Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Man hat nicht jeden Tag besoffene Seraphim zu Besuch …
… aber in den funkelnden Splitterwelten von „Ares“ kann das schon mal vorkommen. Ich würde zu gern einmal eine goldene Harfe unter meinem Bett finden und ihren Klang testen!
Trotz der Titelgeschichte und des Covers gehört „Ares“ im Ganzen zur Fantastik und nicht zur Science Fiction. Fünfzehn neue Kurzgeschichten von Nadja Neufeldt, prall voll von Ideen und durch den ständigen Wechsel der Schauplätze, Themen und Figuren sehr dynamisch. Fünfzehn Fragmente unterschiedlichster Wirklichkeiten, und jedes lässt den Leser mit Fragen und dem Appetit auf mehr zurück.
Die klare, direkte Sprache, die mir schon in „Erstkontakt mit Violine“ und „Nachtmahr“ so gut gefiel, kommt mir hier noch ausgereifter vor. Alles transportiert die Story, nichts lenkt von ihr ab: Mit dem ersten Satz steht der Leser mittendrin, egal, wie fremd und auf den ersten Blick unverständlich die Wirklichkeit auch sein mag, die ihn da empfängt. Man findet sich schnell zurecht, bleibt aber am Ende öfters mit offenem Mund zurück und denkt: Nicht dein Ernst jetzt! Wie kannst du da aufhören?!
Kann sie aber, und dann muss eben die Fantasie des Lesers ran.
Zum Beispiel wollte ich unbedingt wissen, wie es bei „Ares“ weitergeht – das ist Stoff für einen Film! Und „Hexenzeit“ – wer ist diese Sophia, woher kommt sie, und wie geht es weiter? Durch Ginas Augen erleben wir nur eine rätselhafte Begegnung mit nicht gerade angenehmen Auswirkungen auf die Zeugen; die eigentliche Geschichte, die ihr vorangeht und sich danach weiterentwickeln wird, bleibt für uns wie für Gina im Dunklen. Oder dieses kurze, sehr verstörende Stück („Leuchten“) über den Kerl, dessen hemmungsloser Appetit auf die Aura eines kleinen Mädchens geweckt wird. Wo wird das hinführen? Man überlegt es mit Grausen. Ich hätte auch gern über die Gefängnismauern in „Umweltsünden“ hinausgesehen und mehr über diese kompromisslos strenge Welt da draußen wissen wollen – unsere Zukunft?
Das melancholische „Roboterträume“ ist wunderschön, und poetisch ohne einen einzigen poetischen Satz. Das Aufeinandertreffen von weichem, lebendigem Katzenfell und irgendwie belebtem Blech kann man geradezu spüren. Tells fühlendes Herz wandert wie ein Glutfleck durch das tote Grau des Schrottplatzes. Und das, obwohl dieses Blechwesen eigentlich gar kein Herz hat. Was, wenn künstliche Intelligenz wirklich irgendwann Selbst-Bewusstsein, Fühlen, Persönlichkeit entwickeln würde?
Die Frage stellt man sich auch bei der erwachten Marilyn. Die ist, wie Sophia, eine potenziell gefährliche Frau. Marilyn scheint zwar mit der Stimme der „Bezaubernden Jeannie“ zu sprechen, wenn sie ihren Erschaffer ständig mit „Meister“ anredet. Aber dieser Marilyn-Geist braucht keinen, der ihn aus der Flasche lässt. Dieser Geist will künftig Gage für seine Arbeit!
Nicht nur potenziell gefährlich ist Liz, die Sonnengelbe, die Mann besser nicht respektlos behandelt. Was man auch von Varah und Betty Rose sagen kann, denn diese beiden sind besessen.
Die unendlich einsame Eileen in „Erneuerung“ ist eine Teenagerin, mit der man nicht tauschen möchte. Sie hat eine wahrhaft schicksalhafte Entscheidung zu treffen.
Noch mehr unheimliche Frauen findet man mit Doris und Sarah in „Fratzen“.
Am Ende entlassen die „Versorger“ den Leser mit einem völlig unerwarteten Knaller aus dem Buch, der mich zum Lachen gebracht hat.
„Ares“, „Roboterträume“, „Erneuerung“, „Fratzen“ und „Versorger“ sind meine Favoriten. Aber eigentlich mag ich sie alle. Sie alle haben dieses spezielle Gewürz des Seltsamen und Unheimlichen an sich, dessen Duft rätseln, manchmal lachen, häufiger frösteln lässt. Ganz besonders, weil die Geschichten dabei in diesem selbstverständlichen, unaufgeregten Ton daherkommen.
Unbedingte Leseempfehlung. Ein Buch, das sich auch sehr gut als Weihnachtsgeschenk eignet.