Joachim B. Schmidt - Kalmann

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    REZENSION – Man muss ihn einfach mögen, diesen „Kalmann“, Hauptperson und Ich-Erzähler des kürzlich erschienenen, gleichnamigen Romans von Joachim B. Schmidt, dem seit 2007 in Island lebenden Schweizer Schriftsteller. Kalmann, der selbsternannte „Sheriff von Raufarhöfn“, dem einstigen Fischerdorf und letzte Siedlung vor dem Nordpol, ist fast 34 Jahre alt und lebt als letzter Haifischfänger allein im alten Häuschen seines Großvaters.

    Er jagt gelegentlich Polarfüchse und fängt Grönlandhaie, die er nach Großvaters Rezept zu Gammelhai verarbeitet, einer isländischen Spezialität. So weit scheint die Welt in Ordnung und es besteht also „kein Grund zur Sorge“, wie sich Kalmann immer wieder selbst beruhigt. Überhaupt ist dieser Sonderling, der kaum die Grundschule, aber bei seinem Großvater die Schule des Lebens genossen hat, mit sich und der Welt zufrieden. „Ich war einfach anders. Aber Großvater hatte mir mal gesagt, dass jeder in gewisser Weise anders sei.“

    Obwohl der Wandel der Zeit auch die Nordspitze Islands erreicht hat, die Quotenregelung den Fischern von Raufarhöfn die Arbeit nahm, die meisten Einwohner abgewandert sind, Fischhallen und Wohnhäuser leer stehen, hat Kalmann, ausstaffiert mit Cowboyhut, Sheriff-Stern und einer alten, vom Vater geerbten Mauser-Pistole im Gürtel, alles im Griff und sieht sich als Beschützer des Dorfes. Dumm nur, dass die meisten Dorfbewohner ihn herablassend, andere eher mitleidig behandeln. Denn Kalmann ist, wenn man ihm böse will, der unter der Vormundschaft seiner Mutter stehende Dorftrottel. Doch die lebt in der weit entfernten Stadt, so dass er auf sich allein gestellt ist. Auch dies wäre „kein Grund zur Sorge“, wenn Kalmann nicht eine Schwäche hätte: Wird er gereizt oder gar geärgert, dann laufen bei ihm die Räder rückwärts, dann reagiert er aggressiv, wird handgreiflich, verletzt sich dabei gelegentlich sogar selbst, verdrängt das Geschehen aber schnell wieder. Der „Sheriff“ hat eben alles im Griff, also wirklich „kein Grund zur Sorge“. Doch eines Tages gerät diese scheinbare dörfliche Ordnung ins Wanken: Kalmann entdeckt auf der Jagd nach einem Polarfuchs im Schnee eine riesige Blutlache. Gleichzeitig geht die Meldung um, der reichste und wohl auch meistgehasste Mann des Dorfes, der Hotelier Robert McKenzie, werde vermisst.

    Damit beginnt ein in mehrfacher Weise ungewöhnlicher und nicht nur durch die Auflösung des Falles überraschender Island-Krimi. Denn nicht so sehr der Kriminalfall, sondern die liebevolle Charakterisierung der wichtigsten Einwohner von Raufarhöfn, jede und jeder für sich ein interessanter Typ, sowie die Schilderung des wirtschaftlichen Niedergangs und gesellschaftlichen Umbruchs auf Island machen den eigentlichen Reiz dieser wunderbaren und lesenswerten Geschichte aus. Vor allem Kalmann, „Sheriff von Raufarhöfn“, wird in seiner naiven Natürlichkeit einerseits sachlich nüchtern und doch so mitfühlend beschrieben, dass man diesen Sonderling einfach ins Herz schließen muss. „Manchmal beneide ich Kalmann um seine Bodenständigkeit“, wird Autor Schmidt im angefügten Interview zitiert. „Kalmann ist einfach Kalmann, Behinderung hin oder her.“ So muss man sich am Ende dieser 360 Seiten unweigerlich fragen, wer eigentlich die Dummen im Leben sind.

  • Meine Meinung zum Buch:

    Titel: Der Sheriff von Raufarhöfn im Einsatz...


    Nach Island wollte ich schon immer einmal reisen und da dies derzeit nicht geht, ist dieser Roman der perfekte Ersatz dafür.


    In der Geschichte geht es um Kalmann, der etwas anders ist als du und ich. Er liebt es zu Jagen und aus Haifischen echten isländischen Gammelhai zu machen. Doch dann verschwindet jemand aus dem Dorf. Kann Kalmann, der stets einen Sheriffstern trägt und amerikanisches Blut in sich hat, den Fall aufklären?


    Kalmann fungiert als Ich- Erzähler und zu Beginn ist man sich gar nicht so sicher wie alt er eigentlich ist. Durch die Erzählperspektive bekommt man intensive Einblicke in seine besondere Gefühls- und Gedankenwelt, die nicht ganz kompartibel mit mir war, aber trotzdem einfach nur liebenswert. Seine Sichtweise auf die Menschen hat mich sehr nachdenklich gestimmt, denn er sieht durch seine Beeinträchtigung mehr als manch anderer


    Dachte ich zunächst, dass es sich lediglich um einen Roman handelt, so entwickelt sich die Handlung sehr schnell zum Krimi, was mir gut gefallen hat. Als Leser kann man hervorragend miträtseln.


    Herrn Schmidt ist es im Übrigen sehr gut gelungen die Landschaften und den dortigen Menschenschlag zu beschreiben. Ich habe mich wie auf Reisen gefühlt, wo ich Neues entdecke.


    Am besten hat mir das Verhältnis zwischen Großvater und Enkel gefallen, denn Kalmann hat wirklich alles von seinem Opa gelernt und dies verinnerlicht. Die tiefe Verbundenheit zwischen den beiden hat mich doch sehr berührt.


    Das Ende erschien mir schlüssig. Es wird nicht bis ins letzte Detail alles aufgeklärt, so dass dem Leser die Möglichkeit gegeben wird, selbst die Geschichte weiter zu spinnen.


    Fazit: Gute Unterhaltung, die einfach mal anders ist. Gern spreche ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung aus. Klasse!


    Bewertung: 5ratten und :tipp:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Kalmann hat sich selbst zum Sheriff von Raufarhöfn ernannt. Seine Tage sind ausgefüllt, denn entweder geht er auf die Jagd oder er legt seine Köder aus, um Haie zu fangen, die er dann zu Gammelhai verarbeitet. Doch dann überrollen ihn die Ereignisse, als er beim Jagen eine Blutlache entdeckt. Zufällig ist gerade auch Róbert McKenzie, der König von Raufarhöfn, spurlos verschwunden.


    Diese Geschichte wird aus der Sicht von Kalmann erzählt, einem behinderten jungen Mann, der alleine in dem kleinen Ort lebt. Alles was er über die Natur, das Meer und Gammelhai weiß, hat er von seinem Großvater gelernt, der nun dement in einem Heim lebt. Dass er ein bisschen anders ist als die meisten Menschen, ist für ihn „kein Grund zur Sorge". Kalmanns Mutter schaut sporadisch vorbei, um Ordnung zu schaffen. Der Vater hat ihm eine Mauser, einen Sheriffstern und einen Cowboyhut gegeben, sich aber sonst nicht um seinen Sohn gekümmert.


    Nachdem Kalmann das Blut entdeckt hat, wollen plötzlich alle etwas von ihm. Die Polizei hat Fragen, die Medien bringen ihn in die Öffentlichkeit und die Dorfbewohner wollen auch so manches wissen. Zum Glück kann Kalmann auf dem Meer seinen Kopf entleeren und das ist wichtig, denn ihm geht so manches durch den Kopf. Eigentlich ist Kalmann ein einsamer Mensch, der sich nach einer Frau und Kindern sehnt. Er ist mal naiv und mal gewitzt und seine Sicht auf die Welt ist etwas speziell, oft sogar tiefgründig. Ich mochte ihn ganz gern, auch wenn er durchaus gewalttätig werden kann. Auch die anderen Figuren haben alle ihre Eigenheiten.


    Diese Geschichte ist unterhaltsam, aber auch etwas weitschweifig. Doch ich wollte auch wissen, wie es weitergeht und mit dem Ausgang hatte ich so wirklich nicht gerechnet.


    Joachim B. Schmidt erzählt in diesem Buch die ungewöhnliche Geschichte eines ganz besonderen Helden.


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:

  • Ein Sheriff der besonderen Art

    Das ist Kalmann, der in Islands tiefster Provinz lebt - bisher bei seinem Großvater, der aber inzwischen im Heim untergebracht wurde. Nun lebt Kalmann allein und seine Mutter, die in Akureyri wohnt, einer großen Stadt - naja, jedenfalls aus Kalmanns Sicht.


    Kalmann ist Jäger. Manchmal jedenfalls. Meistens fischt er nach Haien und stellt Gammelhai nach dem unschlagbaren Rezept seines Großvaters her. Auf der Jagd findet er ein riesige Blutlache.


    Die müsste eigentlich reichsten Mann der Gemeinde sein, der seit kurzem verschwunden ist. Kalmann setzt seinen Cowboyhut, den er von seinem Vater, einem Amerikaner geerbt hat, auf und beginnt zu ermitteln. Er liebt es, wenn man ihn erkennt und Sheriff nennt.


    Trotz dieser Kriterien kein Krimi, sondern ein warmherziger Roman, verbunden mit einer sozialkritischen Note, die nicht zu knapp ist. Dass ich mit ihm nicht so ganz warm wurde, liegt an den vielen Widersprüchen - sowohl in der Figur Kalmanns als auch im Handlungsverlauf. Hier wurden tolle Ideen geboren, die leider nicht ganz so toll ausgearbeitet wurden - meiner Meinung nach jedenfalls!

    3ratten

  • Kein Grund zur Sorge, alles wird gut

    Kalmann ist ein Haifischfänger, der mit den besten Gammelfisch herstellt. Doch Kalmanns idyllisches Leben soll sich schon bald auf den Kopf stellen. Obwohl idyllisch das ist nun auch wieder Ansichtsache. Kalmann passt nicht wirklich in eine Schublade. Kalmann hat so die eine oder andere Beeinträchtigung, die man ihn als Kind und Jungendlicher hat mächtig spüren lassen. Einen Großteil seines Lebens verbrachte er mit seinen Großvater, der nun in einem Pflegheim lebt. Darum lebt Kalmann nun ganz allein ein einem fast 100 Jahre alten Haus. Seine Mutter arbeitet als Krankenschwester in der Stadt. Doch eines Tages verschwindet der Hotelbesitzer Robert, was die Polizei und Suchmannschaften auf den Plan ruft. Und plötzlich gerät Kalmann ins Wesir der Polizei. Und dann tauchen auch noch Reporter auf. Als dann auch noch eine Dorfbewohnerin stirbt geht das ganze Theater wieder los. Kaum hat sich fast alles wieder beruhigt fischt ein Fischer ein Fass voller Drogen aus dem Wasser und schon wieder tauchen Polizei und Reporter auf. Doch viel schlimmer für Kalmann ist, dass die junge Litauerin verschwindet und ein Sonderkommando ihn außer Gefecht setzt. Doch gerade als Kalmann denkt ok alles ist überstanden fällt beim Ausnehmen eines Hais die Hand von Robert aus dem Magen des Hais und schon wieder steht die Polizei auf der Matte. Und dann taucht auch noch ein Eisbär auf, der Kalmann unter sich begräbt. Also muss nun Kalmann doch langsam mit der Wahrheit rausrücken.



    Der Verlag hat es doch tatsächlich schon wieder geschafft einen wirklich tollen Krimi als Roman zu verkaufen. Und der Autor hat es geschafft mich als Leser abzuholen und einzufangen und auch zu halten. Gut an den Schreibstil muss man sich erst gewöhnen, aber dann will man diesen Krimi einfach nicht mehr aus der Hand legen.



    Der Krimi hat wirklich alles was man sich als Leser wünscht. Einen Helden, der nicht der 08/15 Typ ist, nein er hat so seine Defizite. Es gibt einen Vermissten, eine Leiche, ein Fass voller Drogen und jede Menge Verwicklungen. Und der Antiheld, bei dem man als Leser kurzzeitig doch glatt denkt, nein Kalmann du kannst doch kein Mörder sein. Und zu guter letzt taucht auch noch ein Eisbär auf und Kalmann gerät in Lebensgefahr. Eins muss ich noch unbedingt loswerden. Wer denkt dass der Krimi hier bierernst ist der irrt gewaltig. Ich bin mehr wie einmal in schallendes Gelächter ausgebrochen. So ganz nebenbei lernt man Island und seine Natur und auch dessen Probleme kennen.



    Die Figuren so skurril und ja auch urst komisch. Kalmann, der leicht beeinträchtigte Haifischfänger, der zu Gewaltausbrüchen neigt und nicht andere sondern sich selbst damit verletzt. Und dann ein ganzes Dorf, das da oben in Island so langsam ausstirbt. Island mag zwar klein und kalt sein. Das heißt aber nicht dass es dort nichts zu erleben gibt.



    Fazit: Ich bin von diesem humorvollen Krimi mit seinen ganz eigenen Figuren und der besonderen Geschichte und dem Schreibstil des Autors schlichtweg begeistert. Ihr werdet schnell merken, dass ein Krimi nicht immer bierernst sein muss, sondern dass man durchaus auch in heiteres Gelächter ausbrechen kann. Kommt lasst euch nach Island entführen und genießt die lustige Story und durchaus skurrile Figuren. Mir sind sie ans Herz gewachsen…von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

    5ratten

  • Bis zur Hälfte war das Buch eine nette, kurzweilige Lektüre, dann aber hat mich das Buch richtig gepackt und mich wirklich begeistert. Die Atmosphäre des Buches hat mich abgeholt, es hat so ein bisschen "Endzeitstimmung", durch die Beschreibungen des "sterbenden" Dorfes, die Schönheit, aber auch Kargheit der Natur, die mal wellenschlagende, mal stille, aber vor allem kalte See. Dazu schafft Schmidt es, Kalmann einfühlsam zu beschreiben und nie der Lächerlichkeit preis zu geben, was für mich die größte Stärke des Buches ist.


    5ratten

  • Ungewöhnlich


    „Wie einfach das Leben wäre, wenn wir uns mit den Tieren unterhalten könnten. Aber vielleicht wäre das Leben dann komplizierter, weil sich die Tiere über uns Menschen beschweren würden.“


    Wer solche Sätze denkt, hat einfach mein Herz gewonnen! Auch wenn es in diesem Fall doch ein paar Seiten gebraucht hat, denn Joachim B Schmidt präsentiert uns einen ungewöhnlichen Helden: Kalmann ist ein junger Mann, dessen geistige Entwicklung irgendwann stehen geblieben ist. Sein kluger Großvater erklärte ihm, dass jeder Mensch irgendwie anders sei, und damit wäre auch Kalmann normal. Diese liebenswerte Weltsicht hat ihn geprägt und zieht sich durch das ganze Buch.


    Mag seine Denkfähigkeit auch in mancherlei Hinsicht eingeschränkt sein, klug ist er ja trotzdem, manchmal sogar philosophisch. Er selbst erzählt uns diese Geschichte. Seine Art, Dinge zu beschreiben ist erfrischend, denn er trifft den Nagel oft genau auf den Kopf. Er denkt über die Dinge nach, die er hört oder sieht und zieht daraus seine eigenen Schlüsse. Da geht es durchaus auch um Themen wie Überfischung, Klimawandel und Rassismus!


    Trotz Kriminalfall mit überraschender Lösung ist es für mich kein gewöhnlicher Krimi – es ist ein leise erzählter Roman mit grandiosen Naturschilderungen, Spannung, viel Humor und einer bemerkenswerten Hauptperson. Unbedingt lesenswert!


    PS. Gammelhai werde ich trotzdem NIENIENIE essen.


    4ratten:tipp:

    Vernunft, Vernunft...