William Kent Krueger - Für eine kurze Zeit waren wir glücklich/Ordinary Grace

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.287 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

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    Inhalt
    New Bremen, Minnesota im Jahr 1961. Frank ist ein ganz normaler Dreizehnjähriger, wenn auch seine Familie in dem kleinen Ort als ungewöhnlich angesehen wird. Sein Vater ist ist Priester, nicht nur in der Gemeinde der Methodisten von New Bremen, sondern auch von zwei anderen Gemeinden in der Umgebung. Das bedeutet, dass die Familie immer unter besonderer Beobachtung steht. Da fallen die beiden Frauen der Familie besonders auf. Die Mutter ist eine begabte Sängerin, die sich außer bei der Kirchenmusik nicht weiter in die Gemeinden einbringt. Die ältere Schwester spielt Orgel und ist an der Juillard School of Music angenommen. Franks jüngerer Bruder ist viel reifer als er selbst. In diesem heißen Sommer ändert sich alles für den Jungen.


    Meine Meinung
    Frank erzählt die Geschichte dieses Sommers erst Jahre später aber die Wehmut von damals ist nicht vergangen. Zu vieles ist in diesem Sommer geschehen. Seine Familie ist fast an den Ereignissen zerbrochen. Frank selbst stellt alles in Frage, was ihm sein Vater beigebracht hat. Der ist unerschütterlich in seinem Glauben und mehr als einmal ist Frank deswegen wütend auf ihn.


    Aber während Frank seinen jüngeren Bruder hat, der ihm mit genau der selben Unerschütterlichkeit hilft, seine Wut auszuschalten und die Dinge zu akzeptieren, ist seine Mutter alleine. Sie hat ihren Mann während des Jurastudiums kennen gelernt, aber seine Erlebnisse im Krieg haben ihn verändert. Sie wollte nie die Frau eines Pfarrers sein und kann und will sich nicht in diese Rolle fügen.


    Ich kann mir das Leben in der kleinen Stadt in diesem Sommer gut vorstellen. Die Trauer der Menschen, als ein kleiner Junge tot an den Bahngleisen gefunden wird. Die hochgezogenen Augenbrauen und das Getuschel über Franks Mutter und die strenge Moral, an der manch einer zerbricht.


    Ordinary Grace hat mich mit seinen leisen, aber eindringlichen Tönen gefesselt. Es war ein gelungener Start in das Lesejahr 2014.
    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das hört sich toll an. Ich liebe diese Coming-of-Age-Geschichten in heißen Sommern :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: es ist toll. Ordinary Grace ist eines von den Büchern, bei denen ich schon auf der ersten Seite wußte, dass es ein ganz besonderes Buch ist.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

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    416 Seiten

    Piper Verlag

    ET: 01.03.2019

    OT: Ordinary Grace


    Die Geschichte atmet den Zeitgeist von 1961, einer Zeit in der fluchen gottlos war und Autos wie der Studebaker und der Pontiac Star Chief auf den Straßen des kleinen Ortes New Bremen in Minnesota fahren. Dort lebt der 13jährige Frank, der diese Geschichte vierzig Jahre später aus seiner Sicht erzählt.

    Das Buch beginnt mit dem Tod des 13jährigen Bobby Cole, der auf den Bahnschienen von einem Zug erfasst wurde. Sein Tod läutet all die Schrecken jenes Sommers ein, denn der Tod sucht die kleine Gemeinde in den folgenden Wochen in vielen Gestalten heim – als Unfall, als natürliches Phänomen, als Selbstmord und als Mord.

    Zu Franks Familie gehört sein Vater Nathan, ein methodistischer Pfarrer und Veteran des Zweiten Weltkriegs, der immer noch Geheimnisse und Schuldgefühle aus dem Krieg mit sich herumträgt. Franks Mutter Ruth hat eine künstlerische Ader und hat sich ein anderes Leben erträumt, als sie den vielversprechenden Jurastudenten Nathan geheiratet hat. Und dann sind da noch Franks ältere und sehr talentierte Schwester Ariel und sein jüngerer Bruder, Jake, der in Gegenwart anderer stottert.

    Für Frank und Jake ist es das Größte Flusskrebse zu fangen, eine Fuchsfamilie zu beobachten, oder mit anderen Kindern draußen bis in die Dämmerung zu spielen. Doch die Ereignisse jenes Sommers nehmen den Jungs die Leichtigkeit der Kindheit und erschüttern die Grundlage für alles, woran sie und ihre Familie glauben, einschließlich ihres Glaubens, ihrer Werte und ihrer Stärke als Familie.

    Dies ist kein Kriminalroman im herkömmlichen Sinn, obwohl im Verlauf der Geschichte eine Reihe von Verbrechen begangen und untersucht werden. Es ist vielmehr ein wunderbar geschriebener Roman über die Bindungen zwischen Familienmitgliedern, Freunden und der Gemeinschaft einer Gemeinde.

    Über lange Strecken erzählt der Autor gelassen und ruhig und beschreibt dabei gerne ausführlich alltägliche Dinge, deren Schilderung die trügerische Sicherheit deutlich macht, die durch unerwartete Ereignisse aus den Fugen gerät.

    Krueger hat die Zeit und den Ort, an dem diese Geschichte spielt, lebendig geschildert - ein offensichtlich einfacheres und viel vertrauensvolleres Zeitalter, und er hat sie mit einer Reihe von gut gezeichneten Charakteren bevölkert.
    Eine meiner Lieblingsfiguren neben Frank und Jake ist Gus. Er ist die Person, an die sich alle, besonders Frank und Jake, wenden können, um Unterstützung und Ratschläge zu erhalten.

    Obwohl es ein eher ruhiges Buch ist, hat es mich regelrecht gefesselt. Krueger weiß, wie man schreibt und wie man Gefühle und Stimmungen spürbar macht. Er hat damit genau meinen Geschmack getroffen.

    Fazit: Eine wunderbare Geschichte über Familie und Freundschaft und wie diese durch fünf Todesfälle erschüttert und verändert werden.



    5ratten

    2 Mal editiert, zuletzt von Aurian ()

  • Ich hatte mich schon gewundert, dass mir der Name des Autors so bekannt vorkam, als ich ihn hier gelesen habe. Als ich deine Rezi gelesen habe, ist es mir wieder eingefallen: ich habe das Buch vor einiger Zeit auf englisch gelesen und rezensiert: Ordinaray Grace.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe die beiden Threads zusammengeführt und jetzt noch mehr Lust, das Buch endlich mal zu lesen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe das Buch vor ein paar Tagen gelesen und bin noch ganz gefangen davon. Die Beiträge weiter oben könnte ich direkt unterschreiben. Es ist wirklich eine beeindruckende Geschichte, sowohl inhaltlich als auch durch die Art, wie sie geschrieben ist. Eindringlich, aber zurückhaltend. Man ist von Beginn an mitten drin. Einmal angefangen ist es schwer, mit dem Lesen aufzuhören.


    Tod und Trauer und das fast abrupte Ende einer Jugend sind keine einfachen Themen. Gleichzeitig zeigt William Kent Krueger aber auch den Wert der Familie und die Kraft, die man aus dem Glauben an Gott ziehen kann. Gerade Letzteres hat mich tief beeindruckt, obwohl ich kein religiöser Mensch bin.


    Ein echtes Highlight für mich!


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Inhaltsangabe:


    Im Sommer des Jahres 1961 geschehen mehrere Todesfälle in New Bremen. Der dreizehnjährige Frank und sein jüngerer Bruder Jake streunern in den Sommerferien gerne in der Gegend herum und geniessen ihre Freiheit. Ausser am Sonntag, da besuchen sie mit ihrer Familie die Kirche. Denn ihr Vater ist Pfarrer, die Mutter singt und leitet den Chor an und ihre ältere Schwester Ariel spielt die Orgel und ist musisch sehr talentiert. Als plötzlich der Tod auch in Franks Familie ankommt, ist nichts mehr wie zuvor und die Familie wird vor eine harte Zerreissprobe gestellt.


    Meine Meinung


    Ich mochte die Stimmung, die die Geschichte transportiert hat. Frank erzählt sie aus der Erwachsenenperspektive heraus und man kann die Atmosphäre dieses Sommers in den 60ern direkt einatmen beim lesen. Wunderschön geschrieben in leisen Tönen kommt sie daher, zeitweise schon fast etwas zu ruhig erzählt. Man lernt die Familienmitglieder kennen, bekommt einen guten Einblick in das Familiengefüge und ihre Gepflogenheiten. Auch die Menschen in der Ortschaft und die Ortschaft selbst lernt man gut kennen. Man fühlt sich heimisch in Franks Welt. Doch dann geschieht das Unfassbare und beendet praktisch die Kindheit und wirbelt alles durcheinander.


    Leider muss ich sagen, dass mich alles, was danach geschehen ist, nicht mehr ganz so einfangen konnte. Ich konnte die Trauer der Familienmitglieder durchaus verstehen, mir taten sie auch sehr leid, aber mitfühlen konnte ich nicht wirklich. Das verstorbene Familienmitglied blieb für mich zu blass, trat für meinen Geschmack zu sehr am Rand auf, als dass ich einen Bezug zu ihm hätte aufbauen können. Dazu kam, dass ich schon ziemlich bald auf die Lösung des Rätsels kam, während die Menschen in der Geschichte noch weit davon entfernt waren. Das fand ich etwas schade.


    Auch spielt der Glaube eine grosse Rolle, was auch wirklich gut umgesetzt wurde und auch Stoff zum Nachdenken gab. Vor allem auch wie unterschiedlich die Familienmitglieder mit ihrer Trauer umgingen war toll zu lesen. Für mich persönlich nahm das Thema Glaube aber ein bisschen zuviel Raum ein. Mich hat die erste Hälfte des Buches sehr gut unterhalten, mit der zweiten Hälfte hatte ich so meine kleinen Probleme, daher gibt es solide drei Ratten von mir. 3ratten

    Liebe Grüsse Hanni 8)

  • "Zu ruhig" bestärkt mich nur noch mehr darin, dass ich das Buch gerne lesen möchte. Ich mag ja häufig Bücher, die anderen zu still sind.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich durfte mir gerade noch was zu Weihnachten aussuchen und bin endlich zur Tat geschritten :)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Als Pfarrerssohn ist Frank der Umgang mit dem Tod nicht gänzlich fremd, wird der Vater doch oft genug zur Unzeit deshalb weggerufen, aber wirklich ernsthaft mit Tod und Verlust in Berührung gekommen ist er nie, bis zu dem Sommer, als er dreizehn Jahre alt ist. Ein Mitschüler kommt bei einem tragischen Unglück ums Leben, Frank und sein Bruder finden beim Spielen am Fluss einen toten Landstreicher, und schließlich schlägt das Schicksal in Franks unmittelbarem Umfeld hart zu und stellt das harmonische Familienleben der Drums auf eine schwere Probe.


    Zu viel möchte ich noch gar nicht vorwegnehmen, weil der Roman meines Erachtens noch stärker wirkt, wenn die Entwicklungen beim Lesen überraschend kommen, doch möchte ich das Buch wärmstens allen empfehlen, die einfühlsame Coming-of-Age-Geschichten mögen. Es spielt ganz genretypisch in einem heißen Sommer in einer amerikanischen Kleinstadt, doch damit enden auch schon die Klischees. Frank erzählt das Buch im Rückblick, Jahrzehnte nach den Geschehnissen, trifft aber perfekt den Ton des Dreizehnjährigen, der an einer entscheidenden Schwelle im Leben steht, nicht mehr Kind, aber auch noch nicht so richtig ein Jugendlicher, und für den dieser ereignisreiche Sommer eine Fülle an Veränderungen und Lernprozessen bedeutet.


    Die Charaktere sind differenziert gezeichnet und das Kleinstadtleben in den Sechzigern wird mit liebevollen Details zum Leben erweckt, doch William Kent Krueger schwelgt nicht in verklärender Nostalgie, sondern zeigt auch die weniger schönen Seiten der vermeintlichen Idylle, die Engstirnigkeit, den Rassismus, den boshaften Tratsch. Die Geschichte des wohl aufwühlendste Sommers in Franks jungem Leben ist ein wundervoller Roman über Familie, Gerechtigkeit, Glauben und den Umgang mit Verlust, Tod und Trauer, der das Zwischenmenschliche in einer schlichten, schönen Sprache großartig einfängt und mich sehr berührt hat.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Immerhin wurde es noch vor Jahresfrist gelesen, was vielen Büchern bei mir nicht vergönnt ist ?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich meinte eher von dem Moment an, an dem es dir aufgefallen ist. Aber ich bin da leider auch nicht anders:saint:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ach so - ja, das kann manchmal eine ganze Weile dauern ... ;) Aber es hat sich sehr gelohnt und war ein krönender Abschluss für meinen diesjährigen SLW.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen