Alles anzeigenIch bin nun auch mit diesem ersten Abschnitt fertig.
Es ist mein erstes Buch von Dir, Melanie Metzenthin , und ich bin mir sicher es wird nicht das letzte sein
Ich kam sehr leicht in das Geschehen und der Schreibstil hat mir gut gefallen.
Walter und Friederike (und auch Bernhard sowie Friederikes Vater) sind mir sympathisch und ich finde sie sind authentische Figuren. Nicht zu 'glatt' aber eben sympathisch. Besonders Friederike gefällt mir, und ich mag es, dass sie nicht zu "perfekt" ist (sich zum Beispiel manchmal für ihren Ehemann schämt, was hier ja schon erwähnt wurde - dieses Gefühl ist menschlich).
Die Darstellung der geistig Behinderten und auch von Walter finde ich feinfühlig und toll. Einige Begriffe stoßen mir da sauer auf ("blödsinnig" u.s.w.) aber sie sind eben zeitgemäß und spiegeln den damaligen Diskurs wider. Von daher finde ich das sehr gelungen.
Du bist ja richtig flott, Karin. Ich freue mich sehr, dass dir die Beziehung zwischen Friederike und Bernhard gefällt. Ich habe übrigens sehr lange darüber gegrübelt, wie das mit dem Sexualleben ist und auch noch mal mit Kollegen in einem Autorenforum Rücksprache gehalten. Zunächst waren viele skeptisch - mutet es wie Pädophilie an, wenn eine Frau mit ihrem Ehemann, der durch die Hirnverletzung auf dem kognitiven Stand eines Kindes ist, Sex hat? Einige meinten, sie würden es ihr eher "verzeihen", wenn sie sich einen Geliebten suchen würde. Aber - und das war dann spannend - als ich die Szene geschrieben und in die Textkritiken dort eingestellt hatte, gefiel sie allen. Weil Bernhard eben kein hilfloses, ausgebeutetes Kind ist, sondern ein erwachsener Mann mit erwachsenen Bedürfnissen, auch wenn er kognitiv auf dem Stand eines fünfjährigen Kindes ist.
Über diese Szene habe ich viel nachgedacht und ich kann verstehen, dass da an Pädophilie gedacht werden kann. Oftmals geht es ja nicht unbedingt um den kindlichen Körper bei der Pädophilie, sondern um das Ausüben von Macht und das Ausnutzen von Machtverhältnissen bzw. Überlegenheit. Und dies wäre hier ja theoretisch gegeben - zumal Bernhard ja laut der anderen Figuren mental auf dem Stand eines Fünfjährigen ist und so eigentlich nicht wirklich einwilligen kann.
Allerdings ist Bernhard zu mehr fähig als gedacht, mental gesehen, wie man an den Gesprächen sehen kann die er mit Friederike führt. Vielleicht ist er also doch nicht so "Kind" wie man meinen sollte und ist sehr wohl in der Lage seine und Friederikes Bedürfnisse zu erkennen und diese bewusst zu erfüllen. Ich fand diese Szene also nicht abstoßend oder sehr problematisch, sondern schön. Ich musste nur viel über diese Szene grübeln - was ja auch positiv ist
Ich musste in diesem Zusammenhang auch daran denken, dass Menschen mit Down-Syndrom oft ein Liebesleben bzw. schon eine Beziehung verboten wird. Dabei fühlen diese Menschen ebenso können diverse Bedürfnisse haben, ganz unabhängig von ihrer mentalen Entwicklung.
Die Sache mit Kuno ging mir sehr nahe, ich hoffe er hatte keine Psychosen und hat in diesem Rahmen dann doch die Tat begangen. Aber ich glaube nicht. Im Gegenteil, mir ist Doktor Weiß sehr suspekt, er ist mir sehr unsympathisch und verhält sich seltsam. Und da ist leider auch noch Bernhard - wie weiter oben ja schon erwähnt wurde verhält er sich tatsächlich auch seltsam, immer wenn es um Föten bzw. Babies in Bäuchen geht. Dieser abwesende Blick den er dann bekommt... Ich hoffe sehr, dass er nicht an der Tragödie beteiligt war!
Die Situation um Fräulein Brunner ging mir fast noch näher. Ich denke, sie hat etwas schlimmes erlebt, sodass sie eine Persönlichkeitsstörung entwickelt hat. Und ich denke, was sie erlebt hat, hat mit einem Mann zu tun. Ob damit auch die Schwangerschaft zusammenhängt, keine Ahnung.
Vielleicht liege ich aber auch komplett falsch. Fakt ist, dass mir Fräulein Brunner sehr leid tut und ich hoffe, dass Friederike und ihr Vater dahingehend mehr herausbekommen und ihr helfen können.
Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht!
So, jetzt bin ich wieder am PC (vorhin nur am Smartphone im Hospiz, das ist immer etwas unbequem für längere Texte).
Zu den Begriffen "blödsinnig" und "Irre" etc. habe ich später noch einiges im Nachwort geschrieben (aber nicht das Nachwort zuerst lesen, das spoilert ).
Und zur Pädophilie fällt mir auch noch etwas ein, weil ich früher, in der forensischen Psychiatrie, sehr viel damit zu tun hatte.
Unter dem Begriff Pädophilie wird meist "Kinderschänder" subsumiert. Allerdings gibt es den klassischen Kinderschänder nicht in der Reinform und Macht/Dominanz spielt bei Kernpädophilen meist keine Rolle, sondern bei Pädosexuellen.
Der Unterschied ist folgender:
Der Kernpädophile ist ein Mensch, dessen Sexualität tatsächlich nur auf Kinder ausgerichtet ist. So wie beim Heterosexuellen auf das entgegengesetzte Geschlecht oder beim Homosexuellen auf das gleiche Geschlecht. Die Pädophilie selbst bedeutet nicht, dass derjenige ein "Kinderschänder" ist. Es gibt genügend Pädophile, die wissen, dass sie Kindern mit ihrer Neigung schaden und deshalb ihre Sexualität mit Kindern nicht ausleben wollen. Aber das ist sehr schwer, weil das in letzter Konsequenz bedeutet, dass sie kein Sexualleben mit einem anderen Menschen haben können. Wenn also ein Kernpädophiler dann Kinderfotos aus Bademoden-Katalogen ausschneidet und sich daran ergötzt, mag das für viele Leute abartig sein, aber es ist letztlich eine Bewältigungsstrategie, mit der er niemandem schadet. Mit Kinderpornografie würde er ja schon wieder Kindern schaden, deshalb ist das ja auch zu recht verboten.
Dann gibt es auch Kernpädophile, die sich gezielt an vernachlässigte Kinder heranmachen und sich um sie kümmern. Und irgendwann kommt es dann zu sexuellen Handlungen, die meist unter einem Vorwand beginnen, z.B. gemeinsames Duschen und das Kind, das sonst immer sehr vernachlässigt von seinen Eltern war, fühlt sich eigentlich unwohl, wenn es überall angefasst wird, aber gleichzeitig hat der Pädophile schon eine Beziehung zu ihm aufgebaut und ist u.U. der einzige Mensch, der sich außerhalb des Missbrauchs wirklich kümmert. Deshalb halten diese Kinder den Mund und vertrauen sich keinem an - und der Pädophile redet es sich schön - von wegen, es sei ja alles freiwillig.
Von diesen Kernpädophilen abzugrenzen sind die Pädosexuellen. Pädosexuelle können durchaus mit Erwachsenen lustvoll Sex haben, aber sie genießen die Macht durch Gewalt und Überlegenheit. Klassisches Beispiel dafür ist der Stiefvater, der die Kinder seiner Frau sexuell missbraucht - oftmals auch mit Gewalt und Misshandlung verbunden. Klassischerweise sind die Opfer von pädosexuellen Tätern überwiegend Mädchen und von pädophilen Tätern überwiegend Jungen.
Pädosexuelle Täter in diesem Sinne sind Vergewaltiger und Straftäter, die man auf die gleiche Weise wie klassische Vergewaltiger, die sich an erwachsenen Menschen vergehen, behandeln muss. Kernpädophile Täter müssen hingegen - sofern sie Kinder missbraucht haben - zu der Einsicht gebracht werden, dass sie den Kindern geschadet haben und man muss sie im Rahmen der Therapie, die im Gefängnis oder im forensischen Maßregelvollzug stattfindet, dazu bringen, dass sie aufhören, sich selbst zu belügen und erkennen, was sie getan haben. Nur dann kann man verhindern, dass so etwas wieder passiert. Kastration nützt übrigens nichts. Ich hatte mal einen Täter in der Forensik, der hatte, weil er Kinder missbraucht hatte, freiwillig einer Kastration zugestimmt, um aus der Sicherungsverwahrung rauszukommen. Später ging er dann zu Arzt, behauptete, dass er Hodenkrebs gehabt hatte und ihm deshalb vor Jahren die Hoden entfernt wurden, ließ sich Testosteron verschreiben und hat dann wieder Kinder missbraucht ...