Roland Buti - Das Leben ist ein wilder Garten

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  • Roland Buti - Das Leben ist ein wilder Garten


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    Gebundene Ausgabe: 173 Seiten

    Verlag: Paul Zsolnay Verlag (17. August 2020)

    ISBN-13: 978-3552059993

    Originaltitel: Grand National

    Übersetzung: Marlies Ruß

    Preis: 20,00 €

    auch als E-Book erhältlich


    Interessanter Kurzroman


    Inhalt:

    Carlo Weiss arbeitet als Gärtner und lässt dadurch für andere Menschen Träume wahr werden. Doch mit seinem eigenen Leben klappt es nicht so ganz. Seine Frau Ana, die er immer noch liebt, hat ihn verlassen. Die gemeinsame Tochter studiert in London und braucht die Eltern nicht mehr. Als Carlos leicht demente Mutter aus dem Pflegeheim ausbüxt, gerät sein Leben in noch größere Unordnung. Zum Glück ist Agon, Exil-Kroate und Carlos Angestellter, auch ein guter Freund, der sich sensibel um Mensch und Natur kümmert. Doch Agons Vergangenheit holt ihn ein. Und auch Carlo muss sich mit der Vergangenheit befassen, nämlich der seiner Mutter …


    Meine Meinung:

    Im Großen und Ganzen hat mir dieser kurze Roman mit etwa 160 Seiten gut gefallen, was vor allem an der wundervollen Erzählweise Butis liegt. Seine feinen Beobachtungen bringen die Protagonisten den Lesenden näher, auch wenn ich mir noch viel mehr Tiefe und viel mehr Ausführlichkeit gewünscht hätte. Stimmungen werden perfekt transportiert. Der Schreibstil ist ruhig und unaufgeregt.


    Viele Themen werden hier angesprochen, aber eben nur kurz gestreift, an der Oberfläche angekratzt. In die Tiefe müssen die Lesenden selbst dringen, indem sie Gedanken weiterführen oder auch eigene Recherchen anstellen.


    Sowohl der französische Titel „Grand National“ als auch der deutsche „Das Leben ist ein wilder Garten“ haben ihre Berechtigung. Das „Grand National“ ist ein Luxushotel, das eine bedeutende Rolle in der Handlung spielt. Andererseits dreht sich in diesem Roman eben auch vieles um das Gärtnern und die Natur und das ungezähmte Leben in all seinen Facetten.


    ★★★★☆

  • Vergangene Leben

    Carlo ist Landschaftsgärtner, liebt es mit den Händen unter freien Himmel in und mit der Natur zu arbeiten. Seine Frau hat sich von ihm getrennt und hat nicht unbedeutenden Teil des Hausrates mitgenommen. Seine Mutter glaubt er in einem Altenheim gut versorgt, bis ihn die Nachricht ereilt, dass seine betagte Mutter verschwunden ist. Deshalb führt ihn auch an diesem Tag sein erster Weg mit seinem Angestellten in Altenheim. Doch anstelle einer großen Suchaktion passiert dort nix. Man warten ob die ausgebüxte alte Dame wieder auftaucht. Auch Carlo beginnt keine Suchaktion. Erst nachdem sein Angestellter in seiner Gartenparzelle brutal zusammengeschlagen wird und in ein Krankenhaus eingeliefert wird, bringt dieser ihn auf den Gedanken doch mal zu diesem alten Hotel zu fahren, vor dem seine alte Mutter als junges Mädel abgelichtet wurde. Und siehe da die alte betagte Dame befindet sich tatsächlich in dem in die Jahre gekommenen Granhotel hoch oben in den Schweizer Bergen. Als er sie besucht um sie zum mitkommen zu bewegen scheitert er. Also wird kurzerhand eine Vereinbarung mit dem Hotel geschlossen. Und die alte Dame darf dort ihr altes Zimmer aus Jugendzeiten bewohnen. Für Carlo wird seine Mama erst ab dem Zeitpunkt wieder interessant als sie sehr zaghaft ihr Geheimnis offenbart. Doch Carlo ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt als das er seiner Mutter richtig zuhört noch versucht ein richtiges Gespräch zu führen.



    Auch wenn der Autor einer sehr poetischen und auch nachdenklichen Schreibweise an den Tag liegt, verliert er sich doch in technikaffine und Naturbetrachtungen oder aber in pornoähnlichen Schilderungen von Sexabenteuern seines Hauptprotagonisten.



    Ganz ehrlich ich habe ich auf eine nette Geschichte aus dem Leben einer alten Dame gefreut, wie sie das Buch eigentlich versprach. Ja selbst auf dem Cover war ja ein junges Mädel abgebildet. Was ich jedoch stattdessen zu lesen bekam. Nun ja die Geschichte eines Sohnes, der seiner Mutter schon lange nicht mehr zu hört und jedes Gespräch schafft abzuwürgen. Selbst als sie ihr großes Geheimnis am Ende ihres Lebens lüften will, hört er nur mit halben Ohr in und gibt nur irgendwelche Plattitüden von sich. Viel wichtiger scheint dem Autor ja wohl der Sohn gewesen zu sein und die pornoähnliche Schilderungen seiner Sexabenteuer mit seiner Exfrau. Irgendwann nervt seine Fixierung auf das Hinterteil der Frau einfach nur noch.



    Ganz ehrlich am besten kommen in diesem Buch tatsächlich der alte Lehrer und der Angestellte Ago weg. Beide habe so feine Antennen für die alte Dame das sie sie besser verstehen als der eigene Sohn. Die Figur des Carlo mochte ich am Ende gar nicht mehr. Vor allem weil er gar nicht mehr daran interessiert war mit seiner Mutter richtig zu reden. Alles wurde von ihm abgewürgt. Er hat sich keine richtige Zeit für sie genommen.



    Fazit: Auch wenn der Autor ein ausgesprochenes sprachliches Talent an den Tag legt, hat er bei der Umsetzung der Geschichte, die eigentliche Geschichte aus den Augen verloren. Alles andere war ihm wichtiger, von Blumen über Nippes und ausführlichen Sexszenen aber die Geschichte der alten Dame ist einfach in der Versenkung fast verschwunden. Von daher kann ich die Geschichte hier auch nur bedingt empfehlen.

    :thumbup::thumbup:

  • "Das Leben ist ein wilder Garten" von Roland Buti erschien im Zsolnay-Verlag (HC, 2020) und stellt für mich die erste Begegnung mit dem Schweizer Autor (*1964 in Lusanne) dar. Ich musste mich etwas in diesen Roman "hineinarbeiten, hineinlesen", aber letztendlich lohnte es sich, dies zu tun.


    Carlo Weiss, Landschaftsgärtner, Mitte 40, erledigt gerade einen Auftrag, als er auf dem Heimweg einen Anruf erhält: Seine Mutter, die "etwas speziell" sei, wie er Agon, seinem Assistenten und Freund erklärt, sei aus dem Seniorenheim verschwunden....

    Im Zimmer seiner Mutter, das sie mit Madame Jaquet teilt, findet er eine alte Fotografie: Sie zeigt Pia, seine Mutter, als ca. 17jähriges Mädchen, wie sie für den Großvater Gebäck und Brot an die großen Hotels der Umgebung in den Schweizer Bergen ausliefert: Weiss hat dieses Foto noch nie zuvor gesehen und gesteht sich ein, dass seine Mutter ein Leben vor ihm hatte - und auch eines danach. Genau genommen verbrachten Mutter und Sohn nur 12 Jahre miteinander...


    Ana, seine geschieden oder getrennt lebende frühere Ehefrau, mit der er eine gemeinsame Tochter hat, die in London Kunst studiert, wird im Roman oft von Weiss beschrieben, was oftmals auf reinen Äußerlichkeiten beruht, aber dennoch eine große Sehnsucht nach ihr ausdrückt. Später im Roman ahnt Ana, dass es kein Zufall sein kann, dass auf dem Foto das Hotel "Grand National", das einzige, das aus der Reihe der großen Luxushotels noch existiert, zu sehen ist: Weiss findet den Aufenthaltsort Pia's in diesem Hotel heraus und kann sie nicht umstimmen, ins Seniorenheim zurückzukehren: In Rückblicken erfährt der Leser, dass Pia als Kind in der Bäckerei aufwuchs und gerne Vögel aquarellierte; zu Zeiten des 2. Weltkrieges ein deutscher Graf im Hotel weilte, mit dem sie die Leidenschaft der Ornothologie teilte und sich als junges Mädchen in ihn verliebte. Auch Favre, ein alter Lehrer, der der Mutter noch immer sehr zugetan ist, wie er Weiss verrät, sieht Pia wieder...


    Agon, der eigentlich aus dem Kosovo stammt und sein Land verlassen musste, als dieses in Schutt und Asche fiel, Assistent und Freund von Weiss, ist ein breitschultriger, eher grob wirkender Mann, der jedoch ungemein sanft und einfühlsam sein kann: So schließt er Freundschaft mit Mdme. Jaquet und bietet auch ihr seine spezielle Süßigkeit an; die berühmten "Geleekugeln", die noch eine sehr entspannende Substanz enthalten. Als Agon in seiner Gartenlaube bedroht und krankenhausreif geschlagen wird, ist es hingegen Weiss, der ihn umsorgt und ihm Bücher und die Notration der "Kugeln" bringt...


    Der Grundton dieses Romans umgibt ein Hauch von Melancholie; aber auch auf der anderen Seite eine Lebensfreude, die besonders von Agon ausgeht: Als die Gartenlaubenkolonie einem Fußballstadion weichen soll und die Lauben "umgesiedelt" werden, hat er den Kopf voller neuer Ideen für sein 'virtuelles Gärtchen' und widmet sich mit ganzem Herzen der neuen Aufgabe, denn


    "er besaß die Gabe, nur sich selbst unterworfen zu sein" (Zitat S. 167) und es wird gar philosophisch, wenn Agon zurecht meint


    "Man muss die Tür hinter sich zumachen können" (S. 168) oder "man darf nicht zulassen, dass sich die Dinge ansammeln und zu Paketen werden, die einen verbeulen und beschweren"(......) (ebd., S. 168)


    Während die Mutter, Pia, für mich im Schatten blieb und Mutter und Sohn sich schon länger voneinander entfernt hatten, wie mir schien "Ständig liegt ein Schleier über den Dingen. Ein undurchdringlicher Schleier" (S. 126), ist dieser Satz von Pia jedoch auch ein guter sprachlicher Ausdruck für Demenz, finde ich.


    Man muss sich - vielleicht ein wenig wie ein Maulwurf, der nach den besten Plätzen im Garten gräbt - in diesen Roman "hineinwühlen"; jedoch das letzte Romandrittel lichtet die Nebel, die über den Dingen liegen und entschädigen für die Verschleierung.


    Die Themen sind vielfältig; es geht um Beziehungen in Familien, das Alter, Demenz, Verlassen werden, Verlust von Nähe, Einsamkeit und auch um vorsichtige Annäherung und - um Freundschaft.


    Ich sympathisierte bereits zu Anfang mit Agon, der für mich einen sehr positiven, starken und dennoch sehr empathischen und feinfühligen Charakter darstellt, der Weiss in schwierigen Zeiten ein wahrer Freund ist. Auch die atmosphärische und authentische Erzählweise des Autors mochte ich. Traurig ist die Tatsache, dass auch eine Entfremdung in Familien spürbar ist, etwa, wenn der Sohn erst spät erkennt, dass die Mutter bereits ein Leben vor seiner Geburt hatte. Hierüber scheint es keine - und wenn eine fehlende - Kommunikation innerhalb der Familie gegeben zu haben. Schade, denn Pia Weiss hatte ein durchaus interessantes Leben! Ein leiser Roman, der vielleicht darauf aufmerksam machen möchte, einander zuzuhören - und auch zu erzählen und gleichzeitig auch eine Hommage an Gärten, die Menschen gut tun.


    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Ich fand es auch eher so mittel:


    Jardin sauvage - vie sauvage


    Für Landschaftsgärtner Carlo wird das Leben auf einen Schlag zum wilden Garten, ihm fehlt ganz und gar der Überblick - verlassen von Frau und Tochter, auch wenn letztere "nur" zum Studium im Ausland weilt und ihm nicht die familiäre Zugehörigkeit aufgekündigt hat.


    Und dann büxt auch noch die demente Mutter aus der Seniorenresidenz aus - wer das wie ich selbst schon mehrfach erlebt hat, weiß wie man sich dann fühlt. Wenigstens hat er eine Spur, die in ein Grandhotel führt - und dieses hat zum Erstaunen des Sohnes so einiges mit ihrer Vergangenheit zu tun.


    Den wilden Garten hält ihm sein Assistent Agon, ein sanfter Riese, der durchaus auch mal die Fassung verlieren kann, zumindest teilweise zusammen. Im direkten wie auch im übertragenen Sinne, denn er bewirtschaftet einen Schrebergarten, der einem Fußballplatz weichen soll - auch hier wieder überraschende Parallelen zu den Ereignissen im Leben der Leserin - also dem meinigen.


    Ich war also perplex - heute würde man wohl "voll geflasht" sagen und las begeistert weiter. Und dann verlor sich für mich die Spur im wilden Garten von Carlos Leben und dem der anderen - irgendwie zerfaserte alles und ich blieb äußerst enttäuscht zurück. Aus meiner Sicht führte die Kurve eines vielversprechenden Romans leider steil nach unten. Auch die Figuren kamen mir längst nicht so nahe, wie es der Klappentext verspricht.

    3ratten