Wilkie Collins - The Woman in White/Die Frau in Weiß

Es gibt 35 Antworten in diesem Thema, welches 6.543 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Hallo zusammen!


    Wilkie Collins’ The Woman in White habe ich auch schon als den ersten Kriminalroman der Literaturgeschichte angekündigt gesehen. Wenn statt „Kriminalroman“ da gestanden hätte „Thriller“ wäre ich eventuell sogar einverstanden. Nicht die Suche nach dem Täter steht nämlich bei Collins im Vordergrund (der ist eigentlich von Anfang an klar), sondern die Frage, wie schaffen die Verbrecher es, ihr Verbrechen zu begehen und was unternehmen die „Guten“ dagegen.


    Es geht, grob gesagt, um eine reiche Erbin, die um ihr Erbe gebracht werden soll. Täter und Opfer sind also von Anfang an klar, und die Geschichte würde fast darunter leiden, dass die Gute viel zu gut und der Böse viel zu böse ist. Selbst der gute Liebhaber der Erbin bleibt äusserst blass. (Obwohl er - zugegebenermassen - im Laufe der Geschichte einige nicht üble Detektivarbeit leistet.)


    Nicht viel besser wird das Ganze durch die Tatsache, dass wir uns im Viktorianischen Zeitalter befinden. Die Erbin ist voller Skrupel, die wir heute kaum nachvollziehen können. Wie oft hätte ich die Lady gern geschüttelt und ihr zugerufen, sich wie ein Mensch zu benehmen! Ich war auch schon drauf und dran, das Buch deswegen definitiv als völlig veraltet wegzulegen.


    Gehindert daran haben mich zwei Figuren, die eigentlich beide in der zweiten Reihe agieren sollten, sich aber in den Vordergrund drängten. Da ist die beste Freundin der Erbin, als hässlich und ziemlich unweiblich beschrieben, die – wenigstens teilweise – die Tatkraft aufbringt, welche der Erbin fast völlig fehlt. (Oh, auch die Erbin wehrt sich gegen den Bösewicht – ein einziges Mal, was denn auch die Katastrophe der Geschichte heraufbeschwört!) Und da ist der Sidekick des Bösewichts. Auch er nach üblichen Massstäben keine Schönheit, versteht er es doch, Männlein wie Weiblein (aber vor allem letztere!) in seinen Bann zu ziehen. Und die schon fast emanzipierte beste Freundin ist die erste, die seinen Bann verspürt. Hinter der Viktorianischen Fassade werden plötzlich Abgründe schlecht sublimierter weiblicher Libido sichtbar ...


    Faszinierend, wie mein Lieblings-Alien sagen würde …


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von sandhofer ()

  • Mir hat die Frau in Weiß sehr gut gefallen. Mir ging es ähnlich wie dir zuweilen hätte ich die Reiche Erbin schütteln mögen wie naiv man sein kann.
    Aber irgendwie hat man das Gefühl das der Autor sich nicht so richtig entscheiden konnte wer nun Hauptfigur sein soll und wer nur eine Nebenfigur abgibt. Den Bösewicht fand ich dann auch interessanter und vielschichtiger beschrieben.

  • Hallo!


    sandhofer: danke für diesen Tipp :bussi: Dieses Buch lebt schon lange relativ unbeachtet in der hinteren Reihe meines SUBs. Bisher konnte ich mich noch nicht dazu aufraffen, aber jetzt hat es den Sprung nach vorne geschafft und wird mir demnächst in die Hände fallen :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Danke für die Rezension, sandhofer. Dieses Buch (auch ich kenne es als "Klassiker der Kriminalliteratur") wollte ich mir schon lange einmal anschaffen.


    Cheers, adia

  • Ich habe es vor ungefähr 30 Jahren verschlungen, kann mich also an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Darauf gekommen war ich durch einen Fernsehmehrteiler, meiner Meinung nach diesen von 1971. Beides hat mir damals sehr gut gefallen, allerdings nehme ich an, dass ich dem heute etwas skeptischer gegenüber stehen würde.
    Gegenüber stand ich heute dem Buch in der Buchhandlung, habe mich aber doch für etwas (einige :rollen: ) andere/s entschieden. So wie ich mich kenne, ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis es meinen SUB ziert.


    Ebenfalls vor langer Zeit gelesen habe ich noch Der Monddiamant.


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    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Hallo!


    Saltanah: stimmt- von dieser Fernsehreihe habe ich auch ein bisschen was gesehen, aber ich habe es bis jetzt noch nicht mit dem Buch in Verbindung gebracht. Jetzt freue ich mich so richtig auf dieses Buch :klatschen: Der Monddiamant subbt übrigens auch noch bei mir.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo, meinerseits! Ich habe das Buch auch gelesen und war ebenso überrascht, wie begeistert. Es ist von Anfang klar, wie es ausgehen wird und trotzdem fesselt einen die Geschicht bis auf die letzte Seite. Nur zu empfehlen.

    Der Mensch erfährt, er sei auch wer er mag,
    <br />ein letztes Glück und einen letzten Tag.
    <br />
    <br />(Johann Wolfgang von Goethe)

  • Hallo zusammen!


    Habe gerade in meinem Startbeitrag den Begriff "7-1ualität" durch den Begriff "Libido" ersetzt. Ich mag es nicht, wenn eine amoklaufende prüde Software meine Beiträge zensiert :grmpf:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo!


    Ich wußte doch, dass da noch was war... ich wollte doch seit Juli meine Meinung zu dem Buch abgeben :rollen:


    Ich gehörte am Anfang auch zur "Schüttelfraktion", bekam dann aber Mitleid mit dem armen, reichen Mädchen, das aus lauter Pflichtgefhühl nicht so konnte, wie es eigentlich wollte. Mein Mitleid ist aber ziemlich schnell in Ungeduld mit der Guten umgeschlagen weil ich das Gefühl hatte, dass sie sich in der Rolle der Märtyrerin recht wohl gefühlt hat :rollen: Also wieder zurück zum Schütteln!


    Wie Sandhofer schon geschrieben hat, waren die Rollen von Anfang klar verteilt, aber die einzelnen Personen waren trotzdem nicht langweilig, sondern haben sich immer wieder dem Lauf der Geschichte angepasst bzw. weiterentwickelt. Natürlich war irgendwann klar, wie die Geschichte ausgehen wird, aber die eine oder andere Wendung auf dem Weg dorthin war doch überraschend und ich habe mir mehr als einmal überlegt, ob alles nicht doch ganz anders kommt. Von mir bekommt The woman in white 4ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Endlich konnte ich mich aufraffen, meine Rezi zu schreiben, was aber sicher nicht daran liegt, dass das Buch so schlecht war – ganz im Gegenteil. Den Inhalt spare ich aus, weil Sandhofer oben schon Näheres dazu geschrieben hat. Ich habe das Buch auf Deutsch gelesen.


    Der Roman (erschienen 1859) ist raffiniert aufgebaut, indem der Autor die verschiedenen Beteiligten in Form von Berichten, Briefen und Tagebuchaufzeichnungen aus ihrer jeweiligen Sicht erzählen lässt, wodurch eine abwechslungsreiche und stilistisch sehr unterschiedliche Struktur entsteht. Die Spannung lässt nicht zu wünschen übrig, obwohl es an wirklichen Gewalttaten und Opfern, wie man sie aus heutigen Krimis meist kennt, eher fehlt.


    Da Collins die Handlung sehr feinfühlig und langsam konstruiert, hat man Gelegenheit, selbst über weitere Geschehnisse zu spekulieren. Die diversen Beteiligten werden charakterlich sehr schön entwickelt und dargestellt, und nahezu jede Eigenart ist vorhanden. Meine Lieblingsfigur ist Marian Holcombe (die Halbschwester der Erbin Laura), die mit ihrer Energie und Entschlussfreudigkeit das genaue Gegenteil zu Laura darstellt, die so farblos und phlegmatisch erscheint, dass ich des öfteren staunend den Kopf schüttelte. Selbst bei aller weiblichen Zurückhaltung der damaligen Zeit kann ich mir schlecht vorstellen, dass sich jemand so unberührt in sein Schicksal ergibt.


    Die Spannung flaute zum Schluss hin etwas ab und das Ende war vorhersehbar, aber trotzdem akzeptabel. Von mir gibt’s dafür


    4ratten


    Liebe Grüße
    Doris

  • Nach einer super Leserunde habe ich den Eintrag hier schleifen lassen, aber hier nun:


    Walter Hartright erhält einen vielversprechenden Auftrag, der ihn nach Cumberland zu Limmeridge House führt. Dort gibt er auf dem Gut von Mr. Fairlie dessen Nichte Laura und deren Halbschwester Marian Zeichenunterricht. Auf dem Weg dorthin begegnet er mitten in der Nacht auf Londons Straßen einer weiß gekleideten jungen Frau, die ausgerechnet Limmeridge von früher kennt und -auf Anhieb verwirrende- Warnungen vor einem bestimmten Menschen ausspricht.


    Auf Limmeridge verliebt sich Walter in Laura, verlässt das Anwesen jedoch, nachdem er von Marian klar gemacht bekommt, dass er einerseits nicht ganz standesgemäß ist und dass Laura andererseits Sir Percival Glyde heiraten soll. So hatte es Lauras verstorbener Vater gewünscht und obwohl die Frauen Percival gegenüber wegen dessen finanziellen Schachzügen begründet misstrauisch sind, fügt sich Laura ergeben in ihr Schicksal. Auch die Frau in Weiß, die plötzlich auf Limmeridge auftaucht und die Heirat zu verhindern versucht, kann Laura nicht umstimmen (und das, obwohl natürlich ausgerechnet Sir Percival der Mensch ist, von dem sie Walter bei der ersten Begegnung in London schon Schlimmes erzählen wollte). Walter schließt sich aus Liebeskummer einer Amerika-Expedition an, Laura geht die unselige Beziehung zu Sir Percival ein.
    Als Walter aus Amerika zurück kommt, erfährt er von Lauras Tod und trifft völlig unverhofft auf Marian, die ihm von äußerst seltsamen Geschehnissen während der letzten Monate berichtet. Aus Liebe zu Laura versucht Walter, sich Sir Percival und dessen gefährlichem Freund Graf Fosco entgegen zu stellen.


    Was zum Zeitpunkt des Entstehens als "sensational novel" angepriesen wurde, gilt heute als einer der Grundsteine des britischen Kriminalromans. Ein gelungener noch dazu. Walter macht sich daran, eine Verschwörung aufzudecken und sieht sich dabei so ziemlich alle denkbaren Hindernissen gegenüber. Die Macher der Verschwörung, Sir Percival und Graf Fosco, sind angesehene, wohlhabende Leute, bei denen sich kaum einer vorstellen kann, dass sie überhaupt zu Verbrechen fähig sein könnten. Eine hohe Geburt ist quasi ein Persilschein. Zudem ist viel Zeit verstrichen, sodass sich Zeugen kaum erinnern können, was wann wo vorgefallen sein könnte. Hinzu kommen unvorhergesehene Ereignisse, die verwertbare Spuren zunichte machen oder ganz klassische Fehleinschätzungen. Ich fand, dass die Jagd nach der Aufklärung stets spannend blieb, weil sich erst aus all den Beweisen, die Walter zusammen suchen muss, eine schlüssige Beweiskette ergibt. Die ist dringend nötig, weil Walter für den Prozessweg das nötige Geld und der gesellschaftliche Rang fehlen. Am Ende erhält Walter ganz überraschend Hilfe, mit der er nicht rechnen konnte, die ihm aber den letzten Schlüsselhinweis in die Hände spielt.


    Ein Pluspunkt ist für mich auf alle Fälle der Aufbau: Drei Zeiträume (epoch) geben die Rahmenstruktur vor: Die Zeit vor der Hochzeit, die Zeit direkt danach und die Zeit der Aufklärung. Pro Kapitel (chapter) erzählt die Person die Geschichte weiter, die jeweils am meisten zum Geschehen der jeweiligen Zeit beitragen kann. Mal erzählt Walter, mal wird das Tagebuch von Marian zitiert, mal berichtet eine Hausangestellte, mal kopiert Haupterzähler Walter auch einen Brief in die Geschichte, der von einem Beteiligten an ihn geschickt wurde. Auf diese Weise setzt sich die gesamte Handlung zusammen und man erhält ein schönes Bild davon, wie die einzelnen Personen beteiligt waren und was für Menschen und Charaktere dahinter stecken.


    Wie Collins (relativ spät) im Buch selbst schreibt, konzentriert er sich bei seiner Erzählung der Ereignisse auf die Personen, die mit dem Ablauf aktiv zu tun haben. Das strafft die Geschichte ungemein und der Verzicht auf das ganze Drumherum sorgt für eine rasante Geschichte, in der ständig irgendetwas passiert, das auch wirklich Relevanz hat. Nur dadurch ist es auch möglich, Überraschungseffekte zu erzielen und die Geschichte richtig am Laufen zu halten. Der vermeintlich alte Schinken hielt mich wirklich bei der Stange.


    4ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Hi!


    Die Inhaltsangabe lasse ich mal weg, es steht ja schon genug dazu. Ich gehöre übrigens nicht zu der Fraktion, die Laura Fairlie hätten schütteln mögen. Ich hatte sie schon früh als «zu gut für diese Welt» abgestempelt und wusste, dass von ihr nichts zu erwarten sein wird. Wie die anderen auch fand ich dafür ihre Halbschwester Marian faszinierend; die steht mit beiden Beinen im Leben... :smile:



    Meine Meinung:
    «Die Frau in Weiss» ist eines der ersten Bücher, aus dem später das Genre Krimi entstand. Allerdings macht hier noch kein Kommissar Jagd auf einen Verbrecher, sondern hauptsächlich der Zeichenlehrer Hartright, der zuerst vor allem beweisen will, dass überhaupt ein Verbrechen vorliegt. Was der Leser in Händen hält ist das Produkt von Hartrights Recherchen.


    Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Augenzeugenberichten, die von verschiedenen Personen geschrieben wurden. Der erste Teil stammt von Hartright selbst, danach folgt eine Passage des Rechtsanwaltes Vincent Gilmore, dann kommen Einträge aus den Tagebüchern von Lauras Schwester Marian Halcombe und so weiter. Was im Inhaltsverzeichnis verwirrend wirkt, ist im Buch sinnvoll - Hartright (respektive der Autor Wilkie Collins) hat Sorge getragen, dass die Berichte schön der chronologischen Reihenfolge der Geschehnisse entsprechen.


    Der Plot an sich ist nicht übermässig kompliziert und die Geschichte liesse sich in flottem Tempo auf 200 Seiten erzählen. Allerdings ist das Buch ein Kind seiner Zeit, der Steifheit und Förmlichkeit der englischen Oberklasse wird Rechnung getragen, in dem die Geschichte so erzählt wird, wie sich die Leute damals unterhielten: Langsam und ausführlich (zumindest aus heutiger Sicht). Das liest sich ganz interessant und ich fühlte mich teilweise wirklich in diese Zeit zurückversetzt, auch in die unangenehmen Seiten davon. So werden Dienstboten gar nicht als vollwertige Menschen betrachtet, und sogar ein gebildeter Mensch wie Zeichenlehrer Hartright bekommt immer wieder zu spüren, dass die Adligen sich tatsächlich allein aufgrund ihrer höheren Geburt für bessere Menschen halten. Und dass Frauen in jedem Fall dümmer sind als Männer, versteht sich von selbst... Das alles ist zwar keineswegs Thema des Romans, das sind die Dinge, die man zwischen den Zeilen herausliest. Unter dem Aspekt, dass das alles erst 150 Jahre her ist, haben mich diese Alltäglichkeiten fast am meisten beeindruckt – respektive der Weg, den die Europäer in dieser Zeit gesellschaftlich zurückgelegt haben.


    Mit Abstrichen beim Erzähltempo und Beschreibungen von Geisteszuständen (vor allem die Frauen müssen sich beim kleinsten Ungemach gleich ins Bett legen, heute würde man sie bei gleichem Verhalten wohl als «Drama queen» betiteln und dann ignorieren statt umsorgen) wirkt «Die Frau in Weiss» wie ein modernes Buch. Die Zusammenstellung aus verschiedenen Berichten fand ich originell, sie brachten genau das richtige Mass an Abwechslung, damit die über 800 Seiten gut zu überstehen waren. Sprachlich merkt man, dass es sich um einen Unterhaltungsroman handelt, das Buch lässt sich also leicht lesen. (Wobei Wilkie Collins natürlich besser schreibt als so mancher Thrillerautor heutiger Tage. Aber man merkt, dass er es seiner Leserschaft nicht absichtlich schwer machen wollte.)


    Zum Abschluss noch ein Wort zu der Ausgabe, die ich gelesen habe. Sie ist im Fischer-Verlag erschienen (Taschenbuch), die Erstausgabe war 1995 (die Übersetzung stammt allerdings aus dem Jahr 1965). Es war wohl die Zeit der Rechtschreibreform und das Korrektorat in dem Verlag muss heillos überfordert gewesen sein. Da ist von Atmosfäre und Filosofie zu lesen, umgekehrt setzt sich ein Protagonist aber auch mal gerne aufs Sopha. Noch viel schlimmer ist allerdings der Deppenapostroph: «...beginnen mit der niederschlagenden Kalamität von Marian's Krankheit.» Gehts noch? Dieser Fehler zieht sich konsequent durch. Ebenfalls seltsam ist die konsequente Grossschreibung von Indefinitpronomen wie alle, keiner, jeder oder beide. Das kann ich ja noch (als mir unverständliches) Stilmittel durchgehen lassen. Aber beim Rest frage ich mich schon, wieso dieser Nonsense in der siebten Auflage immer noch nicht korrigiert ist.


    Fazit:
    Es war sehr interessant, einen der ersten Krimis überhaupt zu lesen und gut unterhalten fühlte ich mich dabei auch noch. Wer etwas aus der viktorianischen Zeit lesen möchte, tut hier sicher keinen Fehlgriff.


    7 von 10 Punkten

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Zum Abschluss noch ein Wort zu der Ausgabe, die ich gelesen habe. Sie ist im Fischer-Verlag erschienen (Taschenbuch), die Erstausgabe war 1995 (die Übersetzung stammt allerdings aus dem Jahr 1965). Es war wohl die Zeit der Rechtschreibreform und das Korrektorat in dem Verlag muss heillos überfordert gewesen sein. Da ist von Atmosfäre und Filosofie zu lesen, umgekehrt setzt sich ein Protagonist aber auch mal gerne aufs Sopha. Noch viel schlimmer ist allerdings der Deppenapostroph: «...beginnen mit der niederschlagenden Kalamität von Marian's Krankheit.» Gehts noch? Dieser Fehler zieht sich konsequent durch. Ebenfalls seltsam ist die konsequente Grossschreibung von Indefinitpronomen wie alle, keiner, jeder oder beide. Das kann ich ja noch (als mir unverständliches) Stilmittel durchgehen lassen. Aber beim Rest frage ich mich schon, wieso dieser Nonsense in der siebten Auflage immer noch nicht korrigiert ist.


    Pssst: Weil diese Rechtschreibung Absicht war. Des Übersetzers nämlich. Arno Schmidt hat auch seine eigenen Werke in einer sehr eigenwilligen Orthographie verfasst. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Pssst: Weil diese Rechtschreibung Absicht war. Des Übersetzers nämlich. Arno Schmidt hat auch seine eigenen Werke in einer sehr eigenwilligen Orthographie verfasst. :winken:


    Was für ein Trottel. Sorry, aber egal, was er sonst noch geleistet hat in seinem Leben - sowas ist einfach nur nervig und unnötig. L'art pour l'art? Darauf kann ich wirklich verzichten.


    Und wenns der Verlag schon so stehen lässt (:entsetzt:), dann wäre ein kurzes erklärendes Vorwort das Mindeste gewesen. Eine schwache Leistung von Fischer...

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Wilkie Collins


    Die Frau in Weiß


    The Woman in White



    England 1850

    Der junge Zeichenlehrer Walter trifft nachts auf der Landstraße eine merkwürdige Frau in Weiß, die ihn nach dem Weg fragt. Damit fangen eine Reihe seltsamer Begebenheiten an, die für Walter eine unglückliche Liebe mit sich bringen und für seine Schülerin Laura Lebensgefahr. Und nicht nur Laura gerät in riskante Machenschaften…


    Laut Wikipedia ist Die Frau in Weiß der erste Mystery-Roman überhaupt. Dann musste ich ihn mir natürlich zu Gemüte führen. Mit fast 900 Seiten ist er allerdings erheblich umfangreicher als seine modernen Nachkommen. Da ich ihn mir habe vorlesen lassen, kam aber keine Langeweile auf.


    Allerdings war Laura von seltener Dämlichkeit. Soviel Lebensunfähigkeit kann man auch mit Jugend kaum entschuldigen. Sowas tilgt Mutter Natur mittels Auslese… Noch schlimmer war natürlich der hypochondrische Onkel, der größte Egoist unter der Sonne.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Bechdel-Test: :daumen:

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Kiba : Wenn Du auf Laura fokussierst, ist der Roman allerdings selten dämlich. Aber:


    Da ist die beste Freundin der Erbin, als hässlich und ziemlich unweiblich beschrieben, die – wenigstens teilweise – die Tatkraft aufbringt, welche der Erbin fast völlig fehlt. (Oh, auch die Erbin wehrt sich gegen den Bösewicht – ein einziges Mal, was denn auch die Katastrophe der Geschichte heraufbeschwört!) Und da ist der Sidekick des Bösewichts. Auch er nach üblichen Massstäben keine Schönheit, versteht er es doch, Männlein wie Weiblein (aber vor allem letztere!) in seinen Bann zu ziehen. Und die schon fast emanzipierte beste Freundin ist die erste, die seinen Bann verspürt. Hinter der Viktorianischen Fassade werden plötzlich Abgründe schlecht sublimierter weiblicher Libido sichtbar ...

    ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ja, Marian beschreibt die Faszination recht gut, die von dem dicken Grafen ausgeht, obwohl er durchaus kein Adonis ist.

    Aber Marian, die neben recht viel Verstand einen sexy Körper mit einem hässlichen Gesicht hat - laut Collins - , würde ich durchaus nicht als beinahe emanzipiert einstufen. Ganz speziell zum Schluss nicht, wo sie darauf hinweist, voll und ganz mit ihrer Rolle als Tante zufrieden zu sein und für sich selbst nichts mehr zu wünschen. Also keine eigene Beziehung, keinen Partner, keine Kinder, keinen Haushalt usw. Da wäre es ja noch interessanter gewesen, wäre sie mit dem Grafen durchgebrannt. ;)

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ach, da dieser Thread jetzt wieder kommt, bekomme ich gleich Lust, "The Woman in White" wieder zu lesen. Das muss jetzt auch schon 13 oder 14 Jahre her sein, irgendwann ehe ich das Musical dazu sah. Ich mag die Geschichte sehr, ich sollte mir das Buch vielleicht mal wieder rauslegen.

    Danke! ;)

  • Aber Marian [...] würde ich durchaus nicht als beinahe emanzipiert einstufen. Ganz speziell zum Schluss nicht, wo sie darauf hinweist, voll und ganz mit ihrer Rolle als Tante zufrieden zu sein und für sich selbst nichts mehr zu wünschen. Also keine eigene Beziehung, keinen Partner, keine Kinder, keinen Haushalt usw.

    Das ist durchaus eine Emanzipation von dem, was die Zeit von einer Frau erwartete: Gatte, Kinder, Haushalt.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)