Kent Haruf - Kostbare Tage

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    Dieser Roman des begnadeten Autors Kent Haruf stellt meinen 2. "Ausflug" in die fiktive amerikanische Kleinstadt "Holt" dar; jedoch nicht meinen letzten! Hat mich bereits "Seelen bei Nacht" sehr begeistert, so steht "Kostbare Tage" diesem in nichts nach:


    Es geht um einen schwersterkrankten Mann, Dad Lewis, den wir im letzten Sommer seines Lebens begleiten. Mary, seine Ehefrau, kümmert sich liebevoll um Dad und weiß um den Umstand, dass nicht mehr viel Zeit bleiben wird. Um die Mutter zu unterstützen, reist Tochter Lorraine an, die ihrem Vater zeitlebens verbunden war und ihn ebenfalls bis zum letzten Tage pflegt. Nur der Sohn, Frank, hat sich vor Jahren von seiner Familie verabschiedet - niemand weiß, wo er zu finden ist und besonders die Mutter leidet darunter, dass der Vater sich nicht von seinem Sohn verabschieden kann.


    Da in Holt nichts, was in der Stadt passiert, den anderen Bewohnern verborgen bleibt, versuchen auch die Nachbarn und Freunde, die Familie Lewis zu unterstützen: Da ist Berta May, die Mary schon lange kennt und Willa, die mit ihrer Tochter Alene etwas weiter entfernt, aber in der Stadt wohnt und mit Dad, der früher einen Eisenwarenhandel leitete und seiner Frau lange befreundet ist. Im Roman kommt sehr positiv zum Tragen, wie schön es ist, wenn in einer solchen Situation Freunde und Nachbarn helfen; ja sogar ein kleines Mädchen, Alice, eine Rolle spielt, die den alten kranken Mann sehr anrührt - etwa wenn sie ihm eine Blume schenkt...


    Die Figuren werden alle nach und nach näher beschrieben sowie auch ihre Beziehung untereinander; besonders die Solidarität der Frauen (Mary, Berta, Lorraine, Willa und Alene) hat mich sehr beeindruckt und begeistert; besonders die Liebe und Zuneigung, die sie Alice, dem erst vierjährigen Mädchen, zuteil werden lassen, die ihre Mutter durch eine Krebserkrankung verloren hat. Eine weitere starke Figur ist Reverend Lyle, der besonders zum Ende hin der Familie in religiöser Hinsicht sehr beisteht: Nach einer Predigt hat sich nicht nur die Gemeinde, sondern auch seine eigene Familie von ihm abgewandt....


    In Rückblenden lernt man die loyalen Mitarbeiter Dad's kennen - Rudy und Bob - die Dad letztmalig wiedersehen will und (im Leben nie viel gesprochen) den beiden seinen Dank ausspricht, dies sind Momente, die sehr zu Herzen gehen. Auch war Dad für ein großzügiges "soziales Gewissen" bekannt und versuchte zu helfen, wo er glaubte, einen Fehler gemacht zu haben.


    Die Themen sind vielschichtig: So geht es um den nahenden Tod, Krankheit, Einsamkeit, Trauer, aber auch um Ehrlichkeit, Verbundenheit, Liebe, (nachbarschaftlicher) Unterstützung, Freundschaft, gesellschaftliche Akzeptanz und um menschliche Wege und Schicksale, ja um (Mit-)menschlichkeit! In Frank, Dad's Sohn, spricht eine warmherzige Stimme des Autors sich für gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz eines 'anders seins' aus, sicher hätte es dann auch einen (nicht nur fiktiven) Abschied vom Sohn gegeben.


    Der Roman "lebt" von seinen Dialogen, die prozentual einen hohen Stellenwert ausmachen und alles sehr lebendig veranschaulichen. Positiv fand ich den Umstand, dass auf die "Gänsefüßchen" der wörtlichen Rede rigoros verzichtet wurde: Der Leser ist auch ohne diese durch den einfachen und flüssig zu lesenden Stil des Autors im Lesefluss.


    Fazit:


    Eine berührende, zu Herzen gehende Geschichte aus Holt vom letzten Sommer des schwerkranken Dad Lewis: Sehr einfühlsam und warmherzig erzählt, die Ehrlichkeit und Offenheit der ProtagonistInnen betonend, teils rührend, teils zum Schmunzeln, teils tragisch - jedoch nie bitter oder klagend. Man schließt sowohl Dad mit all seinen Ecken und Kanten als auch alle Menschen, die ihn lieb(t)en, sehr ins Herz. Kent Haruf schafft es, mit einfachen Worten in die Tiefe der Figuren (und der Menschen) hinabzusteigen. Großartig!

    Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und spreche eine absolute Leseempfehlung für diesen Roman aus!


    4ratten+ :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Meine Meinung zum Buch:

    Titel: Sein letzter Sommer...


    Nachdem der Autor den interessierten Leser bereits mit "Unsere Seelen bei Nacht", "Lied der Weite" und "Abendrot" nach Holt entführt hat, geht es auch in diesem Roman an den gleichen zauberhaften Ort mit seinen besonderen Bewohnern. Dieser Teil kann von jedem gelesen werden, egal ob die Vorgänger bekannt sind oder nicht, aber einen Haruf kann man sich eigentlich immer gönnen.


    In der Geschichte geht es um Dad Lewis, dessen Leben langsam aber sicher ein Ende nimmt. Der Sommer wird sein letzter sein. Wie fühlen sich die letzten Lebenstage mit Krankheit an? Hat man alles richtig gemacht im Leben? Tut der Tod weh?


    Das Besondere bei Haruf ist gewiss die sehr gefühlvolle Erzählweise, die mich als Leser völlig in seinen Bann gezogen hat. Schon allein aufgrund des Schreibstils war ich emotional ergriffen und mitgenommen.


    Die Kleinstadt, in der sich jeder kennt, erinnerte mich stark an mein eigenes Umfeld und so kamen bei mir direkt Heimatgefühle auf. Man fühlt sich wohl beim Lesen und mag die dargestellten Figuren sehr.


    Dad Lewis hat einiges hinter sich im Leben. Die Päckchen, die er zu tragen hat, haben mich doch sehr erstaunt. Besonders berührt hat mich das Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Egal wie viele Steine das Leben einem in den Weg legt, eine Familie sollte immer zusammenhalten. Mir hat gefallen, dass er vor seinem Ableben noch einiges klären will, sich aber wie im echten Leben nicht immer alles klären lässt und auch Wunden zurückbleiben.


    Die Sprünge zu anderen Figuren oder in andere Zeiten waren stets nachvollziehbar und schlüssig. Nie bin ich in der Handlung ins Schwimmen gekommen oder habe etwas nicht verstanden, eher fühlte es sich so an als wäre ich ein Teil der Geschichte.


    Der Roman hat sich für mich kurzweilig lesen lassen, aber mich emotional ganz schön aufgewühlt. Die Grundstimmung hatte für mich stets einen Hauch von Düsternis, was bei einem bevorstehenden Tod aber wahrscheinlich normal ist.


    Fazit: Der Ausflug nach Holt hat sich auf jeden Fall gelohnt, da mache ich gern wieder einen Abstecher hin. Klare Leseempfehlung von meiner Seite.


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Die letzten Tage sind die kostbarsten. Dad Lewis, Besitzer der Eisenwarenhandlung von Holt stirbt. Seine Frau ist bei ihm und auch seine Tochter Lorraine verbringt die letzten Tage im elterlichen Haus. Zu Sohn Frank ist vor vielen Jahren die Verbindung verloren gegangen und manches kann man halt nicht mal eben ungeschehen machen, wenn man dem Tod gegenübersteht. Zu Besuch kommen die alte Nachbarin, die ihre Enkelin bei sich hat, die Mutter des Mädchens ist vor kurzem gestorben, ein Mutter-Tochter-Paar aus der Nachbarschaft, die Angestellten von Dad und der Pfarrer, der schon den Unmut seiner vorherigen Gemeinde auf sich gezogen hat, weil er zu unbequem ist.


    Dadurch, dass man von Beginn an weiß, dass Dad sterben wird, ist dieses Buch etwas trübseliger als die anderen des Autors. Trotzdem hat mir auch dieser Einblick in den Holtschen Mikrokosmos gefallen und ich kann „Kostbare Tage“ ebenso sehr empfehlen wie die anderen Werke des Autors.


    4ratten