Sasha Filipenko - Rote Kreuze

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    „Der Staat tut alles…..


    … damit die Menschen die Grausamkeiten des Sowjetregimes vergessen, und unsere Aufgabe ist es, das nicht zuzulassen.“

    Das sagt Autor Sasha Filipenko in einem Interview, das im Anschluss an seine Geschichte hier im Buch abgedruckt ist. Und allein wegen dieses Interviews mit seinen detaillierten Hintergrundinformationen ist es dieses Buch wert gelesen zu werden.


    Über ein dickes rotes Kreuz an der Türe zu seiner neuen Wohnung lernen sich der 30-jährige Alexander, der in Minsk eine neues Leben beginnen will und die 91-jährige Tatjana Alexejwna sich kennen. Tatjana hat die Kreuze aufgemalt, damit sie, bei der erst kürzlich Alzheimer diagnostiziert worden ist, immer wieder, so lange sie noch gehen kann, nachhause findet. Nachdem sie Alexander fast schon in ihre Wohnung genötigt hat, hört er ihr zu, wie sie ihre Lebensgeschichte erzählt. Aber auch er hat es in seinem Leben bisher nicht leicht gehabt…



    Die vielen Dialoge lassen die Geschichte trotz ihrer Tiefe und teilweisen Grausamkeiten leichter und lockerer erscheinen und die Seiten fliegen nur so dahin.


    Die Einblicke in das sowjetische Regime und deren grausame Taten haben mich berührt und betroffen gemacht. Wieder einmal kam mir zu Bewusstsein, wie wenig ich eigentlich über die Zeit, die hier behandelt wird, weiß. Über Einiges, das ich hier gelesen habe, war ich einfach nur wütend und schockiert; an anderen Stellen war ich gefesselt von Tatjanas Erzählungen. Gerade was Frauen unverschuldet erdulden mussten. Ihre Kinder wurden ihnen abgenommen und in Heime verbracht, sie selbst in Lager gesteckt - einfach unvorstellbar.

    Gerne hätte ich auch noch mehr über Alexanders Geschichte erfahren, dessen Leben bis hierher bestimmt ebenso spannend verlaufen ist.


    Das Thema Alzheimer wird wie zufällig hier eingeflochten. Bevor Tatjana alles vergisst, erzählt sie ihre Geschichte gegen das Vergessen der sowjetischen Geschichte.


    Die Freundschaft der Beiden, die im Klappentext so angepriesen wird, habe ich beim Lesen etwas anders erlebt. Für mich haben sich hier zwei Menschen gefunden, die in ihren verschiedenen Schicksalen zueinander finden und die sich vor allem austauschen. Aber dieser Austausch alleine hat mir schon sehr gut gefallen.


    Ein sehr emotionaler, bewegender und auch spannender Roman mit kleinen amüsanten Sequenzen gegen das Vergessen. Ich habe das Buch mit kleinen Einschränkungen sehr gerne gelesen.


    4ratten

  • Für die Wahrheit und das Recht auf Gedenken


    Sasha Filipenko erzählt die Geschichten von zwei Menschen, die sehr unterschiedlich sind und deren Kontakt nur zufällig entsteht, weil sie Nachbarn sind. Alexander ist nach einem grausamen Schicksalsschlag, mit seiner kleinen Tochter nach Minsk gezogen und trifft auf Tatjana, die 90ig jährige Nachbarin, die an Alzheimer erkrankt ist. „Weil Gott Angst hat vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu“ (Seite 11)


    Tatjanas Lebensgeschichte ist ein Stück russische Zeitgeschichte. Sie hat den 2. Weltkrieg und die unglaublichen Schrecken des Stalinregimes überlebt. Diese Zeit und ihre Folgen haben ihr ganzes Leben geprägt. Tatjana steht stellvertretend für zahlreiche Menschen. So werden historische Daten zu berührenden Schicksalen, die noch lange zum Nachdenken anregen.


    In einem Interview, das auf den letzten Seiten des Buches abgedruckt ist, erklärt Filipenko, dass „der Staat alles tut, damit die Menschen die Grausamkeiten des Sowjetregimes vergessen, und unsere Aufgabe ist es, das nicht zuzulassen“.

    Es ist eine spannende und erschütternde Geschichte - großartig geschrieben bzw übertragen. So wird Literatur zu einem wichtigen Plädoyer gegen das Vergessen.

    Absolut lesenswert.


    5ratten

    Vernunft, Vernunft...

    Einmal editiert, zuletzt von ysa ()

  • Die Schicksale der Nachbarn


    Der junge Sascha, Vater einer kleinen Tochter, lernt beim Einzug in die neue Wohnung seine Nachbarin Tatjana Alexejewna kennen, eine überaus erzählfreudige alte Dame. Wie sich bald herausstellt, hat sie Schlimmes erlebt und mußte im Krieg für die Schuld anderer büßen: weil ihr Mann in Kriegsgefangenschaft aus sowjetischer Sicht mit dem Feind kollaborierte, wurde sie zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, von denen sie zehn absitzen musste.


    Ein ausgesprochen schmerzhaftes Kapitel nicht nur der sowjetischen, sondern der gesamten Weltgeschichte wird hier auf eigene Art aufgearbeitet. Der Autor gibt nicht nur durch die Erzählungen der über 90jährigen Zeitzeugin, sondern auch durch das Einfügen von Originaldokumente wichtige Einblicke in die jüngere Geschichte der Sowjetunion. Seite für Seite ist spürbar, dass ihm wichtig ist, dass die Greueltaten des 20. Jahrhunderts nicht vergessen werden.


    Ein wichtiges Buch, das ich gerne gelesen habe, obwohl ich wieder und wieder meine Probleme mit dem Erzählstil hatte. Stellenweise erscheint mir der Erzählfluss nicht ganz stimmig - es werden Informationen bzw. Entwicklungen ausgelassen, dann kommt wieder etwas dazu, dessen Bedeutung ich mir schwer erklären kann - für mich war das alles ein bisschen verwirrend.


    Dass mit Alexander die Figur eines jungen Mannes, der schon viel mitmachen musste, gewählt wurde, finde ich hingegen passend - seine eigenen Erfahrungen mit dem menschlichen Leid machen seine Entwicklung von jemandem, der von der Nachbarin genervt ist und sie als aufdringlich empfindet, zu einem einfühlsamen, ja fürsorglichen Zuhörer.


    Ein besonderer Roman, den ich trotz meiner persönlichen stellenweisen Schwierigkeiten gerne allen, die an neueren historischen Entwicklungen interessiert sind - und ich hoffe, dass das viele sind - weiterempfehle.

    3ratten

  • Danke für eure Rezensionen. Ich möchte dieses Buch auch unbedingt lesen und nun weiß ich, dass ich es mir ruhigen Gewissens holen kann. :)

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Meine Meinung zum Buch:


    Titel: Ein Kreuz für die Erinnerung...

    Dieser tolle Roman wurde mir auf der letzten Buchmesse wärmstens ans Herz gelegt und nun weiß ich auch warum.

    In der Geschichte geht es um Alexander, der gerade umgezogen ist und versucht ein neues Leben anzufangen. Da besucht ihn seine neunzigjährige Nachbarin Tatjana und erzählt ihm ihre Lebensgeschichte.Was verbindet die beiden und werden sie sich gegenseitig Hoffnung geben können?

    Der Roman ist sehr vielfältig in seiner Gestaltung, denn wir erleben die Geschehnisse nicht nur als Erzählungen aus Sicht der beiden Hauptfiguren, sondern Protokolle, Briefe und Gedichte ergänzen das Ganze. Zunächst habe ich den Sinn der Briefe und Protokolle nicht erfassen können, aber im Verlauf der Handlung wurde dann klar, was sie verdeutlichen sollen.

    Tatjana habe ich zu Beginn als etwas aufdringlich und anstrengend empfunden, eben eine typische Nachbarin, die gern einem jungen Menschen ein Ohr abkaut. Ihre Lebensgeschichte ist dann aber so spannend, dass man ihr auch als Leser sehr bald gern zuhört, schlicht weil man so viel Leid kaum begreifen kann.

    Alexander war mir als Charakter auf Anhieb sympathisch, denn er begegnet seinen Mitmenschen offen gegenüber und scheint im Gegensatz zu seinem Stiefvater auch keine Vorurteile gegenüber anderen zu haben. Sein Schicksal hat mich zu Tränen gerührt und ich musste hart schlucken als ich las, was seine Beweggründe für den Neuanfang waren.

    Der Roman zeigt sehr anschaulich wie heilsam zwischenmenschliche Beziehungen sein können und dass ein offenes Ohr noch keinem geschadet hat.

    Des Weiteren hatte ich das Gefühl, dass man einen guten Einblick in die stalinistische Sowjetunion bekam durch die Erlebnisse von Tatjana.

    Fazit: Ein Roman, der mich mitten ins Herz getroffen hat und sich wie ein richtiger Pageturner las. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus. Klasse!

    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Gebundene Ausgabe: 288 Seiten

    Verlag: Diogenes (26. Februar 2020)

    ISBN-13: 978-3257071245

    Originaltitel: Krasny Krest

    Übersetzung: Ruth Altenhofer

    Preis: 22,00 €

    auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich


    Dieser Roman konnte mich leider nicht erreichen


    Inhalt:

    Alexander bezieht seine neue Wohnung. Da macht er die ungewollte Bekanntschaft seiner Nachbarin, der über 90-jährigen Tatjana, die ihm sogleich ein Gespräch aufdrängt. So erfährt Alexander zwischen Tür und Angel die Lebensgeschichte der alten Frau.


    Meine Meinung:

    Hauptsächlich geht es hier um die Stalin-Ära, um die „Säuberungen“, willkürliche Unterdrückung der Sowjetbürger. Eigentlich ein sehr interessantes Thema, wie ich finde. Ich hatte hohe Erwartungen an die Erzählungen der alten Tatjana. Doch leider konnte mich die Geschichte überhaupt nicht abholen. Ich schreibe dies dem nüchternen, relativ emotionslosen, mehr berichtartigen Schreibstil zu.


    Im Klappentext ist die Rede von einer unerwarteten Freundschaft und dass die beiden Protagonisten ineinander das eigene gebrochene Herz erkennen. Weder das eine noch das andere konnte ich aus der Erzählung herauslesen.


    Fazit:

    Der Roman ist sicher nicht schlecht, aber mich konnte der Autor leider nicht begeistern.


    ★★★☆☆