Michael Ondaatje - Der englische Patient

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  • Titel: Der englische Patient
    Autor: Michael Ondaatje


    Allgemein:
    326 Seiten - Süddeutsche Zeitung / Bibliothek, 19,90 €


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    Inhalt:(Klappentext)
    Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs treffen in einer zerbombten Villa in der Nähe von Florenz vier Menschen unterschiedlicher Nationalität zusammen, zwischen denen ein eigenartiges Beziehungsgeflecht entsteht. Jeder der vier, drei Männer und eine Frau, sie ist Krankenschwester, erfindet sich eine eigene Welt. Doch im Laufe der Zeit offenbart sich ihr Innenleben und ihre wahre Geschichte. Die Zeit scheint in Michael Ondaatjes Roman aufgehoben, und doch erzählt er vom Ende der alten und dem Entstehen einer neuen Welt.


    Meine Meinung:(oder vielleicht eher Gedanken zu diesem Buch)
    Ein sehr ruhiges Buch. Das Kindergeschrei von der Straße her, die Geräusche eines herannahenden Autos scheint es zu verschlucken. Ich tauche ein in eine Geschichte der ich mich nicht entziehen kann.
    Wärend des Lesens werde ich melancholisch. (Was ich aber sehr mag)
    Kein Buch das man in einem Wusch durchliest. Ein Buch das man Seite für Seite liest um es zu genießen alles in sich aufzusaugen um sich nach der Lektüre immer wieder daran zu erinnern.


    5ratten

  • Ich habe das Buch mal als Hörbuch gehört, nachdem ich es zweimal angefangen hatte zu lesen und nicht hineinkam in die Geschichte.


    Ja, es ist eine angenehm melancholische Geschichte mit sympathischen Protagonisten, aber für mich einer der seltenen Fälle, wo mir der Film besser gefällt als das Buch.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hi!


    Habe das Buch vor einiger Zeit gelesen und fand es grausig. Hier meine Rezension:


    Zum Inhalt:
    In einer italienischen Villa versammeln sich im Jahr 1945 vier ganz unterschiedliche Personen: Ein bis zur Unkenntlichkeit verbrannter Mann, der auf den Tod wartet, eine junge Krankenschwester, die ihn pflegt, ein Dieb und Spion und ein indischer Minenräumer.
    Der Verbrannte kann sich zunächst weder an seinen Namen noch seine Herkunft erinnern, weshalb er von allen nur «der englische Patient» genannt wird. Schliesslich beginnt er sich zu erinnern und erzählt den anderen drei seine tragische Liebesgeschichte. Währenddessen tut sich bei den anderen Protagonisten auch so einiges.


    Meine Meinung:
    «Der englische Patient» wird von der Redaktion der Süddeutschen Zeitung als eines der besten 50 Bücher des 20. Jahrhunderts gesehen und darf darum in der Reihe «Süddeutsche Zeitung Bibliothek» erscheinen. Warum ist mir offen gesagt ein Rätsel. Dieses Buch ist weder spannend noch gut geschrieben noch originell noch sonstwas. Es ist von Anfang bis fast ganz zum Schluss eine Zumutung. Spannung kommt allenfalls in dem Teil auf, in dem die Identität des englischen Patienten langsam ans Tageslicht kommt und erstmals so etwas wie eine Geschichte erzählt wird.
    Der Rest des Buches ist eine Ansammlung von mühsamen Beschreibungen und öden Charakteren, die nichts mit sich anzufangen wissen. Und weils allen so geht, passen sie ganz wunderbar zusammen und öden sich gegenseitig an.
    Gut, vielleicht bin ich einfach zu wenig chaotisch veranlagt, um diese Nichtstuer zu begreifen, aber ich habe selten so etwas Langweiliges wie dieses Buch in den Fingern gehabt. Es erinnert mich sehr stark an die mühsamen Bücher, die wir in der Schule lesen mussten und die dann tagelang zu Tode gedeutet wurden. Dabei ist es ganz einfach: Ein Buch soll eine Geschichte erzählen. Und zwar so, dass dem Leser nicht das Gesicht einschläft und in einem Stil, der zumutbar ist.
    «Der englische Patient» erzählt zwar eine Geschichte – und unterm Strich nicht mal eine schlechte –, aber leider wird der Leser permanent verarscht. Erstmal hat man keine Ahnung, wo das Buch überhaupt spielt und woran man ist. Schlecht. Dann wechselt die Erzählperspektive ständig, und zwar so, dass man oftmals keine Ahnung hat, wer da spricht oder von wem die Rede ist. Nochmal schlecht. Ausserdem ist die Liebesgeschichte, die ein zentraler Teil des Buches ist, so wirr geschrieben, dass man eigentlich gar keine Lust hat, weiterzulesen. Grad nochmal schlecht und darum auch nur eine kleine Ratte für ein trauriges Buch.


    1ratten


    Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Alfa_Romea, du sprichst mir aus dem Herzen :breitgrins:
    Ich fand das Buch auch unglaublich langweilig - besonders die Schilderungen des Lebens in der Villa zogen sich hin wie Kaugummi. Und der ständigen Wechsel der Erzählperspektive (wobei sich dann auch immer erst nach ein paar Seiten herausstellt, wer denn da jetzt eigentlich spricht) war mir auch viel zu verwirrend...

    LG, Bella

  • Tja, dieses Buch steht auf meiner "zu lesen Liste". Da eure Meinungen ja sehr auseinander gehen bin ich schon sehr gespannt wie mir das Buch gefällt.


    Katrin


  • Tja so unterschiedlich können Meinungen sein ;)


    Und genau das ist es, was mich immer wieder (im positiven Sinn) fasziniert. Gerade die angesprochenen Kritikpunkte von Alfa_Romea hatten mir bei meiner Lektüre von dem Buch gefallen. Ich glaube es gibt Bücher, da gibt es wirklich nur ein absolutes dafür oder dagegen. Finde ich richtig spannend. :smile:


    Ich hatte eher ein anderes Problem. Ich habe die Verfilmung zuerst gesehen und habe irgendwie eine ähnliche Geschichte erwartet, aber das Buch ist ganz anders als der Film. So musste ich erst den Film aus meinem Kopf bekommen, um das Buch genießen zu können.


    Liebe Grüße
    wolves

    Einmal editiert, zuletzt von wolves ()

  • Meine Meinung:(oder vielleicht eher Gedanken zu diesem Buch)
    Ein sehr ruhiges Buch. Das Kindergeschrei von der Straße her, die Geräusche eines herannahenden Autos scheint es zu verschlucken. Ich tauche ein in eine Geschichte der ich mich nicht entziehen kann.
    Wärend des Lesens werde ich melancholisch. (Was ich aber sehr mag)
    Kein Buch das man in einem Wusch durchliest. Ein Buch das man Seite für Seite liest um es zu genießen alles in sich aufzusaugen um sich nach der Lektüre immer wieder daran zu erinnern.


    so ist es
    hallo Holden - hallo allerseits :smile:


    deinem Nickname zu entnehmen gefällt dir auch der Fänger
    dh - gut geschriebenes Zeugs


    ich empfinde ebeso


    der englische Patient ist ein Gemälde von der ersten bis zur letzten Seite und zählt zu meinen persönlichen top 20
    das es nicht jedermanns geschmack trifft mag sein - und dass ihn die SZ unter die Top 50 gibt mag vielleicht auch an Rechten liegen und an der Tatsache, dass die meisten Bücher dort auch verfilmt wurden


    LG Marcello

    Einmal editiert, zuletzt von marcello ()

  • Ich kann ehrlich gesagt beide Seiten verstehen. Mir hat das Buch zwar gut gefallen, aber hätte ich es nicht im Urlaub in Ruhe lesen können, sondern daheim in kleinen Häppchen, hätte ich es sicher frustriert in die Ecke geschmissen, weil man sich jedesmal wieder neu in die Geschichte einfinden muss. Aber wie gesagt, ich hatte die Muße und da fand ich das Buch sehr ruhig und auf angenehme Weise melancholisch.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Eines vorweg: Ich kann hier nur knapp zwei Drittel des Buches rezensieren, denke aber, nicht allzu viel verpasst zu haben. Wenn man die Sätze einzeln betrachtet, strahlen sie Eleganz aus, mit einem Ansatz von Lyrik, Poesie. Aneinandergereiht ähneln sie jedoch einem überlangen Schlaflied, und das mit gewaltiger Wirkung. Die ersten 80 Seiten las ich innerhalb fünf Tagen, wobei ich regelmäßig von einer Müdigkeit erfasst wurde, die ich kaum der Frühjahrsluft zurechnen konnte. Rückblickend versuchte ich mich zu erinnern, was ich denn nun gelesen hatte, fand jedoch nichts solides und somit fing ich nochmals von vorne an mit dem Vorsatz, mich diesmal zusammenzureißen – immerhin lag bereits ein gutes Viertel des Buches hinter mir - aber tatsächlich: da war nichts!


    Nun, worum handelt dieses Buch? Schwierig, diese handlungslastigen Sätze herauszufiltern, es waren deren vielleicht ganze zehn. Die restlichen Absätze könnte man der Rubrik ‚Geschwafel’ zuordnen.


    Der Krieg ist vorüber, die Besatzung einer verminten Villa in Italien, die als Lazerett umfunktioniert wurde, zieht ab und übrig bleibt die Krankenschwester Hana, um den ‚englischen Patienten’ zu pflegen. Dieser hat in der Wüste eine Bruchlandung hingelegt, trägt eine Ganzkörperverbrennung, die es ihm unmöglich macht, verlegt zu werden und liegt nun im Bett und erzählt wirres Zeug über die Erlebnisse in der Wüste, von seiner Expedition auf der Suche nach Atlantis – in diesem Falle eine Oase namens Zarzura. Nach gewisser Zeit gesellen sich Caravaggio, ein 40jähriger Dieb und der 26jährige Kip, Minenentschärfer. Es entsteht eine ‚ménage à trois’, wobei alle drei Männer gewisse Zuneigung zur einzigen Frau weit und breit zeigen.


    Da das Gesicht des ‚englischen Patienten’ von Unkenntlichkeit gezeichnet ist, bleibt nur sein Intellekt übrig, um Hana zu faszinieren. Ja, sie deutet gar an, ihn zu lieben – eine Parabel vom ‚buckligen Glöckner’ – lässt es sich aber nicht nehmen, Ihrer angeblich großen Liebe Hörner aufzusetzen, wenn sie Kip im Nebenzimmer vögelt. (… und mich würde es nicht wundern, wenn sie Caravaggio auch rangenommen hätte – Ansätze waren schon vorhanden)


    Und da bleibt immer noch die Identität des ‚englischen Patienten’:


    Ondaatje beschreibt hier die große Langeweile und er lässt den Leser an dieser teilhaben. Er fügt seinem Buch sogar eine Anleitung bei, wie man diese Langeweile richtig auskosten kann:
    „Lesen sie ihn langsam […]. Achten sie genau darauf, wo die Kommas hinkommen, damit sie die natürlichen Pausen herausfinden. Er ist ein Schriftsteller, der Tinte und Papier benutzt hat. Vermutlich hat er recht oft von einer Seite aufgeschaut […] Denken sie an die Geschwindigkeit seiner Feder.
    Niemand ist im Buch vorhanden, der den Ton zu ändern vermag. Ebenmäßig erzählt im Rhythmus eines tropfenden Wasserhahns, und genauso lästig.


    Fazit: Wem Spieluhren zu kindisch sind und sich beim ‚Schafe zählen’ ständig verzettelt, dem empfehle ich dieses Buch. 15 Seiten und ein angenehmer Schlaf ist garantiert.


    1ratten für einige der gelungenen Sätze


    Gruß,
    dumbler

  • Meine Meinung:


    “Der englische Patient” wird nicht von einer aktiven Handlung getragen, sondern vermittelt eher jenes Empfinden, Trauma von Menschen, die diese Gräuel miterlebt haben. Durch Rückblenden, Gedankengänge und Monologe wird dieses innere Verarbeiten des Durchlebten transportiert. Und aus diesem Grund kann ich nachvollziehen, warum es zu den 1000 besten Büchern zählt.


    Was aber nicht heißt, dass es mir persönlich gut gefallen hat. Der ständige Perspektivenwechsel, die lose aneinandergereihten Gedanken, die nicht immer offensichtlich einer Figur zugeordnet werden konnten; und auch die Ausführlichkeit mancher Bagatellen (Bombenbezeichnungen, Bombenabkürzungen, Wüsten, Wüstensand und Winde) haben mein Lesevergnügen deutlich reduziert.
    Ja, das Buch ist tiefgründig, aber auch ein Katz und Maus Spiel mit dem Leser, was nicht unbedingt mein Fall ist.

  • Michael Ondaatje - Der englische Patient


    Entgegen meiner Gewohnheiten habe ich das Buch in deutscher Übersetzung gelesen, da ich es ebenfalls in der Ausgabe der SZ - Bibliothek besitze.

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    Entweder hat Frau Dormagen (die Übersetzerin) wirklich gute Arbeit geleistet und Ondaatjes anscheinend wundervollen Stil beibehalten, oder aber sie ist eine furchtbare Übersetzerin (im Sinne des Berufsethos) und hat etwas Schreckliches zu etwas Schönem gemacht. Denn schön finde ich die Übersetzung allemal, wunderbare Worte, treffende Sätze, leise alles und ruhig, kein Vergleich zu den schreienden Romanen, die ich in der letzten Zeit so gelesen habe.


    Ein sehr ruhiges Buch. Das Kindergeschrei von der Straße her, die Geräusche eines herannahenden Autos scheint es zu verschlucken. Ich tauche ein in eine Geschichte der ich mich nicht entziehen kann.


    Genau so ging es mir auch! Man wünscht sich, während des Lesens, einen Sommer in Italien, mit einem kühlen Lüftchen ab und an, sonst heiße, trockene Luft. Man wünscht sich eine Villa in der Toskana, auf deren Terasse man im Schatten sodazitronschlürfend in der Stille des Buches versinken kann. Die, für manche langweiligen, minutiösen Schilderungen vermitteln ständig den Eindruck einer Ruhe vor dem Sturm. Im Wissen, dass jederzeit eine Bombe sie und ihr Refugium vernichten kann, gehen die vier Protagonisten ihrem Dasein nach, ihr Hauptaugenmerk stets aufeinander gerichtet: Caravaggio auf Hana, Hana auf Kip und den englischen Patienten, diese beiden auf sich selbst. Nach dem lauten Krieg haben sie sich alle vor der Zivilisation in die Einsamkeit geflüchtet, sind in der Isolation gestrandet und können sich, für unterschiedlich lange Zeit, nicht mehr in der Gesellschaft zurechtfinden. Sie haben nur sich, Caravaggio steht abseits, da er der einzige ist, der auch vor dem Krieg schon scheinbar isoliert, aus der sozialen Maschinerie ausgeschlossen war. Dies ist es für mich, was das Buch zu einem echten Leseerlebnis und Highlight macht: Die Schilderung der Stille, der durch den Krieg kaputten Individuen, der allgegenwärtigen beinahe elektrischen Spannung, dass eine Explosion die unmögliche heile Welt zerstört.


    Beizeiten möchte ich das Original lesen, um mir selbst ein Bild von Ondaatjes Sprache zu machen. Bis dahin genügt mir der Eindruck, den die Übersetzung in mir hinterlassen hat, für die ich volle Punkteanzahl vergebe:
    5ratten

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Als der Film seinerzeit in die Kinos kam, habe ich ihn gesehen, jedenfalls habe ich ihn fast ganz gesehen, denn kurz vor Schluß gab es einen Filmriß und so wurde mir das Ende der Geschichte vorenthalten. Als das Buch jetzt bei Bookcrossing als Bookring angeboten wurde, dachte ich, das sei eine gute Gelegenheit, dieses seit Jahren offene Ende zu schließen, aber ich werde mir wohl jemanden suchen müssen, der es mir einfach so erzählt – wenn ich dafür noch genug Interesse aufbringen kann. Im wesentlichen kann ich mich nämlich den Kritikpunkten von Alfa_Romea und dumbler anschließen. Zu wirr und zu nichtssagend, einschläfernd und nervtötend, und auch sprachlich keineswegs überzeugend. Mir schwante schon Schreckliches auf der ersten Seite, als ich im Fließtext (in einem Dialog wäre es noch etwas anderes gewesen) das Wort kaputt las, das ist an der Stelle einfach das falsche Sprachniveau. Nach einem runden Drittel habe ich es aufgegeben, weil mir klar war, daß dieses Buch und ich nicht zusammenfinden werden.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Michael Ondaatje „Der englische Patient“

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    In diesem Roman werden mehrere voneinander unabhängige Geschichten sehr geschickt zu einem Ganzen verwoben.
    Es handelt sich in allen Fällen im weitesten Sinne um das „Menschsein“ mit allen dazugehörigen Emotionen und Reaktionen auf Wendungen im Leben, die nicht zu erwarten sind.


    Handlung:
    Die „Hauptszenerie“ spielt sich in einer zerbombten Villa in der Toskana um 1945 ab. Hier pflegt die kanadische Krankenschwester Hana einen bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Patienten, dessen Herkunft und Identität ungewiss sind.
    Nach und nach gesellen sich auch noch der italienische Spion Caravaggio sowie der indische Minensucher Kip hinzu.


    In Rückblenden erfährt man mehr über jeden einzelnen der „Bewohner“ und findet einen Zugang zu ihren Emotionen. Diese sind breit gestreut und von Verbitterung, über Vergebung und Liebe bis hin zu tiefer Sehnsucht ist nahezu alles vertreten.


    Die Villa ist dabei immer wieder der zentrale Bezugspunkt, auf den alles hinausläuft und Ondaatje gelingt es in großartigem Stil, eine Atmosphäre zu schaffen, die wunderbar zeitlos und erschreckend abgestumpft wirkt.
    Der zweite Weltkrieg tobt in den letzten Tagen, die Deutschen sind schon weit zurück gedrängt und das Gebiet um die Villa herum längst kein Kriegsschauplatz mehr.
    Trotzdem wirkt dieses Haus seltsam traurig in seiner Erscheinung als Ruine, umgeben von versteckten Minen; so auch die Bewohner, die man trotz des erfolgreichen Vormarsches der Aliierten eher als Besiegte empfindet.
    Der Krieg hat jedem Verluste gebracht und trotz der Gesellschaft wirkt jeder Bewohner in seiner Trauer um das Verlorene einsam und auf sich bezogen.
    In der Villa kommen all diese Gefühle auf einem Punkt zusammen und verdichten sich zu einem beeindruckendem menschlichem Miteinander.


    Mit Hana, der jüngsten unter den Protagonisten, sowie Kip, dem ebenfalls jungem Minensucher schafft es Ondaatje aber, etwas Lebendiges und Zukunftstragendes zu schaffen. Damit entgeht er der Gefahr, eine farb- und leblose Resignation darzustellen, die es kaum schaffen würde, dem Leben gerecht zu werden.

    Eine sehr beeindruckende Atmosphäre schafft Ondaatje weiterhin v.a. in den Erinnerungen des englischen Patienten.
    Diese hängen in den 30er Jahren in der Wüste Lybiens und Ägyptens fest. Es ist eine Liebesgeschichte ohne jeglichen Kitsch, aber mit viel Feingefühl und Ernsthaftigkeit erzählt. Die bezaubernden, grenzenlos wirkenden Landschaften der Sanddünen und ihrer Oasen lassen die Szenen wie aus einer anderen Welt wirken, die allerdings mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges schlagartig eingeholt wird.


    Fazit:
    Dieses Werk ist wunderbar geschrieben und beschreibt eine Zeit, in der man wohl allen Glauben an die Menschheit verlieren konnte, mittels phantastischer Atmosphärenzeichnung, schwankend zwischen Verharren und Aufbruch.
    Das ist m.M. nach ein wahre Leistung von jemandem, der dieses Stück Geschichte nicht einmal miterlebt hat.


    Ich kann dieses Buch mit bestem Gewissen nur weiterempfehlen.
    5ratten