José Saramago - Der Doppelgänger

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    Inhalt:


    Tertuliano Maximo Afonso ist ein unentschlossener, bequemer, leicht depressiver und frustrierter Geschichtelehrer, Ende 30, geschieden, mit der Bankangestellten Maria eher locker liiert. Eigentlich möchte er die Beziehung beenden, ihm fehlt allerdings der Mut dazu.
    Von einem Lehrerkollegen bekommt er den Tipp, sich zur Gemütserheiterung einen Film anzusehen. Tertuliano ist von dem B-Movie nur wenig begeistert, aus einer inneren Eingebung heraus aber sieht er ihn doch zu Ende und entdeckt einen Nebendarsteller, der ihm selber aufs Haar gleicht. Seine Neugierde ist geweckt und Tertuliano beginnt mit akribischer Feinarbeit und Detektivsinn, weitere Filme mit diesem Schauspieler zu eruieren und dessen Identität herauszufinden. Mit ungeahnter Besessenheit und totalem Einsatz macht er den Schauspieler ausfindig, er nimmt Kontakt mit ihm auf und erzählt ihm von den herausgefundenen Tatsachen.
    Der Doppelgänger gibt sich zuerst unbeeindruckt und möchte die Sache auf sich beruhen lassen, doch es lässt ihm keine Ruhe und die beiden vereinbaren ein Treffen. Sie stellen fest, dass sie wirklich absolut identisch sind. Allerdings ist dieses Treffen von negativen Gefühlen (Neid, Angst, Ehrgeiz, sogar Hass) gezeichnet.
    Beiden lässt das Doppelgängertum keine Ruhe und es kommt zu einem Rollentausch mit fatalen Folgen.


    José Saramago


    Geb. 1922 in einem kleinen Dorf der portugiesischen Provinz Ribatejo als Sohn von Landarbeitern in den Latifundien der Großgrundbesitzer. 1924 zog die Familie nach Lissabon um, wo der Vater als Polizist arbeitete.


    Trotz exzellenter Zeugnisse konnte Saramagos Familie sich den Besuch eines Gymnasiums nicht leisten. Als einzige Möglichkeit blieb ihm, auf eine technische Fachschule zu gehen, er wurde Mechaniker und arbeitete 2 Jahre in einer KFZ-Werkstatt. Während des Besuches der technischen Fachschule kam er zum ersten Mal in Kontakt mit der portugiesischen Literatur. In den nächsten Jahren wurde er ein eifriger Besucher der öffentlichen Bibliothek Lissabons, seine autodidaktischen Studien ermöglichten ihm bald in Verlagen und für Zeitungen zu arbeiten, bevor er 1976 freier Schriftsteller wurde.


    Zum Zeitpunkt seiner Heirat mit Ilda Reis (1944) war Saramago Angestellter bei der previdência social, der portugiesischen Sozialwohlfahrt.


    1949 wurde Saramago aus politischen Gründen entlassen. Ende der 1950'er begann er, als Produzent für einen Verlag zu arbeiten, so dass er viele wichtige portugiesische Schriftsteller kennen lernte und sich mit einigen befreundete.


    In der Folge arbeitet er als Übersetzer, später als Literaturkritiker.


    Im Jahre 1969 schloss er sich der damals verbotenen Kommunistischen Partei Portugals an, in der er indessen immer eine kritische Haltung einnahm.


    Nach der Nelkenrevolution 1974 schien Portugal eine kurze Zeit zum Kommunismus zu tendieren. Von April bis November 1975 arbeitete Saramago als stellvertretender Leiter der Tageszeitung Diário de Nóticias. Nach einer gescheiterten Rebellion kommunistischer Truppenteile ging das bürgerliche Lager als Sieger aus der Revolution hervor; Saramago verlor seinen Posten; ohne Hoffnung auf eine Anstellung entschied er sich, sich ganz der Literatur zu widmen.


    Saramago sprach sich 1986 gegen den Beitritt Spaniens und Portugals zur EU aus.


    1991 veröffentlichte Saramago das Buch "Das Evangelium nach Jesus Christus", die katholische Kirche erklärt den Roman für blasphemisch und als der damalige Kulturstaatssekretär Pedro Santana Lopes, der konservative Regierung 1992, den Namen Saramagos von der Liste der Kandidaten für den Europäischen Literaturpreis strich und so seinem neuer Roman die Teilnahme verweigerte, verlegten Saramago und seine Frau als Protest ihren Wohnsitz auf die kanarische Insel Lanzarote.


    Saramago kandidierte bei den Europawahlen 2004 für die Kommunistische Partei Portugals, allerdings auf einem aussichtslosen Listenplatz.


    Saramago erhielt viele portugiesische und internationale Literaturpreise, so 1998 den Nobelpreis für Literatur „für sein Werk, dessen Parabeln die Menschen die trügerische Wirklichkeit fassen lassen“.


    Werke (auszugsweise):


    1980 Hoffnung im Alentejo
    1982 Das Memorial
    1991 Das Evangelium nach Jesus Christus
    1995 Die Stadt der Blinden
    1997 Alle Namen
    2000 Das Zentrum
    2002 Der Doppelgänger
    2006 Die Stadt der Sehenden


    Meine Meinung


    Beeindruckend war für mich der Erzählstil und die Erzählperspektive. Der Leser fühlt sich mitten im Geschehen und wird auch immer wieder direkt angesprochen und in das Erzählte miteinbezogen.


    Gewöhnungsbedürftig die Satzzeichensetzung. Die direkte Rede wird gänzlich ohne Satzzeichen dargestellt, und ist nur erkennbar an aneinandergereihte Sätze mit großem Anfangsbuchstaben.


    Die Idee grundsätzlich fand ich ganz großartig. Die Auswüchse der Gentechnik, der Verlust der individuellen Identität, überhaupt die Rolle des Individuums in der Gesellschaft. Wie schnell ist man wirklich ersetzbar, wie austauschbar ist ein Individuum bzw. wie sehr sind wir eigentlich Individuen? Wie genau kennen uns unsere nächsten Mitmenschen, wie oberflächlich sind wir eigentlich.
    Einzelne, fast schon ins Philosophische gehende Aspekte (Kassandra-Motiv, Mutterinstinkt) Aspekte begleiten die Geschichte. Das hat mir sehr gut gefallen.


    Allein die Umsetzung und Ausarbeitung dieser Themen im Buch enttäuschte mich doch ein wenig. Die Tatsache, warum Tertuliano niemanden von seinem Doppelgänger erzählt, ist absolut nicht begründet und nicht nachvollziehbar. Das Ende ist doch relativ offen und gibt Anlass für Spekulationen und Diskussionen.


    Im Großen und Ganzen ein für mich etwas durchwachsenes Buch, aber sicher nicht das Letzte von José Saramago.


    3rattenplus :marypipeshalbeprivatmaus:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo!


    Die Idee, plötzlich auf einen identischen Doppelgänger zu treffen, ist ebenso alt wie erschreckend. Tertuliano Maximo Afonso wird von seiner Entdeckung völlig aus der Bahn geworfen. Er begibt sich auf die Suche nach dem Doppelgänger und vernachlässigt deswegen sein eigenes Leben. Auch als er ihn endlich gefunden hat kann er sich keinem anderem als ihm anvertrauen. Seine Freundin und seine Mutter läßt er weiterhin im Dunkeln. Das ist für mich unverständlich. Ich hätte eher erwartet dass er darüber spricht bevor es ihn zu sehr belastet. Die Überlegung, wer der gute und wer der böse Zwilling ist liegt nah. Es gibt bei beiden Männern Tendenzen in beide Richtungen, ich konnte diese Frage nicht beantworten.


    Anders als creative habe ich mich nicht angesprochen gefühlt. Ich fand den Stil eher steif udn den Umgang der einzelnen Personen miteinander hölzern. Das hat meiner Meinung nach aber gut zu Tertuliano Maximo Afonso gepasst. Ich konnte ihn mir richtig gut vorstellen :zwinker:
    3ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.