Elizabeth H. Winthrop - Mercy Seat

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 570 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links



    Louisiana 1943. Häftling Lane begleitet den Transport eines elektrischen Stuhls in eine Kleinstadt. Hier wurde der junge, schwarze Will zum Tode verurteilt und soll nun hingerichtet werden. Selbst der Staatsanwalt glaubt nicht so recht an Wills Schuld, aber Beweise dafür, dass alles ganz anders war als bestimmte Zeugen es berichteten, gibt es nicht und er konnte letztlich sowieso nicht anders, als die Todesstrafe zu fordern, dass macht man ihm sicherheitshalber mit einem „kleinen Ausflug“ seines Sohns klar. Außerdem begegnen wir noch Wills Vater, einem Priester und den Tankstellenpächtern ein paar Kilometer entfernt, die ihre eigene Verzweiflung mit sich herumtragen. Was mir hier auffiel, ist dass die berichtenden Personen bis auf Todeskandidat Will und seinen Vater alle weiß sind, das erscheint mir eine einseitige Berichterstattung, von der ich nicht weiß, ob die Autorin absichtlich nur einen Aspekt beleuchten will oder hier bedenklicherweise selbst eine eingeschränkte Perspektive hat.


    Ich mag übrigens den Klappentext überhaupt nicht, die Bezeichnung „weiße Wutbürger“ für vom Ku -Klux-Klan inspirierte (die Mitgliedschaft wird nicht ganz deutlich) Rassisten, die Lynchjustiz bevorzugen, empfinde ich als extrem beschönigend.


    Die Geschichte hingegen gefiel mir ausnehmend gut (sofern so etwas bei diesem Thema möglich ist). „Mercy Seat“ hat nichts mit Erbarmen, Gnade oder Mitleid zu tun, alle sind sie in ihrem Leben gefangen, es ist trostlos, beklemmend und es gibt kein Entkommen und am Ende wartet der Tod.


    Diese Stimmung zieht sich tatsächlich durch das gesamte Buch hindurch und nur am Ende gibt es für einige der Menschen einen möglichen Ausblick in eine nicht vollkommen verkorkste, traurige Zukunft, man hofft es zumindest beim Lesen, so will man sie nicht zurücklassen, aber das wird nur ganz zart angedeutet und kann jederzeit wieder zunichte gemacht werden.


    Trostlos und wütend machend, keine leichte Kost, doch trotzdem :tipp:


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

  • "Mercy Seat", so nennt man zynischerweise den elektrischen Stuhl, und einen solchen muss Lane, selbst Insasse eines US-Gefängnisses, im Sommer 1943 in eine Kleinstadt transportieren helfen, wo in Kürze der junge Schwarze Will hingerichtet werden soll, weil er ein weißes Mädchen vergewaltigt haben soll, das sich wenig später das Leben genommen hat. Von Wills Schuld überzeugt ist wohl nur der Vater des Mädchens, selbst der Staatsanwalt zweifelt und hadert im Nachhinein sehr mit seinem Urteil.


    Wills Vater ist indessen unterwegs, um seinen Sohn ein letztes Mal zu sehen, er hat den Grabstein bei sich, den er seinem Sohn als allerletzte Ehrerbietung aufstellen will, sobald die Hinrichtung vollstreckt wurde. Des weiteren treffen wir auf die Frau, die für Will seine Henkersmahlzeit kocht, den Priester, der den jungen Mann auf seinem letzten Weg begleiten soll, den Sohn des Staatsanwalts und ein Ehepaar, das eine Tankstelle betreibt und um den eigenen Sohn fürchtet, der im Kriegseinsatz ist.


    Der Roman ist nicht umfangreich, hat aber trotz der wenigen Seiten eine große erzählerische Wucht. Aus den verschiedenen Einzelperspektiven setzt sich in knapp und treffend geschilderten Szenen ein Bild zusammen, das erschüttert und berührt und den institutionellen Rassismus und die Sinnlosigkeit der Todesstrafe anprangert, ohne ins Kitschige abzugleiten oder den Zeigefinger zu erheben. Kein "schönes", aber ein ziemlich gutes Buch, das mich gefesselt und betroffen gemacht hat.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung

    The mercy seat ist ein sehr intensives Buch, das in einer Zeit spielt, die lange vorbei ist. Was allerdings nicht vorbei ist, obwohl es das lange sein sollte, sind die Vorurteile und das Verhalten gegenüber Menschen, die aufgrund von Hautfarbe oder Herkunft als anders angesehen werden.


    Es geht um eine Liebe, die in den Augen der meisten Menschen ein Verbrechen ist. Deshalb ist Will auch bereit, dafür zu sterben. Selbst wenn er das Verbrechen, wegen dem er angeklagt wurde, nicht begangen hat. Schon alleine das sagt viel aus.


    Der Vater des toten Mädchens und seine Freunde nehmen das Gesetz in ihre eigenen Hände. Um sicher zu gehen, dass ein Urteil in ihrem Sinn gesprochen wird, schrecken sie nicht vor Drohungen und Gewalt gegen den Sohn des Staatsanwalts zurück. Dass sie damit genauso zu Tätern werden wie der junge Mann in der Todeszelle in ihren Augen ist, sehen sie nicht. In ihren Augen ist ihre Sache gerechtfertigt, denn sie haben die richtige Hautfarbe.


    Zwischen diesen Fronten stehen viele Menschen: der Priester, der Will auf seinem letzten Weg begleitet, die Frau des Staatsanwalts und ihr Sohn, Wills Eltern und ein Ehepaar, dessen Welt zerbrochen ist ohne dass sie es ahnen. Jeder Einzelne hätte eine eigene Geschichte verdient. Dass ihre Geschichten in diesem einem Buch erzählt werden, macht The Mercy Seat zu einer eindrucksvollen Anklage gegen dieses ungerechte System.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.