J. M. Coetzee - Schande

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    Inhalt:


    David Lurie, Literaturprofessor in mittleren Jahren und zweimal geschieden, ist in Ungnade gefallen: eine Affäre mit einer seiner Studentinnen, die er ohne große Leidenschaft und ohne sonderliche Bedenken unterhielt, ist an die Öffentlichkeit gedrungen. Der peinlichen Befragung durch eine Untersuchungskommission entzieht er sich durch ein Schuldbekenntnis. Er quittiert seinen Dienst und verlässt Kapstadt, um sich für eine Weile zu seiner Tochter aufs Land zurückzuziehen.


    Lucy, die keinerlei Ambitionen in der Welt ihres Vaters hat, versucht auf einem entlegenen Stück Land eine kleine Farm aufzubauen. Zunächst scheint es, als könnten der Einfluss Lucys und der natürliche Rhythmus des Farmlebens Davids aus den Fugen geratenem Leben neuen Halt geben, doch dann werden Vater und Tochter Opfer eines brutalen Überfalls, in dessen Folge der grundlegende existentielle Konflikt zwischen Vater und Tochter offen zutage tritt. Während David mit seinen absoluten, eher philosophischen Begriffen von Recht und Würde die Bestrafung der Täter mit allen Mitteln des Gesetzes betreiben will, kommt Lucy zu realistisch-nüchternen Schlüssen und nimmt den Kampf auf ihre Weise auf: sie akzeptiert die Gesetze der Lebenswirklichkeit, für die sie sich nun einmal entschieden hat. David muss seine eine Rettung finden.



    Meine Meinung:


    Warum dieses Buch manchmal als extrem zäh und langatmig bezeichnet wird, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. An manchen Stellen zieht es sich vielleicht ein wenig, aber insgesamt finde ich es äußerst vielschichtig und ungewöhnlich.
    Alles wird vollkommen wertfrei beschrieben – die unterschiedliche Mentalität von Schwarzen und Weißen, die verschiedenen Lebenseinstellungen von Vater und Tochter … der Autor schildert alles distanziert genug, um es völlig dem Leser zu überlassen, worüber er sich empören möchte. Ich selbst habe mich an einigen Stellen dazu verleiten lassen - zum Beispiel als die (Hinter-)Gründe für den Überfall nach und nach zutage treten. Und besonders zum Ende hin hat mich schockiert, wie weit Lucy zu gehen bereit ist, um an ihrem gewählten Lebensweg festzuhalten.
    Auf alle Fälle liefert „Schande“ viel Stoff zum Grübeln. Es zeigt sowohl den Verfall zweier Menschen und ihrer Beziehung zueinander, als auch verschiedene Blickwinkel auf teils typisch südafrikanische, teils allgemein menschliche Problematiken. Man lernt, sich mit Urteilen zurückzuhalten und gegebenenfalls auch einmal etwas einfach hinzunehmen, das man beim besten Willen nicht versteht. Darin liegt wohl das Wesen wahrer Toleranz.


    4ratten

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    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Danke Bluebell für diese tolle Rezension!


    Ich habe das Buch vor wenigen Tagen ausgelesen, und meine Meinung ähnelt deiner sehr.


    Keinesfalls fand ich das Buch langatmig oder gar zäh.. Ich habe schon lange nicht mehr ein Buch so rasch ausgelesen (und noch nie einen "Nobelpreisträger" :zwinker: ).


    Mit der Story selber hatte ich allerdings schon einige Probleme. Professor Lurie war mir derart unsympathisch, dass ich mich auch mit der Geschichte nicht anfreunden konnte. Er ist so ein richtiger Geilspecht, der bei jeder Frau, die ihm über den Weg läuft gleich einmal festlegt, ob sie attraktiv ist oder nicht bzw. ob er sie ins Bett kriegen kann.


    Gut gefallen und auch sehr gut herausgearbeitet waren die sehr konträren Charaktere und Lebenseinstellungen zwischen dem Prof. und seiner Tochter. Einerseits weiß er natürlich - als belesener und gebildeter Mensch, dass seine Tochter alt genug ist zu wissen, was sie tut - andererseits verstehe ich ihn als Vater, dass er dies natürlich verhindern will.


    Zitat


    Was meinst du, was sind die Gründe dafür, dass seine Tochter die Vergewaltigung verschweigt? Meine Gedanken gehen dahin: Lucy ist eine Aussteigerin. Sie will mit dem Wohlstandsleben ihres Vaters nichts zu tun haben. Sie gründet sozusagen als "Outlaw" in einer verrufenen Gegend eine eigene Existenz und kämpft sich so halbwegs durch. Nun wird sie genau von solchen "Outlaws", von denen sie ja ihresgleichen sein möchte, überfallen. Ich hatte so den Eindruck, es ist ihr Stolz, der sie daran hindert, die Vergewaltigung anzuzeigen. Sie möchte den anderen nicht Recht geben, dass die Vorurteile stichfest sind.
    Das sind jetzt nur so meine Gedanken, möglich dass ich mich irre


    Wie Bluebell schon erwähnte, es ist ein Buch, das sehr viel Freiraum lässt für eigene Grübeleien, eigene Gedanken.


    4ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ich weiß noch, dass es mich noch einige Zeit danach sehr intensiv beschäftig hat.
    Auch heute noch lasse ich nichts auf das Buch kommen, und J. M Coetzee ist seither ein Autor, von dem man mal wieder was lesen müsste. Leider bin ich bisher nicht dazu gekommen. Aber vielleicht hat ja jemand eine Empfehlung für mich, welches seiner anderen Werke ich mir als nächstes Vornehmen sollte?

  • Hm, ich gehöre wohl eher zur anderen Fraktion. Mir hat das Buch überhaupt nicht gefallen. Den Professor fand ich furchtbar unsympathisch, die Tochter ist mir auch nicht ans Herz gewachsen ... und ich fand den Schreibstil sehr nüchtern und trocken.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo zusammen,


    ich schließe mich Valentine an. Ich fand die Geschichte ziemlich widerlich, obwohl es mir schwerfällt, das an etwas bestimmtem festzumachen. Aber ich habe mich zum Schluss regelrecht geekelt. Die Art, wie Lucy sich klaglos alles gefallen lässt, fand ich furchtbar.


    Nee, das Buch hat mir wirklich keinen Spaß gemacht.


    Grüße
    Manjula

  • Sehr interessant, die verschiedenen Meinungen ... hoffentlich melden sich noch mehrere zu Wort! :winken:

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  • Bis zum Schluss bin ich gar nicht mehr vorgedrungen, ich habe irgendwo in der Mitte abgebrochen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das ist aber schade, Valentine. Der Professor - am Anfang furchtbar unsympathisch - macht nämlich eine enorme Entwicklung durch. Gut, sympathisch war er mir bis zum Schluss nicht sonderlich, aber er selber entdeckte einige andere Seiten an sich.
    Ich fand das Buch während des Lesens auch nicht sonderlich prickelnd. Zum Glück war es einfach zu lesen, aber die "Nacharbeit", die "Sickerwirkung" bei diesem Buch ist enorm.

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • creative: Sorry, dass ich auf deinen Spoiler erst jetzt antworte!



    Was du über die "Sickerwirkung" gesagt hast, kann ich nur voll und ganz unterschreiben!


    Bluebell :winken:

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  • Ich habe das Buch mal angefangen zu lesen, konnte mich aber mit dem Schreibstil nicht anfreunden. Aber deine Rezension hat mich jetzt doch wieder neugierig darauf gemacht, also werd ich ihm demnächst noch mal eine Chance geben, vielleicht klappt's ja jetzt besser :smile:

  • Zitat


    Professor Lurie war mir derart unsympathisch, dass ich mich auch mit der Geschichte nicht anfreunden konnte. Er ist so ein richtiger Geilspecht, der bei jeder Frau, die ihm über den Weg läuft gleich einmal festlegt, ob sie attraktiv ist oder nicht bzw. ob er sie ins Bett kriegen kann.


    Willkommen in der Gedankenwelt der Männer, so jedenfalls es das Klischee will ^^


    Nun was gibt es über das Buch zu sagen? Bei mir ists jetzt auch schon um die 2 Jahre her seit ich es gelesen habe. Es hat mir damals eigentlich ganz gut gefallen. Interessant und doch einfach geschrieben. Dennoch kommt man danach ins Grübeln; 1. sind der Prof. und seine Tochter weiss 2. die die sie überfallen sind Schwarz, ein doch sehr heikles Thema. Aber dennoch versteht es Coetzee gekonnt damit umzugehen. Der Charakter mag zwar am Anfang sicher unsympatisch erscheinen, vor allem für Frauen, doch mit der Zeit wird er immer sympathischer und entwickelt sich auch selbst weiter.


    Evtl. nicht gerade Nobelpreis würdig, meiner Meinung nach, aber dennoch ein gutes Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt und schnell gelesen hat.


  • Dennoch kommt man danach ins Grübeln; 1. sind der Prof. und seine Tochter weiss 2. die die sie überfallen sind Schwarz, ein doch sehr heikles Thema.


    Stimmt. Aber ganz ehrlich - wenn das nun mal die in der Realität bei weitem häufigere Variante ist, wär es in meinen Augen nicht wirklich angebracht, aus Gründen der political correctness (die ja in dem Fall dann eine incorrectness wäre :zwinker: ) die Hautfarben zu vertauschen.


    Speziell bei diesen Hintergründen für den Überfall, nämlich ...



    ... also der Grundgedanke würde ja umgekehrt gar nicht funktionieren!
    Und das ist nicht rassistisch gemeint, sondern einer der Mentalitätsunterschiede, auf die ich mich in meiner Rezension schon bezogen habe.


    LG, Bluebell

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  • Dennoch kommt man danach ins Grübeln; 1. sind der Prof. und seine Tochter weiss 2. die die sie überfallen sind Schwarz, ein doch sehr heikles Thema.


    Für mich ist dieses Buch doch eine Bestandsaufnahme des Südafrikas nach der Apartheid. Die Geschichte rächt sich und es ist in der Tat so, dass Südafrika ein sehr gefährliches Pflaster geworden ist und die Weißen wirklich Angst um ihr Leben haben. Ich nehme niemanden in Schutz, den während der Apartheid ist mit den Schwarzen auch nicht lange gefackelt worden .... wie schon gesagt, die Geschichte rächt sich und vieles ist doch wohl hausgemacht.

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Stimmt. Aber ganz ehrlich - wenn das nun mal die in der Realität bei weitem häufigere Variante ist, wär es in meinen Augen nicht wirklich angebracht, aus Gründen der political correctness (die ja in dem Fall dann eine incorrectness wäre :zwinker: ) die Hautfarben zu vertauschen.


    Ja ich hab ja nicht gesagt das es falsch ist oder das man es vertauschen sollte, aber es ist halt dennoch etwas riskanter. Denn die Welt (oder besondern z.b. die USA) spüren doch immer noch die Nachwehen der 60iger Jahre und noch früher, als es den Schwarzen gar nicht gut ging. Heute sehen wir Filme mit z.b. Denzel Washington, hab erst gerade vor kurzem Crimson Tide gesehen, gut der ist jetzt auch schon 10 Jahre alt, aber er ist natürlich der gute und Gene Hackman der Böse. Und natürlich hat man mit Washington auch sofort Sympathien, weil er halt auch Schwarz ist. Im Film ist sein bester Freund ja auch ein Weisser und damit wird uns wieder vorgegaukelt wie gut doch das Zusammenleben funktioniert. Es ist irgendwie grad bisschen schwer zu erklären, bzw. ich bring es evtl. nicht richtig rüber, aber ich möchte damit einfach sagen, dass man den Posten evtl. absichtlich einem Schwarzen gibt nur einfach um zu sagen, dass es hier keine Rassendiskriminierung mehr gibt und so. Michael Moore ist darauf auch mal in einem seiner Bücher eingegangen. Denn ich möchte das ich einen Charakter sympathisch finde, weil ich ihn als Charakter sympathisch find und nicht weil er schon so geboren wurde.


    Ach irgendwie kann ich mich einfach grad nicht richtig ausdrücken ich hoffe ihr versteht was ich sage. Ich bin kein Rassist oder so, nein ich bin eigentlich sogar sehr liberal aber ich hoffe ihr versteht was ich damit meine :S:redface:


  • Hm, ich gehöre wohl eher zur anderen Fraktion. Mir hat das Buch überhaupt nicht gefallen. Den Professor fand ich furchtbar unsympathisch, die Tochter ist mir auch nicht ans Herz gewachsen ... und ich fand den Schreibstil sehr nüchtern und trocken.


    Wenn ich auf den Beginn des Romans blicke, dort fand ich David Lurie auch unsympathisch. Ich denke, es lag in der Absicht des Autors, den Professor unsympathisch auftreten zu lassen. Ich dachte eben auch, naja, schon wieder ein Professor, der es mit seinen Studentinnen treibt, so etwas habe ich doch schon gelesen (bei Philip Roth). Aber, und das ist der Knackpunkt: Der Roman entwickelt sich. :breitgrins: Nämlich der Überfall und die Schande. Hier nämlich meistert Coetzee. Hier leuchtet sein glasklarer trockener Stil unerhört. Der Überfall wird aus der Perspektive des Professors erzählt. Noch wissen wir überhaupt nicht, was mit Lucie passiert. Doch wir ahnen es nur. Gerade dieses ahnen, dieses Schweigen darüber, hat Coetzee so herrlich umgesetzt, denn auch Lucie wird später darüber schweigen. Und dann noch dies: Als Lurie seine Tochter nach dem Überfall erstmals erblickt, sieht er sie nur von hinten. Dadurch wird der Leser dazu verleitet, sich vorzustellen, welche Spuren die Schande sich im Gesicht gefestigt haben.



    1. sind der Prof. und seine Tochter weiss 2. die die sie überfallen sind Schwarz, ein doch sehr heikles Thema.



    heikles Thema, nun ja, der Rassenkonflikt ist in einigen Romanen Coetzee's ein Thema. Nach der Apartheid haben wieder die Schwarzen das sagen. Darüber schreibt Coetzee mit geballter Ladung, erschütternd.


    Einige haben geschrieben, dass ihnen das Buch auch nach der Lektüre noch nachwirkt. Ein Merkmal, dass es sich um gute Lektüre handelt. Mir geht es auch so. :winken:


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Bei mir ist es schon eine Weile her, dass ich "Schande" gelesen habe. Und zwar in dieser hübschen Ausgabe hier:


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    Das Buch habe ich damals tatsächlich nur wegen seiner Aufmachung gekauft, über den Inhalt wusste ich nichts.
    Ich war dann ziemlich überrascht von dieser kühlen und nüchternen Sprache, und dass mich die Gechichte dennoch (oder gerade deswegen vielleicht) so erschüttern konnte. Beim Lesen entstand eine ganz eigene Stimmung, die ich nicht unbedingt als schön, aber beängstigend und berührend, und somit stark, empfand. Ich habe die Unerträglichkeit der Grausamkeit eines solchen Überfalls selten dichter beschrieben gefunden. Die Lektüre von "Schande" erzeugte bei mir das Gefühl von etwas Lähmenden und eine seltsame Schwere. An diesen Stil musste ich mich erst gewöhnen, fand ihn dann aber sehr überzeugend.


    Direkt unsympatisch fand ich eigentlich niemanden, nur waren mir die vorkommenden Personen sehr fremd, wie auch der gesamte Rest. Gerade das machte es für mich so interessant.


    Ein komisches Buch. Mich hat es sehr beeindruckt.


    Liebe Grüße
    Tia

  • Das unsympathische ist ja in der Figur angelegt, als Byronscher Luzifer, der von niemandem geliebt werden kann. Dazu kommt ja auch, daß Coetzee auf fast kompletter Neutralität besteht, nichts wird gemildert, die Höllenfahrt des David Lurie ist unausweichlich. Ich urteile selten nach Sympathie der Protagonisten, weil Identifikationsmöglichkeiten nur einen Teil eines Buches ausmachen, wenn überhaupt. Hier läuft die intendierte Identifikation allerdings eher intellektuell ab.


  • Hm, ich gehöre wohl eher zur anderen Fraktion. Mir hat das Buch überhaupt nicht gefallen. Den Professor fand ich furchtbar unsympathisch, die Tochter ist mir auch nicht ans Herz gewachsen ... und ich fand den Schreibstil sehr nüchtern und trocken.


    Mir war Lurie zuerst auch unsympathisch, das hat sich aber gegen Ende des Buches geändert. Und ehrlich gesagt war mir seine Tochter noch um einiges unsympathischer. :zwinker: Aber ich habe zum Glück sowieso nichts gegen unsympathische Protagonisten, im Gegenteil, meistens finde ich sie gerade deshalb umso interessanter. :smile: Der nüchterne Schreibstil hat mich nicht gestört, allerdings hat er dafür gesorgt, dass mich nichts an dem Buch emotional so richtig berührt oder schockiert hat - selbst der brutale Überfall. Ist schon interessant, was für einen starken Einfluss der Schreibstil haben kann... Ich habe das Buch zwar regelrecht verschlungen und fand es sehr spannend, aber emotional mitgerissen hat es mich überhaupt nicht. Aber das muss ja nicht immer schlecht sein. :zwinker: Dafür war ich mich umso mehr fasziniert davon, wie sich Lurie im Laufe des Buches entwickelt hat. Am Schluss war ich mir nicht sicher, ob er sich jetzt einfach aufgegeben hat, ob er verrückt geworden ist oder ob er im Gegenteil sich selbst jetzt erst gefunden hat.



    Die Art, wie Lucy sich klaglos alles gefallen lässt, fand ich furchtbar.


    Ich habe mich auch während des Lesens immer wieder gefragt, wie sie bloss so passiv sein kann und alles einfach so über sich ergehen lassen kann. Aber immer wenn ich mir die Alternativen zu ihrem Verhalten überlegt habe, konnte ich sie doch irgendwie wieder verstehen. Sie wollte vermutlich einfach nur vergessen was passiert war und weiterleben und das Beste daraus machen. Klar, mir hätte eine mutigere und kämpferischere Haltung auch besser gefallen, aber verstehen kann ich sie trotzdem - vor allem in Bezug darauf, dass sie Angst vor dem Gedanken hatte, eine Aussage über die Vergewaltigung machen und dabei alles noch einmal durchleben zu müssen.



    Das unsympathische ist ja in der Figur angelegt, als Byronscher Luzifer, der von niemandem geliebt werden kann. Dazu kommt ja auch, daß Coetzee auf fast kompletter Neutralität besteht, nichts wird gemildert, die Höllenfahrt des David Lurie ist unausweichlich. Ich urteile selten nach Sympathie der Protagonisten, weil Identifikationsmöglichkeiten nur einen Teil eines Buches ausmachen, wenn überhaupt. Hier läuft die intendierte Identifikation allerdings eher intellektuell ab.


    Leider kenne ich mich überhaupt nicht mit Byron und Wordsworth aus, deshalb sind mir vermutlich viele Anspielungen entgangen. :sauer: Was hat es denn mit dem "Byronschen Luzifer" genau auf sich?

  • John Malkovich spielt David Lurie!
    Bei meinem letzten Kinobesuch habe ich den Trailer gesehen und fand ihn sehr vielversprechend. Habe auch schon Zeitungsartikel entdeckt:


    Keine Zeit zum Durchatmen (orf.at)


    Es geht dem Menschen wie dem Hund (derstandard.at)


    Vielleicht ein Anlass für einen Re-read ...!?

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  • Ich habe es jetzt im Urlaub endlich geschafft, mein Weihnachtswichtelbuch "Schande" zu lesen.


    Ich muss sagen: PUH!
    Ganz schön krasse Geschichte.
    Über den Inhalt sag ich jetzt mal wenig, Zusammenfassungen gibt es ja genug. Eigentlich kann ich auch bluebells Meinung unterschreiben.


    Ich war ja längere Zeit in Südafrika und die Geschichte scheint mir tatsächlich sehr realitätsnah.
    Das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen ist noch immer sehr gespalten, auch Jahre nach der Apartheid.


    Auch wenn ich mich zeitweise über Lucys Verhalten aufgeregt habe und ihr einfach wegen meines Gerechtigkeitsgefühls gerne einen Stups verpasst hätte, kann ich ihr Verhalten nachvollziehen. Gerade als Aussteigerin hatte sie meiner Meinung nach für das Leben, das sie so führen wollte, keine andere Wahl. Hätte sie sich anders entschieden, wäre das Leben so wohl nicht möglich gewesen und sie hätte wie ihr Vater "fliehen" müssen.
    Andererseits kann man natürlich den Vater gut verstehen, der ihr helfen will und nicht akzeptieren kann, wie seine Tochter sich verhält.


    In mir hat das Buch einiges geregt. Nicht aufgrund seiner Geschichte ansich, oder des tollen Schreibstils, aber ich fand einfach die Sachlichkeit und die Trockenheit, wie Coetzee die Geschichte erzählt, besonders hart.
    Hat mir gut gefallen und ich würde das Buch weiterempfehlen.
    Ich denke, man lernt einiges über das "wirkliche" Südafrika, auch noch 20 Jahre nach Ende der Apartheid.