Kapitel 38 bis einschließlich Nachwort
04: Kapitel 38 bis einschließlich Nachwort
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Ja ich weiß, eigentlich maximal ein Abschnitt pro Tag... aber nachdem der letzte Abschnitt so spannend geendet hat, konnte ich einfach nicht anders.
So sympathisch mir Helen am Anfang war, so unsympathisch ist sie mir jetzt. Ich möchte das alles nicht durchleben müssen, ich möchte mir nicht mal vorstellen müssen, wie ich in ihrer Situation gehandelt hätte. Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, wie man seine eigenen Kinder so behandeln kann - vor allem Thomas. Natürlich hat das psychische Gründe (das verstehe ich auch), aber wenn es so schlimm ist, dann wäre ich an ihrer Stelle aus dem Ganzen ausgebrochen... glaube ich, aber wer weiß das schon.
Aber nun von vorne: Nachdem Helen auf dem Schiff erwischt und verhaftet wurde, war James ihre große Rettung. Dass sich in einer Zeit voller Unsicherheit, voller Verlustängsten plötzlich Gefühle entwickeln können, das ist für mich absolut nachvollziehbar. Auch dass man dann eine Affäre eingeht. Aber mit ihren Medizinkenntnissen und ihrer Intelligenz halt ich es trotz aller widrigen Umstände für eher sehr unwahrscheinlich dass es ihr nicht bewusst war, dass sie schwanger werden könnte.
Wie auch immer, Thomas war unterwegs und es musste ein neuer Plan her. James hatte die Idee, dass sie den Tod Ludwigs vortäuschen. Helen hat aus freien Stücken zugestimmt. Es ist nicht so als hätte James ihr den Tod ihres Mannes vorgetäuscht. Ja, vermutlich hat sie aus purer Verzweiflung gedacht, das wäre der einzige Ausweg. Dennoch war sie an der ganzen Aktion nicht unbeteiligt.
Wofür sie nichts konnte, war dass schließlich auch ihr Tod vorgetäuscht wurde. Von diesem Punkt an ging es auch stetig bergab.
Trotz allem vertrete ich nicht die Meinung, dass James an allem Schuld ist bzw. ihr das angetan hat. Helen ist verständlicherweise in ein Loch gefallen, aus dem sie selbst nicht wieder herausfinden konnte. Aber es hätte Mittel und Wege gegeben, das alles wieder gerade zu biegen. Ich glaube auch, dass Ludwig ihr verziehen hätte, hätte sie sich nach Ende des 1. Weltkrieges bei ihm gemeldet.
Nun, nach so langer Zeit, ist es aber vermutlich besser für ihn, dass er die Wahrheit nie erfahren hat.
Die Reaktion von Fritz überrascht mich nicht. Er wurde ohne Vorwarnung von Ellinor mit der Wahrheit konfrontiert, da waren keine Luftsprünge zu erwarten. Das Nachwort verrät ja, dass er seine Mutter dennoch treffen wird (also dieses Spoilern ist tatsächlich mein großer Kritikpunkt, zumal sich die Info direkt an die Leser richtet, die diesen Band als ersten gelesen haben). Soweit ich das bisher mitbekommen habe, wird das aber wohl kein freudiges Treffen.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, auch wenn ich gegen Ende schon sehr genervt von Helen war - aber das gehört dazu, es muss einem ja nicht jeder sympathisch sein. Es hat mich sehr gestört, dass sie sich einfach aufgegeben hat, ohne auch nur ernsthaft nach Auswegen zu suchen. Aber ja, als Außenstehender hat man leicht reden.
Ich denke schon, dass ich die anderen beiden Bücher noch lesen werde. Allerdings vermutlich mit einer kleinen Pause bis dahin.
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Vielen Dank für dein tolles Feedback. Ich freue mich sehr, dass dir das Buch gefallen hat - Prequels sind ja immer so eine Sache - die Idee kam ja hier in der Leserunde zu "Die Stimmlosen" - die Szene, in der Ellinor Fritz trifft, ist wörtlich aus "Die Stimmlosen", allerdings war diese Szene in "Die Stimmlosen" aus Fritz' Perspektive, der aus allen Wolken fiel - und keinen besonders guten Eindruck von seinen Halbgeschwistern hatte.
So sympathisch mir Helen am Anfang war, so unsympathisch ist sie mir jetzt. Ich möchte das alles nicht durchleben müssen, ich möchte mir nicht mal vorstellen müssen, wie ich in ihrer Situation gehandelt hätte. Trotzdem kann ich nicht nachvollziehen, wie man seine eigenen Kinder so behandeln kann - vor allem Thomas. Natürlich hat das psychische Gründe (das verstehe ich auch), aber wenn es so schlimm ist, dann wäre ich an ihrer Stelle aus dem Ganzen ausgebrochen... glaube ich, aber wer weiß das schon.
Ja, Helen ist eine gebrochene Figur. Durch "Die Stimmlosen" war das Ende vorgegeben, aber ich fand den Weg dahin spannend, da Fritz seine Mutter ja immer in positiver Erinnerung hatte. Helen litt nachher unter Depressionen, aber sie war auch verbittert und hat es sich sehr leicht gemacht. Dadurch, dass sie allen anderen die Schuld gegeben hatte, musste sie sich nicht mit ihrem eigenen Versagen auseinandersetzen. Und sie hatte im Grunde auch große Angst davor, Fritz und Ludwig unter die Augen zu treten - aber das hätte sie sich niemals eingestanden. Da war es leichter, James zu verteufeln und zum Schuldigen zu machen. Zu Thomas war sie einfach nur ungerecht - das hatte der Junge nicht verdient. Da kommt auch der Punkt, wo James die positivere Rolle hat - er kümmert sich um seinen Sohn und will nicht, dass er so im Abseits steht - aber Helen gegenüber nutzt er die falschen Mittel, um das durchzusetzen - und kriegt später, als Ellinor erwachsen wird, die Quittung, als Helen den Spieß umdreht - die beiden schenken sich nichts.
Aber mit ihren Medizinkenntnissen und ihrer Intelligenz halt ich es trotz aller widrigen Umstände für eher sehr unwahrscheinlich dass es ihr nicht bewusst war, dass sie schwanger werden könnte.
Helen hatte ja schlimme Fehl- bzw. Totgeburten und war nun schon Mitte 30 - sie hat das einfach verdrängt, weil sie ja mit Ludwig auch so lange nicht schwanger wurde.
Wie auch immer, Thomas war unterwegs und es musste ein neuer Plan her. James hatte die Idee, dass sie den Tod Ludwigs vortäuschen. Helen hat aus freien Stücken zugestimmt. Es ist nicht so als hätte James ihr den Tod ihres Mannes vorgetäuscht. Ja, vermutlich hat sie aus purer Verzweiflung gedacht, das wäre der einzige Ausweg. Dennoch war sie an der ganzen Aktion nicht unbeteiligt.
Wofür sie nichts konnte, war dass schließlich auch ihr Tod vorgetäuscht wurde. Von diesem Punkt an ging es auch stetig bergab.
Trotz allem vertrete ich nicht die Meinung, dass James an allem Schuld ist bzw. ihr das angetan hat. Helen ist verständlicherweise in ein Loch gefallen, aus dem sie selbst nicht wieder herausfinden konnte. Aber es hätte Mittel und Wege gegeben, das alles wieder gerade zu biegen. Ich glaube auch, dass Ludwig ihr verziehen hätte, hätte sie sich nach Ende des 1. Weltkrieges bei ihm gemeldet.
Genau - James hat es vorgeschlagen - weil er auch hilflos war und glaubte, es wäre das beste. Helen hat mitgemacht, weil sie nicht die Kraft und auch nicht den Mut hatte, zu einem außerehelichen Kind zu stehen. Ludwig hätte ihr verziehen. Ludwig hatte ja schon viel früher mal über Adoptionen gesprochen - als Fritz sich von der kleinen Susi beinahe deren Brüderchen hätte schenken lassen. Fritz und Ludwig hätten Thomas akzeptiert, weil sie beide gewusst hätten, dass der Junge nichts dafür kann. Natürlich hätte es einen Bruch mit Helen gegeben, aber unter den Umständen, unter denen es dazu gekommen ist, hätte Ludwig ihr den Seitensprung vergeben. Das sagt Fritz am Ende ja auch.
Die Reaktion von Fritz überrascht mich nicht. Er wurde ohne Vorwarnung von Ellinor mit der Wahrheit konfrontiert, da waren keine Luftsprünge zu erwarten. Das Nachwort verrät ja, dass er seine Mutter dennoch treffen wird (also dieses Spoilern ist tatsächlich mein großer Kritikpunkt, zumal sich die Info direkt an die Leser richtet, die diesen Band als ersten gelesen haben). Soweit ich das bisher mitbekommen habe, wird das aber wohl kein freudiges Treffen.
Der Hinweis auf "Die Stimmlosen" und dass es da weiter geht, ist diesmal absichtlich. Denn in "Die Stimmlosen" geht Helens Geschichte mit Fritz erst in dem Moment los, als Ellinor bei Fritz im Büro steht und sich als seine Halbschwester offenbart. Und Ellinor ist verdammt beharrlich - sie will diese Familie versöhnen. Es gibt ja noch einen Handlungsstrang, der in "Die verstummte Liebe" offen bleibt. Helen hatte ja sehr viel Geld für Fritz gespart ... Das ganze wird eine sehr, sehr komplizierte Geschichte werden, ich habe ja, als ich "Die Stimmlosen" geschrieben habe, sogar noch Familienaufstellungen gemacht, wie man diese konfliktreiche Situation wohl auflösen könnte. Ob und wie das gelungen ist, erfährt man dann in "Die Stimmlosen".
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Ich habe hier übrigens noch mal den Originaltext, wie das Gespräch aus Fritz' Perspektive wirkt, als Ellinor ihm die wahrheit sagt, aus "Die Stimmlosen" kopiert - der Dialog ist identisch, aber man ist diesmal in Fritz' Kopf und bekommt mit, was er sich dabei denkt.
»Herr Doktor«, sagte Frau Maasbach, als er das Vorzimmer
betrat. »Diese Engländerin ist noch da. Sie hat sich geweigert,
Ihr Büro zu verlassen, nachdem Sie in den OP gegangen sind.«
Fritz seufzte. »Die Furie ist ganz schön hartnäckig.« All die
Euphorie, die ihn eben noch getragen hatte, war verflogen.
Er ging in sein Büro. Ellinor Mitchell saß auf dem Stuhl
vor seinem Schreibtisch. In ihrer Hand hielt sie Henriettes
halb zerschmolzenen Puppenkopf, der normalerweise auf dem
Schreibtisch stand, und betrachtete ihn mit zusammengekniffenen
Augen. Eine Welle des Ärgers durchflutete Fritz, als er sie
mit diesem letzten Relikt seiner Tochter in der Hand ertappte.
Am liebsten hätte er ihr den Kopf aus der Hand gerissen.
»Sind Sie immer noch hier?«, blaffte er sie an.
»Ja«, gab sie unbeeindruckt zurück. »Ich wusste ja, dass
die deutsche Kunst eine Schwäche für Morbidität hat. Aber
finden Sie nicht, dass das etwas zu weit geht?« Sie stellte den
Puppenkopf wieder auf den Schreibtisch.
»Das ist englische Kunst«, verbesserte Fritz sie mit eisiger
Stimme. Dann zog er seine Brieftasche hervor und nahm ein
Foto von Henriette heraus, das sie mit ebenjener Puppe im Arm
zeigte.
»So sah diese Puppe aus, als man sie noch deutsche Kunst
nennen durfte. Meine Tochter hat sie immer mit in den
Luftschutzkeller genommen. Nachdem Leute wie Ihr Bruder
mal wieder über unsere schöne Stadt geflogen sind und ein paar
Geschenke abgeworfen haben, blieb das hier übrig.« Er strich
über den zerschmolzenen Puppenkopf. »Von dem kleinen
Mädchen auf dem Foto blieb hingegen nur Asche.« Er steckte
seine Fotografie wieder ein und funkelte Ellinor Mitchell zornig
an. »Und nun kommen Sie endlich zur Sache, sagen Sie, was
Sie von mir wollen, und dann verschwinden Sie. Ich habe noch
zu tun.«
»Das wollten Sie jetzt als Waffe gegen mich verwenden,
nicht wahr? Ein totes Kind. Das ist kein netter Zug von Ihnen.«
»Wer hat denn behauptet, ich wäre nett?«
»Meine Mutter. Ich habe erst vor einigen Monaten erfahren,
dass es Sie überhaupt gibt, aber es hat vieles erklärt. Warum
mein Bruder Thomas immer das Gefühl hatte, es unserer
Mutter nie recht machen zu können, und warum sie stets so
etwas Melancholisches umgab.«
»Ich habe mit Ihrer Mutter nichts zu schaffen. Ich war
zuletzt 1939 in London.«
»Ihr Mädchenname lautet Helen Mandeville, verheiratet
in erster Ehe mit Doktor Ludwig Ellerweg, in zweiter Ehe mit
James Mitchell.«
Fritz starrte die Frau vor sich an, als hätte sie den Verstand
verloren.
»Das ist Unsinn«, sagte er dann. »Meine Mutter starb
1915 in London an der Grippe. Wir haben eine Abschrift des
Totenscheins bekommen.«
»Die war falsch.« Ellinor Mitchell zog ein goldenes
Zigarettenetui hervor und zündete sich ungeniert eine Zigarette
an, ohne auf die Idee zu kommen, ihm auch eine anzubieten.
Ihm war das nur recht, so ersparte sie ihm wenigstens
die Peinlichkeit, ihr zu erklären, dass er Nichtraucher sei und
Zigaretten lieber auf dem Schwarzmarkt gegen Brot eintauschte.
Oder Schokolade für die Kinder.
»Es ist eine ziemlich komplizierte Geschichte«, sagte sie,
nachdem sie einen kräftigen Zug genommen hatte. »Wollen Sie
sie hören, auch wenn heute noch nicht Donnerstag ist?«
Fritz atmete tief durch. Jede Faser in ihm schrie danach,
diese Frau einfach vor die Tür zu setzen, aber die Tatsache, dass
sie den Mädchennamen seiner Mutter kannte, veränderte alles.
Auf seinem Schreibtisch stand ein kleiner Holzkalender, auf
dem man mit einem passenden Stift den aktuellen Wochentag
markieren konnte. Fritz schob den Stift von Montag auf
Donnerstag.
»Jetzt ist Donnerstag«, erklärte er.
Ein winziges Lächeln huschte über Ellinors Züge. »Sie
haben ja Humor. Das muss wohl Ihre britische Seite sein.«
»Erzählen Sie mir Ihre Geschichte«, sagte Fritz statt einer
Antwort. »Dann entscheide ich, ob ich sie glauben kann oder
Ihnen einen Aufenthalt in Friedrichsberg empfehle.«
»Friedrichsberg?«
»Dort ist die nächstgelegene psychiatrische Anstalt, die
Wahnvorstellungen behandeln kann.«
»Charmant sind Sie wirklich nicht.«
»Ich bin Chirurg und kein Gigolo. Ich muss nicht charmant
sein.«
Zu seiner großen Überraschung fing Ellinor an zu lachen.
»Sie haben wirklich Humor.«
»Und Sie haben ein unnachahmliches Talent dafür, um
etwas herumzureden, ohne zur Sache zu kommen.«
Sofort wurde Ellinor wieder ernst.
»Normalerweise nicht«, gestand sie. »Aber in diesem Fall
ist es … nun ja, nicht einfach. Wie ich schon sagte, wusste ich
bis vor wenigen Monaten nicht einmal, dass meine Mutter
vor ihrer Ehe mit meinem Vater bereits verheiratet war und
einen Sohn in Deutschland hat. Sie hatte gute Gründe, es zu
verschweigen.« Ellinor hielt kurz inne, um zu sehen, wie ihre
Worte auf Fritz wirkten, doch der hielt ihrem Blick mit unbewegter
Miene stand. »Sie hat dieses Geheimnis jahrzehntelang
wie eine schwere Bürde mit sich herumgeschleppt. Nachdem sie
nach dem Kriegsausbruch 1914 in London festsaß, versuchte
sie zunächst vergeblich, über illegale Wege zu ihrem Mann
und Sohn nach Deutschland zurückzukehren. Dabei wurde sie
erwischt und festgenommen. Mein Vater James Mitchell war
Anwalt und nahm sich ihres Falls an. Es gelang ihm, sie vor
einer Verurteilung als Spionin zu bewahren.« Ellinor nahm
einen letzten Zug von ihrer Zigarette und sah sich auf seinem
Schreibtisch vergeblich nach einem Aschenbecher um.
»Nehmen Sie das hier.« Fritz reichte ihr ein leeres Wasserglas.
Sie drückte die Zigarette aus und ließ den Stummel ins
Glas fallen.
»Sie rauchen nicht? Das ist ungewöhnlich«, meinte sie.
»Alle Männer, die ich kenne, rauchen.«
»Lenken Sie nicht ab. Ihr Vater hat die Hilflosigkeit meiner
Mutter ausgenutzt, habe ich recht?«
»Mein Vater war ein guter Mensch, der niemals jemanden
ausgenutzt hätte«, widersprach Ellinor. »Es entwickelte sich eine
aufrichtige Liebe zwischen den beiden. Aber Helen war noch
immer verheiratet.«
»Allerdings«, bestätigte Fritz bitter. »Mein Vater hat nie
wieder geheiratet, weil es für ihn niemals eine andere Frau außer
seiner Leni gegeben hat. Er starb erst 1943 an den Folgen eines
schweren Herzinfarktes, den er erlitt, als er erfuhr, dass meine
Frau und meine Kinder beim Feuersturm verbrannt waren.«
»Das tut mir leid.«
»Sparen Sie sich Ihre wertlosen Floskeln. Lassen Sie mich
raten, was weiter geschah. Meine Mutter wurde von Ihrem
Vater schwanger und dann überlegten sie sich, einfach ihren
Tod vorzutäuschen, damit sie eine glückliche neue Zukunft in
Großbritannien planen konnten, nachdem man sich von dem
deutschen Ballast elegant befreit hatte.«
Ellinors Zusammenzucken verriet Fritz, dass seine
Vermutung stimmte. Dennoch sagte sie: »Ganz so einfach war
es nicht.«
»Oh, das kann ich mir denken. Der Familie in Deutschland
gegenüber den eigenen Tod vorzutäuschen war das eine, aber sie
war trotzdem noch immer Helen Ellerweg. Hat Ihr Vater auch
einen Totenschein meines Vaters gefälscht oder wie haben Ihre
Eltern die Bigamie vertuscht?«
Ellinor nickte stumm und für einen Augenblick konnte
Fritz so etwas wie Schamgefühl in ihrem Gesicht erkennen.
»Und warum kommen Sie jetzt hierher?«, fragte er weiter.
»Warum konnten Sie nicht einfach alles so belassen, wie es war?
Warum mussten Sie mir jetzt erklären, dass meine Mutter eine
Schlampe war, die sich nicht scheute, mit einem urkundenfälschenden
Rechtsverdreher Bigamie zu betreiben?«
»Weil es nicht so war, wie Sie es jetzt darstellen«, erwiderte
Ellinor. »Meine Mutter hat mir nach dem Tod meines Vaters alles
erzählt. Sie hat ihr ganzes Leben darunter gelitten. Verstehen Sie,
sie hätte das nie getan, wenn sie nicht mit Thomas schwanger
geworden wäre. Aber sie war in einer schrecklichen Situation.
Niemand wusste damals, wie lange der Krieg dauern und wie er
ausgehen würde. Und was hätte sie tun sollen, eine mit einem
feindlichen Ausländer verheiratete Frau, die nun auch noch des
Ehebruchs schuldig war? Und das alles nur, weil sie in ihrer
Verzweiflung und Not nach etwas Nähe und Wärme suchte?«
»Sie hätte zu ihrem Fehltritt stehen können«, erwiderte
Fritz hart. »Mein Vater hätte es ihr verziehen und sie selbst mit
diesem Kind wieder aufgenommen.«
»Das sagt sich so leicht. Glauben Sie wirklich, ein Mann
könnte seiner Frau so etwas verzeihen?«
»Ein Mann, der aufrichtig liebt, kann alles. Und mein Vater
hat meine Mutter geliebt. Er ist innerlich zerbrochen, als er von
ihrem Tod erfuhr.«
»Nun, dann haben Sie von Ihrem Vater wohl eine andere
Vorstellung, als meine Mutter sie hatte. Ihre Verzweiflung war
so groß, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sah. Sie hatte
keine Wahl!«
»Man hat immer eine Wahl«, erwiderte Fritz. »Aber sie hat
sich für das entschieden, was weniger Konsequenzen für sie
hatte. Die Rolle der wieder verheirateten Witwe, die eine neue
Familie in ihrem alten Heimatland gründet, war natürlich der
leichtere Weg. Hinzu kommt, dass ihre Eltern von vornherein
gegen die Ehe mit meinem Vater waren. Die werden ihr gewiss
auch noch gut zugeredet haben.« Fritz ballte seine Hände unter
dem Schreibtisch zu Fäusten. Er hatte seine Mutter geliebt, ihren
Tod betrauert und sie in seiner Vorstellung immer als Idealbild
einer liebevollen Mutter im Herzen getragen. Dabei hatte sie
nicht nur seinen Vater verraten, sondern auch ihn. Hatte ihren
damals dreizehnjährigen Sohn lieber im Glauben gelassen, tot
zu sein, als zu ihren eigenen Verfehlungen zu stehen. Deshalb
hatte er also niemals ein Grab in London gefunden, keine
Spuren seiner englischen Wurzeln. Seine Mutter selbst hatte sie
durchtrennt und sich seiner entledigt. Hatte ihn abgeworfen
wie lästigen Ballast.
Wie durch eine Wand aus Watte drangen Ellinors weitere
Worte an sein Ohr: »Ich habe als kleines Mädchen nie begriffen,
warum sie immer so traurig war und warum Thomas ihr niemals
etwas recht machen konnte. An allem, was er tat, hatte sie
etwas auszusetzen. Ganz so, als würde sie ihn mit dem Idealbild
eines Sohnes vergleichen, den es nicht gab. Sie wollte, dass er
Fremdsprachen lernte, Deutsch, Französisch und Latein, aber
Thomas hatte damit große Schwierigkeiten. Sie wollte, dass
er Medizin studierte, aber Thomas konnte mit Medizin nichts
anfangen. Seine Leidenschaft gehörte der Technik, insbesondere
der Luftfahrt, und er wollte unbedingt Pilot werden, aber
das war in den Augen meiner Mutter nichts wert. Thomas hat
das nie verwunden. Und als er dann tatsächlich Pilot bei der
Royal Air Force wurde und mein Vater ihm zu Ehren eine große
Feier gab, blieb meine Mutter dem Fest mit der Begründung
fern, sie habe Migräne. Sie hat Thomas nie gelobt und er hat nie
begriffen, was er in ihren Augen so furchtbar falsch machte. Er
ist einer unserer mutigsten Piloten. Er ist ein Held, der mehrfach
ausgezeichnet wurde und unzählige Kampfeinsätze absolvierte.
Mein Vater war immer stolz auf ihn, aber meine Mutter
hat ihn niemals gelobt.«
»Vielleicht, weil sie tief in ihrem Innersten geahnt hat, dass
er der Mörder ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkeltochter
ist«, gab Fritz bissig zurück. »Das ist der Stoff, aus dem die griechischen
Tragödien gemacht sind.« Er lachte bitter auf. »Und
warum wollten Sie mich nun unbedingt kennenlernen?«
»Als meine Mutter mir nach dem Tod meines Vaters ihre
wahre Geschichte erzählte, habe ich auf einmal begriffen,
warum sie Thomas so behandelt hat. Sie ist niemals darüber
hinweggekommen, Sie verloren zu haben. Es hat sie ihr ganzes
Leben belastet. Aber solange mein Vater noch lebte, hatte sie
nicht den Mut, uns die Wahrheit zu sagen. Je älter sie wird,
umso mehr belastet es sie, und sie würde Sie gern wiedersehen,
um Ihnen alles selbst zu erklären.« Ellinor atmete schwer.
»Sie will also Absolution von mir?«, fragte Fritz. »Nachdem
sie sich über dreißig Jahre lang vor mir versteckt hat? Haben Sie
eigentlich eine Ahnung, wie lange ich nach ihrem Grab gesucht
habe, als ich Anfang der Dreißigerjahre zum ersten Mal seit
1913 wieder in London war? Die ganze Familie hat sich große
Mühe gegeben, von der Bildfläche zu verschwinden. Wenn es
ihr wirklich wichtig gewesen wäre, hätte sie mich viel früher
finden können. Es gab genügend Möglichkeiten in den Jahren
zwischen den Kriegen.«
Bevor Ellinor antworten konnte, wurde auf einmal die Tür
zu Fritz’ Büro aufgerissen.
»Sie können da nicht so einfach rein«, hörte er Frau
Maasbach hilflos rufen, doch der Mann in britischer Uniform
sagte mit starkem britischen Akzent auf Deutsch: »Halten Sie
den Mund! Wir haben dieses verdammte Land besetzt. Wenn
ich nur mit dem Finger schnippe, kann ich euch alle hier an die
Luft setzen lassen!« Dann trat er in Fritz’ Büro.
»Hier bist du also«, sagte er zu Ellinor. »Ich habe mir Sorgen
gemacht, weil du so lange weggeblieben bist. Diesem Pack hier
kann man doch nicht trauen!« Sein Gesicht war gerötet und
verquollen, die Whiskyfahne so stark, dass Fritz das Gefühl
hatte, allein von den Ausdünstungen betrunken zu werden.
Ellinor sprang auf. »Thomas! Du hast wieder getrunken!«
»Und mit dem fliegen Sie?«, fragte Fritz. »Sie sind mutiger,
als ich dachte.«
Thomas fuhr herum und musterte Fritz von oben bis unten
mit seinen geröteten Augen.
»Ich bin Flying Officer Thomas Mitchell. Wer sind Sie
schon dagegen?«
»Mein Name und meine Funktion in diesem Krankenhaus
stehen draußen an der Tür«, erwiderte Fritz gleichmütig, ohne
sich die Mühe zu machen, von seinem Schreibtischstuhl aufzustehen.
Erleichtert stellte er fest, dass ihn so gut wie keine
äußere Ähnlichkeit mit Thomas Mitchell verband. Der Mann
hatte dunkelbraunes Haar, einen Schnurrbart in der Art Errol
Flynns und blutunterlaufene braune Augen.
»Ach ja, stellvertretender Chefarzt«, murmelte Thomas.
»Warum nur Stellvertreter? Hat es zum Chefarzt nicht gereicht?«
»Thomas, bitte, was soll das?« Ellinor berührte ihren Bruder
an der Schulter.
»Und warum sind Sie nur Flying Officer?«, gab Fritz unbeeindruckt
zurück. »War der Alkohol schuld daran, dass es nicht
zum Flight Lieutenant gereicht hat?«
»Hör mal zu, Bürschchen.« Thomas beugte sich energisch
zu Fritz vor und blies ihm seine Alkoholfahne ins Gesicht. »Ich
bin britischer Offizier, und wenn du mir nicht den notwendigen
Respekt entgegenbringst, werde ich höchstpersönlich dafür
sorgen, dass du hier rausfliegst, ist das klar?«
»Vielen Dank für das Angebot, aber ich fliege grundsätzlich
nicht mit betrunkenen Piloten.«
»Willst du mich verarschen?«
Fritz erhob sich von seinem Schreibtisch, ging an Thomas
vorbei auf Ellinor zu und sagte: »Miss Mitchell, ich glaube,
jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir unsere kurze
Bekanntschaft beenden sollten. Sie konnten Ihre Neugier stillen
und ich habe festgestellt, dass Sie sich geirrt haben. Meine
Mutter starb 1915, alles andere ist eine Verwechslung. Sagen
Sie Ihrer Mutter, dass ich lieber alles so belasse, wie es war. Ich
möchte nicht in Ihre familiären Probleme hineingezogen werden.
Und was Ihren Bruder angeht, empfehle ich Ihnen das
Alliance House der Guttempler in London. Das ist die erste
Adresse zur Bekämpfung von Alkoholismus.«
»Was fällt dir ein, du Wicht?«, pöbelte Thomas Mitchell
Fritz auf Deutsch an und versuchte, ihn am Kragen seines
Kittels zu packen. Fritz wich dem Betrunkenen mühelos aus.
»Wicht aus Ihrem Mund ist schon bemerkenswert«, sagte
er dabei, denn Thomas Mitchell reichte ihm mit dem Scheitel
gerade bis zur Nase. »Gehen Sie jetzt freiwillig oder soll meine
Sekretärin die britische Militärpolizei anrufen, damit sie einen
betrunkenen Flieger, der in einem Krankenhaus randaliert,
abholt?«
Einen Moment lang fürchtete Fritz, dass dieser Thomas
versuchen würde, ihm einen Faustschlag ins Gesicht zu versetzen,
doch Ellinor hatte sich bereits bei ihm untergehakt.
»Komm, Thomas, lass uns gehen, du kannst dir nicht noch
einen Verweis erlauben.«
»Was fällt dir ein?«, brüllte Thomas, doch es war nur ein
halbherziger Widerstand, denn er ließ sich von seiner Schwester
zur Tür hinauskomplimentieren. Bevor sie selbst das Büro verließ,
drehte sie sich noch einmal um.
»Es tut mir leid, dass es so enden muss«, sagte sie. »Vielleicht
geben Sie unserer gemeinsamen Mutter ja noch einmal eine
Chance? Es würde ihr so viel bedeuten. Hier ist ihre Adresse.«
Sie reichte ihm eine Karte, die sie anscheinend schon eine ganze
Weile in ihrer geschlossenen Hand verborgen hatte, denn das
Papier war warm und zerknickt. Fritz steckte die Karte in die
Brusttasche seines Kittels.
»Leben Sie wohl, Miss Mitchell.«
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Vielen Dank schon mal für deine tolle und sehr aufmerksame Begleitung bei dieser Leserunde.
Ich werde aber natürlich noch dabei bleiben, ich bin schon gespannt, welche Punkte die anderen noch aufbringen!
Du hast Recht, Prequels sind so eine Sache. Für mich hat es sich aber nicht nach einem Prequel angefühlt, sondern einfach nach dem Auftakt zur Serie. Ich freue mich schon darauf, mehr über Fritz zu erfahren. Ludwig hat mir als Charakter sehr gut gefallen, ich hoffe sein Sohn steht dem nichts nach.
Helen war, wie du sagst, eine gebrochene Frau. Das kam schon im Prolog zur Geltung. Zwischendurch habe ich das wieder verdrängt, weil sie vor dem Krieg als sehr starke Frau aufgetreten ist. Ich hatte erwartet, dass James ihr etwas schlimmes antun wird und sie deshalb zu der Helen aus dem Prolog wurde. So direkt hat er das aber nicht getan, was mich doch überrascht hat. Es ergibt alles Sinn, wie Helen von der starken Frau zu einer Frau ohne Lebensfreude wurde. Ich finde es sogar gut, dass einmal nicht alles nach dem altbekannten Schema F abläuft. Und vor allem: ich muss die Entscheidungen eines Charakters nicht für richtig halten und die Figur auch nicht sympathisch finden, damit ein Buch gut ist!
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Ludwig hat mir als Charakter sehr gut gefallen, ich hoffe sein Sohn steht dem nichts nach.
Fritz ist einer meiner Lieblingscharaktere. Der hat ein sehr großes Herz und sehr viel Humor, womit er auch die schlimmsten Dinge übersteht - denn sein Leben ist auch nicht leicht. Aber bemerkenswerter Weise ist auch die Figur, die die meisten Leser am liebsten mögen, obwohl er in "Im Lautlosen" nicht die Hauptfigur ist, sondern nur der beste Freund des eigentlichen Helden. Erst in "Die Stimmlosen" bekommt er eine eigene Perspektive und ist eine gleichberechtigte Hauptfigur. Außerdem habe ich ihn auch noch in Hafenschwester 3, die am 30. August erscheint und eine ganz andere Reihe ist, in einer Nebenrolle untergemogelt.
Ich hatte erwartet, dass James ihr etwas schlimmes antun wird und sie deshalb zu der Helen aus dem Prolog wurde. So direkt hat er das aber nicht getan, was mich doch überrascht hat. Es ergibt alles Sinn, wie Helen von der starken Frau zu einer Frau ohne Lebensfreude wurde. Ich finde es sogar gut, dass einmal nicht alles nach dem altbekannten Schema F abläuft. Und vor allem: ich muss die Entscheidungen eines Charakters nicht für richtig halten und die Figur auch nicht sympathisch finden, damit ein Buch gut ist!
Für mich war es wichtig, dass es hier kein Gut oder Böse gibt. Es sind Menschen, die Fehler machen. Menschen aus denen die Umstände das schlechteste herausholen. Wenn Helen damals noch nach Hamburg zurückgekommen wäre, wer weiß, wie die Geschichte weitergegangen wäre. Sie wäre nie diese gebrochene Person geworden. Die lebenslustige und starke Leni Ellerweg starb im Grunde, als das Schmugglerschiff aufgebracht wurde. Davon hat sie sich nie erholt. Oder wenn James' Frau nicht gestorben wäre - dann hätte James alles getan, ihr weiter zu helfen, nach Deutschland zu kommen. Er war ja kein schlechter Mensch, er war nur in Konventionen gefangen.
In "Die Stimmlosen" fängt Helen als eine sehr unsympathische Person an - selbstmitleidig und vorwurfsvoll und nicht bereit, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen. Und das ist für Fritz und seine Halbgeschwister eine sehr, sehr schwierige Zeit. Aber ... (nein, ich spoilere jetzt nicht )
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Es ist dir auf jeden Fall sehr gut gelungen, die Figuren so darzustellen, wie du dir das vorgestellt hast (soweit ich das jetzt beurteilen kann).
Auf Fritz bin ich schon sehr gespannt!
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So, nun schaffe ich es auch endlich. Obwohl ich schon ein paar Tage fertig bin.
Es ist so viel in diesem letzten Abschnitt passiert, was mich nur sprachlos hat weiterlesen lassen. Vor allem habe ich mich in James nicht getäuscht. Ich bin entsetzt, wie sich Menschen entwickeln und zu wem sie werden.
Als Helen in Haft gewesen ist, da sie als Spionage verdächtig wurde, war es kaum zu glauben, wer alles verdächtig wurde. Klar es war Krieg und die Deutschen der Feind, aber da wollte eine Mutter einfach nur zu ihren Liebsten und hat dafür alles aufs Spiel gesetzt.
Als sie mit dem Singen angefangen hat habe ich gehofft, dass sie nicht völlig durchdreht. In einem Buch habe ich mal von einem Gefangenen gelesen, der nur noch laut gelacht hat und wahnsinnig geworden ist.
Lustig fand ich die Wahl des Liedes
Gestaunt habe ich, als die Todesstrafe ins Gespräch kam, dass diejenigen, die verdächtig wurden mit solchen Strafen rechnen mussten, wusste ich auch nicht. Ich hätte eher Nacht, dass es das damals nur auf deutscher Seite gab.
Ja James der " Held" hat Helen aus dem Gefängnis geholt und dann alles " geregelt". Auch wenn viele Entscheidungen aus der Not heraus getroffen wurden, war vieles für mich irrsinnig.
Diesen Doktor Hyslop fand ich nicht sehr hilfreich, auch wenn er ihr einen Nervenzusammenbruch attestiert hat.
Helen ihre sexuelle Lust, so finde ich, hat sie ins tiefste Unglück gestürzt. Ludwig hat ihr das nicht mehr gegeben und mir schien es so als hätte das den Vorrang für ihre nächsten Entscheidungen beeinflusst.
Sicher, sie musste abwägen, was nun das Beste ist, aber ich bin mir sicher, Ludwig hätte ihr den Fehltritt verziehen.
Doch dann nahm alles seinen Lauf und auf eine Lüge musste notgedrungen die nächste folgen, bis es kein zurück mehr gab.
Natürlich war sie ständig hin und her gerissen und wusste am Ende gar nicht mehr was sie tun soll, aber sie hätte abwarten sollen. Doch James hat sie auch stark beeinträchtigt und manipuliert.
Als es dann zu diesen Totenscheinen kam, taten mir Fritz und Ludwig unendlich leid. Hätte sie nicht einfach den Krieg abwarten können? Hat sie leider nicht.
Die nächsten Jahre durchlitt sie mehr im Tief als im Hoch. Zu Thomas konnte sie keine Beziehung aufbauen und Ellinor hat sie im Gegensatz innig geliebt. Was für krasse Unterschiede.
Bei Thomas hat ihr Mutterherz komplett ausgesetzt und ich war erschrocken über Helen. Einiges konnte ich verstehen und ich habe mich sogar gefragt ob sie eventuell eine Wochenbettdepression gehabt hat. Aber wie sie mit Thomas umgegangen ist, als sie die Amme entlassen hat, fragte ich mich zum wiederholten Male ob sie es wirklich nicht versteht, dass es so nicht funktionieren wird und wo ihr großes Herz, mit all der Liebe die sie für Fritz hatte, geblieben ist.
Dann die Entwicklung zwischen ihr und James. Ungünstiger konnte das alles nicht laufen. Er erpresst sie und es entwickelt sich nur noch Abneigung und Hass. Er sucht sich ein Liebchen und Thomas ist in allem was dieser macht sein Liebling. Dann, als es um Elinor ihre Zukunft geht, erpresst Helen James. Wenigstens hat sie da allen Mut zusammengenommen.
Ach, das war alles so traurig, auch ihre ständigen Zweifel und Gedanken an Ludwig und Felix. Was für ein riesiger Rucksack den sie da mit sich rumtragen musste. Und was ich besonders schlimm empfunden habe, sie hatte niemanden mit dem sie hätte reden können. Keine Freundin, keine Mutter und keinen Vater mehr, von denen sie hätte Ratschläge und Trost bekommen können. Sie war eine einsame Frau, obwohl sie eine Familie um sich hatte.
Der zweite Weltkrieg ist die nächste Tragik in ihrem Leben. Einer ihrer Söhne bombardiert voller Stolz die Deutschen, wobei Helen um den anderen Sohn Ängste ausstehen muss. Keiner, nicht Elinor und vor allem nicht Thomas kann sie verstehen, warum sie sich Sorgen um die Deutschen macht.
Interessant fand ich die Hintergründe, als Helen Mitglied der Anglican Packst Fellowship wurde und wer Vera Brittain gewesen ist. Da hab ich doch gleich noch ein wenig gegoogelt.
Elinor und Thomas entwickelten sich auch nicht ganz so, wie Helen sich das gewünscht hätte. Als Helen sich fragte ob die beiden ihre Mitmenschlichkeit verloren haben, war ich zwiegespalten. Da Helen nie offen mit ihren Kindern gesprochen hat ( was sie ja nicht konnte) , war es ein wenig verständlich, warum Elinor und Thomas keine Nachsicht für sie zeigten.
Nun kannte Elinor die ganze wahre Geschichte und sie reagierte sehr verständnisvoll, wo hingegen Thomas nicht begeistert ist.
Das letzte Kapitel, als Elinor in Hamburg mit Thomas ankommt und sie zu Fritz ins Krankenhaus geht kam mir sehr bekannt vor
Hast du Melanie Metzenthin das eine zu eins übernommen?
Ich bin so happy mit diesem Band, er ist wunderbar geworden. Und ich habe gestern Abend gleich noch einmal mit
" Im Lautlosen" begonnen.
Ich weiß jetzt gar nicht genau, ob Fritz noch das Geld von Helen angenommen hat.
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Ich freue mich sehr, dass dir das Buch gefallen hat, obwohl es ja eigentlich sehr traurig in der zweiten Hälfte ist.
Es ist so viel in diesem letzten Abschnitt passiert, was mich nur sprachlos hat weiterlesen lassen. Vor allem habe ich mich in James nicht getäuscht. Ich bin entsetzt, wie sich Menschen entwickeln und zu wem sie werden.
James ist eigentlich auch völlig hilflos und überfordert - er schlittert auch in die Situation hinein und trifft falsche Entscheidungen. Und natürlich ist er später hart, aber als er versucht, sich zu entschuldigen - nach der Szene mit dem Eichhörnchen, als er ihr droht - da würgt sie jeden Versuch der Aussprache und der Entschuldigung gekränkt ab. Es ist nicht allein James, Helen trägt ihren gerechten Anteil an der zerrütteten Ehe.
Gestaunt habe ich, als die Todesstrafe ins Gespräch kam, dass diejenigen, die verdächtig wurden mit solchen Strafen rechnen mussten, wusste ich auch nicht. Ich hätte eher Nacht, dass es das damals nur auf deutscher Seite gab.
Mit der Todesstrafe war man überall auf der Welt in Kriegszeiten schnell bei der Hand - in vielen Ländern ist das noch heute so. Wir leben heutzutage in Europa in einer Wohlfühlblase - selbst in den USA gibt es ja noch die Todesstrafe.
Als sie mit dem Singen angefangen hat habe ich gehofft, dass sie nicht völlig durchdreht. In einem Buch habe ich mal von einem Gefangenen gelesen, der nur noch laut gelacht hat und wahnsinnig geworden ist.
Lustig fand ich die Wahl des Liedes
Ja, in dem Augenblick starb die starke Leni Ellerweg - das hat sie nie wirklich verwunden.
Helen ihre sexuelle Lust, so finde ich, hat sie ins tiefste Unglück gestürzt. Ludwig hat ihr das nicht mehr gegeben und mir schien es so als hätte das den Vorrang für ihre nächsten Entscheidungen beeinflusst.
Sicher, sie musste abwägen, was nun das Beste ist, aber ich bin mir sicher, Ludwig hätte ihr den Fehltritt verziehen.
Doch dann nahm alles seinen Lauf und auf eine Lüge musste notgedrungen die nächste folgen, bis es kein zurück mehr gab.
Zumal es von Leni ausging. James hat sie nicht bedrängt, aber sie war seit Jahren sexuell ausgehungert und es gab - anders als bei Ludwig und Fritz - keine Liebe, die das Loch, das das in ihr hinterlassen hatte, ausfüllen konnte, wenn die Sexualität nicht ausreichend ist. Bei James hat sie es dann andersrum gehandhabt - die Sexualität füllte die Leere aus, die nach all den Schrecken geblieben war, es war ihr Mittel gegen ihre Depression - bis es furchtbar nach hinten losging.
Bei Thomas hat ihr Mutterherz komplett ausgesetzt und ich war erschrocken über Helen. Einiges konnte ich verstehen und ich habe mich sogar gefragt ob sie eventuell eine Wochenbettdepression gehabt hat. Aber wie sie mit Thomas umgegangen ist, als sie die Amme entlassen hat, fragte ich mich zum wiederholten Male ob sie es wirklich nicht versteht, dass es so nicht funktionieren wird und wo ihr großes Herz, mit all der Liebe die sie für Fritz hatte, geblieben ist.
Ja, sie hatte eine schwere Wochenbettdepression. Und sie hat Thomas unbewusst immer die Schuld gegeben. Und als sie sah, dass er seine Amme mehr liebte als sie, war diese unbewusste Wut auf ihn größer denn je - die überstieg jede Mutterliebe, die sie durch die ungünstigen Umstände seiner Geburt auch nie so entwickeln konnte wie bei ihren anderen Kindern. Sie wollte ihm weh tun. Und dann, als sie es merkte, schämte sie sich dafür. Thomas ist eigentlich die tragischste Figur, weil der völlig unschuldig war und als kleiner Junge dann so sehr um die Liebe seiner Mutter buhlte, sie aber nicht mehr bekam, egal was er tat. Also hängte er sich an seinen Vater, weil ihm sonst nichts blieb. Und da sein Vater ständig die Schwester benachteiligte, konnte Thomas zu Ellinor trotzdem noch eine normale Beziehung aufbauen, weil er das abspalten konnte - sie war der Liebling der Mutter, weil sie ein Mädchen war, dafür war er der Sohn und alles für den Vater. Aber als er dann von Fritz erfuhr, den seine Mutter immer innig geliebt hatte, zerbrach dieser Selbstschutz. Seine Mutter konnte auch Söhne lieben, nur ihn nicht. Er war in ihren Augen gar nichts wert und er war davon überzeugt, dass es seiner Mutter auch völlig wurscht gewesen wäre, wenn er als Pilot abgeschossen worden wäre. Deshalb hasste er Fritz, obwohl er ihm nie begegnet war. Weil er befürchtete, Fritz bekäme nun alles von seiner Mutter, was er selbst nie bekommen hatte.
An Thomas hat sich Leni am meisten versündigt.
Was für ein riesiger Rucksack den sie da mit sich rumtragen musste. Und was ich besonders schlimm empfunden habe, sie hatte niemanden mit dem sie hätte reden können. Keine Freundin, keine Mutter und keinen Vater mehr, von denen sie hätte Ratschläge und Trost bekommen können. Sie war eine einsame Frau, obwohl sie eine Familie um sich hatte.
Und vor allem war alles selbstverschuldet, weil sie nicht mehr den Mut und nicht mehr die Kraft hatte, etwas zu ändern. Sie versteckte sich dahinter, für Fritz Geld auf ein Konto zu packen.
Interessant fand ich die Hintergründe, als Helen Mitglied der Anglican Packst Fellowship wurde und wer Vera Brittain gewesen ist. Da hab ich doch gleich noch ein wenig gegoogelt.
In der Nähe, wo ich arbeite, gibt es die Vera Brittain-Brücke in Hamburg. Eine sehr interessante Frau, die ich zumindest mal in einem meiner Bücher erwähnt haben wollte.
Nun kannte Elinor die ganze wahre Geschichte und sie reagierte sehr verständnisvoll, wo hingegen Thomas nicht begeistert ist.
Das letzte Kapitel, als Elinor in Hamburg mit Thomas ankommt und sie zu Fritz ins Krankenhaus geht kam mir sehr bekannt vor
Hast du Melanie Metzenthin das eine zu eins übernommen?
Ja, das Kapitel ist von der wörtlichen Rede identisch, nur dass es diesmal aus Ellinors Perspektive geschrieben ist - wie sie es erlebt hat. In "Die Stimmlosen" ist man in dieser Szene ja im Kopf des völlig überraschten Fritz.
Ich weiß jetzt gar nicht genau, ob Fritz noch das Geld von Helen angenommen hat.
Als er 1949 Julia Kampner heiratet, kommt seine Mutter doch nicht zur Hochzeit, wobei Fritz noch denkt, das wäre wieder so eine Bösartigkeit - tatsächlich hatte sie ja einen leichten Herzinfarkt. Thomas setzt daraufhin ja alle Hebel in Bewegung, alle nach London zu fliegen - zu dem Zeitpunkt mögen Fritz und Thomas sich ja schon und sind im Ärger auf ihre gemeinsame Mutter vereint. Als sie dann in London sind, schenkt Leni Fritz 5000 Pfund, die damals 60.000 DM entsprachen, was im heutigen Gegenwert rund 800.000 Euro wären. Davon finanziert Fritz später das Praxisgebäude, in dem er, Richard, Paula und Arthur ihre Praxen errichten. Und dann versöhnt er sich ja auch mit seiner Mutter.
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Danke für den Spoiler, jetzt hast du mir noch mehr Lust auf's lesen gemacht. Ich lese selten ein Buch zwei mal, aber hier ist es echt schon ein Muss
Stimmt, Helen hat James keine Chance gegeben als dieser sich entschuldigen wollte. Und somit trägt sie genauso Schuld am Scheitern der Ehe.
Thomas tat mir oft sehr leid. Innerlich habe ich die traurigen Kinderaugen vor mir gesehen, wenn er seiner Mutter nichts recht machen konnte. Und dadurch daß seine Amme ihm keine Liebe mehr schenken konnte, fehlte ihm die Mütterliche Liebe und Geborgenheit.
Bei der Aussage, die Töchter mit Müttern und die Söhne mit Vätern musste ich schmunzeln, denn bei uns war es genau anders herum. Unsere Tochter war ein absolutes Papakind und unser Sohn war mit mit ganz innig. Ich habe heute noch zu unserem Sohn ein ganz besonderes inniges Verhältnis.
In deinen Hagenschwestern erwähnst du ja auch immer starke und interessante Frauen. Toll das du hier Vera Brittain erwähnt hast.
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In deinen Hagenschwestern erwähnst du ja auch immer starke und interessante Frauen. Toll das du hier Vera Brittain erwähnt hast.
Ja, das macht mir immer besonders viel Spaß, echte historische Figuren auftreten zu lassen.
In Hafenschwester 3 wird Martha übrigens mit Carola gemeinsam Lida Heymann 1924 in München besuchen, wo Lida damals historisch belegt in der Kaulbachstraße wohnte. Und dann sehen sich Martha und Carola gemeinsam den Hitlerprozess an - dafür habe ich sogar originale Prozessprotokolle mit Hitlers Aussagen zu seinem Putsch studiert. Die historisch belegte Lida Heymann hat sich ja schon 1923 um eine Ausweisung Hitlers bemüht, weil sie dessen Reden für gefährlich hielt - leider hat niemand ihren Antrag unterstützt. 1933 musste sie deshalb emigrieren.
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Wie befürchtet, wird Helen in ihrem Versteck auf dem Kutter entdeckt und einem zersetzenden Verhör unterzogen. Am liebsten möchte man den Offizier schütteln, weil er nicht kapieren will, dass Helen die Wahrheit sagt, andererseits wäre man an seiner Stelle sicherlich auch mehr als misstrauisch, wenn jemand, der eindeutig illegal das Land verlassen will, behauptet, eine harmlose Ehefrau zu sein, die nach Deutschland zu Mann und Kind will. Und noch irrealer ist, dass Helen für dieses "Vergehen" sogar die Todesstrafe drohen kann.
Als Helen mit dem Singen beginnt und auch nicht aufhört, als James kommt, zeigt, dass ihre Gemütsfassung schwer am kippen ist, aber immerhin tötet sie damit dem Offizier den letzten Nerv und er nimmt endlich Kontakt zu James auf.
Dass es zu dem Kuss und der gemeinsamen Nacht zwischen James und Helen kommt, kann ich sogar nachvollziehen mit dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit in dieser Zeit, in der die Welt Kopf steht, und der Alkohol tut auch seine Wirkung.
Dass Helen sich in der Folge aber nicht beherrschen kann und ihrer Lust nachgibt, dafür habe ich kaum noch Verständnis, das muss ich zugeben. Der eine Fehltritt, o.k., das hätte wahrscheinlich keine weiteren Folgen gehabt, außer sie wäre direkt beim ersten Mal schon schwanger geworden; ich denke, auch James hätte nicht darauf beharrt, aber Helen sendet hier die völlig falschen Signale aus.
An eine mögliche Schwangerschaft musste ich direkt beim ersten Mal denken, da ich mir dachte, dass das eintreffen würde, aber hier kann ich Helens Haltung, daran keinen Gedanken verschwendet zu haben, durchaus nachvollziehen, nachdem sie mit Ludwig so schwer nur schwanger wurde bzw. die Fehlgeburten erlitten hat.
Und dann nimmt das ganze Unglück seinen Lauf mit der Schwangerschaft, das was danach folgt, egal ob von Helens oder James' Seite aus ist nur die traurige logische Folge davon. Mit dem Ziel, sich und ihre Lieben zu schützen, treffen sie Entscheidungen, die sie immer mehr ins Unglück stürzen.
In Thomas sieht Helen den Grund, dass Ludwig und Fritz und ihr früheres für sie immer unerreichbarer werden, egal, was der Junge macht, er kann es ihr nicht recht machen. Dabei ist nicht Thomas schuld, aber es ist natürlich immer leichter, anderen die Schuld zu geben, als sie bei sich selbst zu suchen.
Ich war aufgrund des Buchanfangs lange Zeit misstrauisch gegenüber James, weil ich damit gerechnet hatte, dass er sich die Ehe mit Helen hinterrücks erschlichen hat, aber das ist nicht der Fall. Natürlich war es alles andere als ein feiner Zug, als er den Totenschein mit Helens Namen ausstellen lässt, aber im Endeffekt war es nur eine Folge der ganzen Ereignisse, den einzigen Ausweg, den James gesehen hat, um seine Familie zu schützen.
Wir wussten ja aus den anderen Büchern, dass Thomas auf seinen Halbbruder alles andere als gut zu sprechen war, aber nun verstehe ich auch voll und ganz, warum das so war.
Helen verbittert immer mehr in ihrem Schicksal und wird dabei ihrer Mutter immer ähnlicher, die Kinder halten zunehmend alles von ihr fern, während James immer ungeduldiger mit ihr wird - welch eine Parallele zur Familie Mandeville. Und dabei überhöht Helen Fritz zu einem Menschen, der nur hell und strahlend sein kann, was anderes kann sie sich gar nicht vorstellen.
Dass die Beziehung zwischen Ellinor und ihrer Mutter bröckelt, war nach deren kalten Reaktion auf Mikes Tod auch mehr als verständlich: Ellinor fühlt sich von ihrer Mutter allein gelassen, während diese ihre Gründe hat, warum sie so reagiert, aber nichts verraten darf.
Welch ein Glück, dass sich Ellinor nach der Geschichte, die ihre Mutter erzählt, entschließt, ihren Bruder zu suchen. Ich musste ja wieder lachen, als Fritz von der zweiten Angriffswelle durch die blonden Furien anfängt ... daran hatte ich gar nicht mehr gedacht Aber seine Schwester ist glücklicherweise sehr hartnäckig
Liebe Melanie, ich bin froh, dass du diese Buch geschrieben hast, vor allem auch, weil ich die anderen beiden Bücher kenne. Und natürlich hat mir das Buch wieder sehr gut gefallen, auch wenn viel Trauriges geschehen ist.
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Natürlich hat das psychische Gründe (das verstehe ich auch), aber wenn es so schlimm ist, dann wäre ich an ihrer Stelle aus dem Ganzen ausgebrochen...
Das war nicht so einfach, wohin hätte sie ausbrechen können, ohne dass ihre Bigamie auffliegt und sie die ganze Familie ins Unglück gerissen hätte. Das war eine völlig verfahrene Situation.
Da kommt auch der Punkt, wo James die positivere Rolle hat - er kümmert sich um seinen Sohn und will nicht, dass er so im Abseits steht - aber Helen gegenüber nutzt er die falschen Mittel, um das durchzusetzen - und kriegt später, als Ellinor erwachsen wird, die Quittung, als Helen den Spieß umdreht - die beiden schenken sich nichts.
Hier kam über die Jahre eins zum anderen und dadurch nahm das Schicksal seinen tragischen Verlauf.
Ich habe hier übrigens noch mal den Originaltext, wie das Gespräch aus Fritz' Perspektive wirkt, als Ellinor ihm die wahrheit sagt, aus "Die Stimmlosen" kopiert - der Dialog ist identisch, aber man ist diesmal in Fritz' Kopf und bekommt mit, was er sich dabei denkt.
Vielen Dank dafür, dass du die Passage aus Fritz' Sicht hier eingestellt hast.
Helen ihre sexuelle Lust, so finde ich, hat sie ins tiefste Unglück gestürzt.
Ja, das sehe ich genauso.
James ist eigentlich auch völlig hilflos und überfordert - er schlittert auch in die Situation hinein und trifft falsche Entscheidungen. Und natürlich ist er später hart, aber als er versucht, sich zu entschuldigen - nach der Szene mit dem Eichhörnchen, als er ihr droht - da würgt sie jeden Versuch der Aussprache und der Entschuldigung gekränkt ab. Es ist nicht allein James, Helen trägt ihren gerechten Anteil an der zerrütteten Ehe.
Zu dem Zeitpunkt war das Kind schon in den Brunnen gefallen, da gab es meiner Meinung keinen Weg mehr, die Beziehung noch irgendwie zu kitten.
Und da sein Vater ständig die Schwester benachteiligte, konnte Thomas zu Ellinor trotzdem noch eine normale Beziehung aufbauen, weil er das abspalten konnte - sie war der Liebling der Mutter, weil sie ein Mädchen war, dafür war er der Sohn und alles für den Vater.
Ich bin froh, dass die Geschwister wenigstens eine normale Beziehung zueinander hatten.
In Hafenschwester 3 wird Martha übrigens mit Carola gemeinsam Lida Heymann 1924 in München besuchen, wo Lida damals historisch belegt in der Kaulbachstraße wohnte. Und dann sehen sich Martha und Carola gemeinsam den Hitlerprozess an - dafür habe ich sogar originale Prozessprotokolle mit Hitlers Aussagen zu seinem Putsch studiert. Die historisch belegte Lida Heymann hat sich ja schon 1923 um eine Ausweisung Hitlers bemüht, weil sie dessen Reden für gefährlich hielt - leider hat niemand ihren Antrag unterstützt. 1933 musste sie deshalb emigrieren.
Auf das Buch freue mich riesig
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Ich freue mich sehr, dass dir das Buch auch gefallen hat, Karin. Es ist letztlich ja "gezeugt" worden in unserer Leserunde zu "Die Stimmlosen" - als ich mal fragte, ob ihr euch ein Buch über die Geschichte von Helen vorstellen könntet und ihr es alle bejaht habt. Insofern war klar, dass hier auch eine Leserunde mit diesem Buchbaby stattfinden musste
Als Helen mit dem Singen beginnt und auch nicht aufhört, als James kommt, zeigt, dass ihre Gemütsfassung schwer am kippen ist, aber immerhin tötet sie damit dem Offizier den letzten Nerv und er nimmt endlich Kontakt zu James auf.
Das war wieder eine von den Szenen, dir mir mit all ihrer Traurigkeit dann auch Spaß gemacht haben, weil ich mir beim Schreiben bildlich den Gesichtsausdruck des Offiziers vorgestellt habe.
Dass es zu dem Kuss und der gemeinsamen Nacht zwischen James und Helen kommt, kann ich sogar nachvollziehen mit dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit in dieser Zeit, in der die Welt Kopf steht, und der Alkohol tut auch seine Wirkung.
Dass Helen sich in der Folge aber nicht beherrschen kann und ihrer Lust nachgibt, dafür habe ich kaum noch Verständnis, das muss ich zugeben. Der eine Fehltritt, o.k., das hätte wahrscheinlich keine weiteren Folgen gehabt, außer sie wäre direkt beim ersten Mal schon schwanger geworden; ich denke, auch James hätte nicht darauf beharrt, aber Helen sendet hier die völlig falschen Signale aus.Ja - an dem Punkt ihres Lebens, wo sie zunächst alles verloren glaubt (obwohl es ja nur auf Zeit wäre - Kriege enden auch wieder), da will sie ihr Leben spüren und sich nehmen, was sie so lange vermisst hat - wilde, hemmungslose Sexualität. Vermutlich hätte sie sich zurückgehalten, wenn Ludwig in der Beziehung kein Defizit gehabt hätte. Sie hatte mit Ludwig zwar noch Sex, aber das war ja eher eine Pflichterfüllung für ihn, um ihr gefällig zu sein. (Mal so rum von der Seite des Mannes - Ludwig ist eben sehr sensibel, den nehmen Dinge viel mehr mit, da ist er weicher als sein Sohn Fritz - nicht umsonst kriegte er den tödlichen Herzinfarkt, als er vom Tod seiner Schwiegertochter und Enkel in den Bombennächten hörte - wobei er sicher auch vorbelastet war. Genau wie James - den auch in einer Ausnahmesituation der Schlag trifft - bis zu letzt konnte sein Sohn es nicht schaffen, dass die Mutter ihn wenigstens nur halb so sehr liebt wie ihren idealisierten Erstgeborenen).
Und dann nimmt das ganze Unglück seinen Lauf mit der Schwangerschaft, das was danach folgt, egal ob von Helens oder James' Seite aus ist nur die traurige logische Folge davon. Mit dem Ziel, sich und ihre Lieben zu schützen, treffen sie Entscheidungen, die sie immer mehr ins Unglück stürzen.
Genau - sie verstricken sich immer weiter und finden nicht mehr zurück, weil sie zu viel zu verlieren haben.
In Thomas sieht Helen den Grund, dass Ludwig und Fritz und ihr früheres für sie immer unerreichbarer werden, egal, was der Junge macht, er kann es ihr nicht recht machen. Dabei ist nicht Thomas schuld, aber es ist natürlich immer leichter, anderen die Schuld zu geben, als sie bei sich selbst zu suchen.
Und deshalb ist sie auch verdammt ungerecht zu ihm. Thomas ist der eigentliche Verlierer, der hatte wirklich nur seinen Vater. Immerhin war die Beziehung zu seiner Schwester dann vermutlich auch durch den Einfluss des Vaters normal.
Ich war aufgrund des Buchanfangs lange Zeit misstrauisch gegenüber James, weil ich damit gerechnet hatte, dass er sich die Ehe mit Helen hinterrücks erschlichen hat, aber das ist nicht der Fall. Natürlich war es alles andere als ein feiner Zug, als er den Totenschein mit Helens Namen ausstellen lässt, aber im Endeffekt war es nur eine Folge der ganzen Ereignisse, den einzigen Ausweg, den James gesehen hat, um seine Familie zu schützen.
James war kein schlechter Mensch. Er hatte Fehler und Stärken. Aber er war tatsächlich vorbehaltlos für Helen da, als sonst keiner für sie da war. Helen hat es als Selbstverständlichkeit genommen und war ihm nie wirklich dankbar - im Grunde hat sie ihn benutzt. Erst als Helfer, dann für Sex und dann um ihre Schuldgefühle auf ihm abzuwälzen, anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen. Er war der ideale Sündenbock.
Wir wussten ja aus den anderen Büchern, dass Thomas auf seinen Halbbruder alles andere als gut zu sprechen war, aber nun verstehe ich auch voll und ganz, warum das so war.
Es wird noch ein Buch geben (Mohlenberg 3 - die Fortsetzungsreihe von "Mehr als die Erinnerung"), wo Thomas dann auch sein Happy End bekommt. Ich kann den armen Kerl jetzt nicht so im Regen stehen lassen (okay, er hat wenigstens einen Job, den er mag, aber er muss aufpassen, dass der Alkohol ihm das nicht versaut )
Helen verbittert immer mehr in ihrem Schicksal und wird dabei ihrer Mutter immer ähnlicher, die Kinder halten zunehmend alles von ihr fern, während James immer ungeduldiger mit ihr wird - welch eine Parallele zur Familie Mandeville. Und dabei überhöht Helen Fritz zu einem Menschen, der nur hell und strahlend sein kann, was anderes kann sie sich gar nicht vorstellen.
Genau deshalb habe ich am Anfang die traurige Beziehung zu ihrer Mutter, der sie sich als junge Frau dann doch wieder annähert, so genau dargestellt - um die Parallele einzuläuten. Wie kann eine starke, sympathische Frau, die in der Kindererziehung mit dem ersten Sohn so modern und aufgeschlossen ist und alles richtig macht, zu so einer verbitterten Zicke werden, die ihren zweiten Sohn seelisch misshandelt und es nicht mal merkt? Oder zumindest nur kurz, aber nicht nachhaltig genug, um es zu ändern?
Welch ein Glück, dass sich Ellinor nach der Geschichte, die ihre Mutter erzählt, entschließt, ihren Bruder zu suchen. Ich musste ja wieder lachen, als Fritz von der zweiten Angriffswelle durch die blonden Furien anfängt ... daran hatte ich gar nicht mehr gedacht Aber seine Schwester ist glücklicherweise sehr hartnäckig
Ja, vor allem, wenn man bedenkt, wie lange sich das nach diesem ersten Treffen, von dem Helens Söhne ja beide nix hielten, noch hinziehen wird.
Liebe Melanie, ich bin froh, dass du diese Buch geschrieben hast, vor allem auch, weil ich die anderen beiden Bücher kenne. Und natürlich hat mir das Buch wieder sehr gut gefallen, auch wenn viel Trauriges geschehen ist.
Das freut mich sehr!
Auf das Buch freue mich riesig
Hafenschwester 3 ist ja auch wieder mit viel Herzblut geschrieben - habe heute gerade schon eine positive Rückmeldung meiner Lektorin, dass sie gut vorankommt und es ihr viel Freude mache.
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Das war wieder eine von den Szenen, dir mir mit all ihrer Traurigkeit dann auch Spaß gemacht haben, weil ich mir beim Schreiben bildlich den Gesichtsausdruck des Offiziers vorgestellt habe.
Das stimmt, den Gesichtsausdruck hätte ich auch gerne gesehen.
Und deshalb ist sie auch verdammt ungerecht zu ihm. Thomas ist der eigentliche Verlierer, der hatte wirklich nur seinen Vater.
Ja, Thomas trifft es am härtesten
Es wird noch ein Buch geben (Mohlenberg 3 - die Fortsetzungsreihe von "Mehr als die Erinnerung"), wo Thomas dann auch sein Happy End bekommt. Ich kann den armen Kerl jetzt nicht so im Regen stehen lassen (okay, er hat wenigstens einen Job, den er mag, aber er muss aufpassen, dass der Alkohol ihm das nicht versaut )
Das finde ich eine sehr gute Idee Mohlenberg 3? Gibt es hier bereits einen zweiten Teil?
Hafenschwester 3 ist ja auch wieder mit viel Herzblut geschrieben - habe heute gerade schon eine positive Rückmeldung meiner Lektorin, dass sie gut vorankommt und es ihr viel Freude mache
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Das finde ich eine sehr gute Idee Mohlenberg 3? Gibt es hier bereits einen zweiten Teil?
An Mohlenberg 2 schreibe ich gerade - aktuell auf Seite 98, Abgabetermin ist 31.05.2021, danach kommt Mohlenberg 3, Abgabetermin ist der 31.12.2021.
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Oh wie toll Da muss ich den ersten Teil aber noch einmal im Vorfeld lesen, auch wenn mir noch vieles im Gedächtnis ist.
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Oh wie toll Da muss ich den ersten Teil aber noch einmal im Vorfeld lesen, auch wenn mir noch vieles im Gedächtnis ist.
Vor Mohlenberg 2 kommt ja erst mal Hafenschwester 3. Und in Mohlenberg 3 treffen sich dann die Helden aus allen drei Reihen.