#5: Seite 189 bis Seite 230 (Ende Kapitel "Die Sache mit der Resozialisation")​

Es gibt 30 Antworten in diesem Thema, welches 8.952 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tobias O. Meißner.

  • Tut mir leid, ich muss jetzt hier auch mal den Literaturbetrieb in Schutz nehmen dürfen, in dem ja auch hinter den Kulissen viele Frauen arbeiten (meine Verlegerin bei PIPER zum Beispiel ist eine Frau): Ich kann die Marginalisierung von Frauen im Literaturbetrieb nicht bestätigen. Ich würde auch nicht in einer Branche arbeiten wollen, in der Frauen systematisch benachteiligt oder sogar unterdrückt werden.

    Wenn ich mir die ganz aktuelle Spiegel-Bestsellerliste (39/2019) aufrufe, sehe ich in den Top Five bei Belletristik Frauen auf den Plätzen 2, 3 und 5, bei Paperback auf den Plätzen 1 und 2 und bei Taschenbüchern auf den Plätzen 1, 2 und 5. Unter "Marginalisierung" stelle ich mir etwas ganz anderes vor, nämlich ein effektives Hinausdrängen und Kleinhalten, dann gäbe es höchstens noch so etwas wie eine Quotenfrau.

    Keine der Schriftstellerinnen, die ich persönlich kenne, ist aufgrund ihres Geschlechts aus dem Beruf gemobbt worden.

    Marginalisierung von Frauen sehe ich eher in der Filmbranche, wo Regisseurinnen immer noch die Ausnahme sind, und Rollen für Schauspielerinnen über fünfzig ziemlich rar. Aber in der Buchbranche? Schon lange nicht mehr.


    :boxen:: Tobias

    (bereit, die Buchbranche zu verteidigen)

    Erzähler von Mammuten und Schwertern

  • Das sehe und kenne ich durchaus anders. Ich kenne genug Frauen, die zB nicht verlegt werden, weil sie im "falschen" Genre zu Hause sind. Definitiv gibt es viele Frauen in der Buchbranche, aber hervorgehoben werden nach meinem Empfinden (und nach Ergebnissen von einigen Studien) die Männer, während die Frauen durchaus "kleingehalten" werden.

    Träume sind die Edelsteine unserer Gedanken - Bücher sind Juwelen für die Seele


    Buchbloggerin

    Autorin

  • Ich kenne genug Frauen, die zB nicht verlegt werden, weil sie im "falschen" Genre zu Hause sind.

    Ich kenne auch genug Männer, die nicht verlegt werden, weil sie im "falschen Genre" zu Hause sind. Das sind kommerzielle Gesichtspunkte, unter denen haben alle gleichermaßen zu leiden.


    Definitiv gibt es viele Frauen in der Buchbranche, aber hervorgehoben werden nach meinem Empfinden (und nach Ergebnissen von einigen Studien) die Männer, während die Frauen durchaus "kleingehalten" werden.

    Diese Studien würden mich mal interessieren. Was werten die denn aus? Medien-Coverage? Weil Du sagst: "hervorgehoben". Dann wäre es aber kein Problem der Buchbranche.

    Diese Seite hier ist jetzt nicht superseriös und wissenschaftlich, aber sie bildet ab, was eigentlich alle wissen: der erfolgreichste Schriftsteller (geschlechtsneutral formuliert) unserer Zeit ist eine Frau. Und auch ansonsten sind Frauen auf dieser Liste sehr gut vertreten. Also was bedeutet, sie werden "kleingehalten"?

    https://www.msn.com/de-de/unte…elt/ss-BBPIi2V?li=BBqg4ej


    :gruebel:: Tobias

    Erzähler von Mammuten und Schwertern

    2 Mal editiert, zuletzt von Tobias O. Meißner ()

  • Eine weitreichende Studie findet sich zB hier: http://www.frauenzählen.de/index.html

    Hier zeigt sich deutlich, dass Frauen selten und wenn dann erst seit ein paar Jahren - seit das Problem öffentlich debattiert wird - die gleichen Möglichkeiten bei Preisen bekommen und als Autorinnen im gesamten Buchmarkt deutlich unterrepräsentiert sind. Sie werden seltener verlegt, seltener Beworben und seltener Besprochen. Der allgemeine Duktus, dass Frauen keine Literatur schaffen können, erst recht keine Bedeutende, sondern höchstens zutiefst triviale, ist weit verbreitet. Die Behauptungen, dass Frauen eben weniger schreiben oder weniger geschrieben haben oder eben anders, sprich schlechter, schreiben, halten sich wacker. Dass in Verlagen selbst viele Frauen arbeiten ändert nichts daran, dass sie als Autorinnen stigmatisiert werden.

    Und zu Rowling: Diese Frau hat auf den ersten Büchern ihren Vornamen noch abkürzen müssen, weil nicht offen ersichtlich sein durfte, dass sie eine Frau ist. Sie schreibt in einem als typisches Frauengenre ausgewiesenem Bereich, der Kinder- und Jugendliteratur. Ihre Idee wurde dutzende Male abgelehnt, bis sie in kleiner Auflage gedruckt wurde. Und danach hatte sie verdammt viel Glück und einen guten Merchendising-Vertrag. Mit ihren Versuchen im Krimi-Bereich hatte sie weit weniger Erfolg.

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  • Wie ich schon vermutet habe, wertet die Studie nur Rezensionen aus. Das heißt: Die Buchbranche versucht Frauen zu pushen, und männliche Rezensenten versuchen dann, Frauen zu ignorieren. Es gibt also keine Anhaltspunkte für eine "Verschwörung" innerhalb der Buchbranche. Und interessanterweise hat die "Verschwörung" der männlichen Rezensenten kaum Einfluss auf den letztendlichen Erfolg. Und man kann ja auch als Mann nicht besprochen werden. Ich zum Beispiel spiele seit über einem Jahrzehnt im Feuilleton keine Rolle mehr. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich Mann oder Frau bin, sondern dass ich Taschenbücher schreibe.

    Und zu Rowling: Ich bestreite nicht, dass sie es vor zwanzig Jahren anfangs schwer hatte. Wie ich übrigens auch: Nach dem kommerziellen Misserfolg meines ersten Romans hat mein Verlag mich erst einmal gefeuert, und ich fand mich als Fabrikarbeiter wieder. Da nutzten mir positive Rezensionen überhaupt nichts (die positivste bekam ich übrigens von einer Frau), es zählt allein der messbare Erfolg.

    Aber ich habe weiterhin den Eindruck, dass es geschlechtsspezifische Schwierigkeiten in den zwei Jahrzehnten seit Rowling nicht mehr gibt, weil sie eine Eisbrecherfunktion hatte, weil sie halt der absolute Super-Geldsegen war. Und wir reden ja von heute, nicht von früher. Der verhältnismäßig schnelle Erfolg von E. L. James, Suzanne Collins oder Stephenie Meyer belegt das doch. Man beachte, wie viele Romane Stephen King und Paolo Coelho über wie viele Jahrzehnte hinweg schreiben mussten, um auf die Plätze 2 und 3 der Liste hinter Rowling zu kommen, und wie wenige Romane (nämlich genau genommen jeweils nur eine einzige Trilogie) James, Collins und Meyer dafür brauchten. (Ja, ich weiß, dass Collins noch einen anderen, erfolgloseren Zyklus geschrieben hat. Dennoch kommt sie insgesamt auf gerade mal acht Romane. Dan Brown auch nur, aber ich sage ja: Es gibt durchaus Gleichberechtigung. :zwinker: Und Rowling hat so etwa zehn Romane, oder? Auch nicht viel. Ich habe 27, und ich stünde nicht mal auf einer Liste namens "die zehn Millionen bestverdienensten Schriftsteller der Welt".) :gaehn:


    :winken:: Tobias

    Erzähler von Mammuten und Schwertern

  • Nur mal so...in den letzten Jahren waren fast nur Frauen die Gewinnerinnen des HUGO. Ich glaube die letzten zwei Jahre nur Frauen. Selbst eine Bewegung, die sich gegen diesen Trend stark gemacht hat, hat es nicht geschafft, die Frauen zu verdrängen und das in einem Genre, das normalerweise als männliche Domäne gilt.

  • Danke, Rhea, dass Du mir mit einem weiteren Fakt aushilfst.

    In der Buchbranche sind Frauen wirklich eine MACHT. Ich merke das nicht nur an den Bestsellerlisten, sondern auch hinter den Kulissen. Bei EVIL MISS UNIVERSE war meine Verlegerin eine Frau, meine Lektorin war eine Frau, das Korrektorat war eine Frau, die Titelbildzeichnerin war eine Frau, die Titelbilddesignerin war eine Frau, die Presseabteilung war eine Frau, die Marketingabteilung war eine Frau, und die Person, mit der ich während des Schreibens sämtliche organisatorischen Fragen geklärt habe, war ebenfalls eine Frau, nämlich die rechte Hand des Programmchefs, der der einzige Mann war, mit dem ich beim gesamten Herstellungsprozess - und das auch nur sehr kurz, nämlich anfangs, bei den Vertragsverhandlungen - Kontakt hatte. Ergibt zwei Männer und acht Frauen.

    Man vergleiche das mal mit der Musikbranche: Da gibt es zwar hunderttausend Sängerinnen - aber versuch mal, eine Produzentin zu finden! Oder eine Tontechnikerin?


    :hexe:: Tobias

    Erzähler von Mammuten und Schwertern

  • Man vergleiche das mal mit der Musikbranche: Da gibt es zwar hunderttausend Sängerinnen - aber versuch mal, eine Produzentin zu finden! Oder eine Tontechnikerin?

    Eine fällt mir auf Anhieb ein: Linda Perry

    Aber du hast recht, da sind Frauen wohl unterrepräsentiert.

  • Stimmt. Mir fällt auch noch eine Produzentin ein: Missy Elliott. Aber man muss sie suchen wie Nadeln im Heuhaufen, oder? Wenigstens gibt es Musikerinnen, die sich soweit durchsetzen können, dass sie sich selbst produzieren oder zumindest co-produzieren, z. B. die ja auch in EVIL MISS UNIVERSE eine Rolle spielende Laura Mvula. Gibt man ihren Namen bei Wikipedia ein, wird sie als "Soulpopsängerin" bezeichnet, was an Untertreibung kaum zu überbieten ist: Sie komponiert und schreibt ihre Alben selbst, also Musik und Texte, singt, spielt großartig Klavier und hat bei ihrem zweiten Album das London Symphony Orchestra sogar dirigiert. Momentan arbeitet sie an ihren dritten Album, ich bin extrem gespannt darauf und kaufe es mir, sobald es erscheint.


    :anbet:: Tobias

    Erzähler von Mammuten und Schwertern

  • Die Sache mit der Resozialisation ist glaube ich mein Lieblingsabschnitt des Buches. Nicht nur lernen wir mehr über Dominiques Vergangenheit und Philian- die Racheaktion erscheint nun noch absurder, nachdem das ausschlaggebende Ereignis aufgedeckt wurde, trotzdem fand ich die Idee des "Auslösers" gut -sondern man lernt Dominique auch von einer anderen, menschlicheren Seite kennen. Mir persönlich hat die Liebesgeschichte zwischen Beiden sehr gut gefallen. Der Doktor ist natürlich total daneben.

    Mit psychiatrischen Heilanstalten bin ich kaum vertraut, zumindest was in der im Buch beschriebenen vor sich geht ist meiner Meinung nach aber nun...nicht besonders zielführend. Dominique so mit Medikamenten vollzustopfen, dass sie irgendwann "sabbernd" herumliegt und ihr Verstand praktisch tot ist? "Heilung" sieht da für meine Begriffe anders aus^^

    Es ist natürlich sehr bitter für Dominique, dass ihr all das zugefügt wird, für ein Verbrechen, dass sie gar nicht begangen hat. Wäre andererseits ein anderes ihrer Verbrechen aufgefallen- bspw. die Aneignung von deutschen Millionen oder die Banküberfallserie hätte es sie vermutlich durchaus auch schlimmer mit dem Urteil treffen können.

  • Es ist natürlich sehr bitter für Dominique, dass ihr all das zugefügt wird, für ein Verbrechen, dass sie gar nicht begangen hat. Wäre andererseits ein anderes ihrer Verbrechen aufgefallen- bspw. die Aneignung von deutschen Millionen oder die Banküberfallserie hätte es sie vermutlich durchaus auch schlimmer mit dem Urteil treffen können.

    Ich glaube, der Grund, warum Dominique so ausgerastet ist - und nur noch mit Psychopharmaka zu "bändigen" war - ist eben, dass sie verurteilt wurde für etwas, was sie NICHT getan hat. Eine Verurteilung für eines ihrer tatsächlichen Verbrechen hätte immerhin eine - wenn auch missbilligende - Anerkennung dieser Verbrechen bedeutet. So aber bringt sie beides auf die Palme: 1. dass es den Behörden nicht gelingt, sie als Superverbrecherin zu identifizieren (obwohl sie z. B. die Bankraubserie ja sogar signiert hat), und 2. dass man ihr irgendeinen sinnlosen Quatsch in die Schuhe schieben kann, und jeder glaubt sowas.


    :pics:: Tobias

    Erzähler von Mammuten und Schwertern