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Zum Inhalt:
Beauvoirs grundlegendes Werk des Feminismus erschien 1949 und umfasst in meiner Ausgabe (einer älteren gebundenen Ausgabe von Droemer Knauer, 1961) 1130 Seiten ohne Anmerkungen.
Das Werk ist als Sozialgeschichte der Frau zu betrachten und gleichzeitig als philosophisches Werk existenzialistischer Prägung.
Im ersten Teil „Fakten und Mythen“ stellt die Autorin zunächst mal die biologischen Unterschiede zwischen Frau und Mann fest und auch die Unterschiede der Sexualität der Frau gegenüber anderen Säugetieren höherer Ordnung. Während von diesen die Weibchen meist eine Brunftzeit haben und den Rest des Jahres nicht trächtig werden können, daher gleichen Tätigkeiten wie die Männchen nachgehen, können Frauen bis auf wenige Tage im Zyklus fast immer schwanger werden und müssen sich monatlich der Menstruation unterziehen, die sie einschränkt und oft auch körperlich schwächt und schmerzt. Diese biologische Konstellation engt die Frau ein und führte neben der deutlich größeren körperlichen Stärke des Mannes während der Evolution des Menschen und der Steinzeit dazu, dass die Männer die Arbeiten verrichteten, die die Außenorientierung und Momente heftiger körperlicher Anstrengung zur Grundlage hatten wie die Jagd oder den Kampf gegen rivalisierende Familienverbände, während der Frau die Nahrungszubereitung und die Sorge um die Familie oblag. In der Zeit der Sesshaftigkeit setzte sich das so fort, dass die Frau zusätzlich die Arbeiten nah am Haus verrichtete, Gemüsegarten und Stall, während dem Mann die Feldarbeit und handwerkliche Tätigkeiten, die mit widerstandsfähigen Werkstoffen zu tun hatten, oblagen. Dadurch wurde der Mann zum Entwickler der Technologien und bildete durch seine Außentätigkeiten ein Netzwerk mit anderen Männern, während die Frau zu Hause blieb und in ihren Kontakten im Wesentlichen auf ihren Mann und ihre Familie beschränkt blieb.
Diese Konstellation blieb so im Wesentlichen bis weit ins Ende des 20. Jahrhunderts in den europäischen Staaten und Nordamerika erhalten, diese Regionen, insbesondere Frankreich, legt die Autorin ihren Untersuchungen zugrunde. Beauvoir verfolgt die Entwicklung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts und sieht bis dahin nur kleine Veränderungen, die der Frau keine wesentlichen Vorteile bieten, sondern sie eher noch mehr versklaven in den Traditionen der Vergangenheit und den Ansprüchen der modernen Welt.
Neben diese biologische und sozialgeschichtliche Erörterung tritt nun auch das philosophische Element. Beauvoir als Existenzphilosophin stellt - einfach ausgedrückt - dar, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier den in seiner Natur liegenden Wunsch hat, sich zu transzendieren, d.h. ein Ziel außerhalb seiner selbst zu suchen und zu verfolgen. Nur so findet er seine innere Freiheit und wird zum Subjekt. Dies gelingt nun dem Mann aufgrund seiner Außenorientierung in der Regel mehr oder weniger, je nachdem, welche Ansprüche er an sich selbst stellt und welche gesellschaftlichen Möglichkeiten er in seiner sozialen Gruppe hat. Die Frau dagegen wird auf sich selbst zurückgeworfen, weil sie vom Mann als das Andere (deshalb der deutsche Titel „Das andere Geschlecht“) gesehen wird, in das er sich transzendieren kann, weil er sich die Frau unterwirft, die ihm dient und ihn zu bewundern hat. Sie dagegen sieht sich nur in ihm, weil sie über die Jahrtausende hinweg nur in seltenen Fällen die Möglichkeit hatte, für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen und dadurch wirtschaftlich unabhängig zu werden. Ihr Schicksal ist daher die Immanenz im Gegensatz zur Transzendenz des Mannes. So wird sie zur Drohne des Mannes, und in den wohlhabenden Schichten erkauft er sich ihre Abhängigkeit, indem er ihre Lage mit Bequemlichkeit und Konsumgütern ausstattet. Sie wird dadurch antriebslos, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, bildet sich nur ungenügend und entwickelt ihren Intellekt nicht genug, um selbst zu großen geistigen Leistungen zu kommen.
So sind nach Beauvoirs Meinung auch die besten künstlerischen Leistungen der Frauen nur vergleichbar mit den Anfangsversuchen der besten männlichen Künstler. Und in den Wissenschaften strengt sie sich nicht genügend an, weil sie von Kindheit an nicht dazu angehalten wird, sich ihre Umwelt zu erobern.
Diese Ungleichheit der Geschlechter wird insbesondere durch das System des Kapitalismus unterstützt, da hier die Produzenten immer auch genügend Konsumenten brauchen und in der Konstellation der Geschlechter diese Aufteilung unterstützt wird, dem Mann als Produzenten und Erfinder außerdem der Rücken freigehalten wird und die Ehe und Familie als Rückzugsort und Entspannungsressort dient. Nur der Sozialismus kann nach Beauvoirs Meinung die Gleichstellung der Geschlechter herstellen.
Meine Meinung:
Beauvoir hat für ihre Darstellung ein immenses Wissen angesammelt und ihre Meinungen immer sehr gut belegt und mit Zitaten aus Werken der Psychoanalyse, Philosophie und europäisch/amerikanischen Literatur untermauert. Gerade im letzteren Falle ist sie aber der Stofffülle etwas aufgesessen. Man könnte dieses Werk gut um die Hälfte und mehr kürzen, ohne dass dabei Wesentliches ungesagt bliebe. Die Autorin verliert sich im zweiten Teil häufig in bizarren Zitaten aus psychopathologischen Falldarstellungen und frauenfeindlichen Werken ihrer männlichen Zeitgenossen bzw. der nur wenige Jahrzehnte zurückliegenden Veröffentlichungen.
Das zieht einen eher runter, als dass es einen weiterbringt. Gut finde ich, dass Beauvoir nicht ein Geschlecht verteufelt, den Mann ausschließlich als Unterdrücker ansieht, sondern auch darstellt, dass die Frau an ihrem Schicksal auch selbst mit Schuld trägt, wenn sie sich aus Bequemlichkeit nicht um ihre materielle und geistige Unabhängigkeit kümmert.
Als Nachteil dagegen ist herauszustellen, dass dieses Buch sich hauptsächlich mit der Rolle der Frau in den wohlhabenden Schichten der westlichen Kulturen auseinandersetzt, die viel größere Anzahl der Frauen, die dazu gezwungen waren und sind, selbst zu arbeiten, erwähnt sie nur am Rande. Die Frauen anderer Kulturen berücksichtigt sie fast gar nicht, weil diesen ihrer Darstellung nach z.B. in der islamischen Kultur noch nicht einmal eine Seele zugesprochen werde.
Grundsätzlich ist es legitim, eine solche Untersuchung und daraus folgendes Plädoyer auf einen Kulturkreis, in dem man selber lebt, zu beschränken, aber da sie immer von der Frau an sich spricht, kommt es einem doch komisch vor, dass 90 % der Frauen von den Ausführungen im zweiten, deutlich umfangreicheren Teil des Werkes gar nicht erfasst werden.
Ich fand das Buch nicht schwierig zu verstehen, aber den zweiten Teil nur schwer zu ertragen. Dennoch hat er mich sehr viel weiter gebracht in dem Verständnis der Rolle von Frau und Mann und welche Voraussetzungen es gesellschaftlich und auch von seiten der Geschlechter selbst braucht, um zu einer echten Gleichberechtigung zu kommen, von der wir ja auch heute noch und auch in den westlichen Gesellschaften sehr weit entfernt sind, wenn auch lange nicht so weit wie die Frauen in Simone de Beauvoirs Zeiten.