(Ich hoffe, die Suche hat mich nicht schon wieder getrogen und es gibt doch schon Rezis dazu)
***Hard Facts***
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Titel: Die Silberschmiedin
Autor: Ines Thorn
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
ISBN: 3499238578
Seitenzahl: 379
Erscheinungsjahr: 2006
Genre: Historischer Roman
Wann und Wo: 16. Jahrhundert, Leipzig
Der Zug rattert, die Landschaft fliegt vorbei und Musik trällert im Ohr. So lässt es sich perfekt abtauchen in das historische Leipzig des 16. Jahrhunderts mit den verwinkelten Gassen, dem Gestank einer noch mittelalterlichen Stadt und den wunderschönen Kleidern der begüterten Leute, die sich auf dem Markt tummeln.
Eva, die Tochter einer Pelzhändlerin mit Imperium wird von ihrer Mutter nach Leipzig geschickt, um noch mehr Geld zu verdienen. Eva geht, denn sie will selbstständig, ohne den Schatten der Mutter, ihr Glück machen. Sie ist Silberschmiedin, im Mittelalter ein ungewöhnlicher Beruf für eine Frau, aber passend für die selbstbewusste junge Eva. Doch der Start ist nicht ganz einfach, denn plötzlich soll ihre Stiefschwester mitkommen. Dies sagt Eva nicht zu, denn zwischen beiden herrscht nicht nur Rivalität, sondern sie sind sich auch nicht sympathisch. Auf der Reise begegnet ihnen David, ein Silberschmied mit Zeichentalent, von dem Eva wider Willen fasziniert ist.
In Leipzig angekommen, kauft sie sich in eine Silbermine ein und gründet eine Werkstatt. Doch dies läuft nicht ohne Schwierigkeiten ab, die Zunft akzeptiert Eva nicht - bis Andreas Mattstedt kommt und ihr seine Hilfe anbietet. Und plötzlich taucht auch noch David auf, dessen Entwürfe der Werkstatt endlich zu Ruhm verhelfen könnten... Und was hat es eigentlich auf sich mit den ermordeten Frauen, die mit einer Silbermaske aufgefunden werden?
Der Roman besteht nicht nur aus einer spannenden Handlung, sondern besticht vor allem auch durch die historischen Anmerkungen, die sich flüssig in die Handlung einreihen (Wer weiß schon, woher der Begriff "Schlitzohr" kommt?) sowie durch eine schöne Sprache, die angenehm und leicht zu lesen ist. Besonders gefallen haben mir die philosophischen Gespräche und Ansätze, die in einer kleinen Gruppe in einem Hinterzimmer diskutiert werden: Die Aufklärung rückt näher. Man spürt das ausgehende Mittelalter, man erfährt viel über das damalige Leben, das mit neuen Büchern, Gedanken und dem Silber endet. Das Leben war einst übersichtlich, doch dann kamen neue Gedanken, die den Menschen den ruhigen Schlaf rauben, weil nichts mehr so ist, wie es war.
Mit Eva philosophiert der Leser über das "Ich" und die Liebe. Und hinter der interessanten Handlung verbergen sich lehrreiche Details, Widersprüche der Aussagen und der Taten, die entdeckt werden wollen: Eva, die über die Kraft der eigenen Gedanken philosophiert, die blinden Gehorsam unmöglich machen, und trotzdem in ihrer Liebe zu ihrem Mann ihr eigenes Selbst aufgibt, sich selbst vollkommen vergisst und nur noch gehorcht bis sie schließlich völlig am Ende ist.
Durch den Prolog und den Epilog wird der Geschichte ebenfalls ein tiefgründiger Rahmen gegeben, an dem sich die Handlung orientiert und der auf Heute verweist.
Neben der Philosophie, der Silbermorde, der Liebe wird auch noch Neid, Gier und HomoS.e.x.ualität thematisiert - ein durchaus vielseitiges Werk.
Negativ ist nur zu bemerken, dass man die Silbermorde noch besser in die Handlung hätte einbinden können um mehr Spannung zu erzeugen. So plätschert dieser Strang manchmal einfach dahin und reißt nicht mit, sondern verliert sich im Hintergrund, um dann nicht befriedigend geklärt zu werden.
Zuletzt ist noch die Ausstattung des Bandes hervorzuheben, denn auf Seite 3 findet sich eine historische Karte, die es leichter macht, sich in die Zeit hineinzuversetzen.
***Fazit***
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Ein spannendes, philosophisches und lehrreiches Portrait des Lebens an der Schwelle zur Aufklärung. Man erfährt viel Wissenswertes ohne sich belehrt zu fühlen, besonders Eva ist ein differenzierter und facettenreicher Charakter, der sich ständig entwickelt und einem nicht fremd bleibt. Eva ist keine Superheldin, die alles kann, sie ist immer fehlbar und gerade deshalb sympathisch. Sie ist manchmal schrecklich naiv und trotzdem ihrer Zeit voraus. Aber sie erscheint nicht wie ein moderner Mensch, den man nur in der Zeit zurückversetzt hat: Sie ist ein Kind ihrer Zeit. Ein Kind, das nach Selbstverwirklichung und der wahren Liebe sucht, das sich behaupten will in einer Männerwelt.
Die anderen Protagonisten sind allerdings ein wenig schwarz-weiß gezeichnet: der Ehemann, die hinterlistige und unsympathische Schwester und der gute Freund.
P.S.:"Die Silberschmiedin" ist der Folgeband zu "Die Pelzhändlerin", den ich leider nicht gelesen habe. Dies stört jedoch nicht, denn der Band ist in sich abgeschlossen und auch ohne Kenntnis des Vorgängers zu verstehen.
***Die besten Sätze***
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"Weil mit den Büchern die eigenen Gedanken kommen, nicht wahr? Wer liest, glaubt nicht mehr alles, was er hört", vervollständigte Eva die Gedanken der Freundin. "Ja.", bestätigt Ute. "Und wer eigene Gedanken hat, kann nicht mehr blind gehorchen."
"Nichts wird mehr so sein, wie es war. Den ruhigen Schlaf werden wir uns verdienen müssen."
***Die Autorin***
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Ines Thorn wurde 1964 in Leipzig geboren, machte eine Lehre zur Buchhändlerin und studierte Germansitik und Slawistik. Danach arbeitete sie als Journalistin, Werbetexterin, Redakteurin und Lektorin und ist seit 2003 nun freiberufliche Autorin.
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