Abschnitt 3 - Kapitel 25 - 39

Es gibt 31 Antworten in diesem Thema, welches 4.362 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Melanie Metzenthin.

  • Das mit der katholischen Leserin ist interessant. Hätte nicht gedacht, dass sie sich damit identifiziert und sich ein wenig angegriffen fühlte.

    Das hat mich damals auch sehr erstaunt, denn es geht ja nicht um eine Religion, sondern den Umgang mit Überzeugungen - ganz unabhängig von der Religion oder Weltanschauung.

    Ja eben, darum ist es auch schlecht zu verstehen. Wer weiß wie tief verankert die Leserin in ihrem Glauben ist, dass sie es fast persönlich nimmt. Ich sehe es gar nicht so schlimm, denn ich fand es interessant wie die beiden ihre Meinung vertreten.

    Als Aussenstehende sehe ich da nichts was die Religion angreift.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Dass Auguste Feldbehn das nicht einfach so schlucken würde, hatte ich mir beinahe schon gedacht, aber ich hatte noch mehr Schikanen von ihrer Seite erwartet. Aber bisher ist das alles nichts, mit dem Martha nicht fertig werden würde. Wie sie Auguste aus dem OP-Saal verbannt hat, war zwar nicht die feine Art, aber ganz ehrlich, ich kann sie dafür nicht verurteilen. Das ist in jedem Fall besser, wie wenn Auguste auf Kosten der Patientengesundheit versucht, Martha bei den Ärzten schlecht zu machen, das ist viel schlimmer.

    Tja, Martha ist eben auch nicht nur edel und gut - die hat auch Ecken und Kanten ;)



    Als wir den Vater von Auguste kennenlernen, wundert es mich allerdings nicht mehr, dass sie so ist, wie sie ist. Wobei ich immer wieder das Gefühl habe, dass da noch mehr bei ihr ist - auch Martha hat ja dieses Gefühl von "Halbherzigkeit". Ob es stimmt, dass sie ein Kind bekommen hat und nicht ihre Mutter? Ich könnte mir vorstellen, dass auch Augustes Leben weit davon entfernt ist, frei zu sein.

    Wir werden noch später mehr über Auguste erfahren und auch noch ihre Mutter kennenlernen.


    Dass sich Marthas Vater wieder so weit gefangen hat und als Leiermann mit Äffchen so gut unterwegs ist, hat mich sehr gefreut. Auch bei dem Schlagabtausch mit Feldbehn hatte er richtig gut agiert. Ich befürchte allerdings, dass dafür irgendwann eine Retourkutsche kommen könnte.

    Karl Westphal hatte zwar Schwächlingsphasen - aber einen Teil ihrer Stärke hat Martha von ihm - unter anderem auch die Redegewandtheit.

    Das Verhältnis mit Susanne ist ein Auf und Ab ... schade, dass Susanne so eine schlechte Meinung über Prostituierte und andere Frauen in Not hat, ansonsten ist sie echt patent und ich finde es toll, dass sie sich wie Carola und Martha für die Notleidenden einsetzt.

    Das Verhältnis bleibt spannend, das verspreche ich.



    Ansonsten geht es auch Milli ganz gut, sie kann sich ihre Kundschaft aussuchen. Wobei die dritte Gruppe mit dem homosexuellen Männern sicherlich die angenehmste Gruppe ist. Schon traurig, zu welchen Tricks die Männer damals greifen mussten, damit niemand Verdacht bezüglich ihrer sexuellen Orientierung schöpft, weil das ja strafbar war :(

    Das ist übrigens noch wichtig für später ;)

    Nun kommt auch eine romantische Komponente mit Paul Studt hinzu. Aber es ist doch wieder typisch, dass Erika-Schwestern nur als unverheiratete Frauen ihren Beruf ausüben dürfen, bei einem Mann würde danach kein Hahn krähen :cursing:

    Ja, das war schon ziemlich hirnrissig ...



    Die damaligen Arbeitsbedingen, die sich immer weiter verschärfen, können wir uns heute überhaupt nicht mehr vorstellen. Unsereiner fragt sich direkt, warum haben die Arbeiter das damals mit sich machen lassen und sind nicht schon früher aufgestanden, um dagegen zu demonstrieren, aber die armen Menschen mussten damals damit rechnen, dass es sonst noch schlimmer für sie wird. Da wird einem wieder mal so richtig bewusst, was für ein gutes Leben wir heute führen, bei dem jeder auf Demos gehen kann, ohne danach um seine (finanzielle) Existenz fürchten zu müssen.


    72-Stunden-Schichten ... das muss man sich mal vorstellen. Dass sich dann die Unfälle häufen, ist ja wohl kein Wunder, aber die Arbeitgeber interessiert das überhaupt nicht, es gibt ja genügend Menschen, die froh sind, überhaupt einen kleinen Lohn zu bekommen, auch wenn diese Menschen durch die Cholera stark ausgedünnt wurden.

    Und die Arbeitgeber kapierten einfach nicht, dass sie sich viel mehr einen Gefallen tun würden, wenn sie ihre Arbeitskräfte pfleglich behandeln würden, weil es dann viel mehr Produktivität und weniger Unfälle geben würde. Aber ein Menschenleben war damals einfach nichts wert.


    Der Zusammenhalt und die Unterstützung während der großen Streiks ist wirklich enorm - endlich zeigt sich mal eine Solidarität, teilweise durch alle Schichten. Ich befürchte allerdings, dass die Oberen den längeren Atem haben könnten, aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich vielleicht doch mal endlich was ändert.

    Ja, verglichen mit dem, was diese Menschen erdulden mussten, ist das, was wir heute beklagen, pillipalle. Vor allem, da diese Generation später auch noch zwei Weltkriege erleben durfte ...

  • odenwaldcollies , mich lässt dieser Gedanke auch nicht los, dass Auguste das Kind bekommen hat. Es gibt immer wieder Geschichten wo gefallenen Mädchen aus reichem Haus weggeschickt wurden, um wo anders das Kind zur Welt zu bringen. Wer weiß, vielleicht erfahren wir noch ein wenig mehr über Auguste.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Nein, das wäre so tatsächlich erst 10-15 Jahre später möglich gewesen wegen der Belichtungszeiten. Ich kläre das auch im Nachwort auf. Aber da mir dieser Handlungsstrang so gut gefiel, habe ich es gelassen und die Aufklärung ins Nachwort gesetzt. Manchmal gönne ich mir solche Freiheiten, wenn sie der Geschichte dienen und ich sie später aufkläre.

    Ich freu mich nur immer, wenn ich solche Freiheiten entdecke ohne, dass man mich darauf hinweisen muss! Manchmal bin ich wirklich etwas monk. Aber ich hab es eh schon gesagt: eigentlich ist es egal, denn die Geschichte ist interessant!


    Als wir den Vater von Auguste kennenlernen, wundert es mich allerdings nicht mehr, dass sie so ist, wie sie ist. Wobei ich immer wieder das Gefühl habe, dass da noch mehr bei ihr ist - auch Martha hat ja dieses Gefühl von "Halbherzigkeit". Ob es stimmt, dass sie ein Kind bekommen hat und nicht ihre Mutter? Ich könnte mir vorstellen, dass auch Augustes Leben weit davon entfernt ist, frei zu sein.

    Das ist wirklich eine eingebildete Familie - sie wissen es anscheinend einfach nicht besser! Ich weiß auch nicht, ob es stimmt, dass sie ein Kind bekommen hat und nicht ihre Mutter. Aber ich vermute, dass dies eine beliebte Methode war, uneheliche Kinder ehelich zu machen und Töchter "auf Abwegen" heiratsfähig zu halten oder zumindest irgendwie "ehrbar". Auf alle Fälle ist das für mich doch ein Grund, mit ihr auch ein wenig Mitleid zu haben obwohl sie mir wenig Möglichkeiten bietet, sie sympathisch zu finden!

    Die Schwesternschaft war doch nicht kirchlich, richtig? Aber trotzdem sind sie so streng wie die Nonnen, dass verstehe ich nicht so ganz.

    Wurde dieses gewünschte Zölibat der Krankenschwestern eigentlich irgendwie begründet? Und wer hat das eigentlich "erfunden"? Und - das wurde hier schon geschrieben - von Männern würde das nie verlangt werden.

    Ärzte durften doch problemlos heiraten und Krankenwärter wie dieser gruselige Probst doch sicher auch.


    Abgesehen davon - das war eh noch nie ein familenfreundlicher Beruf;)

    Vernunft, Vernunft...

  • Wurde dieses gewünschte Zölibat der Krankenschwestern eigentlich irgendwie begründet? Und wer hat das eigentlich "erfunden"? Und - das wurde hier schon geschrieben - von Männern würde das nie verlangt werden.

    Ärzte durften doch problemlos heiraten und Krankenwärter wie dieser gruselige Probst doch sicher auch.


    Abgesehen davon - das war eh noch nie ein familenfreundlicher Beruf ;)

    Krankenwärterinnen durften auch verheiratet sein.


    Die elitären Krankenschwestern aus besserem Hause sollten sich ganz der Aufgabe widmen. Die Gründerin der Erika-Schwesterschaft, Hedwig von Schlichting, wollte eigentlich sogar noch seelsorgerische Tätigkeiten für die ansich weltlichen Schwestern einführen. Das gab aber immer Streit mit dem ärztlichen Direktor. Ich habe das Thema weggelassen, weil das den Rahmen gesprengt hätte. Außerdem hätte es eine Katholikin wie Susanne da noch mal schwerer gehabt, da man sich eigentlich auf evangelische höhere Töchter spezialisiert hatte. Aber da es eben keine Diakonissen waren, war die Konfession nicht so statisch.

  • Ja, der Leierkasten, einfach Klasse. Mein Schwager hat auch so einen originalen Leierkasten mit all diesen Rollen. Er tritt ab und an noch auf Feierlichkeiten damit auf, sogar mit Zylinder. Und für Marthas Vater ist es eine Arbeit, die nicht zu anstrengend ist.


    Oh, das ist bestimmt toll ... nur das Äffchen fehlt ... :)

  • Wir werden noch später mehr über Auguste erfahren und auch noch ihre Mutter kennenlernen.

    Da bin ich jetzt sehr gespannt darauf.


    Ja, verglichen mit dem, was diese Menschen erdulden mussten, ist das, was wir heute beklagen, pillipalle. Vor allem, da diese Generation später auch noch zwei Weltkriege erleben durfte ...

    Ja, wenn man sich das mal vorstellt!

    Liebe Grüße

    Karin

  • Für Martha und ihre Familie geht es jetzt tatsächlich mal bergauf. Nach all dem Leid und dem Elend wurde das ja auch mal Zeit. ;)


    Martha ist jetzt zum ersten Mal im OP und überzeugt durch ihr Wissen und ihre Neugier. Ich finde es schön, dass Dr. Liebknecht eben nicht durch Schmeicheleien und Augengeklimper zu überzeugen ist, sondern durch Können und Wissen. Das macht ihn sympathisch. Allerdings steckt auch er voller Vorurteile. Z.B. zeigt er sich enttäuscht, dass Martha sich für das Nähen interessiert, wie es in seinen Augen ihre Natur ist, wo sie sich doch bis gerade eben wie ein "richtiger Junge" verhalten hat. Außerdem spricht er Frauen die Fähigkeit ab, objektiv an Dinge heranzugehen. Er nennt es "natürliche Einschränkungen". Also auch jemand, der an die Unterlegenheit der Frauen glaubt.


    Martha bewirbt sich als OP-Schwester, da sie dafür offenbar Talent hat. Dass sie Susanne nichts davon erzählt, halte ich für einen Fehler, denn das es böses Blut geben könnte, wenn Martha die Stelle bekommt und nicht Susanne, ist ja sonnenklar. Fairer wäre es, wenn sie ihr das gesagt hätte. Natürlich hätte sich Susanne wahrscheinlich auch dann aufgeregt, aber die Sachlage wäre klar gewesen. Außerdem hat sich Susanne, selbst als sie nicht mit Martha sprach, nie an Gemeinheiten gegen sie beteiligt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Martha also versucht hätte, schlecht zu machen, wäre gering gewesen. Dass sie Auguste nichts erzählt, ist o.k., denke ich. Denn die hätte bestimmt auf eine Möglichkeit gesonnen, Martha zu diskreditieren. Außerdem war sie mit Auguste nie befreundet, im Gegensatz zu Susanne.

    Auch wenn ich Marthas Verhalten falsch finde, mag ich es, dass sie es getan hat. ;) Bisher ist Martha wirklich ein toller Mensch - fast zu toll, denn wirkliche Charakterschwächen hat sie bis dato nicht gezeigt. Das ist jetzt anders. Das sieht man auch, als sie es Auguste heimzahlt. Die hat es natürlich durchaus verdient, aber Martha begibt sich eindeutig auf Augustes Niveau nieder, was man gemeinhin nicht tun sollte, finde ich. Doch das macht Martha lebendiger, wenn es mich auch sehr überrascht hat, zu welchen Mitteln sie greift.


    Susanne nimmt ihre Niederlage im Kampf um die Stelle als zweite OP-Schwester relativ gelassen. Schön, auch wenn ich dem Frieden noch nicht ganz traue. Im Gespräch um die Herstellung von Schrumpfköpfen (Super Thema übrigens! :-D) kam es ja schon zu einer vorsichtigen Annäherung, auch wenn es dann eskalierte und Susanne mal wieder wütend davon stürmte. Mal sehen, wie das weitergeht.


    Karl Westphal hält bisher durch und trinkt nicht mehr. Er findet sogar eine Beschäftigung, die ihn erfüllt und mit der er wieder seinen Lebensunterhalt problemlos bestreiten kann: Er wird Leierkastenmann und hält sich sogar einen Affen. Das ist süß und ich freue mich für ihn, dass er sein Gleichgewicht wiedergefunden hat. Außerdem kann er sein Talent zum Geschichtenerzählen hier voll ausleben. ;) Sogar von Augustes Vater lässt er sich nicht einschüchtern, der sicherlich von seiner Tochter aufgestachelt wurde.

    Heinrich geht es auch gut, er genießt das Seemannsleben in vollen Zügen und wie ein echter Pirat hat er jetzt einen sprechenden Papagei. :D


    Auch Milli wehrt sich mit Hilfe von Moritz Bruder gegen die Übergriffe des Vormunds ihrer Tochter. Die Idee mit den Fotos war wirklich klasse und ich bin, offen gestanden, nicht auf die Idee gekommen, dass das damals noch gar nicht möglich gewesen ist. 8| Das habe ich beim Lesen wirklich nicht hinterfragt.


    Dann wird es politisch und das finde ich richtig spannend. Wir können uns die Verhältnisse damals gar nicht wirklich vorstellen. 72 Stunden Schichten! Ich weiß gar nicht, wie man das durchhalten sollte. Ich bin ja schon völlig geschlaucht, wenn ich in einer 24-h-Stunden Schicht durcharbeiten muss. Aber dreimal so lange!=O Kein Wunder, dass es anfängt zu gären. Vor allem, wenn das Geld nicht reicht, da es keine Lohnerhöhungen gibt, aber die Lebenskosten weiter steigen. Die Diskussionen der Frauen um Wilhelmina Schlüter sind da sehr aufschlussreich. Zum Beispiel, dass es nicht reicht, Kinderarbeit zu verbieten, da viele Familien ohne dieses Einkommen nicht über die Runden kommen. Da sieht man mal, das auch damals ind er Politik oft zu kurz gedacht wurde und das große Ganze nicht im Blick behalten wurde.


    Martha lernt Paul Studt kennen und ist sofort von ihm fasziniert. Na, da werden wir wohl noch ein bisschen mehr von ihm lesen, kann ich mir vorstellen. Er ist aber auch sympathisch und hat vor allem einen ähnlichen Hintergrund wie Martha, das würde also schon mal passen. Er hat diesen Hintergrund auch nicht vergessen und setzt sich somit für die ein, denen es schlechter geht. Seine Rede zum Streikaufruf zeigt große Wirkung, vor allem, weil er so spontan von Martha unterstützt wird und schließlich kommt es wirklich zum Streik. Zunächst sind ja alle regelrecht begeistert und eine Welle der Solidarität überschwemmt Hamburg. Das finde ich immer wieder schön, dass es so etwas gibt. Ich frage mich nur, ob das auch anhält. :/

    Ich weiß nicht, ob ihr "Blackout" von Marc Elsberg kennt. Dort wird der soziale Zusammenhalt sehr gut beschrieben. Es geht dort um einen großflächigen Stromausfall in Europa, der nicht so einfach behoben werden kann. Die Folgen sind eindrücklich: Strom, Heizung, fließendes Wasser, alles fällt aus. Alles, was eingefroren ist oder gekühlt gelagert werden muss, verdirbt und an den Tankstellen gibt es auch bald kein Benzin mehr. Am Anfang rutschen die Leute eng zusammen, helfen einander, teilen miteinander. Doch als die Lage immer angespannter wird und es langsam um das nackte Überleben geht, kommt das Schlechteste in vielen zum Vorschein und jeder ist sich selbst der Nächste. Ich bin gespannt, ob das hier auch so kommt, oder ob die Arbeiter ihren Streik vorher erfolgreich beenden können.


    Susanne, Carola und Martha finden zu einem guten Trio zusammen. Susanne ist wesentlich gelassener, was Carolas Sticheleien angeht. Ich finde, sie hat sich sehr gewandelt. Ob es ihre Arbeit und die damit verbundene Anerkennung ist, die ihr mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein verpasst hat? Vermutlich. Nur mit Marthas Ausspruch "Letztendlich ist es egal, aus welchen Motiven heraus wir das Richtige tun" bin ich nicht einverstanden. Ich finde, die Motivation hinter Taten spielt durchaus eine Rolle.


    Melanie Metzenthin:

    Gab es damals wirklich schon einen Arbeitgeberverband? Hätte ich nicht gedacht, dass dem so war. Schließlich konnten sie ja fast wie Könige über die Arbeiterschaft regieren, also wäre es ja nicht nötig gewesen, sich zusammen zu tun.


    Liebe Grüße

    Larna

    Die Geschichte ist der beste Lehrer mit den unaufmerksamsten Schülern (Indira Ghandi)

  • Ich finde es schön, dass Dr. Liebknecht eben nicht durch Schmeicheleien und Augengeklimper zu überzeugen ist, sondern durch Können und Wissen. Das macht ihn sympathisch. Allerdings steckt auch er voller Vorurteile. Z.B. zeigt er sich enttäuscht, dass Martha sich für das Nähen interessiert, wie es in seinen Augen ihre Natur ist, wo sie sich doch bis gerade eben wie ein "richtiger Junge" verhalten hat. Außerdem spricht er Frauen die Fähigkeit ab, objektiv an Dinge heranzugehen. Er nennt es "natürliche Einschränkungen". Also auch jemand, der an die Unterlegenheit der Frauen glaubt.

    Dr. Liebknecht ist ein Mann seiner Zeit - er hält die herrschenden Vorurteile für wahr, weil er ja auch so oft darin durch das weibliche Verhalten bestätigt wird, weil die Frauen wiederum glauben, sie müssten sich so verhalten, weil es erwartet wird. Martha durchbricht das erstmals - und wie er darauf reagiert zeigt ja, dass er lernfähig ist.

    Martha bewirbt sich als OP-Schwester, da sie dafür offenbar Talent hat. Dass sie Susanne nichts davon erzählt, halte ich für einen Fehler, denn das es böses Blut geben könnte, wenn Martha die Stelle bekommt und nicht Susanne, ist ja sonnenklar. Fairer wäre es, wenn sie ihr das gesagt hätte. Natürlich hätte sich Susanne wahrscheinlich auch dann aufgeregt, aber die Sachlage wäre klar gewesen. Außerdem hat sich Susanne, selbst als sie nicht mit Martha sprach, nie an Gemeinheiten gegen sie beteiligt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie Martha also versucht hätte, schlecht zu machen, wäre gering gewesen. Dass sie Auguste nichts erzählt, ist o.k., denke ich. Denn die hätte bestimmt auf eine Möglichkeit gesonnen, Martha zu diskreditieren. Außerdem war sie mit Auguste nie befreundet, im Gegensatz zu Susanne.

    Da hast du recht - aber Martha ist von diesem ganzen Intrigengespinst ein bisschen angesteckt - sie passt sich überall an - und auch hier, wo sie so etwas von anderen sieht und deshalb auch den Weg des geringsten Widerstandes geht - sie ist ja letztlich auch noch sehr jung.

    Dann wird es politisch und das finde ich richtig spannend. Wir können uns die Verhältnisse damals gar nicht wirklich vorstellen. 72 Stunden Schichten! Ich weiß gar nicht, wie man das durchhalten sollte. Ich bin ja schon völlig geschlaucht, wenn ich in einer 24-h-Stunden Schicht durcharbeiten muss. Aber dreimal so lange! =O Kein Wunder, dass es anfängt zu gären.

    Die 72-Stundenschichten sind belegt - die waren nicht die Regel, aber kamen immer mal wieder vor in diesen schwierigen Zeiten. Und die Unfälle stiegen dann massiv an.

    Gab es damals wirklich schon einen Arbeitgeberverband? Hätte ich nicht gedacht, dass dem so war. Schließlich konnten sie ja fast wie Könige über die Arbeiterschaft regieren, also wäre es ja nicht nötig gewesen, sich zusammen zu tun.

    Alles, was ich über den Hafenarbeiterstreik schreibe (mit Ausnahme der Rolle von Martha und Paul), ist wahr und so passiert. Auch Lida Heymanns Suppenküche und dass es zu Anfang schick war, sich mit dem Streik zu solidarisieren. Es gab schon Gewerkschaften und einen Arbeitgeberverband. Das fand ich auch sehr spannend, als ich darauf beim Recherchieren stieß und habe das dann in mehreren Quellen verglichen.

  • Das war ein toller Abschnitt!


    Ich bin stolz auf Familie Westphal, dass siendie schwierigen Zeiten so toll gemeistert und sich für gefangen haben. Heinrich auf See, Karl als Leierkastenmusiker, Martha als OP-Schwester... und die gute Freundin Millie schlägt sich auch super. Der Plan mit dem Foto - clever!


    Zitat

    Und bei einer Figur wie Milli habe ich mir gedacht, die hat Geist und Witz - die macht das irgendwann so.


    Ich finde es stark wie du allgemein das Thema handhabst. Prostitution kann ein heikles Thema sein. Noch heute sehen in dem Beruf "Sexworker" - egal in welchem Ausmaß dieser ausgeübt wird - etwas sehr verwerfliches. Dabei machen das auch viele Menschen freiwillig und selbstbestimmt, sehen das als Ausüben der gefühlten Fraulichkeit (oder sonst was).

    Millie wurde natürlich in die Prostition gezwungen, hat sich aber den Beruf zu eigen gemacht und sich selbst einen eigene Rahmen geschaffen. Das finde ich wunderbar. Ich hoffe sie findet einen tollen Weg in der Geschichte.



    Die politischen Veränderungen sind spannend und unterhaltend.


    Ist es schwierig gewesen, die Reden zu schreiben bzw zusammenzuwürfeln, Melanie Metzenthin ? Ich hätte da wahrscheinlich Schwierigkeiten, mich kurz zu halten.


    Das mit Paul macht mir ehrlich gesagt Sorgen. Ich wünsche Martha die große Liebe aber alles aufs Spiel setzen ist gefährlich. Sie muss da wohl vorsichtig sein..

    Ich bin aber optimistisch dass sie das sein wird. Doof nur, dass es jetzt schon Missverständnisse zwischen ihnen gibt ;)

  • Millie wurde natürlich in die Prostition gezwungen, hat sich aber den Beruf zu eigen gemacht und sich selbst einen eigene Rahmen geschaffen. Das finde ich wunderbar. Ich hoffe sie findet einen tollen Weg in der Geschichte.

    Milli hat die Stärke, hinzunehmen, was nicht zu ändern ist, aber das Beste daraus zu machen. Das sind leider Fähigkeiten, die heute nicht mehr gefördert werden, weshalb viele Leute dann in einer Psychotherapie landen (und die dann oft auch abbrechen, wenn sie an den Punkt kommen, wo die Eigenverantwortung gefordert wird). Natürlich kann man sich über sein Schicksal beklagen und Gott und die Welt dafür verantwortlich machen - aber die Macht, etwas zu ändern, hat man nur selbst. Und da muss man sich dann auch erreichbare Ziele setzen und nicht "alles oder nichts" fordern. Milli weiß, dass sie nur begrenzte Möglichkeiten hat. Und jetzt mit einem Kind die schlecht bezahlte Arbeit als Krankenwärterin zu machen, ist für sie keine Alternative. Zumal ihr Vater das auch nicht zulassen würde, wenn sie deutlich weniger Geld heimbringt. Also arrangiert sie sich mit dem, was sie tun muss und sieht zu, dass es für sie erträglich ist.

    Die politischen Veränderungen sind spannend und unterhaltend.


    Ist es schwierig gewesen, die Reden zu schreiben bzw zusammenzuwürfeln, Melanie Metzenthin ? Ich hätte da wahrscheinlich Schwierigkeiten, mich kurz zu halten.

    Die Reden fielen mir eigentlich recht leicht. Die Quellen kannte ich und wenn meine Figuren aus dem Stehgreif reden, dann flossen mir die Worte auch so aus der Tastatur. Weil das ja selbst heute noch brandaktuell ist.

    Das mit Paul macht mir ehrlich gesagt Sorgen. Ich wünsche Martha die große Liebe aber alles aufs Spiel setzen ist gefährlich. Sie muss da wohl vorsichtig sein..

    Ich bin aber optimistisch dass sie das sein wird. Doof nur, dass es jetzt schon Missverständnisse zwischen ihnen gibt ;)

    Ja, das wird nicht einfach ...