Kate Elizabeth Russell - Meine dunkle Vanessa

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 1.038 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Lykantrophin.

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    Titel: Meine dunkle Vanessa
    Autorin: Kate Elizabeth Russell


    Allgemein:

    448 S., C.Bertelsmann Verlag, 2020


    Warnung: Dieser Roman beschreibt sexuellen Missbrauch. An einigen Stellen auch der explizit. Zu diesem Zeitpunkt ist Vanessa 15, im weiteren Verlauf der Handlung knapp 16. Diese Szenen werden durch ihre Augen beschrieben.


    Solltet ihr selbst von sexueller Gewalt betroffen sein oder jemanden kennen, der eure Hilfe braucht, gibt es verschiedene Stellen die euch unterstützen.

    In Deutschland z.B:

    - beim kostenlosen Hilfetelefon für sexuellen Missbrauch, alle Anrufe sind Anonym und werden streng vertraulich behandelt. 0800 22 55 530

    - Der Weiße Ring 116 006, es wird auch eine Onlineberatung angeboten

    - Hier könnt ihr Adressen für weitere Anlaufstellen aus eurer Region finden:

    https://www.hilfeportal-missbr…er-naehe/kartensuche.html


    Inhalt:

    Jacob Straine und Vanessa waren ein Paar, als Vanessa 15 war. Er hat sie so sehr geliebt. In Beidem ist sie sich absolut sicher. Nur... Jacob Strane war ihr Englisch- Lehrer, er war damals Anfang 40. Vanessa glaubt auch als Erwachsene noch, das mit ihr alles anders war. Auch dann noch, als eine ehemalige Schülerin Stranes ihn wegen sexuellem Missbrauch anzeigt. Auch dann noch, als weitere Frauen ihn öffentlich beschuldigen. Erst nach und nach beginnt sie, ihre Erlebnisse und Erinnerungen zu hinterfragen. Es fällt ihr immer schwerer die Vergangenheit zu deuten und für sich ein zu ordnen. Hat sie sich all die Jahre geirrt... aber er hat sie doch so sehr geliebt... Es war doch bei ihr kein Missbrauch... Oder?


    Meine Gedanken zum Buch bisher:

    Ich schreibe selten eine Art Lesetagebuch hier im Forum. Aber hier habe ich das Bedürfnis dazu, weil mich der Roman seit Tagen beschäftigt und ich auch sehr oft über die Handlung nachdenken muss.


    Der Roman ist extrem intensiv geschrieben und ich habe mich immer wieder total darin verloren. Es ist meiner Meinung nach ein sehr gut geschriebener Roman. Vor allem weil die Autorin nicht nur ihr Handwerk versteht, sondern weil sie auch das Talent hat, die Geschichte erzählen zu lassen, wie die Mechanismen funktionieren, die hier den Missbrauch möglich machen. Wie perfide Strain vorgeht um seinen Missbrauch an Vanessa ihr gegenüber als etwas anderes darzustellen. Die Autorin beschönigt nicht, was hier passiert. Aber sie beschreibt auch Vanessas Gefühlsleben, man versteht, was hier vorgegangen ist. Man versteht die Manipulationen die ein Erwachsener vorgenommen hat um sich selbst davor zu schützen jemals für seine Tat belangt zu werden.


    Ist das Buch daher kaum zu ertragen? Ja und nein. Ja, weil es einfach furchtbar ist zu lesen, was dieser Mann getan hat und wie er immer wieder den Spieß umdreht und sich als Opfer darstellt, während Vanessa plötzlich schuld daran sein soll, wenn er vom Dienst suspendiert und angeklagt wird. Er verdreht die Wahrheit immer wieder so stark, redet ihr ein das sie alles in der Hand hätte. Das sie entscheidet, wärend er nur das tut was sie möchte. In solchen Momenten kann ich das Buch nur schwer ertragen, weil mir klar ist, das ist realistisch beschrieben. Das ist keine Geschichte, sondern ein Lehrer der seine Schülerin missbraucht und es ihr als Romantik verkauft.

    Selbst als Erwachsene fällt es ihr weiterhin schwer diese Zeit wirklich ein zu ordnen. Man merkt das sie große psychische Probleme hat und auch Probleme damit, eine Beziehung zu führen. Sie kann sich nicht eingestehen was passiert ist. Aber sie will es auch nicht. Das merkt man und gleichzeitig merkt man, das sie als 16 Jährige schon immer wieder verstanden hat, das sie sich nicht wohl fühlt, das es nicht in Orndung ist, was ihr Lehrer gerade mit ihr macht. Aber sie war längst in seinem Netzt eingewoben. Sie hatte nie eine Chance, sie kennt nur seine Wahrheit und da er ihr jedes Wort im Mund herumgedreht ist, hört sie nicht auf ihre innere Stimme, sondern nur auf seine. Das konnte sie aber nicht durchschauen.


    Selbst die Schule hilft hier nicht. Ich habe mich grade total aufgeregt. Denn es gab schon einmal eine Untersuchung, kurz nach dem Vanessa die Schule verlassen hat. Doch eigentlich hat niemand wirklich etwas untersucht. Alles wirkt oberflächlich und plötzlich ist Vanessa diejenige die im Grunde von der Schule fliegt (nicht offiziell, aber so wie sie behandelt wird, ist es eine indirekte Aufforderung bevor es offiziell werden würde, was in ihre Schulakte käme). Beim ersten Gespräch, ist der Englischlehrer sogar mit im Raum. Ich mein hallooo????


    Die Autorin beschreibt auf jedenfall auch welche Strukturen in unserer Gesellschaft solchen Missbrauch eigentlich unterstützen und begünstigen das Täter*innen nicht angeklagt werden. Auch weil immer noch so viele Institutionen wegschauen und die Täter*innen Jahrzehnte lang geschützt haben, statt die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Vanessas ehemalige Schule ist ein Beispiel dafür.


    Vanessa ist im übrigen auch nicht ganz einfach zu lesen. Sie ist nicht so geschrieben, das sie automatisch sympathisch ist. Viel mehr wird deutlich, das die Ereignisse sie psychisch verändert haben. Ohne das ihr das wirklich klar ist. So geht sie in eine Therapie, weil sie über ihren toten Vater sprechen möchte. Hat aber noch nie darüber gesprochen, was in ihrer Schulzeit passiert ist.

    Sie spricht davon, das der Lehrer sie wirklich geliebt hat. Sie sei kein Opfer. Und sie hat auch eine sehr schwierige Auffassung von sexueller Gewalt und Missbrauch. Denn an einer Stelle spricht sie davon, das Frauen jetzt jedes Missgeschick offen legen, das ihnen je widerfahren ist. Hallo??? Missgeschick??? Man versteht warum sie das so sehen muss, aber es ist trotzdem schwer zu ertragen. Die Autorin macht es mir als Leserin definitiv nicht einfach. Aber es ist gerade deshalb eines der besten Bücher die ich in letzter Zeit gelesen habe und vielleicht das beste Buch, das ich bisher zu diesem Thema in Romanform gelesen habe.

  • HoldenCaulfield : Ja, das Buch ist sehr intensiv geschrieben. Schreiben kann Ms. Russell auf jeden Fall.

    Ich finde, Vanessas Entwicklung lässt sehr viel Spielraum für Deutungen offen. Vor allem, dass ihr allmählich bewusst wird, dass sie missbraucht worden ist.

    Ich bleibe gespannt, was du noch dazu schreiben wirst.

  • Für mich ist das Buch momentan fast unerträglich gut. Ich denke darüber werde ich noch sehr lange nachdenken.


    @Lykantrophin ich finde man merkt wie traumatisiert sie ist, deshalb ist ihre Entwicklung auch zum Teil widersprüchlich.

    Was mir persönlich a sehr zusagt, ist das die Autorin auch klar macht, daß jede Person der Missbrauch widerfahren hat, selbst entscheidet wem und wann sie davon erzählt und das sie nur an die Öffentlichkeit damit gehen soll, wenn sie das wirklich möchte.

    Ich bin für Vanessa momentan froh das sie ihre Therapeutin hat. Ich hoffe das sie sich weiteren Menschen öffnen kann. Egal in welcher Form.

  • Ich spreche übrigens ständig mit diesem Buch... Geht nicht anders, immer wieder beschreibt die Autorin die verschiedenen Gesellschaftlichen Strukturen, die erst möglich gemacht haben, das die Überlebenden von Sexueller Gewalt so lange geschwiegen haben. Vor allem Frauen. Es gibt so viele verschiedene Gründe die diese Rape Culture mit unterstützt haben. Selbst Menschen, die das nicht böse gemeint haben, sondern sich als verständnisvoll geben.


    Ein Beispiel: Vanessa macht ein Praktikum bei einem Lyrikverlag. Vor einer Lesung wird ihr geraten sich von dem Dichter fern zu halten, da er in der Vergangenheit übergriffiges Verhalten gezeigt hat.

    Vanessa! soll etwas tun, statt das der Verlag sich überlegt, ob sie noch mit so einem Mann zusammen arbeiten wollen...


    Ich glaube hätte ich das Buch physisch hier, wäre es bald voll mit lauter Gedanken meinerseits. Ich überlege tatsächlich es mir auch noch mal als Hardcover zu kaufen. Andererseits glaube ich eigentlich nicht, das ich das Buch noch mal lesen kann.

    Der Roman haut mich echt um. Ich denke ständig an ihn und schleiche um die Handlung herum, zerrlege sie in alle Einzelteile und möchte am liebsten hingehen und alle die dazu beigetragen haben, das Straine ungeschoren davon kam, zur Verantwortung ziehen. Es macht mich so unglaublich wütend, gerade weil mir klar ist, das diese Szenarien absolut die Realität spiegeln.

  • Ich habe den Roman heute beendet und es ist und bleibt kein einfach zu lesendes Buch. Nicht nur wegen der Thematik an sich, sondern auch, weil die Autorin es uns als Leser*innen nicht einfach macht. Auch was das Ende betrifft. Wer ein inspirierendes Happy End erwartet ist hier falsch. Viel mehr bietet die Autorin den Raum für Eigenreflektion und die kann auch schmerzhaft sein. Wir als Gesellschaft müssen uns ändern und nicht die Betroffenen. Wir als Gesellschaft müssen endlich verstehen, wie es dazu kommt, das die Täter*innen geschützt werden und auch wenn Metoo eine öffentliche Debatte losgetreten hat, es hat sich nach wie vor noch viel zu wenig verändert.

    Wer wirklich verstehen möchte, was Täter*innen Menschen antun, der findet in diesem Roman eine mögliche Antwort von vielen. Einen Blickwinkel, der aber verstörend realistisch ist. Ja, es tut weh Meine dunkle Vanessa zu lesen. Aber vielleicht rüttelt das umso mehr auf und lässt auch das eigene Denken und (nicht)handeln hinterfragen.


    5ratten

  • Was meinst du dazu?

  • @Lykantrophin

    Ich hab mal deinen ganzen Eintrag als Spoiler gesetzt.

  • HoldenCaulfield: Zu deinem letztem Satz: