Paul Auster - Im Land der letzten Dinge

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 3.969 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

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    Eine Großstadt im Endstadium.Anna Blume strandet in dieser unwirklichen Welt, um ihren Bruder ausfindig zu machen, der als Journalist seit seiner Dienstreise als verschollen gilt. Armut, Zerstörung und Tod begegnen Anna auf Schritt und Tritt; zerfallene Häuser und marode Strassen formen die Kulisse, durch die sie mit ihrem Einkaufswagen auf der Suche nach Verwertbarem wandelt, eines der wenigen Möglichkeiten, ihr Abendbrot zu bestreiten. Die Regierung indessen hat schon lange Zeit der Stadt den Rücken zugewandt und die Bevölkerung in Chaos und Anarchie versenkt. Der einzige Antrieb der Bewohner ist den Tag zu überstehen, und dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Anna lernt zu überleben und findet Unterschlupf in den Ruinen der Nationalbibliothek, wo sie ihre Liebe zu Sam findet und mit ihm die aussichtslos scheinende Flucht plant.


    Auster beschreibt den Verlust moralischer Verantwortung und den Zerfall staatlicher Ordnung in einer überspitzten, beängstigenden Weise, bedient sich utopischen Elementen, wobei die Fiktion enorm an Kraft verliert, wenn ein kleiner Windstoß das Kartenhaus der Problematik unserer Zivilisation berührt.


    dumbler

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Hallihallo!


    Gestern habe ich "In the Country of Last Things" zu Ende gelesen und war, obwohl immer noch schockiert, zutiefst befriedigt von diesem dünnen Buch. Und wieder einmal fand ich Bestätigung dafür, dass Paul Auster es verdient, einer meiner Lieblingsautoren zu sein.


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    Inhalt:
    Eine Stadt in Ruinen. Armut, Obdachlosigkeit, Diebstahl, Selbstmord überall. Und Anna Blume mittendrin. Auf der Suche nach ihrem verschollenen Bruder William. Doch in einer derartigen Misere jemanden zu finden scheint hoffnungslos. Anna hat alle Hände voll zu tun, selbst am Leben zu bleiben und sich den grausamen Regeln der Stadt anzupassen.


    Meine Meinung:
    Sehr düster beginnt die Erzählung einer namenlosen Stadt, in der die - für einige Zeit auch namenlose - Heldin herumtapst auf der Suche nach ihrem Bruder. Was zuerst nur ein dunkler Fleck auf der Landkarte ist, wächst mit jeder Seite zu einem großen, bösen Etwas heran, das einem als Leser das Grauen lehrt. Eine Stadt wie nach einem Krieg, mit zerstörten Straßen, kaum funktionierenden Sanitäranlagen und Clubs für Selbstmörder. :entsetzt:
    Es dauert eine ganze Weile bis sich die Geschichte von Berichten über die Regeln der Stadt und Möglichkeiten, darin zu überleben, tatsächlich einer Handlung zuwendet. Anna Blume, unsere Heldin, ist eine dieser Überlebenden und sie ist ganz alleine. Zumindest am Anfang. Sie ist es auch, aus deren Mund der Leser ihre Geschichte hört. Sie ist es, die darüber spricht, dass Schuhe das wichtigste werden, was man an seinem Körper trägt, dass die einzige Funktion, die der Regierung geblieben ist, das nächtliche Wegschaffen von Leichen und Einsammeln von menschlichen Exkrementen ist, um damit Energie zu erzeugen.


    Ihre Suche führt sich in viele Ecken und Viertel der Stadt. Sie trifft auf Menschen, die - obwohl sie Anna sowie der Leser nur kurz kennen lernt - einem oft ans Herz wachsen. Innerhalb weniger Seiten schafft Auster es, einen Charakter zu zeichnen und ihn entweder liebenswert oder verabscheuungswürdig zu machen oder (und das ist meistens der Fall) etwas nicht genauer definiertes dazwischen. Seine Charaktere sind aber allesamt lebendig und sehr, sehr menschlich. Manchmal konnte ich nicht nachvollziehen, warum Anna tut was sie tut, aber ich habe ihr bis zum Ende des Buches nur das Beste gewünscht und bin froh, sie und ihre Freunde kennen gelernt zu haben.


    Obwohl ich nebenbei Orwells "1984" lese, hat mich dieses Buch zutiefst schockiert. Es ist wohl eines der depirimierendsten Bücher, die ich je gelesen habe und gleichzeitig eines der besten. Fasziniert war ich auch davon, wie sehr Auster seinen Stil ändern kann. Da schreibt einer ein Buch aus der Sicht eines Hundes ("Timbuktu") und ein anderes über einen schlaflosen Mann und dann noch eines wie dieses hier. Dystopisch, deprimierend und gleichzeitig so mitreißend, dass es einen bis in den Schlaf verfolgt.


    Von mir gibt es fünf düstere Ratten:
    5ratten


    P.S.: Jetzt weiß ich auch, dass diese Anna dieselbe ist wie die in "Reisen im Skriptorium". Sehr clever, Herr Auster. :zwinker:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Das hört sich ja wirklich düster und deprimierend an. Und trotzdem (oder deswegen?!) ist das Buch direkt mal auf meine Wunschliste gewandert. :winken:


    Seoman

  • Huhu, Seoman.


    Das freut mich wirklich. :breitgrins: Es ist ein tolles Buch. Wenn ich nicht gerade "1984" lesen würde (das ist ja fast genauso schlimm), würde ich glatt schon über einen baldigen Re-Read nachdenken.


    Liebe Grüße,
    Wendy (die sich die Hände reibt und ihren Schnurrbart zwirbelt *muahahaha*)

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Wundert mich nicht, dass dieses Werk auf Austers typische düstere, makabere Weise gelungen ist - von der New York Trilogy sowie Man in the Dark könnte ich nichts anderes behaupten. Freue mich auch bereits sehr auf The Brooklyn Follies, mein momentan einziges auf dem SuB befindliches Werk von ihm.


  • Danke für die tolle Rezi. Meine Wunschliste ist auch gewachsen :smile:


    Fang mit Geocaching an - das Buch war nämlich in einer Geocachebox, die ich vor ein paar Wochen gesucht und gefunden habe. Da kannte ich den Thread zwar noch nicht, aber das Buch musste natürlich mit :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Fang mit Geocaching an - das Buch war nämlich in einer Geocachebox, die ich vor ein paar Wochen gesucht und gefunden habe. Da kannte ich den Thread zwar noch nicht, aber das Buch musste natürlich mit :breitgrins:


    Ach dann geb ich lieber die paar Euro aus und bin dafür im Warmen :breitgrins:

  • Paul Auster hat es schon wieder geschafft, mich schwer zu beeindrucken. Schon seine New York Trilogie hat mich fasziniert und lange Zeit beschäftigt und mit diesem Buch ging es mir genau so.


    Anna Blume macht sich auf den Weg in eine nicht näher bezeichnete Stadt, um ihren Bruder zu suchen. Der Journalist ist dort verschwunden und auch Anna wird von einer Reise dringend abgeraten. Als sie dort ankommt, merkt sie auch bald, warum. Die Stadt verfällt langsam, die Bewohner versuchen sich umzubringen oder versuchen, sich durch Plündern oder Fäkaliensammeln am Leben zu erhalten. Das Leben dort ist hart, die Gesetze sind streng und Menschen sehen sich nur noch als Konkurrenten. Auch gibt es scheinbar kein Entkommen aus der Stadt, wenn man einmal dort ist.


    Die Protagonistin, die in Briefen an einen Jugendfreund von ihren Erlebnissen erzählt, fügt sich schnell in diese grausame Welt ein, passt sich an um zu überleben. Auf ihren oft ziellosen Wanderungen trifft Anna erstaunlicherweise zwar immer wieder auch auf freundliche Menschen, sie können ihr aber auch nicht dauerhaft beistehen oder ihr wirklich weiterhelfen.


    Es dürfte klar sein, dass dieses Buch sehr negativ und deprimierend ist. Paul Auster gelingt es, diese fremde Welt, die unserer eigenen sehr ähnlich und doch ganz anders ist, eindringlich zu beschreiben und beim Leser Abscheu und Entsetzen auszulösen. "Im Land der letzten Dinge" ist ein sehr düsteres Buch, das trotz seines geringen Umfangs einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat! 5ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Anna Blume erzählt uns ihre Geschichte von ihrer Zeit „im Land der letzten Dinge“. Das Land ist in Wirklichkeit eine Stadt, in der die Zivilisation sich schon fast völlig aufgelöst hat. Sie selbst ist mit einem Hilfslieferungsschiff hier angekommen, um ihren Bruder zu suchen. Sie hat ihn weder gefunden, noch kommt sie selbst wieder fort, denn alles worum sich hier das Leben dreht ist das Überleben. „Arbeit“ gibt es praktisch nur als halbselbstständiger Lumpenhändler, Hunger ist allgegenwärtig und in einem der zerbröselnden Häuser eine Unterkunft zu haben, die einen im Winter trocken hält (warm wäre ein Traum) ist nahezu unmöglich. Bei alldem scheint die Zivilisation gar nicht so weit weg zu sein, auf der anderen Seite des Ozeans ganz sicher, vielleicht sogar schon gar nicht so weit außerhalb der Stadt, aber sie ist trotzdem unerreichbar.


    Das Buch ist überaus düster und deprimierend, die geschildete Stadt (New York?) ist in ihrer Dystopie zugleich unvorstellbar und vollkommen realistisch, glaubwürdig und beängstigend. Nur Anna handelt nicht immer vernünftig und ihre Unvernunft wird mir vom Autor nicht verständlich genug gemacht.


    Insgesamt aber außerordentlich beeindruckend.


    4ratten