Ränkespiel zu verfolgen. Ziemlich schnell konnte ich dann auch durchsteigen und die Entwicklungen mitverfolgen.


    Gespickt wird die Geschichte mit sehr viel Lokalkolorit, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Ich selbst habe drei Jahre in Bonn gewohnt, als Bonn aber nur noch Bundestadt war. Ich konnte dennoch viel wieder erkennen und fand es umso spannender ein Bonn beschrieben zu bekommen, in der die Stadt so voller Politik und Hauptstadt war.

    Ich fand auch den eingestreuten Mordfall spannend und die Schilderungen von Willy Brandt und die Berichte über Helmut Schmidt. Die Geschichte umfasst eine Zeitspanne von nur eine Woche und ich hätte niemals gedacht, dass so viel Spannendes und Wichtiges in einer Woche abgehandelt werden kann, aber so war. Das Buch war also ausgesprochen kurzweilig. Auch die Charaktere haben mir gut gefallen.


    In einem Nachwort erklärt die Autorin noch, welche Fakten überliefert sind und welche von ihr dazu erfunden wurden.


    Also für mich ein tolles Buch, dass mich durch das hauptstadtliche Bonn wandern ließ mit ein wenig Krimi-Spannung mit gelungener Politikatmosphäre!

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    Politiker aller Couleur kommen gerne zu Hilde Kessel ins Rheinblick. So erfährt sie eine ganze Menge Geheimnisse, hält sich aber mit ihrer eigenen politischen Meinung zurück.

    Willy Brandt wird 1972 bei der vorgezogenen Wahl wiedergewählt. Aber dann versagt seine Stimme und in der Klinik auf dem Venusberg versucht die junge Logopädin Sonja Engel Brandt zu helfen.

    Als es einen Untersuchungsausschuss geben soll, der die Aufgabe hat zu prüfen, ob Stimmen gekauft wurden, geraten die beiden Frauen in ein Ränkespiel der Politik. Beide könnten viel verlieren – wie werden sie sich entscheiden?

    Ich mag den Schreibstil der Autorin und das Thema hat mich gleich angesprochen. Die Perspektivwechsel sorgen dafür, dass man ein umfassendes Bild bekommt. Dazu gibt es einige Nebenschauplätze.

    Die Geschichte ist komplex und ich denke, dass das Buch einfacher zu lesen ist, wenn man die geschichtlichen Hintergründe kennt. Als Rheinländer habe ich viele der Örtlichkeiten vor Augen gehabt und auch eine Menge Personen waren gleich präsent, da ich die Zeit miterlebt habe.

    Die Charaktere sind sehr gut und authentisch dargestellt. Mit Hilde wurde ich zwar nicht so ganz warm, aber sie agiert sehr geschickt in ihrem Umfeld. Ihre Verschwiegenheit wird von den Gästen geschätzt. Sonja war mir sympathischer. Sie hatte es weder in der Familie leicht, noch in ihrem Job. Aber sie hat einen Traum, möchte eine eigene Praxis als Logopädin aufmachen. Auch die ehrgeizige Journalistin Lotti hat mir gut gefallen.

    Als ein junges Mädchen ermordet wird, gibt es zahlreiche Verdächtige, die sogar in Regierungskreisen zu finden sind.

    Die Bundesrepublik ist 1972 noch recht jung und die Hauptstadt hieß damals noch Bonn. Man wollte nach den Erfahrungen, die man gemacht hatte, einen besseren Staat aufbauen. Dabei läuft aber so manches nicht ganz rund.

    Aus Fiktivem und historisch Belegtem ist eine spannende Geschichte mit interessanten Persönlichkeiten geworden.

    Ich kann dieses Buch nur empfehlen.

    5ratten

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  • Ich fand das Buch eher mittelmäßig, aber dennoch lesenswert:


    Bonn als Zentrum der Politik und damit der Macht in der Bundesrepublik Deutschland: das ist ein mittlerweile vergangenes Kapitel und Bonn ist fast zu seiner einstigen Beschaulichkeit zurückgekehrt.


    Doch in den Nachkriegsjahren und bis nach der Wende war es tatsächlich die politische Zentrale des Landes und als solche wird sie hier von Brigitte Glaser dargestellt: Wir schreiben das Jahr 1972 und Willi Brandt ist gerade als Kanzler bestätigt worden, was seine fortschrittliche Politik der vergangenen Jahre - er war bereits seit 1969 Kanzler - bestätigte.


    Die Handlung des Romans spielt in den zwei Wochen ab der Wahl, in denen die Ereignisse einander jagen: mit Hilde Kessel, der Wirtin des "Rheinblick", der Logopädin Sonja und der Journalistin Lotti stehen drei Frauen im Fokus der Handlung, die in den Sog der damaligen politischen Ereignisse und auch Intrigen geraten.


    Nachvollziehbar schildert die Autorin, wie die so unterschiedlichen Frauen; die mit beiden Beinen im Leben stehende Hilde, die mühsam versucht, die Nachwirkungen ihrer traumatischen Kriegserlebnisse aus dem Alltag herauszuhalten und die beiden jungen, nach dem Krieg geborenen Frauen auf vollkommen unterschiedliche Weise mit den politischen Ereignissen in Berührung kommen. Hilde führt seit langen Jahren den "Rheinblick", Treffpunkt der unterschiedlichsten politischen Player, die an Politik nicht sonderlich interessierte Sonja wird im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit vor eine ganz besondere Herausforderung gestellt und Lotti, die für eine süddeutsche Provinzzeitung tätig ist, tut fast alles, um ihren ersten großen Artikel platzieren zu können.


    Ein wirklich interessanter Roman für mich, die ich mit Bonn - damals das politische Zentrum - von Kindesbeinen an vertraut bin und den Wandel der Stadt sozusagen hautnah miterlebt habe. Die Idee, verschiedenen Perspektiven "sprechen" zu lassen, ist wirklich gut, allerdings ist die Darstellung, vor allem, was das Personalgefüge anbelangt, etwas überladen. Zu viele Akteure, die in zu viele Ränke verwickelt sind, haben mich stellenweise verwirrt und beim Lesen aus dem Konzept gebracht. Ein Personalverzeichnis zu Beginn des Buches wäre hilfreich gewesen, die Konzentration auf weniger Charaktere und Ereignisse ebenfalls.


    So hat mir das Buch nicht ganz so gut gefallen wie andere Bücher der Autorin, deren langjähriger Fan ich bin. Dennoch ist es wichtig, originell und lesenswert und ich lege es jedem auch nur halbwegs politisch und zeitgeschichtlich interessierten Leser ans Herz!

    3ratten

  • Avila Es kommt ja auch immer mit auf den eigenen Geschmack an. Ich persönlich hatte vor allem im Vergleich zu Bühlerhöhe schon mehr erwartet. Ich bin mal gespannt auf deine Meinung. :)

    Mir ging es genauso, wobei ich viele Bücher der Autorin kenne und sehr mag - auf dieser Grundlage war auch ich ein bisschen enttäuscht.