Stephen King - Revival

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    Jamie Morton ist sechs, als ihm Pastor Charlie Jacobs zum ersten Mal begegnet. Jacobs ist gerade als neuer Gemeindepfarrer nach Harlow gekommen, und Jamie ist das erste Gemeindemitglied, dem er über den Weg läuft. Die beiden mögen sich auf Anhieb, und überhaupt kommt mit Jacobs, seiner hübschen Frau Patsy und seinem kleinen Sohn wieder Leben und Schwung ins Pfarrhaus. Besondere Attraktion bei den Jugendgruppenstunden sind die Elektro-Basteleien des Pfarrers, mit deren spektakulären Effekten er gerne die jungen Pfarreiangehörigen unterhält. Und nicht nur das.


    Doch die Idylle währt nicht lange. Nach einem verheerenden Unfall verliert Jacobs den Glauben an Gott und tritt mit dem, was in Harlow noch lange "The Terrible Sermon", also die Furchtbare Predigt, genannt werden wird, einer heftigen Abrechnung mit der Religion, zum letzten Mal vor seine versammelten Schäflein, bevor er seine Zelte abbricht.


    Jahrzehnte später ist Jamie ein abgehalfterter Rockmusiker mit kaputtem Bein (Motorradunfall) und kaputter Karriere (zu viele Drogen), als er zufällig Jacobs wieder begegnet, der ihm, wie sich herausstellt, helfen kann - doch zu einem hohen Preis, wie Jamie nach einiger Zeit feststellen muss, denn Jacobs fordert eine Gegenleistung, und es ist keine, die Jamie gefällt.


    Wie eigentlich immer gelingt es King schon auf den ersten paar Seiten, unglaublich viel Atmosphäre zu schaffen und sich perfekt in die Welt und Denkweise eines Kindes hineinzuversetzen. Die Kleinstadt in Maine, die Familie Morton, die kleinen Bastlertricks des Pastors werden sofort vor dem geistigen Auge lebendig, genauso später der abgewrackte Ex-Rocker auf Drogenentzug, dem man trotz all seiner schlechten Entscheidungen und Fehltritte wünschen würde, dass er die Kurve wieder kriegt.


    Schon früh liegt eine unheilvolle Vorahnung über dem Ganzen, genährt durch kleine Andeutungen, dass nicht alles so harmlos und normal bleiben wird - obwohl es lange dauert, bis man wirklich zu erahnen beginnt, worin genau der Horror in diesem Buch liegen wird. Die wirklich unappetitlichen Szenen beschränkt King auf wenige Seiten, was nicht nur gut so ist, weil ich Splatterkram nicht mag, sondern weil er noch viel besser darin ist, subtilen Schrecken zu verbreiten, der gänzlich ohne Blut auskommt, schleichend und ganz allmählich.


    King erzählt aber nicht nur eine horrorgespickte Lebensgeschichte, sondern rechnet auch ziemlich deutlich mit organisierter Religion, mit falschen Versprechungen, selbsternannten Wunderheilern und insbesondere dem amerikanischen Kirchenzirkus ab. Nicht umsonst spielt eine Schlüsselszene auf einer "Erweckungsveranstaltung" in einem Jahrmarktzelt.


    Fesselnd und düster, mit viel Menschenkenntnis und morbider Phantasie.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das klingt ja vielversprechend. Der Roman steht noch auf meiner Liste. Da ich die Liste der mir noch fehlenden Kings jetzt alphabetisch abarbeite, dauerts auch noch etwas, bis ich zu Revival komme. Die Rezensionen sind ja immer sehr zweigeteilt aber für mich klingt das Buch nach Deiner Besprechung nach einem seiner hervorragenden Werke. Da freue ich mich drauf. Dankeschön :)

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Es ist nicht besonders blutig und auch nicht sehr actiongespickt - aber gerade das mag ich ja ;)


    Ich bin gespannt, wie es Dir dann gefällt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Es ist nicht besonders blutig und auch nicht sehr actiongespickt - aber gerade das mag ich ja ;)


    Ich bin gespannt, wie es Dir dann gefällt.

    ja, das macht einen guten King ja aus, dass er - wie Du schon schreibst - subtilen Schrecken verbreitet. Ich finde, er ist darin einfach gigantisch gut und Menschen kann er. Egal welches Geschlecht. Egal welches Alter. King kann Menschen!EinsElf


    Ich bin auch sehr gespannt. Aktuell lese ich 'Christine'

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Ich habs auch endlich gelesen und es hat mir wirklich gut gefallen:


    Revival beginnt eher idyllisch. Jamie und seine Geschwister sind sympathische Kinder und genießen eine Kindheit, wie sie vielen von Stephen Kings Figuren beschert wird. Unbeschwert, leicht und frei.

    Pastor Jacobs ist selbst noch sehr jung und findet bei allen Gemeindemitgliedern und auch den Kindern viel Anklang. Das ändert sich jedoch, als seine Frau und sein kleiner Sohn bei einem schrecklichen Unfall ums Leben kommen und er die Gemeinde verlässt. Jamie und seine Geschwister werden erwachsen und Jamies Lebensjahre werden immer wieder in Rückblenden erzählt. Dabei erfahren wir mehr über den Tod seiner Mutter und seiner Schwester. Über seine Karriere als Musiker und seine schlimme Drogensucht, von der ihn letztendlich Pastor Jacobs heilt, den er zufällig auf einem Jahrmarkt wieder trifft.

    Jacobs kommt auch da noch eher sympathisch herüber und Jamies Leben ändert sich komplett nach dieser erneuten Begegnung. Er kommt auf die Beine, findet Halt und Stabilität. Jamie ist dann jedoch schon 50, als er dem Pastor erneut begegnet und sein Assistent wird. Dabei hat Jacobs sich sehr verändert vom sympathischen Pastor zum besessenen Fanatiker. Es ist sehr erschreckend. Seine anfängliche Faszination für Elektrizität, mit der er ‚heilen‘ kann, ist ausgeartet. Seine Motivation für das Ganze wird jedoch erst am Ende so richtig deutlich und so sehr wie man als Leser hofft und bangt, so ist das augenscheinliche Happy End doch nicht das, was man erwartet hat.

    Der Titel Revival hat dabei mehrere Bedeutungen, nicht nur die des übergeordneten Motivs der Wiederbelebung sondern auch für die einzelnen Figuren, deren Leben sich durch ihre Begegnungen mit Pastor Jacobs grundlegend und nachhaltig ändern.


    Fazit:

    Revival hat mich von der ersten Seite an gefesselt. Ich liebe Stephen Kings Ausführungen zur Kindheit in einer Zeit, die viele nachfolgende Generationen so leider nicht mehr kennenlernen werden. Das Ende des Buches steht dabei im krassen Gegensatz zur Leichtigkeit und Unbeschwertheit am Anfang des Buches.


    4ratten

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Besondere Attraktion bei den Jugendgruppenstunden sind die Elektro-Basteleien des Pfarrers, mit deren spektakulären Effekten er gerne die jungen Pfarreiangehörigen unterhält. Und nicht nur das.


    Diese Basteleien waren mein Untergang. :zwinker: Diese - von mir als solche empfundenen - detaillierten, langatmigen Beschreibungen haben dazu geführt, dass ich das Buch abgebrochen und meiner Mutter geschenkt habe.

    Nach euren tollen Rezis bin ich wieder am Schwanken, ob ich es nicht doch versuchen sollte, weil der Inhalt ja doch spannend scheint - auch wenn ich schon mehrere King-Bücher wegen der empfundenen Zähe abgebrochen habe.

    Doch gerade das was TheNightingale so schön beschrieben hat -

    Ich liebe Stephen Kings Ausführungen zur Kindheit in einer Zeit, die viele nachfolgende Generationen so leider nicht mehr kennenlernen werden.

    - fand ich zu Beginn des Buches so besonders und hätte gerne mehr davon.

    Hach, ihr macht es einem schwer. :ichweissauchnicht:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

  • "Revival" ist für mich keins der richtig guten Bücher von Stephen King, da ich seine Art zu schreiben und besonders seine Figuren zu charakterisieren aber einfach mag habe ich es trotzdem gerne gelesen.


    Jamie Morton ist eine fast durchweg sympathische Hauptfigur, selbst in der Zeit seiner Drogeneskapaden hat er mir eher leid getan, als dass ich ihn abgelehnt hätte. Das ist aber wahrscheinlich auch wichtig für die Handlung, weil es die zunächst vorhandene Dankbarkeit gegenüber Charlie Jacobs erklärt, als dieser Jamie von seiner Drogensucht heilt. Die wahren Hintergründe dieser Heilung werden erst ganz langsam aufgeklärt, und im gleichen Maße wächst das Unbehagen über Jacobs mysteriöse Wunderheilungen. Das Grauen schleicht sich langsam heran, erst kurz vor Schluss des Romans kommt es zu einer wirklich horrorartigen Szene. Dafür finden sich aber viele Anspielungen auf die "gute alte Zeit" und traditionelle Horrordarstellungen, mit denen King sich ja bereits in seinem Werk über den Horror "Danse Macabre" auseinandergesetzt hat.


    Besonders gut gefallen haben mir auch hier wieder die vielen Querverweise auf andere Werke Kings, die vom Handlungsort Castle Rock bis nach Joyland reichen. Natürlich sind diese Spielereien nicht unbedingt nötig, für King-Fans aber doch nett.


    Die kritische Einstellung, die Jamie von Kindesbeinen an zur Religion hat, und die mit den Jahren immer weiter zunimmt und es ihm letzten Endes ermöglicht, Charlie Jacobs zu entlarven, zieht sich durch den gesamten Roman. Dass damit auch eine Botschaft an die LeserInnen verbunden ist, muss nicht explizit gesagt werden, es wird deutlich und ist angesichts des in vielen Religionsgemeinschaften zunehmenden religiösen Extremismus ein wichtiger und erst zu nehmender Aspekt.


    "Revival" wird sicher nie einer meiner Lieblingsromane von Stephen King werden, aber er hat mich gut unterhalten und mich in der Überzeugung, dass King einfach ein großartiger Autor ist, wieder einmal bestärkt.



    4ratten