Ulrike Renk - Zeit aus Glas

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    Aufwühlend und berührend

    Ruth hat die Pogromnacht erlebt und es ist nichts mehr, wie es vorher war. Die Übergriffe der Nazis lasten schwer auf ihr und ihren Freunden. Viele versuchen, die Heimat zu verlassen, doch nicht allen gelingt dies. Auch die Meyers bemühen sich um Visa, doch es gibt nur geringe Chancen. Sie wollen ja auch als Familie zusammenbleiben. Und dann geschieht das Schreckliche: Ruths Vater wird verhaftet. Ruth versucht auf eigene Faust ins Ausland zu kommen. Nur so, denkt sie, ihre Familie und auch ihren Vater retten zu können…

    Diese dramatische Familiengeschichte beruht auf wahren Begebenheiten.



    Meine Meinung

    Dies ist der zweite Band den Ulrike Renk über Ruth Meyer und ihre Familie geschrieben hat. Und es geht genauso spannend weiter, wie der erste Band aufgehört hat. Wieder war das Buch durch den angenehmen Schreibstil leicht und flüssig zu lesen. Auch wenn der Schreck einen doch immer wieder in den Klauen hält. Denn ich bin eine Nachkriegsgeneration. Zwar ist mir schon klar, dass damals entsetzliches geschehen ist, doch das nun auf eine Familie bezogen zu lesen, bewegt noch viel mehr. Auch wenn ich in den letzten, ich möchte sagen etwa zwei Jahren schon öfter über diese Zeit und die Nazigräuel gelesen habe. Zwar ist es bestimmt nicht Wort für Wort so wie geschildert passiert, aber vieles hat die Autorin wohl auch dem Tagebuch der Protagonistin Ruth Meyer entnommen. Ich war schnell in der Geschichte drinnen, konnte mich auch ganz gut in die Protagonistin hineinversetzen. Ich habe mit Ruth gelitten z.B. als ihr Vater verhaftet worden ist. Ich habe mit ihr auch später noch gelitten, doch weiter möchte ich nichts schreiben, denn ich will ja nicht spoilern. Das Buch hat mich regelrecht mitgerissen, ich konnte mit dem Lesen einfach nicht aufhören, so sehr hat es mich in seinen Bann gezogen. Natürlich endet es – genau wie fast alle Mehrteiler – mit einem Cliffhanger. Doch hoffe ich, dass es nicht allzu lange dauert, bis der nächste Band, der Abschlussband, erscheint. Ich bin sehr gespannt darauf! Von mir für dieses Buch eine Leseempfehlung sowie die volle Bewertungszahl.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Lerchie

    ____________________________

    nur wer aufgibt, hat schon verloren

  • Ich habe das Buch auch gerade gelesen und bin genauso beeindruckt davon wie Lerchie.


    P.S.:

    Doch hoffe ich, dass es nicht allzu lange dauert, bis der nächste Band, der Abschlussband, erscheint.

    "Tage des Lichts" soll am 20.01.2020 erscheinen.

    LG von Esther

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    ***Mein SUB***


    "Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns." (Franz Kafka)

    2 Mal editiert, zuletzt von Esther () aus folgendem Grund: Datum aktualisiert.

  • Nach der Reichsprogromnacht ist für Ruth und ihre Familie nichts mehr, wie es war. Die Nazis zerstörten ihr Haus - durch Glück konnte sich Ruth mit ihrer Schwester retten und auch ihre Eltern haben überlebt. Aber wie sollen sie nun weiterleben in einem Land, dass deutlich gezeigt hat, was es von ihnen hält, nur weil sie jüdischen Glaubens sind? Immer stärker wird der Drang ausreisen zu wollen. Doch können sie tatsächlich ihre Heimat verlassen? Werden sie Ausreisepapiere bekommen?


    Ulrike Renk erzählt eine wahre Geschichte von Ruth Meyer und ihrer Familie, die in Krefeld ansässig waren. Durch Tagebucheinträge, Interviews etc. ist diese Geschichte rekonstruierbar. Der zweite Band setzt da an, wo der erste aufhört. Die Reichsprogromnacht ist geschehen und die Schäden angerichtet. Dementsprechend düster startet das Buch. Überall findet sich Zerstörung - nicht nur Häuser und Geschäfte wurden zerstört, sondern auf Familien, Menschen. Was das Buch besonders brutal und präsent macht, ist die Wahrhaftigkeit. Die dort erzählten Schicksale sind nicht ausgedacht sondern wahr.


    Mit Ruth folgen wir einer starken Persönlichkeit, die trotz der Schwere einen Weg für sich und ihre Familie findet. Sie hält die Familie zusammen, versucht nach vorne zu schauen und nicht zurück. Es ist absolut spannend ihr zu folgen und dementsprechend neugierig bin ich auch schon auf den dritten Teil.

    Dennoch hat der zweite Band Schwächen, die ich beim ersten Teil nicht so gesehen habe. Vor allem die erste Hälfte zieht sich wie Kaugummi. Immer wieder werden Sachen wiederholt, nicht nur einmal, sondern zweimal oder dreimal oder gar viermal. Manchmal hatte ich das Gefühl, mein E-Book-Reader hat automatisch zurück geblättert. Aber nein, schon wieder wurde erwähnt, wie Ruth hadert, ob sie sich bewerben soll oder wie schlimm alles für die Mutter ist oder wie schön die Mutter immer alles eingerichtet hat. Das hat das Buch gar nicht nötig, weil die Geschichte auch so eindringlich genug ist.

    Nichtsdestotrotz eine gute Reihe, die ein wichtiges Familienschicksal erzählt!

  • Niemand wollte sich vorstellen, dass die dunklen Wolken über der Seidenstadt Krefeld noch dunkler werden könnten. Doch die Pogromnach belehrt die jüdische Bevölkerung eines Besseren. Bei der Familie Meyer tobt sich der Mob besonders heftig aus. Zum Glück hatten sich alle gerettet. Aber auch ihre Freunde sind betroffen. Trotzdem ist die Hilfsbereitschaft groß und viele helfen, dass Haus wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Auch die Familie Aretz unterstützt die Meyers. Karl hat sich zwar um ein Ausreisezertifikat nach Amerika gekümmert, da er aber so lange gehofft hat, alles würde sich einrenken, war er recht spät und nun wird es Jahre dauern, bis sie wirklich ausreisen können. Ruth trägt sich mit dem Gedanken, als Haushaltshilfe nach England zu gehen und von dort dafür zu sorgen, dass die Familie ausreisen kann. Doch dann wird Karl verhaftet. Was soll sie nur tun?

    Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten und die Autorin berichtet im Nachwort, wie sie dazu kam, sich mit Ruths Geschichte zu beschäftigen.

    Inzwischen ist einem die Familie Meyer und besonders Ruth so ans Herz gewachsen, dass man alle Ängste intensiv mit ihnen erlebt. Martha bricht unter der Belastung zusammen und auch Karl ist nicht gerade ein starker Mann, auch wenn er alles tut, damit sie sie versorgt sind. Ruth wächst über sich hinaus. Sie ist die Erste, die ins Haus geht und anfängt, dort Ordnung zu schaffen. Aber nur so kann sie das alles ertragen. Doch immer mehr kommen ihr Zweifel, ob sie einfach warten sollen, bis eine Ausreise möglich ist. Sie ergreift die Chance, die sie hat, auch wenn es ihr schier das Herz zerrreist. Es ist schön, dass es immer noch Menschen gibt, die das alles so nicht wollen und nicht wegsehen, sondern helfen. Ich finde es bewundernswert, wie viele Gefahren die Aretz auf sich nehmen, um den Meyers zu helfen. Auch auf der Reise erfährt Ruth immer wieder, dass da Menschen sind, die ihr selbstlos helfen.

    Mich hat auch das widerliche Spiel, das mit den Brüdern Merländer getrieben wurde, sehr erschüttert. Wie können sich Menschen nur so verhalten.

    Wie perfide das Vorgehen der Nazis ist, sieht man daran, dass bereits am Tag nach der Pogromnacht ein Reichsgesetz da ist, das die Juden verpflichtet, für die Schäden zu zahlen und alles innerhalb von 14 Tagen wiederherzurichten, damit das Straßenbild ordentlich ist.

    Es ist eine beklemmende Geschichte, die einem wirklich sehr nahe geht. Dieses sehr emotionales Buch dient hoffentlich als Warnung, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Ich bin schon sehr gespannt auf den nächsten Band.


    5ratten

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    Ulrike Renk: Zeit aus Glas. Das Schicksal einer Familie (Die große Seidenstadt-Saga, Band 2), Berlin 2019, Aufbau-Verlag, ISBN 978-3-7466-3499-9, Softcover, 487 Seiten, Format: 13,3 x 3,9 x 20,5 cm, Buch: EUR 12,99 (D). EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99. Auch als Hörbuch lieferbar.


    „Auswandern ist nicht das Problem“, sagte Walter. „Die Papiere habe ich schnell bekommen. (…)“
    „Was ist dann das Problem?“, fragte Martha verwirrt.
    „Einwandern, Martha. Raus dürfen wir schon, aber niemand will uns aufnehmen.“
    (Seite 168)


    Vorab zur Information: Die Seidenstadt-Trilogie beruht auf wahren Begebenheiten. Die Autorin konnte für diese Romanreihe unter anderem auf Ruth Meyer-Elcotts Tagebücher zurückgreifen. Für den Verlauf der Handlung und das Verhalten einzelner Menschen möge man also bitte das Leben verantwortlich machen und nicht Ulrike Renk. Sie hat sich das nicht ausgedacht. Sie erzählt uns Ruths Geschichte auf ihre bewährte Art und mit ein paar notwendigen dichterischen Freiheiten.


    Nach der Reichspogromnacht

    Krefeld, November 1938: Es ist noch gar nicht so lange her, da hatten Ruth Meyer (17), ihre jüngere Schwester Ilse und ihre Freunde ganz normale Teenager-Sorgen. Da hat es auch noch keine Rolle gespielt, dass sie Juden waren. Für die Meyers selbst am wenigsten. Sie sind so religiös wie viele Christen auch: Sie pflegen ein paar Traditionen, doch darüber hinaus ist der Glaube kein großes Thema für sie. Doch seit die Nazis im Land das Sagen haben, ist ihre Religionszugehörigkeit zur tödlichen Gefahr geworden.


    Immer mehr hat man ihnen als jüdischen Mitbürger*innen Rechte und Freiheiten beschnitten. In der Reichspogromnacht zerstört der braune Mob auch noch ihr mit viel Liebe eingerichtetes Haus. Durch einen glücklichen Zufall waren Meyers nicht daheim und sind, anders als ihre Nachbarn, körperlich unversehrt geblieben. Und sie haben immerhin noch die wenigen Wertsachen, die die umsichtige Ruth rechtzeitig verstecken konnte.


    Als ich das erste Mal von Lebensgeschichte der realen Ruth Meyer-Elcott hörte, habe ich mich gefragt, warum die Siebzehnjährige alles organisieren musste und es als ihre Verantwortung ansah, das Leben ihrer gesamten Familie zu retten. Müssten sich nicht vielmehr die Eltern um das Wohlergehen ihrer Kinder kümmern? In diesem zweiten Band wird nun klar, warum das so ist: Der Vater ist meist abwesend und ohnehin nicht allzu praktisch veranlagt. Ohne seinen Chauffeur Hans Aretz wäre er völlig aufgeschmissen. Die Mutter ist psychisch labil, die Großeltern weltfremd und die kleine Schwester noch zu jung. Also hängt alles an Ruth.


    Von England aus könnte Ruth die Familie retten

    Das Haus der Meyers ist verloren, da macht Ruth sich nichts vor. Sie finden bei jüdischen Freunden Unterschlupf, die schon auf gepackten Koffern sitzen und in Kürze in die USA auswandern. Eine Dauerlösung ist das nicht. Da erfährt Ruth von einem Programm, das es jungen deutschen Frauen ab 18 ermöglicht, als Haushaltshilfe nach England zu gehen. Auch Jüdinnen. Sie erwägt, daran teilzunehmen, auch wenn sie dazu ihre Familie allein zurücklassen und ihre Papiere fälschen müsste. Sie ist um wenige Monate zu jung. Natürlich ängstigt sie auch die Vorstellung, sich allein in einem fremden Land durchschlagen zu müssen, aber wenn sie erst mal im Ausland wäre, könnte sie von dort aus alles daran setzen, ihre Familie nachzuholen.



    Netzwerken in höchster Not

    Als sie der Familie ihren Entschluss mitteilt, nach England zu gehen, ist das Geschrei groß. Wie kann sie es wagen, die Familie im Stich zu lassen? – Hallo? Was ist denn das für ein Doppelstandard? Der Onkel, der alleine nach Palästina aufgebrochen ist, um den Nachzug seiner Familie vorzubereiten, wird als Held gefeiert, und Ruth betrachtet man als Verräterin? Sie lässt sich trotzdem nicht beirren.


    Meine Namensvetterin in dem Roman – sie trägt meinen „bürgerlichen“ Namen - ist ebenfalls einer der hilfreichen Menschen, auch wenn sie gar nicht zur Meyer-Verwandtschaft gehört. Für Ruth ist sie zunächst nur ein wildfremdes, neugieriges Weib, das alles Mögliche wissen will. Doch wie sich herausstellt, verfügt Edith über Kontakte und Möglichkeiten, von denen ein Mädchen wie Ruth nur träumen kann.

    Aber steht es auch ihrer Macht, die Meyers aus Krefeld herauszuholen …?


    Ein Teenie als Familienoberhaupt

    Auch wenn es Phasen gibt, in denen „nur“ der beklemmende Alltag der Meyers geschildert wird, kann man das Buch nicht aus der Hand legen. Das Unheil lauert stets im Hintergrund und man weiß genau, dass die Leute nun endlich in die Gänge kommen müssen, wenn sie ihr Leben retten wollen. Tun sie aber nicht! Sie verschließen die Augen vor der Realität (die Großeltern), vermasseln sich und den Kindern durch Egoismus und beleidigtes Gezicke die letzten Chancen (Tante Hedwig) oder jammern rum und kriegen rein gar nichts geregelt (Ruths Mutter Martha). Gut, wenn Martha wirklich depressiv war, konnte sie nichts für ihre Kraft- und Tatenlosigkeit. Es war trotzdem schwer zu ertragen, dass eine siebzehnjährige Schülerin in einer existenziellen Krise zum Familienoberhaupt werden und ihre Familie versorgen, bemuttern und retten muss. Ich ahne ungefähr, was das mit einem Menschen macht.


    Ich hätte wahnsinnig gerne die echte Ruth Meyer-Elcott kennengelernt! Es war bestimmt nicht immer einfach mit ihr. Ein Mensch mit so einer Lebensgeschichte lässt sich von den kleinen Wichtigtuern dieser Welt nämlich nicht mehr einschüchtern – und das mögen die gar nicht.


    Gerade weil die Geschichte wahr ist, ist sie für die Leser*innen manchmal schwer erträglich. Das ist kein leichter Stoff. Es kann auch kein Vergnügen gewesen sein, den Roman zu schreiben. Ich bin froh und dankbar, dass Ulrike Renk es trotzdem getan hat und es uns ermöglicht hat, Menschen wir Ruth und die Familie Aretz kennenzulernen.


    Die Autorin

    Ulrike Renk, geboren 1967 in Detmold, zog ein paar Jahre später mit Eltern und Bruder nach Dortmund, wo sie auch die Schule besuchte. Studienaufenthalt in den USA, Studium der Anglistik, Literaturwissenschaften und Soziologie an der RWTH Aachen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem jüngsten Sohn, zwei Alaskan Malamute, drei Hauskatzen und zwei indischen Laufenten, in Krefeld am Niederrhein und arbeitet als freie Autorin.

  • Ich habe ja nun diesen zweiten Bank direkt nach dem ersten gelesen, die Geschichte geht auch tatsächlich nahtlos weiter. Für Leser, die zwischen den Bänden Pausen eingelegt haben, werden wesentliche (und leider auch eher unwesentliche) Fakten wiederholt. Das empfand ich ehrlich gesagt als ein wenig nervend. Ansonsten steht der Band dem Vorgänger in nichts nach...lässt sich sehr gut und flüssig lesen.


    Die ganz große Begeisterung fehlt mir allerdings ein bisschen.


    Vielleicht hängt es daran, dass ich in letzter Zeit viel Lektüre gelesen habe, die sich mit dieser Zeit befasst und daher viele Geschehnisse nicht zum ersten Mal lese...


    Alles in allem gut und auch wirklich empfehlenswert, wenn auch nicht absolut überragend.

    Früherer Nutzername "Alexa" :)

  • Meine Meinung:


    Mir hat der zweite Teil sehr gut gefallen und ich habe überlegt gleich mit dem nächsten zu starten, weil ich gern wissen wollte, wie es mit Ruth weitergeht. Ich finde sie ist eine bemerkenswerte junge Frau, die die Situation schon ganz gut einschätzt. In der Polarnacht wurde ihr Haus zerstört und viele Menschen verletzt oder getötet. Sie versucht alles um das Land verlassen zu können und dann ihre Familie in die Sicherheit nachholen zu können. Sehr mutig sich dieser Aufgabe allein zu stellen, sie zieht bei einer fremden Familie als Hausmädchen ein und versucht von dort aus alles, um ihre Familie zu retten. Ihre Mutter ist leider nicht so stark und bekommt schwere Depressionen mit denen die Kinder auch noch zurechtkommen müssen. Mit dem Schreibstil der Autorin komme ich sehr gut zurecht und man kann sich auch sehr gut in die Personen hineinversetzen. Jedoch kann wohl niemand auf Papier bringen, wie schrecklich die Realität wirklich war. Ich hoffe diese Romanreihe öffnet manchen Menschen die Augen, damit so etwas Schreckliches in Zukunft nie mehr passieren kann.



    Ich vergebe:

    5ratten

    Nigends findest du Frieden als in dir selbst.