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Als ich Wasteland googlete, erhielt ich zuerst einen Hinweis auf ein Computerspiel von 1988 mit dem gleichen Namen, in welchem Ranger im Ödland, welches im Ergebnis eines Atomkrieges entstanden ist, recherchieren. Es gilt als eines der besten Computerspiele und in ihm gab es erstmals verschiedene Lösungen je nach Entscheidung der Spieler. Im Frühjahr 2020 soll der dritte Teil dieses Spiels auf den Markt kommen.
Als Leser des Buches kann ich leider auf die Handlungen der Akteure nicht einwirken und ich muss ihren Handlungen zusehen. Dafür habe ich auch keine Ranger vor mir, sondern sehr ungewöhnliche Protagonisten, die dem Leser abwechselnd und jeweils aus ihrer Perspektive die Geschichte erzählen.
Zunächst ist da Laylay, eine junge Frau, die mit ihrem Vater unterwegs ist. Sie fährt das Motorrad und der Vater sitzt im Beiwagen. Der Vater ist etwas, was im Ödland einem Doktor am nächsten kommt und versorgt damit sich und seine Tochter, denn als Gegenleistung für medizinische Hilfe gibt es eingetauschte Waren. Läden, in denen man etwas kaufen könnte, gibt es schon lange nicht mehr. Auf der vom Krieg sowohl mit atomarer Strahlung als auch chemischen und biologischen Waffen zerstörten Erde gibt es marodierende Banden, die sich um die letzten Bestände, von Lebensmitteln bis zum Benzin und Medikamenten, schlagen. Der Doc und seine Tochter sind ein eingespieltes Team, das sich meist aus verhängnisvollen Situationen herausreden kann. Sie kommen auf den Handgebundenen Markt, wo sie bereits bekannt sind.
Auf dem Handgebundenen Markt lebt Zeeto, der zweite Protagonist des Buches. Er ist ein junger Mann mit einer bipolaren Störung. Allerdings geht er damit sehr locker um und die Menschen um ihn herum ebenso. In seinen manischen Phasen braucht er viel Input und deshalb geht er manchmal heimlich aus dem Markt, und mit Atemmaske bewaffnet sucht er im Ödland nach Geheimnissen. Dabei hat er einen Bunker gefunden, der ihn nun sehr interessiert und den er, ungeachtet der Gefahr von der Wastelandkrankheit angesteckt zu werden, unbedingt untersuchen muss. Da gibt es eine offene Tür und ein schreiendes Baby.
Der Handgebundene Markt heißt so, weil allen Besuchern eine Hand festgebunden wird. Das hilft, den Frieden aufrecht zu erhalten. Die Menschen des Marktes leben in einer anarchistischen Gemeinschaft. Sie teilen was da ist. Alle kümmern sich um die Kinder, und wenn in der Gemeinschaft Hilfe gebraucht wird, dann wird jemand helfen. Es wird niemand gezwungen, etwas zu tun. Der Markt ist etwas Besonderes, und auch in dem Buch spielt er für mich eine besondere Rolle. Es wirkt wie der Versuch zu zeigen, dass man ohne Hierarchien und ohne Zwang miteinander leben kann. Jeder kann sein wie er will und auf seine Art lernen. Weshalb auch Zeeto keine Schwierigkeiten hat, die heutige Lehrer aber sehen würden und der Meinung wären, er müsse Medikamente erhalten, um so zu lernen wie die „normalen“ Kinder.
Sicher es ist nur eine kleine Gemeinschaft, aber warum sollte das nicht übertragbar sein? Mir hat dieser kleine Einblick in eine andere Art miteinander zu leben, als wir es heute tun, sehr gefallen.
Der dritte „Erzähler“ ist Root, ein postapokalyptischer Schamane. Er hat eine alte Computerbrille gefunden, mit der er sogar noch Daten aus dem Wikipedia lesen kann, aber natürlich kann er nicht mehr ins Internet, weil es das ja nicht mehr gibt. Statt dessenleuchtet in der Brille immer ein kleines rotes Fenster auf mit „No Wifi“ Mit einigen Tricks und zusammengebastelten Drohnen hat er sich aber den Nimbus eines religiösen Führers erarbeitet und ist somit die rechte Hand der Chefin der Bande: Loke, die ein Alter hat, dass sie noch die alte Erde kennt. Sie regiert die Bande von einem großen Schaufelradbagger aus.
Wasteland lebt von einer absoluten Dynamik, die sicher von den Hauptpersonen ausgeht. Zeeto, der mal gar nicht mehr leben und dann am liebsten alles Leben auf einmal haben will, Laylay, die schwere Entscheidungen treffen muss, und eine tolle Motorradfahrerin ist. Während der Leser durch Zeeto den Markt kennenlernt, lernt er durch Root die Mentalität der Bande kennen, die das Gebiet um den Markt beherrscht und durch einen Vertrag gebunden ist, diesen in Ruhe zu lassen. Während Zeeto sich und den Markt verteidigen muss, wird Laylay sich mit dem Motorrad durch das verwüstete Europa schlagen und Hindernisse überwinden, bei denen das Kopfkino dazu führt, dass man den Atem anhält. Schließlich gibt es noch diesen Bunker und sein Geheimnis. Werden die beiden das Geheimnis lüften können? Was wird es ihnen bringen? Kann man die Wastelandkrankheit überwinden oder heilen? Und was ist Laylay? Ja, und schließlich ist da auch noch ein Baby – Mtoto, wird es überleben?
Ich konnte das Buch nicht weglegen, es war spannend und berührend von der ersten Seite an. Es ist kein Hoffnung gebendes Buch, es ist eine Dystopie, und ich mag keine Dystopien.
Wir können nur hoffen, dass unsere Erde nie so aussieht, aber solche Menschen wie Zeeto und seine große Familie (besonders seine Großmutter) und wie Laylay , solche Menschen zu begleiten ist nicht nur spannend, sondern auch irgendwie schön. Der Handgebundene Markt wird mir im Gedächtnis bleiben.
Ach ja und ich werde nach Ferropolis fahren und mir einen Schaufelradbagger ansehen und dann stelle ich mir vor, wie dort im Bagger eine kleine Stadt existiert. Was ist überhaupt aus Loke geworden? Sie, die Macht hinter der Bande aus dummen Zerstörern?
Sicher halten nicht alle Zustände in Wasteland der wissenschaftlichen Logik stand. Sicher muss man auch die Inhaltswarnung (die ganz hinten im Buch steht) einigermaßen ernst nehmen, aber ich stamme aus einer Generation, die ohne solche Warnungen in einer Bibliothek groß geworden ist, und ich kann das nicht einschätzen, ich hätte sie nicht gebraucht.
Ebenso schwierig ist die Gendersprache, die hier durchgängig zu halten versucht wird. Für mich ist aber ein Bruder ein männliches Wesen und eine Mutter ein weibliches, da fällt es mir noch schwer zu umzudenken..Auf dem Worldcon in Dublin dieses Jahr wurden wir erstmals gefragt, ob wir mit „he“ oder „she“ oder „they“ angeredet werden wollten. Ich würde es blöd finden , mich mit „they“ anreden zu lassen, das wirkt für mich wie Außenseiter Es gab auch einen weißen Punkt, den man selbst beschriften konnte. Aber das nur nebenbei. Ich kann also nicht entscheiden, ob der Versuch, einen Roman in gendergerechter Sprache zu schreiben, geglückt ist
Ein spannendes Buch, mit tollen Protagonisten und tollen Ideen auf einer zerstörten Erde ohne Hoffnung. Oder?
Vielleicht sollte ich diese Zeilen beenden mit den letzten Worten der Danksagung in diesem Buch: „Think Utopia!“