05 - Teil 7

Es gibt 80 Antworten in diesem Thema, welches 9.738 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Claire Winter.

  • Ich habe mich - nicht nur während der Arbeit an diesem Buch - oft gefragt, wie man sich fühlen muss, wenn man so etwas tut und erfährt, welche Konsequenzen daraus für andere Menschen entstanden sind. Natürlich gab es auch Überzeugungstäter. Im Buch wäre Margot sicher so eine Person gewesen, aber viele haben ja als Informanten gearbeitet, weil sie selbst gezwungen und unter Druck gesetzt wurden.

    Alice hat sich wohl verobten genauer darüber nachzudenken, was mit ihren Informationen gemacht wird. Sie hat sich vor sich selber damit herausgeredet, dass sie ja nur die Wahrheit erzählt und im Falle de Notizbuches ja den Staatsfeind verrät also nach ihrer Regierung nur Gutes für ihr Land tut. Ich denke, sie redet sich selber heraus und schiebt die Verantwortung auf Markow und die anderen. Anfangs war sie ja mehr eine Mitläuferin und so sieht sie sich immer noch aber eigentlich ist sie jetzt schon eine Täterin.

    So sehe ich das auch, sie hat es sich verboten darüber nachzudenken. Alice hat ja, zum Beispiel mit dem Notizbuch, von Westberlinern erfahren. Viele haben gar nichts von den Konsequenzen, die durch ihre Mitteilungen an die Stasi gegangen sind, mitbekommen. Sie haben getan was ihnen aufgetragen wurde, um dann ihre Ruhe zu haben. Denn nicht wenige wurden mit ihrer Familie unter Druck gesetzt, sei es der Werdegang der Kinder, z.B. Abi machen oder später studieren zu können, Ausbildung und sonstiges. Einigen wurde sogar damit gedroht, dass ihnen die Kinder weggenommen werden, ganz schrecklich.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Na ja eingesperrt nicht, man konnte eben nur in die Länder reisen, die der DDR gewogen waren. Sicher ist das für uns schwer nachvollziehbar, aber wir dürfen als Deutsche nicht vergessen, dass unser Pass uns alle Türen öffnet und wir Länder aller Art bereisen können. Das ist für viele Menschen anderer Nationen nicht so, daher sollten wir das als was Besonderes werten und nicht als Selbstverständlichkeit. Und reisen kann natürlich nur derjenige, der es sich leisten kann. Ich gestehe allerdings, dass ich es sehr genieße überall hin zu dürfen und es tut einem in der Seele weh, dass das wegen Corona gerade nicht geht.

    Deinem letzten Satz stimme ich voll und ganz zu, aber ich sehe es auch so, dass es in der früheren DDR eine große "Unfreiheit" gab - gut, nach Bulgarien, Russland - in alle "Bruderländer" durfte man wohl reisen - aber alle anderen Länder waren eben tabu. Solche Einschränkungen gab es in der BRD einfach zu keiner Zeit (bin Jahrgang 1956)

    Ob du es glaubst oder nicht, den Vergleich ziehen mein Mann und ich und der Großteil unseres Freundes und Bekanntenkreis auch. Wir fühlen uns durch Corona nicht eingesperrt, dieses Empfinden hatten wir extrem zu DDR Zeiten. Und jetzt ist es nicht schlimm, wenn wir dieses oder auch nächstes Jahr nicht verreisen können, da es uns nicht vorgeschrieben wird, sondern weil man es wegen der Vernunft nicht macht. Ganz schrecklich habe ich früher unsere Urlaube empfunden, die in Grenznähe waren, da wurde es ganz heftig. Zu wissen hier ist jetzt Schluss, obwohl man über die Grenze hinweg sehen konnte. Man fragte sich oft, wie es sein würde einfach gehen zu können wohin man möchte.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Ich habe im Laufe der letzten 30 Jahre einige DDR-Bürger kennengelernt (vor allem auf meinen weiteren Reisen) und festgestellt, dass viel richtig exzessiv gereist sind nach der Öffnung. Im Gegensatz zu mir, die ich 20 Jahre lang vor allem in Italien und Frankreich unterwegs war, haben die wirklich die "ganze" Welt bereist, so dass ich nur staunen konnte. In den Gesprächen hatte ich das Gefühl, dass die neue "Freiheit" sie hinaus in die weite Welt getrieben hat, noch mehr als die BRD-Bürger, die das ja immer gedurft haben.

    Ich bin früher (vor 2000) mehr gereist als heute, aber als ich vor 2 Jahren endlich mein geliebtes Schottland besucht habe, gab es eine andere Reisegruppe, die wohl aus der früheren DDR kam: Auffallend war für mich, dass (auch nach fast 30 Jahren nach dem Mauerfall) es da kaum Gemeinsamkeiten gab. Die eine Gruppe hatte mit der anderen eigentlich nichts zu tun - eigentlich schade. Aber die große Reiselust konnte ich seither auch feststellen - vor allem der früheren DDR-Bürger.

    Ich glaube das ist so ein Generationsding. Mein Mann und ich sind sehr kontaktfreudig und machen keine Unterschiede. Aber uns ist es auch schon so einige Male aufgefallen, wie manche immernoch Distanz zu Menschen aus den alten Bundesländern halten. Wie so eine eingeschworene Gemeinschaft. Wirklich schade.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Wie es Emma ihr Naturell ist, hat sie sich sofort auf den Weg nach Ost Berlin gemacht. Was dann geschah, war auch für mich kaum auszuhalten. Wie konnqnte Julius so gemein sein. Wie gesagt, ich hoffe er hat es nur getan um Emma zu schützen.

    Denn er ist in seinen Gedanken fest der Überzeugung daß richtige getan zu haben. Er muss einen triftigen Grund gehabt haben, sich so zu entscheiden. Auch Julius sein Vater kann es nicht fassen. Und nachdem er seinen Sohn gefragt hat, ob dieser sich bewusst ist, dass Emma ihn liebt, hatte ich noch Hoffnung er würde seinen Entschluss noch einmal ändern.

    Ja, das ist alles eine schreckliche Situation und Emma kann es einfach nicht fassen. Julius hat jedoch wirklich seine Gründe, aber die Worte seines Vater lassen ihn, wie Du schon festgestellt hast, natürlich nicht unberührt ...

    Alice gerät auch immer mehr unter Druck von diesem Schröder und Markov. Kein leichtes Leben für sie, denn allmählich erkennt sie immer mehr, was sie mit ihrer Bespitzelung und dem Verrat an verschiedenen Personen, anrichtet. Sie hat gelernt unbedeutend Details weiter zu geben. Hab ja gesagt, dass man das Erlernen kann. Das Gewissen fängt an an ihr zu nagen. Nun soll sie auch noch ihre Schwester ausspionieren

    Ja hast Du - und mir fiel es so schwer, in dem Abschnitt, in dem Du das geschrieben hattest, nicht schon etwas zu sagen ... ;) Dass sie jetzt aber noch ihre eigene Schwester ausspionieren soll, machte diese ganze ohnehin schon unerträgliche Situation kaum noch aushaltbar für Alice.

    Eine miese Masche von Markov, Alice mit Sergej unter Druck zu setzen. Sie hat ihm so viel zu verdanken und möchte natürlich nicht, dass es Konsequenzen für ihn gibt. Alice steckt in dieser Maschinerie von Machtspielen fest und kann sich nicht wehren.

    Nein, egal was sie tut, es scheint Konsequenzen zu haben und falsch zu sein ...

    Ich habe nur gedacht, geh nicht weg, frage die beiden was da los ist. Doch leider hat sie das nicht getan. Das fand ich richtig schlimm, denn wir wissen ja, dass nicht Julius der Vater ist.

    Ich fand, dass der Leser wissen muss, dass Julius nicht der Vater ist, obwohl ich zu Beginn, als ich angefangen habe an dem Roman zu arbeiten, auch mal kurz überlegt hatte, diese Möglichkeit offen zu lassen ...

    Hinzu kommt, dass die politische Lage immer unruhiger wird. Die Weltmächte haben ihre eigenen Interessen und keiner ist nachgiebig.

    Ja, die politische Situation spitzt sich in dieser Zeit immer gefährlicher zu ...

  • Viele haben gar nichts von den Konsequenzen, die durch ihre Mitteilungen an die Stasi gegangen sind, mitbekommen. Sie haben getan was ihnen aufgetragen wurde, um dann ihre Ruhe zu haben. Denn nicht wenige wurden mit ihrer Familie unter Druck gesetzt, sei es der Werdegang der Kinder, z.B. Abi machen oder später studieren zu können, Ausbildung und sonstiges. Einigen wurde sogar damit gedroht, dass ihnen die Kinder weggenommen werden, ganz schrecklich.

    Ja, man möchte nicht wissen, wie man selbst sich verhalten hätte, wenn man so unter Druck gesetzt wird. Diese Konsequenzen waren ja unglaublich weitreichend und bedrohlich. Deshalb hat dieses System des "Ausspionierens" auch überhaupt so funktionieren können ...

  • Vorher kamen die Blitze aus den Gewitterwolken, wo ich meinte, die schweben über den beiden Schwestern. Sie haben nur noch sich als Familie und dann geht alles kaputt. Das tat mir unendlich leid für die beiden, aber irgendwann musste das ja passieren. Sie haben sich zerstritten und das alles wegen der verschiedenen politischen Meinungen.

    Daran sieht man aber sehr schön, dass äußere Einflüsse enorme Auswirkungen haben können. Man meint ja, dass Zwillinge sich komplett gleich entwickeln würden, aber eben nur wenn sie zusammen groß werden.


    Ansonsten haben politische Meinungen sicher schon oft Familien und Freundschaften zerstört. Während der Flüchtlingskrise haben ja einige Menschen in meiner näheren Umgebung komische Ansichten entwickelt, so dass ich mit ihnen gebrochen habe, weil das für mich einfach gar nicht ging. Jeder soll sich mal selbst vorstellen wie es ist, wenn das eigene Land Krieg hat und man nichts mehr hat außer vielleicht die Möglichkeit zu fliehen. Das suchen sich die wenigsten aus.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Ob du es glaubst oder nicht, den Vergleich ziehen mein Mann und ich und der Großteil unseres Freundes und Bekanntenkreis auch. Wir fühlen uns durch Corona nicht eingesperrt, dieses Empfinden hatten wir extrem zu DDR Zeiten. Und jetzt ist es nicht schlimm, wenn wir dieses oder auch nächstes Jahr nicht verreisen können, da es uns nicht vorgeschrieben wird, sondern weil man es wegen der Vernunft nicht macht. Ganz schrecklich habe ich früher unsere Urlaube empfunden, die in Grenznähe waren, da wurde es ganz heftig. Zu wissen hier ist jetzt Schluss, obwohl man über die Grenze hinweg sehen konnte. Man fragte sich oft, wie es sein würde einfach gehen zu können wohin man möchte.

    Danke Kessi, dass da das mit uns teilst. Ich war 5 Jahre alt bei der Wende, weshalb ich das Gefühl nie entwickeln konnte. Ich kann mich auch nicht erinnern wie es an der Grenze war, obwohl wir im Sperrgebiet gewohnt haben, wo man nur mit Passierschein hin kam.


    Die einzige Erinnerung die ich habe ist an das erste Mal im Westen: es war kalt, hat geregnet und die Straßen waren voller Dreck. Und mein einziger Gedanke war: das soll es jetzt sein wovon die Erwachsenen alle naselang erzählen oder gar schwärmen. Ich habe es nicht verstanden und auch als man dann regelmäßig dort war, konnte ich als Kind keinen Unterschied erkennen, denn es sah ja nicht viel anders aus als bei uns. Ich war eher enttäuscht, denn den vermeintlich "goldenen Westen" hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Die einzige Erinnerung die ich habe ist an das erste Mal im Westen: es war kalt, hat geregnet und die Straßen waren voller Dreck. Und mein einziger Gedanke war: das soll es jetzt sein wovon die Erwachsenen alle naselang erzählen oder gar schwärmen. Ich habe es nicht verstanden und auch als man dann regelmäßig dort war, konnte ich als Kind keinen Unterschied erkennen, denn es sah ja nicht viel anders aus als bei uns. Ich war eher enttäuscht, denn den vermeintlich "goldenen Westen" hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

    Das finde ich eine wirklich süße Geschichte. "Den goldenen Westen" stellt man sich als Kind natürlich anders vor ...

  • Das finde ich eine wirklich süße Geschichte. "Den goldenen Westen" stellt man sich als Kind natürlich anders vor ...

    Wenn man nicht weiß, was man vermissen müsste, dann vermisst man ja auch nichts.


    Ich habe gern meine kleinen Familiengeschichten mit euch geteilt.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Wenn man nicht weiß, was man vermissen müsste, dann vermisst man ja auch nichts.


    Ich habe gern meine kleinen Familiengeschichten mit euch geteilt.

    Das ist wahr und weise gesprochen bzw. geschrieben!

    Und ich finde es toll, dass Du diese und auch andere Geschichten so offen mit uns teilst! :)

  • Die einzige Erinnerung die ich habe ist an das erste Mal im Westen: es war kalt, hat geregnet und die Straßen waren voller Dreck. Und mein einziger Gedanke war: das soll es jetzt sein wovon die Erwachsenen alle naselang erzählen oder gar schwärmen. Ich habe es nicht verstanden und auch als man dann regelmäßig dort war, konnte ich als Kind keinen Unterschied erkennen, denn es sah ja nicht viel anders aus als bei uns. Ich war eher enttäuscht, denn den vermeintlich "goldenen Westen" hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

    Das finde ich eine wirklich süße Geschichte. "Den goldenen Westen" stellt man sich als Kind natürlich anders vor ...

    Ja das stimmt. Ich war zu der Zeit 22 und wir hatten schon ein Kind. Von dem Begrüßungsgeld wollten wir etwas schönes für unseren Sohn kaufen. Wir waren damals das erste Mal in Lauenburg, ist ja gleich über die Elbe, der für uns der Grenzfluß schlechthin gewesen ist. Mein Mann und ich waren aber ehrlich gesagt von diesem Überfluß völlig überfordert und haben nur etwas zu naschen für unseren Sohn gekauft. Ich war noch in einem Buchladen, habe aber nichts gekauft, da ich dachte das ist vielleicht noch verboten....so dumm und ängstlich war man immer noch kurze Zeit nach dem Mauerfall. Richtig glauben konnten wir es nicht das nun alles anders werden wird.

    So unterschiedlich sind Wahrnehmungen.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Ich war noch in einem Buchladen, habe aber nichts gekauft, da ich dachte das ist vielleicht noch verboten....so dumm und ängstlich war man immer noch kurze Zeit nach dem Mauerfall. Richtig glauben konnten wir es nicht das nun alles anders werden wird.

    So unterschiedlich sind Wahrnehmungen.

    Aber das ist auch irgendwie verständlich, wenn man das bisher nur so erlebt hat, oder? - Ich erinnere mich auch immer noch an die TV-Bilder, der ersten Ost-Berliner, die über die geöffnete Grenze nach West-Berlin kamen. Viele hatten diesen zögerlichen, ungläubigen Ausdruck im Gesicht, weil sie es nicht fassen konnten - wir in West-Berlin ja auch nicht - und dann liefen sie immer schneller und schneller, bis sie ein paar Meter weiter die Grenze ohne Kontrolle durchquert hatten.

  • Ich glaube das ist so ein Generationsding. Mein Mann und ich sind sehr kontaktfreudig und machen keine Unterschiede. Aber uns ist es auch schon so einige Male aufgefallen, wie manche immernoch Distanz zu Menschen aus den alten Bundesländern halten. Wie so eine eingeschworene Gemeinschaft. Wirklich schade.

    Wobei ich denke, dass es dieses Ost-West-Ding in irgendeiner Form schon immer gab. Früher war es vor allem das Nord-Süd-Ding. Die Preußen und die Bayern mochte sich doch ewig nicht und so etwas ist in jeder Kultur zu finden. Auch in Österreich mögen z.B. viele die Wiener nicht oder es gibt andere Landstriche, die sich nicht immer schätzen. Der Mensch ist einfach ein Rudeltier. Und jedes andere Rudel wird erst mal schräg beäugt. ^^

    :lesen:





  • Ich glaube das ist so ein Generationsding. Mein Mann und ich sind sehr kontaktfreudig und machen keine Unterschiede. Aber uns ist es auch schon so einige Male aufgefallen, wie manche immernoch Distanz zu Menschen aus den alten Bundesländern halten. Wie so eine eingeschworene Gemeinschaft. Wirklich schade.

    Wobei ich denke, dass es dieses Ost-West-Ding in irgendeiner Form schon immer gab. Früher war es vor allem das Nord-Süd-Ding. Die Preußen und die Bayern mochte sich doch ewig nicht und so etwas ist in jeder Kultur zu finden. Auch in Österreich mögen z.B. viele die Wiener nicht oder es gibt andere Landstriche, die sich nicht immer schätzen. Der Mensch ist einfach ein Rudeltier. Und jedes andere Rudel wird erst mal schräg beäugt. ^^

    Da hast du wohl Recht. Wir werden als sture Fischköppe bezeichnet obwohl ich denke, dass wir gar nicht stur sind. Und wir Mecklenburger mochten zum Beispiel die Sachsen überhaupt nicht. Schon wenn wir den Dialekt gehört haben, stellten sich die Nackenhaare auf^^

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Da hast du wohl Recht. Wir werden als sture Fischköppe bezeichnet obwohl ich denke, dass wir gar nicht stur sind. Und wir Mecklenburger mochten zum Beispiel die Sachsen überhaupt nicht. Schon wenn wir den Dialekt gehört haben, stellten sich die Nackenhaare auf ^^

    Lustig, dass es auch schon durch den Dialekt solche Abgrenzungen gibt, oder? In anderen Ländern - Frankreich, Spanien oder auch Belgien - ist das ja nicht anders, wie gagamaus oben schon über Wien beschrieben hat.

  • Ansonsten haben politische Meinungen sicher schon oft Familien und Freundschaften zerstört. Während der Flüchtlingskrise haben ja einige Menschen in meiner näheren Umgebung komische Ansichten entwickelt, so dass ich mit ihnen gebrochen habe, weil das für mich einfach gar nicht ging. Jeder soll sich mal selbst vorstellen wie es ist, wenn das eigene Land Krieg hat und man nichts mehr hat außer vielleicht die Möglichkeit zu fliehen. Das suchen sich die wenigsten aus.

    Diese nicht sehr schöne Erfahrung habe ich auch gemacht: Ich hatte zwei Brief- und Lesefreunde; einer aus (dem früheren) Ost-Berlin (älter als ich) und eine Brieffreundin aus dem Erzgebirge: Letztere hat sich dermaßen rassistisch über die hier ankommenden Flüchtlinge ausgelassen, dass ich die Brieffreundschaft (mit Erklärung, dass dies für mich nicht tragbar ist) beendet habe. Der "Ost-Berliner" hat mir dann wiederum auch die Brieffreundschaft aufgekündigt - vermutlich aus Solidarität... (die beiden kannten sich persönlich; ich kannte nur den Brief- und Lesefreund aus Berlin, wir hatten uns einmal getroffen, als hier eine Lese-Veranstaltung in der Nähe war). Das war 2015/16....

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Diese nicht sehr schöne Erfahrung habe ich auch gemacht: Ich hatte zwei Brief- und Lesefreunde; einer aus (dem früheren) Ost-Berlin (älter als ich) und eine Brieffreundin aus dem Erzgebirge: Letztere hat sich dermaßen rassistisch über die hier ankommenden Flüchtlinge ausgelassen, dass ich die Brieffreundschaft (mit Erklärung, dass dies für mich nicht tragbar ist) beendet habe. Der "Ost-Berliner" hat mir dann wiederum auch die Brieffreundschaft aufgekündigt - vermutlich aus Solidarität... (die beiden kannten sich persönlich; ich kannte nur den Brief- und Lesefreund aus Berlin, wir hatten uns einmal getroffen, als hier eine Lese-Veranstaltung in der Nähe war). Das war 2015/16....

    Ich finde es wirklich sehr traurig, dass das immer noch so verbreitet ist und dass die meisten solche Aussagen treffen, die weder ein eingeschränktes Leben führen noch jemals mit einem Flüchtling Kontakt hatten.


    Auf einer Bahnreise Richtung Erfurt habe ich eine ganz tolle Familie aus Afghanistan kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt bereits 2 Jahre in Deutschland lebten. Die Kinder 6 und 8 Jahre alt konnten schon richtig gut Deutsch, mit den Eltern habe ich mich auf Englisch unterhalten. Mein Herz erweicht hat folgendes: Die Kinder waren unglaublich artig und kontaktfreudig. Kein Rumgebrülle oder so, wie das sonst öfter passiert. Wir haben uns fast die ganze Fahrt über unterhalten. Zudem wollten sie ihr Essen mit mir teilen, weil ich so hilfsbereit war. Und als ich aussteigen musste, sind die Kids mit mir noch bis zur Tür und haben gewunken. Aber das Beste: die Mama hatte gerade noch ein drittes Kind geboren und die große Schwester sagte: "Mein kleiner Bruder ist der einzige Deutsche" von uns.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Sagota und nicigirl85:

    Ich kenne solche Auseinandersetzung und Gespräche leider auch nur zu gut und kann Dich Sagota mit dieser Brieffreundin gut verstehen. Ich persönlich finde auch, dass wir in Zeiten leben, in denen wir Position beziehen müssen, sonst bekommen genau die eine Stimme, die es nicht sollten.

  • Liebe Claire Winter , liebe nicigirl85


    Danke für eure Feedbacks! Wenn man mir gegenüber rassistische Äußerungen macht (nicht meine Person betreffend, sondern eben "Ausländern", Flüchtlingen etc.), reagiere ich wohl auch sehr sensibel darauf: Ich lebe seit fast 3 Jahrzehnten in einer bi-nationalen Ehe (mein Mann ist Tunesier) und wir haben auch vieles gemeinsam erlebt; Rassismus betreffend. Es ist nicht immer so offensichtlich, manchmal versteckt er sich auch und ich mache mir in diesen Zeiten auch vielleicht nicht ganz unbegründet Sorgen, dass die Pandemiezeiten, in denen wir uns befinden, rechte Kräfte stärken könnte. Bemerkenswert fand ich in den letzten Jahren z.B. die Ablehnung von Geflüchteten in den neuen Bundesländern, die teils in Übergriffen eskalierten (aber auch im Westen stattfanden), da z.B. in Sachsen fast überhaupt keine Flüchtlinge untergebracht wurden. In den alten Bundesländern waren es prozentual viel mehr.

    Und wenn mir dann jemand von "Sozialschmarotzern" schreibt, und dass ihre Großmutter damals auch habe flüchten müssen, mit einem Handkarren - da muss ich an mich halten, da ich mir einen Handkarren pro Flüchtlingsfamilie auf einem (noch dazu maroden) Boot wahrlich kaum vorstellen kann. Das war dann das Ende der Brieffreundschaft.

    Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass - trotz der ja nun schon über 30jährigen Wiedervereinigung Deutschlands - (die ich gut finde) - die "Schranken im Kopf" am besten bei den Kindern dieses Landes fallen werden, die nach 1989 geboren wurden. Bei vielen sind sie es aber auch bereits - zum Glück! ;)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Liebe Sagota,


    das kann ich gut verstehen und es ist schlimm genug, dass man sich überhaupt Sorgen machen muss und ihr solche Erfahrungen machen musstet. Ich finde, dass es in den letzten Jahren leider einen schleichenden und zunehmenden Rassismus gibt. Das erfährt und erlebte ich immer wieder und wie Du schon schreibst, gibt es ihn oft verstärkt dort, wo sich erstaunlicherweise die wenigsten Menschen aufhalten und leben, die aus anderen Ländern und Kulturen stammen. Vielleicht aber auch gerade deswegen?

    Ich empfinde diese mangelnde Empathie gegenüber Menschen, die oft alles verloren haben, gleichermaßen erschreckend wie völlig unverständlich. Übrigens gerade, wenn die eigene Großmutter auch mit dem "Handkarren" geflüchtet ist! Ich bin aber genau wie Du auch fest davon überzeugt, dass bei den jüngeren Generationen "die Schranken im Kopf" fallen werden bzw. gefallen sind und sie anders denken, weil sie Reisen und die Globalisierung ganz anders geprägt haben. Das ist jedenfalls auch das Ergebnis vieler Studien und stimmt mich optimistisch ...


    Liebe Grüße,

    Claire