1. Abschnitt: Kapitel 1 bis einschl. Kap. 8

Es gibt 84 Antworten in diesem Thema, welches 11.294 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kritty.

  • So, jetzt bin ich wieder am PC (vorhin nur am Smartphone im Hospiz, das ist immer etwas unbequem für längere Texte).


    Zu den Begriffen "blödsinnig" und "Irre" etc. habe ich später noch einiges im Nachwort geschrieben (aber nicht das Nachwort zuerst lesen, das spoilert ;) ).


    Und zur Pädophilie fällt mir auch noch etwas ein, weil ich früher, in der forensischen Psychiatrie, sehr viel damit zu tun hatte.


    Unter dem Begriff Pädophilie wird meist "Kinderschänder" subsumiert. Allerdings gibt es den klassischen Kinderschänder nicht in der Reinform und Macht/Dominanz spielt bei Kernpädophilen meist keine Rolle, sondern bei Pädosexuellen.


    Der Unterschied ist folgender:


    Der Kernpädophile ist ein Mensch, dessen Sexualität tatsächlich nur auf Kinder ausgerichtet ist. So wie beim Heterosexuellen auf das entgegengesetzte Geschlecht oder beim Homosexuellen auf das gleiche Geschlecht. Die Pädophilie selbst bedeutet nicht, dass derjenige ein "Kinderschänder" ist. Es gibt genügend Pädophile, die wissen, dass sie Kindern mit ihrer Neigung schaden und deshalb ihre Sexualität mit Kindern nicht ausleben wollen. Aber das ist sehr schwer, weil das in letzter Konsequenz bedeutet, dass sie kein Sexualleben mit einem anderen Menschen haben können. Wenn also ein Kernpädophiler dann Kinderfotos aus Bademoden-Katalogen ausschneidet und sich daran ergötzt, mag das für viele Leute abartig sein, aber es ist letztlich eine Bewältigungsstrategie, mit der er niemandem schadet. Mit Kinderpornografie würde er ja schon wieder Kindern schaden, deshalb ist das ja auch zu recht verboten.


    Dann gibt es auch Kernpädophile, die sich gezielt an vernachlässigte Kinder heranmachen und sich um sie kümmern. Und irgendwann kommt es dann zu sexuellen Handlungen, die meist unter einem Vorwand beginnen, z.B. gemeinsames Duschen und das Kind, das sonst immer sehr vernachlässigt von seinen Eltern war, fühlt sich eigentlich unwohl, wenn es überall angefasst wird, aber gleichzeitig hat der Pädophile schon eine Beziehung zu ihm aufgebaut und ist u.U. der einzige Mensch, der sich außerhalb des Missbrauchs wirklich kümmert. Deshalb halten diese Kinder den Mund und vertrauen sich keinem an - und der Pädophile redet es sich schön - von wegen, es sei ja alles freiwillig.


    Von diesen Kernpädophilen abzugrenzen sind die Pädosexuellen. Pädosexuelle können durchaus mit Erwachsenen lustvoll Sex haben, aber sie genießen die Macht durch Gewalt und Überlegenheit. Klassisches Beispiel dafür ist der Stiefvater, der die Kinder seiner Frau sexuell missbraucht - oftmals auch mit Gewalt und Misshandlung verbunden. Klassischerweise sind die Opfer von pädosexuellen Tätern überwiegend Mädchen und von pädophilen Tätern überwiegend Jungen.


    Pädosexuelle Täter in diesem Sinne sind Vergewaltiger und Straftäter, die man auf die gleiche Weise wie klassische Vergewaltiger, die sich an erwachsenen Menschen vergehen, behandeln muss. Kernpädophile Täter müssen hingegen - sofern sie Kinder missbraucht haben - zu der Einsicht gebracht werden, dass sie den Kindern geschadet haben und man muss sie im Rahmen der Therapie, die im Gefängnis oder im forensischen Maßregelvollzug stattfindet, dazu bringen, dass sie aufhören, sich selbst zu belügen und erkennen, was sie getan haben. Nur dann kann man verhindern, dass so etwas wieder passiert. Kastration nützt übrigens nichts. Ich hatte mal einen Täter in der Forensik, der hatte, weil er Kinder missbraucht hatte, freiwillig einer Kastration zugestimmt, um aus der Sicherungsverwahrung rauszukommen. Später ging er dann zu Arzt, behauptete, dass er Hodenkrebs gehabt hatte und ihm deshalb vor Jahren die Hoden entfernt wurden, ließ sich Testosteron verschreiben und hat dann wieder Kinder missbraucht ...

  • Vielen Dank, liebe Melanie, für die differenzierte Sicht auf die "Pädophilie". Spannend auch, wie das strafrechtlich verfolgt bzw. psychologisch angegangen wird.


    Und dass die Kastration nichts bringt, hätte ich so auch nicht gedacht.

    Liebe Grüße

    Karin



  • Vielen Dank für diesen Exkurs! Dass Pädophilie nicht gleich Kindesmissbrauch bedeutet war mir bewusst. Finde das wichtig das zu betonen und ich hoffe das kommt immer mehr bei den Menschen an. In meinem Umfeld ist man schönerweise der Meinung, Menschen mit dieser Neigung gehört geholfen und gehören nicht von vornherein verurteilt. Auch wenn ich trotzdem vorsichtig und unruhig werde wenn es um Kinder und sexuelle Gewalt geht.


    Ich denke ich hatte da ohnehin was "verwechselt" - bei Vergewaltigung geht es oft um Machtausübung soweit ich weiß. Ich habe natürlich kein Fachwissen.

    Danke nochmal für deine Beiträge! :)