Robert Seethaler - Der letzte Satz

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  • Robert Seethaler - Der letzte Satz


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    Gebundene Ausgabe: 126 Seiten

    Verlag: Hanser Berlin (3. August 2020)

    ISBN-13: 978-3446267886

    Preis: 19,00 €

    auch als E-Book und als Hörbuch erhältlich


    Ein Musiker? - Ein Mensch!


    Inhalt:

    Gustav Mahler befindet sich an Bord der Amerika auf der Reise von New York nach Europa. Er ist krank, der Tod nicht mehr fern. An Deck des Schiffes lässt er sein Leben und seine Lieben Revue passieren.


    Meine Meinung:

    Auf nur etwa 120 Seiten beschreibt Robert Seethaler ein ganzes Leben, ein arbeitsames, ein tragisches, ein einsames Leben, auch wenn Mahler in dieser Erzählung behauptet, keine Einsamkeit zu kennen. Doch die Musik geht ihm immer über alles, er strebt immer zum Höchsten - da ist es nun mal einsam. Und doch ist es auch ein erfülltes, ein glückliches Leben. Er hat viel geschafft und geschaffen, musste Schicksalsschläge hinnehmen und kann Erfolge vorweisen.


    Man muss kein besonderes Faible für klassische Musik oder Musik überhaupt haben, um diese biografische Erzählung genießen zu können. Die Musik an sich spielt bei Robert Seethaler eine erstaunlich geringe Rolle. Der Fokus liegt mehr auf dem Menschen Gustav Mahler in all seinen Facetten.


    Trotz der Kürze des Textes lernt man diesen Menschen gut kennen. Der Autor gibt ihm eine ausreichende Tiefe, wofür sicher auch der atmosphärisch dichte Schreibstil verantwortlich ist. Er wirkt zuweilen ein wenig poetisch, aber immer klar verständlich. Philosophische Gedanken über das Leben und den Tod runden das Ganze schön ab.


    ★★★★☆

  • Gustav Mahlers letzte Reise.....



    Ein alter, schwerstkranker Mann ist auf der Fahrt mit dem Dampfer "Amerika" zurück nach Europa: Es handelt sich um Gustav Mahler, Musiker, Komponist und weltberühmter Dirigent (1860 - 1911), in seinem letzten Lebensjahr also begegnen wir nicht nur dem Musiker, sondern auch dem Menschen Mahler in einer biografischen Skizze (das Büchlein umfasst 126 Seiten), die doch viel mehr als eine skizzierte Persönlichkeit ist: Robert Seethaler (*1966 in Wien) hat mit den Gedanken Mahlers in seinem neuen Buch "Der letzte Satz" (erschienenen bei Hanser, HC, gebunden, 2020) dem Leser eine Möglichkeit gegeben, in dessen (etwas kapriziöse) Persönlichkeit einzutauchen - und auch seine Musik kennenzulernen, so dies noch nicht geschehen ist:


    Gut umsorgt wird Mahler von einem Schiffsjungen, der ebenfalls eine wichtige Figur im Roman darstellt und in den Dialogen viel Tiefgang zu finden ist: Er sollte auch am Ende des Buches eine Rolle spielen...


    Mahler sinnt auf dem Sonnendeck (er fröstelt ständig, fiebert, war bereits krank, als er sein letztes Konzert in New York gab)über die Momente der Schönheit - und auch des Bedauerns in seinem Leben, an denen er den Leser teilhaben lässt: Da sind in jeweiligen Rückblicken sein Werdegang, die Hochzeit mit Alma, der damals schönsten Frau in Wien, die jedoch sehr viel jünger ist als er; die beiden Töchter Anna und Maria, der Tod Marias, über den er nie hinwegkam und seine Arbeit: Er liebt Vögel und kennt alle mit Namen, wenn nicht, gibt er ihnen eine - dieser Passus gefiel mir sehr und lässt auch die große Fantasie Mahlers, die auch in seinen Werken steckt, offenkundig werden. Er liebt die Musik, er liebt seine Arbeit, seine "Komponierhäuschen", in denen er in völliger Stille und Abgeschiedenheit komponieren kann; seine Frau und seine Töchter. Alma ist ihm ein Anker in seinem Leben und als es zur Ehekrise kommt, steht für Gustav Mahler die härteste Zeit an: Als Kind hat er einige Geschwister früh verloren; besonders der Tod seines etwas ältereren Bruders mit nur 15 Jahren ließ ihn früh spüren, wie schmerzhaft ein derartiger Verlust ist. Zeitlebens nicht gesund, hat er sich von seiner Krankheit niemals besiegen lassen; es erscheint eher, dass er in allem hart zu sich selbst war - aber auch ein Perfektionist, was die Auswahl der Chormitglieder betraf. Er staunt, als er seine Zeit als Hofdirektor der Wiener Oper nochmals auferstehen lässt:


    "Man schlägt einen Ton an, und der schwingt dann weiter im Raum. Und trägt doch schon das Ende in sich". (Zitat S. 33)


    Mahler liebte die Abgeschiedenheit, die Stille, die ihm Raum für seine Arbeit gab; Großstädte wie z.B. "das überzuckerte Paris" waren ihm zuwider: Wenn man bedenkt, welch feines Gehör er haben musste, kann man dies sehr gut verstehen. Fasziniert hat mich auch seine Liebe zu seinem Pult, hinter dem er sich "sicher und geborgen" fühlte:


    "Es steckten die Wut und die Freude eines ganzen Lebens in ihm".

    (Zitat S. 60)


    Der etwas melancholische Grundton des Romans, dessen Sätze so glasklar wie aufsteigende Sektperlen an die Oberfläche dringen, passt sehr gut zum Befinden Mahlers und stilistisch schnörkellos, dabei sehr atmosphärisch, gelingt es Seethaler, sich ein Bild von Gustav Mahler zu machen, das vielschichtiger und tiefsinniger ist als der Romantext. Auch stellt er Positives, die Freude, die Mahler in Gedanken hat, wenn er an seine Arbeit denkt. dar (auch an Bord schreibt er noch 3 Stunden an einem neuen Werk), die ihm jedoch, wie er jetzt, am Lebensende angekommen, alles abverlangte. Ob er sich selbst zeitlebens zuviel abverlangt hat? Er verließ sich stets auf sein Gehör - und seinen Fleiß; die körperlichen Schmerzen suchte er oft, zu ignorieren.


    In so manchen Sätzen ist man als Leser sehr berührt über die Lebendigkeit, das Aufseufzen, den Lebenswillen des schwerkranken Dirigenten, der das nahende Ende fühlt. Auch eine gewisse Demut vor dem Leben ist durchaus spürbar, die sich in Mahlers Emotionen äußert. So wünscht er sich, einmal "fliegende Fische" zu sehen - und verpasst dieses Erlebnis am Ende nur knapp. (So schön es übrigens aussieht, so tragisch ist dies auch, wer sich mit diesem Phänomen beschäftigen möge, wird wissen, was ich meine). In gewisser Weise personifizieren die Fische für mich hier ein Ende - und auch einen Aufbruch.


    Auch die letzten Seiten deuten mit den Gedanken des früheren Schiffsjungen, der von Gustav Mahlers Tod erfährt, darauf hin: Alles beginnt. Und alles endet.

    Ein berührender, stellenweise ergreifender Roman, den ich sehr gerne gelesen habe. Robert Seethaler ist es auf wenigen Seiten gelungen, "tief eintauchen zu können" in eine starke Persönlichkeit, die die Opernwelt als Reformer bis heute prägt und dem Leser für eigene Gedanken viel Raum zu lassen.


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

    Einmal editiert, zuletzt von Sagota ()

  • Was für eine schöne Rezi, Sagota!

    Vielen Dank an Dich, liebe Valentine: Ich habe auch jede Menge Mahler-Werke gehört letzten Abend ;) (ich kannte bloß seinen Namen) - Das Lied der Erde gefiel mir ganz gut.

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Bei Mahler klafft bei mir auch eine ziemliche Lücke, obwohl ich klassischer Musik nicht abgeneigt bin.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ein großer Künstler seiner Zeit

    Auf dem Sonnendeck, dick in Decken eingewickelt, sitzt der sterbenskranke Gustav Mahler. Im Fieber schweift er immer wieder mit den Gedanken in die eigene Vergangenheit und der seiner kleinen Familie ab. Er denkt an all seine beruflichen Errungenschaften, wie er die Welt der Musik nachdrücklich beeinflusst. Wie er sich mit angeblichen Musikexperten, Musikern und Sängern rumschlagen musste, diese an ihre Grenzen trieb und darüber hinaus. Mit welcher Hingabe und Leidenschaft er musizierte und komponierte. Wie er seine Alma traf und mit ihr eine Ehe einging. An seine beiden Töchter und wie er die eine durch eine heimtückische Krankheit verlor. Wie es danach in seiner Ehe zu knirschen begann und er um ein Haar seine Frau verlor. Und wie er obwohl er sein ganzes Leben über kränklich war in den letzten Jahren immer weiter abbaute und jetzt hier auf dem großen Schiff nur noch der Schatten seines Selbst ist, er eigentlich noch ein bisschen bleiben will.



    Der Autor schafft es auf eine ganz besondere Art den Leser zu fesseln, nicht nur dass er ein richtig toller Wortakrobat ist, er schafft es eine vielschichtige Persönlichkeit einzufangen und sie dem Leser näher zu bringen. Und getopt wird es noch durch einen flüssigen Schreibstil ohne großartige Schnörkel aber dafür mit einer Sogwirkung, dich mich als Leser gar nicht mehr losgelassen hat.



    Auch wenn die Geschichte extrem gerafft erzählt wird und nur einzelne Episoden aus dem Leben von Gustav Mahler herausgegriffen werden. Schafft es der Autor mit dieser Auswahl dem Leser die historische Figur des Musikers, Komponist, Dirigent und Familienmensch näher zu bringen. Vor allem wird man als Leser richtig durchgewirbelt. Man muss extrem aufpassen auf welchen Teil der Zeitachse man gerade ist, denn die Übergänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit sind fließend.



    Auch wenn die Figur des Gustav Mahlers alles andere als einfach ist sondern doch sehr komplex. Gefallen mir die Schilderungen doch sehr, besonders wie er seine Allüren und Extravaganzen voll auslebt. Welchen Einfluss auf er auf die Musikgeschichte er hatte und das auch noch nachhaltig. Gut das alles soll jetzt aber nicht darüber hinwegtäuschen das er seine Musiker und Sänger an ihre Grenzen und darüber hinaus getrieben hat. Er konnte ein richtiger Schinder sein aber auch ein egozentrisches Genie, das versucht hat das was er in der Natur gesehen und empfunden hat in den Noten zu bannen. Aber auch das er als Mensch und Familienvater dargestellt wurde, wo es eben auch nicht alles so harmonisch war. Das er sich regelmäßig Wortgefechte mit seiner Frau lieferte. Und unter welchen schweren gesundheitlichen Problemen er zeit seines Lebens litt. Und welche Verluste er zu verkraften hatte. Und wie er doch auch unter dieser großen Einsamkeit litt. Aber ist dies verwunderlich er großartiges geleistet aber auf der sozialen Ebene hatte er doch merkliche Defizite.



    Was ich mir gewünscht hätte währe ein Nachwort mit einer kurzen geschichtlichen Einordnung gewesen. Kurzer Werdegang von Mahler und was nach seinem Tod aus seiner Familie geworden ist.



    Fazit: Ein beeindruckender und nachwirkender Roman, der auch ruhig ein wenig länger hätte sein können. Vor allen der besondere Schreibstil, der den Leser ganz schön durchwirbelt fordert den Leser auf eine nette Art und Weise. Und auch wenn man vorher keine oder wenige Berührungspunkte zu Gustav Mahler hatte, kann ich euch dieses kleine Büchlein nur wärmsten ans Herz legen. Ich bin von Geschichte und Umsetzung begeistert und spreche eine klare Leseempfehlung aus.

    <3<3<3<3<3


  • Mahler reflektiert

    Gustav Mahler sitzt an Bord eines Schiffes auf dem Weg nach New York. Er, der sein Leben lang kränkelte, weiß nun, dass er nicht mehr lange Zeit hat. Was ihn nicht beschleunigt, sondern dazu bringt, zurückzublicken. Mit dem inneren Auge eines lebenserfahrenen, wenn auch nicht immer lebensbejahenden Menschen.


    Alma, seine Frau - sie ist mit ihm unterwegs, aber eigentlich schon weit weg. Der nächste (Heirats)Kandidat in Person von Walter Gropius (wird nicht namentlich erwähnt) steht schon parat. Alma, die leichtfertig scheint, es aber keineswegs einfach hatte mit dem sehr speziellen und schon zu Lebzeiten bekannten Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler. Aus Mahlers Überlegungen wird deutlich, dass sie nicht dazu gemacht war, als Frau an seiner Seite zu leben - dafür hat sie viel zu viel Potential in sich.


    Momente aus dem Leben mit Alma treten hervor, der Verlust einer der beiden Töchter, der gemeinsame Besuch in Rodins Atelier in Paris, wo der Bildhauer auf Wunsch von Alma und ihrer Familie eine Büste von Mahler modelliert. Dass dies nicht Mahlers Wunsch ist, wird schnell deutlich.


    Mahler auf dem Schiff - er pickt sich Momente heraus, wie es auch Menschen tun würden, die keine Jahrhundertkomponisten sind - Autor Robert Seethaler hat hier die ganz normalen Gedanken eines zufälligerweise sehr berühmten Mannes am Ende seines Lebens herausgearbeitet. Wohlgemerkt: die möglichen Gedanken, denn Seethaler spielt hier mit der Geschichte. Er verleiht einem Bereich Worte, die sonst verborgen bleiben, denn Gedanken sind - wie es in dem bekannten Lied heißt, um im Bereich der Musik zu bleiben - frei und ziehen wie nächtliche Schatten vorbei.


    Ein kurzes Werk, ob es knackig ist, soll jeder Leser selbst bewerten. Ich zumindest habe es sehr gerne gelesen und Sprache wie auch Stil des Autors genossen. Hier schreibt Robert Seethaler, nicht sein Landsmann Thomas Bernhard: weswegen Mahler im letzten Satz seines Lebens viele mögliche letzte Sätze denkt. Aus meiner Sicht vermag es der Autor, hier ein ebenso privates wie kraftvolles Statement zu schaffen. Eines, das ich - so kurz es ist - in guter und andauernder Erinnerung behalten werde!

    4ratten

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    REZENSION – Es sind wenige Momente des nur fünf Jahrzehnte währenden Lebens des österreichischen Komponisten und Dirigenten Gustav Mahlers (1860-1911), die Robert Seethaler (54) in seinem aktuellen Buch „Der letzte Satz“ auf knapp 130 Seiten zu einem Mosaik zusammenfasst. Es ist zugleich ein literarisches Psychogramm dieses Ausnahmekünstlers, das auch für solche Leser empfehlenswert ist, die nicht zu den Kennern klassischer Musik gehören.

    Denn über Mahlers Musik wird kaum etwas berichtet, was mancher Kritiker schon bemängelte – wie ich meine, zu Unrecht. „Man kann über Musik nicht reden, es gibt keine Sprache dafür“, lässt Schriftsteller Seethaler den Musiker sagen. Als Romancier, dessen Handwerkszeug die Sprache ist, geht es dem Autor folgerichtig nicht um den Musiker oder dessen Werke, sondern um den Menschen Gustav Mahler, um den arbeitswütigen Künstler, den Ehemann und Vater.

    Um Buch treffen wir Mahler nach Abschluss seiner Arbeit mit den New Yorker Philharmonikern im Frühjahr 1911 an Deck des Passagierdampfers „Amerika“ auf seiner letzten Heimfahrt nach Europa. Es ist seine letzte Reise, sinnbildlich die Überfahrt in den Tod. Herzkrank und vom Fieber geschwächt, sitzt er einsam an Deck, nur umsorgt von einem Schiffsjungen, und lässt Momente seines Lebens Revue passieren. Bilder seiner Kindheit als „Judenbub“ tauchen auf, seine Hochzeit mit Alma Schindler, die Arbeit als Intendant der Wiener Hofoper und der Metropolitan Opera und als Dirigent in den Konzertsälen der Welt. Wir erfahren Privates über ihn als Vater zweier Töchter und als untauglicher Ehemann, der zugunsten seiner Arbeit seine junge, selbstbewusste Ehefrau vernachlässigt, die schließlich die ihr vorenthaltene Zuwendung beim Architekten Walter Gropius findet. „Ich bin eine Frau. Er ist ein Mann. …. Davon hast du natürlich keine Ahnung. …. Damit will man nichts zu tun haben, wenn man immer nur nach dem Höchsten strebt“, wirft Alma ihm vor.

    Mahler ist zeitlebens ein von seiner Arbeit Getriebener. Verzweifelnd an der Unvollkommenheit anderer, will er das Vollkommene erreichen. Nicht einmal für die Hochzeit findet er die angemessene Zeit. Direkt von der Arbeit stürzt der Workaholic die Treppen zur Kirche hoch, so dass der dort sitzende Bettler folgert: „Sie sehen nicht aus wie ein Bräutigam.“ Für liebevolle Zweisamkeit und alles Private ist Mahler ungeeignet. Selbst am Urlaubssitz arbeitet er abgeschottet in seinem „Komponierhäuschen“.

    Auch der weltweite Erfolg als Komponist und Dirigent lässt ihn nicht zur Ruhe kommen. Er missachtet nicht nur seine Mitmenschen, sondern auch sich selbst – bis hin zur todbringenden Erkrankung. Überrascht wird er auf seiner letzten Schiffsreise von der Lebensweisheit des erst 15-jährigen Schiffsjungen: „Wer weit geht, kommt spät an.“ Gustav Mahler ist nie angekommen, wollte immer nur weiter.

    Ob „Der letzte Satz“ den Deutschen Buchpreis 2020 wirklich verdient hat, für den der Roman nominiert ist, mag jeder Leser selbst beurteilen. Der Verkaufserfolg, der das Büchlein im August auf den Spitzenplatz der Spiegel-Bestsellerliste gebracht hat, mag Seethalers Nachruhm als Autor des „Trafikant“ geschuldet sein. „Der letzte Satz“ ist kein literarisches Meisterwerk, aber in jedem Fall eine sprachlich angenehm und locker geschriebene, deshalb leicht lesbare Kurzbiografie über einen interessanten Mann, der sich selbst und seine Nächsten vollständig der Arbeit unterordnete. „Ich sollte noch ein bisschen bleiben.“ Dies ist der letzte Satz Mahlers in Seethalers Kurzroman. Der Mensch ist längst vergangen, seine Musik aber ist geblieben.

  • Meine Meinung zum Buch:

    Titel: Ein scheidender Künstler...


    Aufgrund der Buchpreisnominierung und da mir "Der Trafikant" schon so gut gefallen hatte, wollte ich mir den neuen Seethaler nicht entgehen lassen. Ich begab mich auf die Spuren von Gustav Mahler.


    In der Geschichte geht es um den berühmten Musiker und Dirigenten Mahler, der schwer krank mehr oder weniger auf seinen Tod wartet. Was für Gedanken gehen da einem durch den Kopf? Wie weit plant man sein Leben noch oder gibt man gänzlich auf?


    Robert Seethaler hat mit diesem Buch mal wieder ein Meisterwerk geschaffen, denn sprachlich ist es einfach eine Wucht. Beim Lesen musste ich immer wieder innehalten und tolle Sätze herausschreiben.


    Man bekommt durch den Roman ein Gefühl für Menschen, die ihrem Lebensende nah sind und zeitgleich einen kleinen Einblick in das Leben des Künstlers. Ausführliche, biografische Informationen sollte der interessierte Leser nicht erwarten, denn das Meiste spiegelt sich in Gedanken und Gefühlen wider.


    Auch wenn das Buch nur 126 Seiten hat, so ist es doch so viel mehr, da Emotionen aus einem herausgelockt werden beim Lesen. Man konnte den Schmerz des Künsterls in jeder Zeile spüren.


    Fazit: Eine tolle Geschichte, die zu Recht für den Buchpreis 2020 nominiert worden ist. Ihr solltet euch dieses Kleinod nicht entgehen lassen. Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen. Spitzenklasse!


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Gustav Mahler ist auf seiner letzten Reise unterwegs. Es ist die Überfahrt von New York nach Europa zurück. Er hat große Erfolge gehabt und ist berühmt, aber sein Leben war nicht einfach. Als Erwachsener hat er immer wieder mit Krankheiten zu kämpfen gehabt und von seinen vielen Kindern sind eine Reihe verstorben. Besonders der Tod seiner geliebten kleinen Tochter hat ihm zugesetzt. Nun ist er an Deck des Schiffes, erträgt die Schmerzen und hängt seinen Erinnerungen nach.


    Dieser Roman ist mein erstes Buch von Robert Seethaler. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, doch mich konnte die Geschichte nicht so richtig packen. Die Zeiten wechseln ständig und ich wusste manchmal nicht, in welcher Zeit sich Mahler mit seinen Gedanken gerade befand, zumal er manchmal glaubt, etwas zu sehen, was er gar nicht sehen kann wie seine verstorbene Tochter. Mahler setzte bei seiner Arbeit hohe Maßstäbe an und machte es Orchestern und Sängern, mit denen er arbeitete, nicht leicht. Oft war er ungeduldig und streitsüchtig. Seine Vorstellungen setzte er auch bei seiner großen Liebe Alma durch, denn er wollte keine Konkurrenz in der Familie. Gustav Mahler war also nicht unbedingt ein sympathischer Mensch, dafür war er ein zu schwieriger Charakter und seine Art zu befremdlich.


    Dieses Buch ist für Musikfreunde bestimmt ein Muss, ich hatte mir mehr erwartet, denn vieles war mir zu oberflächlich. Einige Male habe ich in anderen Quellen nach mehr Informationen gesucht.


    Interessante Lektüre über einen einsamen alten Mann, der wohl ahnt, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt.


    3ratten

  • Das Büchlein von Robert Seethaler hat viele Fragen aufgeworfen. Da ich schon einiges von und über Alma Schindler/Mahler/Gropius/Werfel gelesen habe, kannte ich viele Begebenheiten der letzten Jahre des Künstlers.


    Der Autor hat einen sehr flüssigen, angenehm zu lesenden Schreibstil. Wenig Schnörkel, geradlinig.

    Für mich ist das kein Roman, sondern eine Art innerer Monolog. Reflexionen am Lebensende über ein erfolgreiches und dennoch kein glückliches Leben. Die Mehrdeutigkeit des Titels gefällt mir auch.


    Leider werden die Figuren nicht gut beschrieben. Auch die Ereignisse, an die sich Mahler erinnert sind sehr schemenhaft und oberflächlich. Möglicherweise ein Zeichen des alternden Geistes, ein in groben Zügen durchgeführter Schnelldurchlauf eines Lebens.


    Während des Lesens hätt ich mir des Öfteren mehr Gehalt gewünscht. Dafür dass Musik in seinem Leben eine so wichtige Rolle spielte, kommt sie nur in sehr geringen Dosen vor im Buch. Was es ihm bedeutet zu komponieren, was Musik in ihm auslöst, was ihn bewegt zu schreiben wird nur schematisch angedeutet.


    Ein gutes Beispiel für die Oberflächlichkeit des Buches ist die Fahrt von Südtirol nach Leiden um Sigmund Freud aufzusuchen. Mit ihm spazieren zu gehen, vier Stunden zu sprechen - von dem Gespräch ist nicht viel erzählt - das Ergebnis, er hat einen Mutterkomplex. Mehr erfahren wir nicht. Es mag sein, dass für tiefergreifende Analysen keine Zeit war, aber mich hätte auch interessiert, wie die zwischenmenschliche Begegnung der beiden war, beide große Namen in Wien, beide mit ähnlichen Wurzeln, aus den Kronländern der Monarchie. Galizien und Mähren.


    Was mir widerum gefallen hat, war die Begegnung mit Rodin. Der widerborstige, grobe, vulgäre aber geniale Skulpteur und Bildhauer dem es gar nicht in den Sinn kommt, sich mit Mahler auseinanderzusetzen. Er spricht ihn als Hurensohn an und das wird von seiner Begleiterin huldvoll und höflich übersetzt. Diese Begegnung hatte einige komische Elemente, weil im Endeffekt beide Genies das Treffen gar nicht wollten.


    Kurz gesagt, mir war die schemenhafte Erzählung eines so komplexen Künstlers zu wenig. Der Schreibstil hat mir allerdings gefallen, ich werde sicherlich wieder mal einen Seethaler lesen und hoffe der wird dann mehr in die Tiefe gehen, weil ich schon glaube, dass er Potenzial hat.